Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Jan. 2011 - 5 StR 515/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
a) hinsichtlich der Angeklagten R. und E. jeweils im Schuldspruch, wobei die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten bleiben;
b) hinsichtlich des Angeklagten S. im Strafausspruch.
2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden als unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen, bezüglich des Angeklagten S. jedoch mit der Klarstellung, dass er wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt ist.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
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- Das Landgericht hat die Angeklagten wegen „gemeinschaftlicher versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung“ zu Freiheitsstrafen von neun Jahren (S. ) sowie von jeweils sechs Jahren und sechs Monaten (R. und E. ) verurteilt. Die An- geklagten wenden sich gegen die Verurteilung und machen die Verletzung formellen (S. und E. ) und materiellen Rechts geltend. Die Revisionen erzielen den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
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- 1. Nach den Feststellungen suchten die mehrfach, auch einschlägig vorbestraften Angeklagten am 1. Februar 2010 den Nebenkläger B. in seiner Wohnung auf; der Angeklagte S. beabsichtigte, den Nebenkläger aus Verärgerung über eine frühere Bemerkung „zu schlagen und Geld von ihm zu verlangen“ (UA S. 8). R. und E. hatte er „zur Unterstützung und Einschüchterung“ (UA S. 9) zu dem Treffen mitgenommen. Indes vermochte die Strafkammer nicht festzustellen, dass diese um das geplante Vorgehen wussten. Seinem Vorhaben entsprechend versetzte der Angeklagte S. dem Nebenkläger unter Verwendung von „Quarzhandschuhen“ mehrere Faustschläge ins Gesicht. Während der Schläge saßen R. und E. auf der Couch „gleich links neben der Tür“ des etwa zwölf Quadratmeter großen Zimmers des Nebenklägers und beobachteten das Geschehen. Immer noch verärgert nahm S. ein Messer von der Ablage unter dem Couchtisch und stach den Nebenkläger in die linke Schulter und den rechten Oberschenkel. Er forderte von B. „einen Schein“, womit er die Zahlung von 1.000 Euro meinte, „oder ihm würden die Finger abgeschnitten. Zur Untermauerung seiner Forderung ergriff er die Hand B. s, legte sie auf den Schreibtisch und setzte das Messer so an die Finger des Nebenklägers, als wenn er sie abschneiden wollte“ (UA S. 10). Dies veranlasste R. , S. vom Nebenkläger wegzuziehen, während E. dem S. das Messer abnahm. Um den Nebenkläger herumstehend, fragten ihn nun alle drei Angeklagten, ob er zahlen werde. Aus Angst vor weiteren Misshandlungen schlug der Nebenkläger eine Zahlung am 16. Februar 2010 vor, weil er dann erst wieder Geld erhalte, und zeigte gleichzeitig eine bis auf wenige Cent leere Geldbörse vor. Die Fragen von S. und R. , ob er irgendwo anders noch Geld habe, verneinte er. S. ließ sich auf eine spätere Zahlung ein und betonte drohend , dass er wisse, wo die Mutter und die Schwester des Nebenklägers wohnten. E. und R. „untermauerten“ die Forderung des S. , indem sie äußerten, B. solle lieber zahlen, „weil ihm andernfalls die Finger abgeschnitten würden“ und auch seine Mutter und seine Schwester zu leiden haben würden (UA S. 11). Zu einer Geldübergabe kam es letztlich nicht, weil der Nebenkläger die Polizei informierte.
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- 2. Die Verurteilung der Angeklagten E. und R. wegen mittäterschaftlicher Beteiligung an den Straftaten hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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- Das Landgericht nimmt sukzessive Mittäterschaft an: E. und R. hätten die Körperverletzungshandlungen des S. gesehen und dessen von Drohungen begleitete Geldforderung vernommen. Nach ihrem Einschreiten , das lediglich der Verhinderung des Abschneidens der Finger des Nebenklägers gegolten habe, hätten sie die Forderung des S. „untermauert“. Insoweit hätten sie „mehrere Tatbeiträge geleistet, um den Angeklagten S. zu Unrecht zu bereichern“ (UA S. 23).
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- a) Diese Erwägungen tragen ersichtlich nicht die Annahme einer mittäterschaftlichen Beteiligung der Angeklagten E. und R. an der Körperverletzung. Sukzessive Mittäterschaft ist nur gegeben, wenn jemand in Kenntnis und Billigung des von einem anderen begonnenen Handelns in das tatbestandsmäßige Geschehen als Mittäter eingreift und er sich – auch stillschweigend – mit dem anderen vor Beendigung der Tat zu gemeinschaftlicher weiterer Ausführung verbindet (BGH, Urteil vom 22. April 1999 – 4 StR 3/99, NStZ 1999, 452, 453 mwN). Die Körperverletzungshandlungen zum Nachteil des Nebenklägers waren indes – wozu R. und E. durch ihr Eingreifen beigetragen hatten – im Zeitpunkt ihres Tätigwerdens zur verbalen Verstärkung der Geldforderung des S. bereits beendet.
