Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Mai 2017 - I ZR 154/15
vorgehend
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Mai 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Koch, Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke und den Richter Feddersen
beschlossen:
Gründe:
- 1
- Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge ist in der Sache nicht begründet.
- 2
- I. Der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG ist durch das Senatsurteil vom 6. Oktober 2016 nicht verletzt.
- 3
- 1. Der Senat hat ausgeführt, eine Abwägung der im Streitfall zu berücksichtigenden Grundrechtspositionen - einerseits der für die Klägerin sprechende Eigentumsschutz gemäß Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta und Art. 14 Abs. 1 GG, andererseits der zugunsten des Anschlussinhabers wirkende Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 7 EU-Grundrechtecharta und Art. 6 Abs. 1 GG - führe zu dem Ergebnis, dass es dem Anschlussinhaber nicht zumutbar sei, ihm die Untersuchung des Computers seines Ehegatten im Hinblick auf die Existenz von Filesharing-Software abzuverlangen. Das Berufungsgericht habe allerdings die Pflichten eines Anschlussinhabers zu weitgehend eingeschränkt , indem es eine Untersuchung des vom Anschlussinhaber selbst genutzten Computers nicht für erforderlich gehalten habe. Das Urteil erweise sich jedoch aus anderen Gründen als richtig, weil der Beklagte nach den Feststel- lungen des Berufungsgerichts hierzu vorgetragen und angegeben habe, auf seinem Computer sei keine entsprechende Software vorhanden gewesen.
- 4
- 2. Die Klägerin macht geltend, mit diesen Ausführungen habe der Senat ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in zweifacher Hinsicht verletzt.
- 5
- a) Zum einen sei der Senat davon ausgegangen, der gegebenenfalls zu untersuchende Computer habe der Ehefrau des Beklagten gehört. Die Klägerin habe jedoch vorgetragen, es habe sich bei dem fraglichen Computer um einen von den Eheleuten gemeinsam genutzten Rechner gehandelt. In der Revisionsbegründung sei auf den Inhalt des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht verwiesen worden, in der der Beklagte diesen Umstand eingeräumt habe. Diesen Vortrag, bei dessen Beachtung eine weitergehende Untersuchungspflicht des Beklagten nicht hätte verneint werden können, habe der Senat übergangen.
- 6
- b) Zum anderen habe der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht ausweislich des Protokolls angegeben, die Abmahnung an die Rechtsanwälte weitergegeben, sich damit nicht weiter beschäftigt und auch seinen PC nicht untersucht zu haben. Das Protokoll sei im Berufungsurteil ausdrücklich in Bezug genommen und damit Teil des Tatbestands des Berufungsurteils geworden. Der Senat habe den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt, indem er sich auf Feststellungen des Berufungsgerichts bezogen habe, denen zufolge der Beklagte vorgetragen und angegeben habe, auf seinem Computer sei keine entsprechende Software vorhanden gewesen. Der Beklagte habe in der mündlichen Verhandlung aber lediglich erklärt, er habe keine Filesharing-Software auf den Rechnern installiert; dies sei mit der vom Senat zugrunde gelegten Angabe nicht gleichbedeutend. Die Klägerin habe nicht damit rechnen müssen, dass sich der Senat maßgeblich auf Tatsachen stützen werde, die vom Berufungsgericht nicht festgestellt worden seien und deren Gegenteil sich aus der protokollierten Parteivernehmung ergeben habe. Hätte der Senat einen nach § 139 Abs. 1 ZPO gebotenen Hinweis dazu erteilt, dass er auf diesen Aspekt maßgeblich abstellen wolle, hätte die Klägerin Gelegenheit gehabt, auf den gegenteiligen Inhalt der Parteivernehmung und die entsprechende Bezugnahme in der Revisionsbegründung hinzuweisen.
- 7
- 3. Die Gehörsrüge der Klägerin ist unbegründet.
- 8
- a) Die Bestimmung des Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern, und dass das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht (BVerfGE 86, 133, 144; BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1712). Hingegen ist es nicht erforderlich, alle Einzelpunkte des Parteivortrags ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 96, 205, 216 f.; BGH, Beschluss vom 24. Februar 2005 - III ZR 263/04, NJW 2005, 1432 f.). Die Partei hat auch keinen Anspruch darauf, dass das Gericht sich in dem von ihr für richtig erachteten Sinn mit ihrem Vorbringen befasst (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 2011 - I ZB 68/10, GRUR 2012, 314 Rn. 12 - Medicus.log; Beschluss vom 3. April 2014 - I ZR 137/12, MarkenR 2014, 343 Rn. 2 - BAVARIA).
- 9
- b) Danach liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin nicht vor. Der Senat hat sich mit dem von der Klägerin als übergangen gerügten Sachvortrag befasst, ihn jedoch nicht für durchgreifend erachtet.
