Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 526/08

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 27. November 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Brandstiftung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. November 2008

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 11. Juli 2008 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Seine weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Brandstiftung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Der Angeklagte wendet sich mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts vor allem gegen den Strafausspruch; sein Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte zündete in drei Fällen Kraftfahrzeuge an. Am 2. April 2007 hielt er aus Langeweile sein Feuerzeug an einen auf der Straße abgestellten Lastkraftwagen. Als Teile des Fahrzeugs selbständig brannten, alarmierte er die Feuerwehr und half beim Löschen. Am 25. Oktober 2007 zündete er, einer spontanen Idee folgend, ein Personenkraftfahrzeug auf dem Gelände eines Autohändlers an. Während dieses Auto ausbrannte, half er bei der Bergung eines daneben stehenden Fahrzeugs. Abermals aus Langeweile entzündete der Angeklagte am 25. Dezember 2007 Kunststoffteile an einem auf der Straße parkenden Personenkraftfahrzeug, die schließlich brannten. Der hinzukommende Eigentümer konnte eine weitere Ausbreitung des Feuers verhindern. Ferner setzte der Angeklagte am 24. Oktober 2007 einen an ein Gartenhaus angebauten Schuppen in Brand, da er sich über die Eigentümer geärgert hatte und ihnen Schaden zufügen wollte. Wie von ihm gewollt, brannten Schuppen und Gartenhaus nieder. Zuvor hatte sich der Angeklagte versichert, dass sich dort keine Menschen aufhielten.
4
2. Der Rechtsfolgenausspruch hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Revision hat mit einer letztlich zulässig erhobenen Verfahrensrüge Erfolg, mit der sie eine Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht geltend macht.
5
Sie beanstandet zu Recht, dass das Landgericht bei der Bemessung der Einzelstrafen ohne vorherigen Hinweis strafschärfend Sachverhalte berücksichtigt hat, hinsichtlich derer in der Hauptverhandlung nach § 154 Abs. 2 StPO verfahren wurde (vgl. BGHSt 31, 302, 303; BGHR StPO § 154 Abs. 2 Hinweispflicht 1, 2 und 3; BGH StV 2000, 656). Durch die Verfahrenseinstellung wird regelmäßig ein Vertrauen des Angeklagten darauf begründet , dass ihm der ausgeschiedene Prozessstoff nicht mehr angelastet werde. Deswegen gebieten es die faire Verfahrensgestaltung, aber auch der Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs, vor einer dennoch beabsichtigten nachteiligen Verwertung einen Hinweis zu erteilen, um den Vertrauenstatbestand wieder zu beseitigen (BGHSt 30, 197; BGHR § 154 Abs. 2 Hinweispflicht 4; BGH StV 2004, 162). Ein solcher Hinweis ist aber nicht erfolgt.
6
Er war auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Im Hinblick auf den von der Staatsanwaltschaft am ersten Hauptverhandlungstag gestellten Antrag nach § 154 Abs. 2 StPO beschränkte das Landgericht bereits vor dem stattgebenden Beschluss zumindest teilweise die Beweisaufnahme auf die nicht von dem Antrag betroffenen Taten. Vor diesem Hintergrund durfte der Ange- klagte nach Erlass des Einstellungsbeschlusses darauf vertrauen, dass die eingestellten Taten nicht verwertet werden würden. Zwar hat der Angeklagte die Taten – wie das Urteil ausweist – gestanden. Deshalb konnte das Verteidigungsverhalten des Angeklagten zu den Tatvorwürfen durch die Beschränkung nicht beeinflusst werden. Doch war der Hinweis erforderlich, um dem Angeklagten Gelegenheit zu geben, durch Anträge auch zum Schuldgehalt der von der Einstellung betroffenen Taten auf die Strafhöhe Einfluss zu nehmen (vgl. BGH StV 2000, 656).
7
Auf dem Verfahrensverstoß beruht der Strafausspruch auch. Anders als der Generalbundesanwalt sieht der Senat in der Begründung der Strafzumessung keinen nur überflüssigen, aber letztlich unschädlichen Verweis auf die eingestellten Taten (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 16. April 2007 – 5 StR 335/06). Das Landgericht stellt vielmehr ausdrücklich die strafschärfende Wirkung von fünf der eingestellten Taten fest, die es auch hinsichtlich des verursachten Sachschadens gewichtet. Hieran anknüpfend wertet es sodann nachteilig, dass der Angeklagte in einem Zeitraum von über einem Jahr Unruhe und Angst verbreitet hat (UA S. 7). Dies stützt sich nicht nur auf die abgeurteilten Taten, wie schon deren nur acht Monate umfassender Zeitraum belegt, sondern bezieht auch die eingestellten Taten mit ein.