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- Die Tatbeiträge von E. und R. zu der Körperverletzung könnten allenfalls in einer psychischen Unterstützung des S. liegen. Die Strafkammer hat insoweit festgestellt, dass sich der Nebenkläger auch durch die Angeklagten E. und R. bedroht gefühlt habe. „Er sah sie im Lager des Angeklagten S. , zumal sie weder verbal noch sonst Anstalten machten, S. von den Schlägen abzuhalten“ (UA S. 10). Erstreckt sich der Gehilfenbeitrag jedoch – wie vorliegend – auf bloßes „Dabeisein“, bedarf es sorgfältiger und genauer Feststellungen darüber, dass dadurch die Tatbegehung in ihrer konkreten Gestalt objektiv gefördert oder erleichtert wurde und dass der Gehilfe sich dessen bewusst war (BGH, Beschluss vom 13. Januar 1993 – 3 StR 516/92, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Unterlassen 5). Insbesondere zur subjektiven Seite verhält sich das Urteil indes nicht, so dass eine entsprechende Abänderung des Schuldspruchs durch den Senat nicht möglich war.
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- b) Auch die Annahme einer Mittäterschaft von E. und R. an der räuberischen Erpressung – wobei ihnen der im Zeitpunkt ihrer Unterstützungshandlungen bereits beendete Einsatz des Messers nicht zuzurechnen wäre – wird von den Feststellungen nicht getragen. Ob ein Tatbeteiligter als Mittäter eine Tat begeht, ist nach den gesamten Umständen, die von der Verurteilung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte für die Beurteilung können gefunden werden im Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, im Umfang der Tatbeteiligung und in der Tatherrschaft oder wenigstens im Willen zur Tatherrschaft, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 1993 – 1 StR 742/93, BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 14 st. Rspr.).
- 8
- Aus den Feststellungen ergibt sich indes, dass E. und R. kein eigenes Interesse an der Tat hatten, deren „Nutznießer“ alleine S. sein sollte (UA S. 26). Dieser hatte auch die Idee zur Tat und bestimmte deren „Ob“. Auf das „Wie“ der Tat machten E. und R. nur insoweit einen maßgeblichen gestalterischen Einfluss geltend, als sie den weiteren Mes- sereinsatz verhinderten. Auch hinsichtlich der versuchten räuberischen Erpressung hatten sie damit weder Tatherrschaft noch den Willen dazu. Bei der bloßen verbalen „Untermauerung“ der Geldforderung des Angeklagten S. handelt es sich vielmehr um eine typische Beihilfehandlung.
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- 3. Die Aufhebung des Schuldspruchs gegen die Angeklagten E. und R. führt hier auch zur Aufhebung des Strafausspruchs bezüglich des Angeklagten S. . Die Strafkammer hat in seiner Person strafschärfend berücksichtigt, dass „er durch seine Tat zwei Straftaten jeweils in mehreren Alternativen verwirklicht hat“. Hinsichtlich der begangenen Körperverletzung bezog sich die Strafkammer dabei auch auf die Variante der gemeinschaftlichen Begehung, welche durch die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen nicht begründet ist.
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- Rechtlichen Bedenken begegnet insbesondere auch, dass die Strafkammer hinsichtlich der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung von der fakultativen Möglichkeit der Strafrahmenverschiebung nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB keinen Gebrauch gemacht hat. Die Wahl des Strafrahmens – die revisionsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist – hat aufgrund aller schuldrelevanten Umstände zu erfolgen, wobei den wesentlich versuchsbezogenen besonderes Gewicht zukommt, namentlich der Nähe zur Tatvollendung, der Gefährlichkeit des Versuchs und der eingesetzten kriminellen Energie (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 23 Rn. 4 mwN). Die Strafkammer hat in diesem Zusammenhang ausgeführt: „Zur Nähe der Tatvollendung war zu berücksichtigen, dass dem Geschädigten zwar eine Zahlungsfrist von zwei Wochen gewährt worden war, zwei Wochen Zeit zur Beschaffung von 1.000 Euro für einen Auszubildenden jedoch sehr kurzfristig ist, so dass hier durchaus von einer geringen Nähe zur Tatvollendung gesprochen werden kann“ (UA S. 29). Diese Begründung ist unschlüssig. Sie stellt auf die persönlichen Umstände des Nebenklägers ab, die gerade dagegen sprechen, dass er das Geld innerhalb der gesetzten Frist hätte aufbringen können und es somit zur Vollendung der Tat gekommen wäre. Nachdem sich eine unmittelbare Verwirklichung des Tatziels aufgrund der finanziellen Verhältnisse des Geschädigten nicht realisieren ließ und die Angeklagten die Wohnung verlassen hatten, lag eine Vollendung des Erpressungstatbestandes vielmehr fern. Daneben vermag der Senat nicht auszuschließen, dass die Strafkammer aufgrund der rechtlich unzutreffenden Würdigung der Teilnahmebeiträge der Angeklagten E. und R. von einer übersteigerten kriminellen Intensität der Tat ausgegangen ist und sich dies in der Versagung einer Strafmilderung ebenfalls ausgewirkt hat.
- 11
- Aufgrund der vorliegenden Wertungsfehler bedurfte es keiner Aufhebungen der Feststellungen bezüglich des Angeklagten S. . Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie den bislang getroffenen nicht widersprechen.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.
(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.
(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.
(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).
(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.