- 10
- aa) Soweit die Klägerin mit der Anhörungsrüge geltend macht, der Senat habe Vortrag dazu übergangen, dass der Beklagte und seine Ehefrau den stationären Computer gemeinsam genutzt hätten, verweist die Anhörungsrüge auf Vortrag im zweiten Absatz auf Seite 15 der Revisionsbegründung. An dieser Stelle findet sich der in Bezug genommene Vortrag jedoch nicht; die Anhörungsrüge bezieht sich hier nach dem inhaltlichen Zusammenhang erkennbar auf den ersten Absatz der genannten Seite der Revisionsbegründung.
- 11
- Auf diesen als übergangen gerügten Vortrag kam es jedoch für die Senatsentscheidung nicht an. Zunächst ist festzuhalten, dass sich die rechtliche Prüfung an der maßgeblichen Stelle des Senatsurteils (Rn. 25 bis 27) nicht auf in der Darlegungs- und Beweislast der Klägerin liegende Umstände bezog, sondern darauf, ob der Beklagte der ihm als Anschlussinhaber obliegenden sekundären Darlegungslast zu der Frage genügt hat, ob und gegebenenfalls welche Personen selbständigen Zugang zum Internetanschluss besaßen und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kamen. In diesem Zusammenhang hat der Senat ausgeführt, dass es nach dem Ergebnis der durchzuführenden Grundrechtsabwägung dem Beklagten nicht zumutbar war, den Computer seiner Ehefrau auf die Existenz von Filesharing-Software hin zu untersuchen. Für dieses Ergebnis ist nicht relevant, ob nicht nur die Ehefrau, sondern auch der Beklagte diesen Computer genutzt hat, wie von ihm im Rahmen seiner persönlichen Anhörung durch das Berufungsgericht angegeben. Gegen die Feststellung des Berufungsgerichts (S. 4 des Berufungsurteils), der Beklagte habe erstinstanzlich vorgetragen, seine Ehefrau habe über einen eigenen Computer Zugang zum Internet gehabt, hat die Revision der Klägerin keine Rügen erhoben; solches macht auch die Anhörungsrüge nicht geltend. Für die Revision war danach davon auszugehen, dass es sich bei dem fraglichen Computer um denjenigen der Ehefrau handelte.
- 12
- bb) Soweit die Anhörungsrüge die Angaben des Beklagten im Rahmen seiner persönlichen Anhörung durch das Landgericht als übergangen ansieht, er habe die Abmahnung an die Rechtsanwälte weitergegeben und sich nicht weiter damit beschäftigt, er habe auch nicht seinen PC untersucht, liegt ebenfalls kein Verstoß gegen das rechtliche Gehör der Klägerin vor. Betroffen ist hier wiederum kein in der Darlegungs- und Beweislast der Klägerin liegender Umstand , sondern die Frage, ob der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast als Anschlussinhaber genügt hat. Gegen die Feststellung des Berufungsgerichts (S. 4 des Berufungsurteils), der Beklagte habe erstinstanzlich vorgetra- gen, auf seinem Computer - nach dem inhaltlichen Zusammenhang des im Berufungsurteil in Bezug genommenen erstinstanzlichen Urteils handelte es sich um ein vom Beklagten auf berufliche Fahrten mitgenommenes Notebook - sei keine Filesharing-Software vorhanden gewesen, hat die Revision keine Rügen erhoben; die Anhörungsrüge macht solches auch nicht geltend. Dieser Vortrag war somit in der Revisionsinstanz zugrunde zu legen. Den Inhalt der persönlichen Anhörung des Beklagten hat der Senat insoweit ebenfalls gewürdigt; er steht dem gefundenen Ergebnis jedoch nicht entgegen.
- 13
- II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Schwonke Feddersen
Vorinstanzen:
AG Braunschweig, Entscheidung vom 27.08.2014 - 117 C 1049/14 -
LG Braunschweig, Entscheidung vom 01.07.2015 - 9 S 433/14 (59) -
ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Mai 2017 - I ZR 154/15
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Mai 2017 - I ZR 154/15
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenBundesgerichtshof Beschluss, 18. Mai 2017 - I ZR 154/15 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn
- 1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und - 2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.
(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.
(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.
(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.
(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.
(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Kosten des Rügeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Gründe:
I.
