Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Sept. 2012 - 5 StR 401/12

bei uns veröffentlicht am12.09.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 401/12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 12. September 2012
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. September 2012

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 24. April 2012 nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben; der Angeklagte wird freigesprochen.
2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.

G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten – unter Freispruch im Übrigen – wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und mit sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zu seinem Freispruch.
2
1. Der Angeklagte lebt mit seiner Ehefrau und deren am 17. Mai 1999 geborener Tochter, der Zeugin M. K. , in einem gemeinsamen Haushalt. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils kam es dazu, dass der Angeklagte ihr unter das T-Shirt fasste und zur Befriedigung seiner sexuellen Interessen ihre unbedeckte linke Brust massierte. Als sie versuchte wegzulaufen, hielt der Angeklagte sie am Arm fest, um sie weiter an der Brust berühren zu können.
3
Ferner lag ihm zur Last, M. – erfolglos – aufgefordert zu haben, ihm ihr unbedecktes Geschlechtsteil zu zeigen. Insoweit hat das Landgericht den Angeklagten freigesprochen, da es nicht auszuschließen vermochte, dass er freiwillig vom Versuch des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern zurückgetreten sei. Darüber hinaus hat ihm die Anklage vorgeworfen, seiner Stieftochter bei zwei weiteren Gelegenheiten unter die Schlafanzughose an das unbedeckte Geschlechtsteil gegriffen zu haben, wobei er in einem Fall einen Finger in die Scheide des Kindes eingeführt habe. Hinsichtlich dieser beiden Anklagepunkte ist das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt worden.
4
2. Von dem zur Verurteilung führenden Tatgeschehen hat sich das Landgericht auf der Grundlage der Aussage des Kindes bei der Ermittlungsrichterin überzeugt, die durch Vernehmung der Richterin in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist. M. K. sowie ihre Mutter, Großmutter und Schwester haben in der Hauptverhandlung jeweils von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Der Angeklagte hat sich nicht zur Sache geäußert. Weitere unmittelbare Tatzeugen gibt es nicht. Ihrer Tante hatte M. lediglich berichtet, dass der Angeklagte sie aufgefordert habe, sich ihm nackt zu zeigen, damit er sehen könne, ob ihre Brüste und ihre Schambehaarung schon wüchsen (Freispruchsfall). Hinsichtlich der bei der Polizei zwei Tage vor ihrer richterlichen Vernehmung geschilderten weiteren Vorfälle gab sie gegenüber der Ermittlungsrichterin an, gelogen zu haben.
5
3. Da bereits die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils und zum Freispruch des Angeklagten führt, kommt es auf die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen nicht an. Hinsichtlich der Rüge der Verletzung des § 168c Abs. 5 Satz 1 StPO, weil der Angeklagte von der richterlichen Vernehmung seiner Stieftochter nicht rechtzeitig benachrichtigt wurde, merkt der Senat Folgendes an:
6
Allein das Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 168c Abs. 3 StPO, von dem das Landgericht ausgeht, machte die Benachrichtigung des Beschuldigten von dem Vernehmungstermin nicht entbehrlich, denn diese dient der Wahrung seiner Rechte auch über ein Ermöglichen des Erscheinens hinaus (vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2011 – 3 StR 34/11, StV 2011, 336; Urteil vom 11. Mai 1976 – 1 StR 166/76, BGHSt 26, 332). Aus demselben Grund ist es – entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts – auch unerheblich, dass sich der Angeklagte am Vernehmungstag bereits in Untersuchungshaft befand und nach § 168c Abs. 4 StPO nur dann einen Anspruch auf Anwesenheit bei der richterlichen Zeugenvernehmung gehabt hätte, wenn diese an der Gerichtsstelle des Ortes der Haft abgehalten worden wäre. Dass der Ausschlussgrund des § 168c Abs. 5 Satz 2 StPO vorgelegen hätte, ist nicht ersichtlich.
7
4. Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
8
a) In einem Fall, in dem Aussage gegen Aussage steht oder ein Angeklagter sich nicht einlässt und nur die Angaben einer einzigen Tatzeugin zur Verfügung stehen, mithin die Entscheidung allein davon abhängt, ob dieser einen Zeugin zu folgen ist, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass das Tatgericht alle Umstände, welche die Entscheidung beeinflussen können , erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 1997 – 2 StR 591/97, StV 1998, 250; Urteil vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 158 f.; BGH, Beschlüsse vom 22. April 1987 – 3 StR 141/87, vom 22. April 1997 – 4 StR 140/97 und vom 19. Oktober 2000 – 1 StR 439/00, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 1, 13, 23). Dies gilt erst recht im vorliegenden Fall, in dem die einzige, in der Hauptverhandlung die Aussage verweigernde Tatzeugin, bei ihrer richterlichen Vernehmung kurz zuvor bei der Polizei erhobene Vorwürfe nicht mehr aufrecht erhalten, sondern als erlogen bezeichnet hat. Hier muss das Tatgericht regelmäßig außerhalb der Zeugenaussage liegende gewichtige Gründe nennen, die es ihm ermöglichen, ungeachtet einer Teillüge der Zeugenaussage im Übrigen dennoch zu glauben (BGH, Urteil vom 29. Juli 1998 aaO). Diesen erhöhten Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