8
Da der Strafausspruch schon insoweit keinen Bestand haben kann, bedarf es eines Eingehens auf die weiteren, gegen den Strafausspruch gerichteten Verfahrensrügen nicht.
9
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die Begründung der vom Landgericht angenommenen uneingeschränkten Schuldfähigkeit des Angeklagten revisionsrechtlicher Prüfung nicht standgehalten hätte. Da eine Aufhebung der Schuldfähigkeit sich nach den Feststellungen jedoch sicher ausschließen lässt, berührt dieser Mangel den Schuldspruch nicht.
10
Das Landgericht geht im Anschluss an den vom Gericht hinzugezogenen Sachverständigen vom Vorliegen einer dissozialen Persönlichkeitsstörung bei dem nicht vorbestraften Angeklagten aus, die nur in Verbindung mit „massiven konstellativen Faktoren wie starker Trunkenheit“ das Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit begründen könne. Diese Wertung und die Einordnung der starken Trunkenheit als schwere andere seelische Abartigkeit sind bereits für sich genommen zweifelhaft. Darauf kommt es aber nicht an, da die Anknüpfungspunkte für die Wertung lückenhaft sind. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Persönlichkeit des Angeklagten und seiner Entwicklung findet nicht statt (vgl. BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 4, 9, 16, 24, 29). Angesichts der aus der Darstellung der persönlichen Verhältnisse ersichtlichen Besonderheiten – der nicht minderbegabte Angeklagte besuchte eine Förderschule und steht seit Jahren unter Betreuung, die während des Tatzeitraums erweitert worden ist – hätte es einer eingehenderen Erörterung bedurft, ob die Schuldfähigkeit aufgrund einer schweren anderen seelischen Abartigkeit erheblich vermindert war. Hierbei wären auch das Tatbild, die darin zum Ausdruck kommende Affinität des Angeklagten zu Feuer sowie das unmittelbare Nachtatverhalten des Angeklagten besonders in den Blick zu nehmen gewesen. Soweit das Landgericht hierzu im Anschluss an den Sachverständigen lediglich ausführt, dass „Gefühle der Wut oder des Hasses … keine Kriterien der Pyromanie“ seien, gehen diese Ausführungen hinsichtlich der drei Brandstiftungen an den Kraftfahrzeugen ins Leere. Denn solche Motive oder auch andere offensichtliche und erkennbare Motive im Sinne der Nr. 1 der diagnostischen Leitlinien des ICD-10 zu F 63.1 sind hierzu jedenfalls nicht festgestellt (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 30. September 2008 – 5 StR 305/08).
11
Zudem lässt sich den Urteilsgründen nicht nachvollziehbar entnehmen , wieso das Landgericht dem im Ermittlungsverfahren beauftragten, hinsichtlich der Diagnose abweichenden psychiatrischen Gutachten nicht zu folgen vermochte. Es hat ausführlich unter Aufzählung der Anknüpfungstatsachen dargestellt, dass dieses frühere Gutachten von einer „testpsycholo- gisch nachweisbaren kombinierten Persönlichkeitsstörung“ ausgegangen sei, die zu einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit bei den Taten geführt habe. Das Landgericht erkennt zwar zutreffend, dass dies eine Wertung der abweichenden Anknüpfungspunkte und Darlegungen der Sachverständigen erfordert hätte, wird diesen Anforderungen aber nicht gerecht. Vielmehr beruft es sich auf die Zuverlässigkeit und Erfahrung des vom Gericht hinzugezogenen Gutachters und negiert im Anschluss an ihn lediglich die Diagnose des früheren Gutachtens ohne Darstellung oder Auseinandersetzung mit den hierfür ausschlaggebenden Kriterien.
12
Sollte das neue Tatgericht – was ungeachtet des bisherigen Ergebnisses nicht fern liegt – zur gesicherten Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit gelangen, wird es auch § 63 StGB in den Blick zu nehmen haben.
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Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Nov. 2008 - 5 StR 526/08 zitiert 6 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

5 StR 335/06

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 16. April 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. April 2007 beschlossen
:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 13. Juni 2006 wird nach § 349 Abs. 2
StPO als unbegründet verworfen.