Die Klägerin hat in dem vorausgegangenen Rechtsstreit d as beklagte Bundesland auf Ersatz von Vermögensverlusten wegen der Versagung einer Kiesabbaubewilligung in Anspruch genommen. Ihre Revision gegen die im Berufungsrechtszug erfolgte Klageabweisung hat der Senat durch Urteil vom 9. Dezember 2004 zurückgewiesen (für BGHZ bestimmt). Das Urteil ist den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 5. Januar 2005 zugestellt worden.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit einer am 18. Januar 2005 beim Bundesgerichtshof eingegangenen Gehörsrüge gemäß § 321a ZPO in der Fassung des Anhörungsrügengesetzes vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I
S. 3220). Sie trägt vor, der erkennende Senat habe im Revisionsurteil ihre Verfahrensrügen zu dem Vorwurf sachfremder Behandlung ihres Bewilligungsantrags durch das Bergamt des beklagten Landes nicht vollständig erfaßt und beschieden.
II.
Die Anhörungsrüge ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Der Senat sieht keine durchgreifenden Bedenken gegen die Statthaftigkeit des eingelegten Rechtsbehelfs, obwohl das angegriffene Urteil bereits mit seiner Verkündung am 9. Dezember 2004 und sonach vor Inkrafttreten des Anhörungsrügengesetzes am 1. Januar 2005 rechtskräftig geworden ist.
a) Die Novelle hat die bis dahin nur gegen nicht beru fungsfähige Urteile erster Instanz gegebene Möglichkeit, eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör zu rügen (§ 321a Abs. 1 ZPO i.d.F. des Zivilprozeßreformgesetzes vom 27. Juli 2001, BGBl. S. 1887), durch Änderung des § 321a Abs. 1 ZPO auf alle mit Rechtsbehelfen nicht mehr anfechtbare gerichtliche Entscheidungen erweitert. Das gilt deshalb auch für die nach streitiger mündlicher Verhandlung ergangenen, sofort rechtskräftig werdenden Revisionsurteile. Übergangsvorschriften enthält das Gesetz nicht. Es ist daher durch Auslegung nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Zivilprozeßrechts zu bestimmen, ob die Neuregelung auch zuvor schon rechtskräftig gewordene Urteile erfaßt. Die Frage ist zu bejahen.
b) Die Statthaftigkeit eines unter der Herrschaft neue n Rechts eingelegten Rechtsmittels bestimmt sich - ebenso wie dessen sonstige Zulässigkeitsvoraussetzungen - regelmäßig nach dem geänderten Recht (vgl. BGH, Beschluß vom 25. November 1977 - I ARZ 584/77 - NJW 1978, 427; Beschluß vom 25. Januar 1978 - IV ZB 10/77 - NJW 1978, 889 f.; RGZ 135, 121, 123; RG JW 1925, 362, 363; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 22. Aufl., § 1 EGZPO Rn. 4 m.w.N.). Das gilt im allgemeinen indes nur für anhängige Verfahren. Bereits rechtskräftige Urteile werden mit einer Änderung des Rechtsmittelszuges grundsätzlich nicht anfechtbar (BGHZ 3, 82, 85; BAG AP Nr. 5 zu § 123 ArbGG 1953; Stein/Jonas/Schlosser, aaO). Es kann in der Regel nicht angenommen werden, daß die durch ein rechtskräftiges Urteil eingetretene definitive Feststellung der Rechtsverhältnisse und die Erledigung des Rechtsstreits nachträglich wieder umgestoßen werden sollen. Das würde einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechtskraft darstellen, die über die Belange der siegreichen Partei hinaus auch im öffentlichen Interesse an der Erhaltung des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit schützenswert ist. Eine Ausnahme kann allerdings dann gerechtfertigt sein, wenn besonders zwingende, den Erwägungen der Rechtssicherheit übergeordnete Gründe dazu Anlaß geben, etwa dann, wenn wirtschaftliche und soziale Mißstände zu beseitigen sind (BGHZ aaO S. 85 ff.).
c) Eine solche Ausnahmesituation ist hier gegeben. Desweg en kann auch auf sich beruhen, ob diese Grundsätze einschränkungslos für sämtliche Rechtsbehelfe gelten. Das Interesse an einer Verteidigung der eingetretenen Rechtskraft ist unter den besonderen Voraussetzungen der Anhörungsrüge schon nicht schutzwürdig, weil diese nur dann begründet ist, wenn das Gericht das Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 321a Abs. 1 Nr. 2 ZPO). In diesem Falle müßte die Entscheidung gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, §§ 90 ff. BVerfGG
die Entscheidung gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, §§ 90 ff. BVerfGG - Annahmegründe im Sinne des § 93a BVerfGG vorausgesetzt - jedenfalls auf Verfassungsbeschwerde der beschwerten Partei aufgehoben werden. Es geht daher nicht wie sonst um eine Abgrenzung zwischen den im Ansatz gleichermaßen schützenswerten Geboten der Rechtssicherheit und der Einzelfallgerechtigkeit, sondern allein oder zumindest weit überwiegend um die (Kompetenz-)Frage, ob eine Abhilfe durch das Bundesverfassungsgericht erfolgen muß oder ob sie bereits im Rahmen der fachgerichtlichen Prüfung vorgenommen werden kann.