2. Von der Auferlegung von Kosten und Auslagen wird abgesehen.
G r ü n d e
1 Das Landgericht hat den zu den Tatzeiten 16-jährigen Angeklagten
wegen Mordes sowie wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung
eines weiteren Urteils (Jugendstrafe von sechs Monaten) zu einer einheitlichen
Jugendstrafe von zehn Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich
der Angeklagte mit Verfahrensrügen und der näher begründeten Sachrüge.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2 1. Die Jugendkammer hat folgende Feststellungen getroffen:
3 a) Am späten Abend des 17. Juni 2005 gerieten der angetrunkene
Angeklagte und der gesondert Verfolgte S. auf dem Gelände einer Tankstelle
in Berlin-Zehlendorf mit dem ersichtlich betrunkenen Bundeswehrsoldaten
T. aus nichtigem Anlass in einen Streit, bei dem T.
den Angeklagten als „Hurensohn“ und „Nigger“ beschimpfte. Der über
die Beleidigungen aufgebrachte Angeklagte versetzte dem T.
zwei Faustschläge in das Gesicht, nahm ihn in den „Schwitzkasten“ und
schlug ihm mit der Faust auf den Kopf. Auch S. versetzte dem Geschädigten
mehrere Faustschläge in das Gesicht. Anschließend kniete sich der
Angeklagte mit einem Bein auf den Brustkorb des T. und schlug
ihm mehrmals heftig mit der Faust in das Gesicht, bis er sich nicht mehr regte.
S. und der Angeklagte versetzten ihm sodann noch Fußtritte gegen
den Kopf. Schließlich trat der Angeklagte wuchtig und nach oben ausholend
mit dem Fuß in das Gesicht des Geschädigten, wobei er äußerte: „Jetzt
weißt du es“.
4 T. erlitt nicht konkret lebensgefährliche Hirnblutungen,
Hämatome, eine Gehirnerschütterung und Frakturen an der Nase. Die Verletzungen
heilten nach stationärer Behandlung und einem operativen Eingriff
folgenlos aus. Gegen den Angeklagten erging Haftbefehl bei gleichzeitiger
Aussetzung der Vollstreckung. Die Haftverschonung dauerte bei Begehung
der Folgetat an.
5 b) Etwa seit 2002 gab sich der Angeklagte – angeregt durch Filme mit
sadistischen Tötungsszenen – Tötungsphantasien hin; darin nahm er zunehmend
die Täterrolle ein. Die Vorstellung, einen anderen Menschen zu
töten, bereitete ihm Vergnügen, weswegen er sich entschloss, dies in die Tat
umzusetzen. Er plante, sich zunächst ein Kind als Opfer auszuwählen, da
ihm dieses weniger Widerstand leisten würde.
6 In der Nacht zum 27. August 2005 konsumierte der Angeklagte Alkohol
, Amphetamine und Marihuana, auch schlief er nicht. Er war verstimmt, da
ihn das Verhalten seiner Freundin eifersüchtig gemacht hatte, versöhnte sich
aber mit ihr noch am Vormittag. Danach traf er auf einem Spielplatz unweit
seines Wohnortes auf den ihm bekannten sieben Jahre alten Nachbarjungen
C. . Da der Junge allein war, beschloss der Angeklagte, seine Tötungsphantasien
mit ihm als Opfer umzusetzen, was ihn in Erregung versetzte.
Er lockte C. zu einem in der Nähe gelegenen Gelände, welches mit
Bäumen bewachsen und daher kaum einsehbar war. C. ging vertrauensvoll
mit. ... [Dort tötete er C., was im Beschluss näher ausgeführt wird.]
7 Die sachverständig beratene Jugendkammer konnte nicht ausschließen
, aber auch nicht sicher feststellen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten
bei beiden Taten erheblich vermindert war. Hierzu hat sie bei der
gefährlichen Körperverletzung auf die Wirkung des Alkoholkonsums im Zusammenspiel
mit einer Impulskontrollstörung, bei der Tötung des siebenjährigen
Kindes auf die von Übermüdung sowie einer akuten Drogen- und Alkoholintoxikation
bestimmte psychische Verfassung in Verbindung mit einer
nachlassenden Eifersuchtsreaktion abgestellt.
8 2. Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.
9 a) Zwar beanstandet die Revision zu Recht, dass den in der Hauptverhandlung
anwesenden erziehungsberechtigten Großeltern des Angeklagten
vor Urteilsverkündung am 13. Juni 2006 – nach Wiedereintritt in die Beweisaufnahme
das letzte Wort nicht, wie erforderlich, ausdrücklich gewährt worden ist. Jedoch
kann der Senat ein Beruhen des Urteils auf diesem Verfahrensfehler
verneinen. Die gebotene Auslegung des freilich ungeschickt und nachlässig
gefassten Protokolls ergibt eben noch ausreichend (vgl. BGHSt 13, 53, 59;
BGH NStZ 2005, 280; BGH, Urteil vom 30. März 2004 – 5 StR 410/03), dass
den Erziehungsberechtigten am vorangegangenen Sitzungstag das letzte
Wort gewährt worden war, sie jedoch davon keinen Gebrauch gemacht hatten.
Angesichts dieses Umstands ist auszuschließen, dass die Großeltern
nach zwischenzeitlich erfolgter nur kurzer Beweisaufnahme und Verhandlung
ohne den Verfahrensverstoß von ihrem ihnen bereits bekannten Recht
Gebrauch gemacht und – abweichend von ihrem Verhalten im gesamten vorangegangenen
Verfahren – etwas ausgeführt hätten, was Schuld- oder
Strafausspruch zu Gunsten des Angeklagten beeinflusst hätte.
10 b) Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs greift nicht durch. Zwar
enthalten die Urteilsausführungen zur Bemessung der Jugendstrafe eine wegen
des nicht erfolgten Hinweises auf die mögliche Verwertung bedenklich
formulierte Bezugnahme auf einen gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellten
Anklagevorwurf. Indes ergibt sich aus dem Zusammenhang, dass dem Angeklagten
nicht dieser eingestellte Vorwurf oder Umstände desselben zur
Last gelegt worden sind. Vielmehr hat die Strafkammer im Rahmen der Gewichtung
der Schwere der Schuld gewürdigt, dass sich der Tatanreiz nicht für
den Angeklagten überraschend ergeben hat. Dies wiederum hat sie mit seiner
Einlassung zur ausgeurteilten Tat und ihrer Vorgeschichte – Tötungsphantasien
, gedankliche Planung der Tötung eines Menschen – begründet
und dabei lediglich in überflüssiger, letztlich aber unschädlicher Weise, im
Wesentlichen ergänzend erläuternd, auf den eingestellten Vorwurf verwiesen.
Das schulderschwerend gewertete, vom Angeklagten eingestandene
Element ist hiervon unabhängig. Ein Beruhen der Straffindung auf dem geltend
gemachten Verstoß scheidet angesichts des gegebenen Zusammenhangs
jedenfalls aus.
11 3. Auch die Sachrüge dringt nicht durch.
12 a) Das Tatgericht hat die Tötung des siebenjährigen Jungen zu Recht
als Mord gewürdigt. Die Feststellungen tragen die Annahme, dass der Angeklagte
heimtückisch und aus Mordlust gehandelt hat. Entgegen der Ansicht
der Revision schließt der festgestellte psychische Zustand des Angeklagten
nicht die Annahme des Mordmerkmals „aus Mordlust“ aus. Der Angeklagte
handelte mit direktem Tötungsvorsatz allein aus Freude an der Vernichtung
eines Menschenlebens, weder lag in der Person des Opfers oder in der besonderen
Tatsituation ein anderer Anlass für die Tatbegehung vor, noch war
mit der Tötung ein darüber hinausgehender Zweck verbunden. Die Voraussetzungen
des Mordmerkmals der Mordlust werden durch gegebene triebhafte
oder gefühlsmäßige Regungen nicht in Frage gestellt (vgl. BGHR StGB
§ 211 Abs. 2 Mordlust 1; Schneider in MüKo-StGB § 211 Rdn. 51).
13 b) Der Senat nimmt die Beurteilung der Schuldfähigkeit durch die Jugendkammer
hin. Der Ausschluss von Schuldunfähigkeit und die – wenngleich
teils schwer nachvollziehbar begründete – Zubilligung der Voraussetzungen
des § 21 StGB sind im Ergebnis ersichtlich zutreffend. Allerdings
vermag die – freilich im Einklang mit der Beurteilung durch den psychiatrischen
Sachverständigen stehende – Verneinung der Voraussetzungen einer
schweren anderen seelischen Abartigkeit des Angeklagten bei dem Tatbild
und sämtlichen festgestellten Begleitumständen des Mordes nicht zu überzeugen.