Diese Frage hat das Plenum des Bundesverfassungsgerichts mit Beschluß vom 30. April 2003 (1 PBvU 1/02, BVerfGE 107, 395, 401 ff. = NJW 2003, 1924 ff.) grundsätzlich im Sinne eines Vorrangs des von den Fachgerichten zu gewährenden Rechtsschutzes beantwortet. Danach sichert der allgemeine Justizgewährungsanspruch als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips Rechtsschutz gegen eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in jeder gerichtlichen Instanz, also auch dann, wenn das Verfahrensgrundrecht erstmalig in einem Rechtsmittelverfahren verletzt wird. Die Verfahrensordnung muß in diesem Fall eine eigenständige gerichtliche Abhilfemöglichkeit vorsehen. Lediglich für eine Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2004 war dieser bis dahin verfassungswidrige Zustand noch hinzunehmen (BVerfGE 107, 395, 418).
Die Novellierung des § 321a ZPO durch das Anhörungsrüge ngesetz dient der Umsetzung dieses Beschlusses (BT-Drucks. 15/3706 S. 1, 13). Die Gehörsrüge einer Partei hindert den Eintritt der Rechtskraft nicht. Erst wenn sich herausstellt, daß die Rüge begründet ist, wird - ähnlich einer Wiedereinsetzung oder Wiederaufnahme des Verfahrens (BT-Drucks. 15/3706 S. 14,
17) - die Rechtskraft durchbrochen und das Verfahren fortgesetzt. Was für vor dem Ende der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Übergangsfrist rechtskräftig gewordene Urteile gelten soll, wenn die Frist zur Erhebung der erweiterten Anhörungsrüge beim Inkrafttreten der Novelle noch nicht abgelaufen war oder diese - wie im Streitfall - überhaupt erst nach dem 1. Januar 2005 beginnen konnte, läßt sich weder der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts noch den Gesetzesmaterialien eindeutig entnehmen. Vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Lage und der nur noch für eine Übergangszeit hinzunehmenden Rechtsschutzlücken in der fachgerichtlichen Prüfung ist indes davon auszugehen, daß der Gesetzgeber den nicht zuletzt der Entlastung des Bundesverfassungsgerichts dienenden Vorgaben in dem Plenarbeschluß des Gerichts jedenfalls in zeitlicher Hinsicht soweit wie möglich Rechnung tragen, d.h. die neue Gehörsrüge auch rückwirkend auf alle bei Einhaltung der Rügefristen des § 321a Abs. 2 ZPO n.F. (zwei Wochen ab Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs, spätestens ein Jahr seit Bekanntgabe der Entscheidung ) noch angreifbaren Entscheidungen erstrecken wollte. Eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung war dafür nicht erforderlich (anders wohl Stein/Jonas/Schlosser, aaO, § 1 EGZPO Rn. 1 m.w.N.).
2. Die damit statthafte und auch im übrigen zulässige Gehörsrüge ist jedoch unbegründet. Die Gerichte sind nach Art. 103 Abs. 1 GG nur verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hingegen ist es nicht erforderlich, alle Einzelpunkte des Parteivortrags in den Gründen des Urteils auch ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 96, 205, 216 f.). Der Senat hat im Urteil vom 9. Dezember 2004 die jetzt von der Anhörungsrüge der Klägerin umfaßten Revisionsangriffe in vollem Umfang geprüft, selbst wenn dies in den Entscheidungsgründen seines Urteils nur knapp angemerkt und im übrigen auf § 564 ZPO verwiesen worden ist, und diese Revisi-
merkt und im übrigen auf § 564 ZPO verwiesen worden ist, und diese Revisionsrügen sämtlich für nicht durchgreifend erachtet. Von einer ergänzenden Begründung sieht er auch in diesem Verfahrensabschnitt in entsprechender Anwendung des § 564 ZPO ab. Weder aus § 321a Abs. 4 Satz 5 ZPO, nach dem der Beschluß kurz begründet werden soll, noch unmittelbar aus dem Verfassungsrecht ergibt sich eine Verpflichtung zu einer weitergehenden Begründung der Entscheidung. Ansonsten hätte es eine Partei in der Hand, mittels einer Anhörungsrüge nach § 321a ZPO die Bestimmung des § 564 ZPO im Revisionsverfahren auszuhebeln. Dem entspricht es, daß nach der Gesetzesbegründung auch eine Gehörsrüge gegen die Entscheidung über eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht dazu eingelegt werden kann, eine Begründungsergänzung herbeizuführen (BT-Drucks. 15/3706 S. 16).
Schlick Wurm Kapsa
Dörr Galke
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)