Eine insoweit abweichende Beurteilung, die naheläge, würde indes
ersichtlich auch nur zur Anwendung des § 21 StGB führen und den Strafausspruch
für sich nicht in Frage stellen. Durchgreifenden Anlass, maßgeblich
nur die Frage einer möglichen Unterbringung des Angeklagten im psychiatrischen
Krankenhaus nochmals tatgerichtlicher Prüfung zu unterstellen, sieht
der Senat unter Berücksichtigung der bisherigen Untersuchungsergebnisse
des Sachverständigen auf die Revision des Angeklagten hin nicht.
14 c) Die Jugendkammer hat die Grundlagen für die Verhängung von Jugendstrafe
– in der Tat zum Ausdruck gekommene schädliche Neigungen
und die Schwere der Schuld des Angeklagten – rechtsfehlerfrei angenommen.
Auch die Bemessung der Jugendstrafe hält revisionsgerichtlicher Prüfung
stand.
15 aa) Die Strafzumessungserwägungen weisen aus, dass die Jugendkammer
bei der Verhängung der Höchststrafe in erster Linie auf die für die
Beurteilung der Schuld entscheidenden Gesichtspunkte abgestellt hat. Dies
begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Insbesondere liegt hierin kein
Verstoß gegen § 18 Abs. 2 JGG, wonach die Jugendstrafe so zu bemessen
ist, dass die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist.
16 Denn dies bedeutet nicht, dass die Erziehungswirksamkeit als einziger
Gesichtspunkt bei der Strafzumessung heranzuziehen ist. So ist die Verhängung
einer Strafe im oberen Bereich des gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 JGG eröffneten
Strafrahmens – wovon die Jugendkammer hier selbst ausgegangen
ist – in aller Regel allein mit dem Erziehungsgedanken nicht mehr zu begründen
(BGHR JGG § 18 Abs. 2 Strafzwecke 1, 4, 5). Allerdings sind
daneben auch andere Strafzwecke, bei einem Kapitalverbrechen namentlich
das Erfordernis gerechten Schuldausgleichs, zu beachten. Schon deshalb
durfte die Jugendkammer die Verhängung der Höchststrafe hier maßgeblich
mit der „höchst schweren Schuld“ begründen und musste nicht näher darlegen
, dass erzieherische Zwecke gerade dieses Strafmaß erforderten (vgl.
BGH, Beschlüsse vom 4. Dezember 1996 – 3 StR 471/96 und 23. Oktober
1997 – 5 StR 486/97). Die strafmildernden Wirkungen des Geständnisses
, der erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit und des überaus unglücklich
verlaufenen Werdeganges des Angeklagten standen bei der ganz
außergewöhnlichen Schwere der Taten, namentlich des Mordes, der Verhängung
der Höchststrafe nicht entgegen.
17 Erziehungsgedanke und Schuldausgleich stehen hier zudem nicht
einmal in einem gravierenden Spannungsverhältnis. Die charakterliche Haltung
und das Persönlichkeitsbild, wie sie in der Tat zum Ausdruck gekommen
sind, erweisen sich für die Bewertung der Schuld als ebenso bedeutsam
wie für das Erziehungsbedürfnis (vgl. BGH NStZ-RR 1996, 120). Die in den
Taten deutlich gewordenen tiefgreifenden Persönlichkeitsdefizite des Angeklagten
begründen offensichtlich allerhöchsten Therapie- und damit einhergehend
höchsten Erziehungsbedarf. Der Jugendstrafvollzug wird in außergewöhnlicher
Weise, naheliegend sehr mittel- und zeitaufwendig, gefordert
sein, wirksame therapeutische Maßnahmen zur Beeinflussung der schwer
gestörten Persönlichkeit des in massivster Weise sittlich verwahrlosten Angeklagten
zu finden und anzuwenden.
18 bb) Eine unzulässige Doppelverwertung liegt nicht vor; § 46 Abs. 3
StGB ist bei der Bemessung von Jugendstrafe nicht anwendbar (vgl. BGH
NStZ-RR 1997, 21, 22; Brunner/Dölling, JGG 11. Aufl. § 18 Rdn. 8 m.w.N.).
Einer ausdrücklichen Erörterung der erzieherischen Wirkung der bereits vollzogenen
Untersuchungshaft auf den Angeklagten, der bisher lediglich einen
fast vierwöchigen Dauerarrest verbüßt hatte, bedurfte es angesichts der tiefgreifenden
Persönlichkeitsdefizite nicht.
19 4. Über die nicht nachvollziehbare Ablehnung der beantragten Einziehungsentscheidung
hatte der Senat nicht zu befinden.
Basdorf Häger Gerhardt
Raum Jäger

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.