9
c) In ihrer ermittlungsrichterlichen Vernehmung hat M. angegeben, weitere Vorwürfe erlogen zu haben, da sie sich „am Papa habe rächen wollen , weil er sie immer so anschnauze. Papa habe ihr einmal auf dem Sofa an den Bauch gefasst. Zwischen die Beine oder an die Muschi habe er dabei nicht gefasst“ (UA S. 14). Dies erschüttert nach Auffassung des Landgerichts die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage hinsichtlich des Verurteilungsfalles jedoch nicht, denn die Zeugin habe „von sich aus“ offengelegt, „dass ein Teil der von ihr in Zusammenhang mit ihrer polizeilichen Vernehmung genannten Fälle gelogen waren“ (UA S. 16). Den Grund für ihr Lügen habe sie nachvollziehbar begründet. Dieses Aussageverhalten wertet die Strafkammer als Anhaltspunkt dafür, dass die Zeugin bei ihrer richterlichen Vernehmung „keine Tendenzen übermäßigen Belastungseifers“gezeigt habe (UA S. 17). Es sei- en keine Gründe erkennbar, warum sie gegenüber der Ermittlungsrichterin einen Teil der von ihr geschilderten Fälle als gelogen offenlegen sollte, während tatsächlich alle Fälle gelogen wären.
10
Diese Erwägungen greifen zu kurz. Die – vom Landgericht unterstellte – Lüge gerade hinsichtlich der gewichtigsten bei der Polizei erhobenen Vorwürfe stellte die Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin insgesamt in schwerwiegender Weise in Frage. Das Landgericht hat schon nicht geprüft, ob das Motiv der Rache auch für eine mögliche Falschbelastung des Angeklagten im Verurteilungsfall in Betracht kam. Wesentlich erschwerend tritt hinzu, dass das Tatgericht sich keinen unmittelbaren Eindruck von der Zeugin verschaffen und eine fundierte Glaubhaftigkeitsprüfung auf der Grundlage aussagepsychologischer Methoden nicht durchführen konnte, da hierfür im Hinblick auf die Geltendmachung des Zeugnisverweigerungsrechts durch die Zeugin zu wenig Aussagematerial zur Verfügung stand. Angesichts dessen konnte ihren übrigen Angaben vor der Ermittlungsrichterin nur dann gefolgt werden, wenn außerhalb ihrer Aussage Gründe von Gewicht für ihre Glaubhaftigkeit vorgelegen hätten. Solche sind in der Beweiswürdigung des Landgerichts nicht dargelegt.
11
5. Der Senat schließt angesichts der gegebenen Beweislage aus, dass ein neues Tatgericht zu einer Verurteilung des Angeklagten gelangen könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007 – 5 StR 494/06, StV 2007, 284, 286). Daher spricht der Senat den Angeklagten frei (§ 354 Abs. 1 StPO).
12
6. Für die Entscheidung über die Verpflichtung zur Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (§ 8 StrEG) ist das Landgericht zuständig, weil Art und Umfang der entschädigungspflichtigen Maßnahmen ohne weitere Feststellungen und ohne besondere Anhörung der Beteiligten nicht zu bestimmen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 1990 – 5 StR 601/89, NJW 1990, 2073 mwN).
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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen - StrEG | § 8 Entscheidung des Strafgerichts


(1) Über die Verpflichtung zur Entschädigung entscheidet das Gericht in dem Urteil oder in dem Beschluß, der das Verfahren abschließt. Ist die Entscheidung in der Hauptverhandlung nicht möglich, so entscheidet das Gericht nach Anhörung der Beteiligte

Strafprozeßordnung - StPO | § 168c Anwesenheitsrecht bei richterlichen Vernehmungen


(1) Bei der richterlichen Vernehmung des Beschuldigten ist der Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet. Diesen ist nach der Vernehmung Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären oder Fragen an den Beschuldigten zu stellen. U

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Bei der richterlichen Vernehmung des Beschuldigten ist der Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet. Diesen ist nach der Vernehmung Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären oder Fragen an den Beschuldigten zu stellen. Ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen oder Erklärungen können zurückgewiesen werden.

(2) Bei der richterlichen Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen ist der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten und dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet. Diesen ist nach der Vernehmung Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären oder Fragen an die vernommene Person zu stellen. Ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen oder Erklärungen können zurückgewiesen werden. § 241a gilt entsprechend.

(3) Der Richter kann einen Beschuldigten von der Anwesenheit bei der Verhandlung ausschließen, wenn dessen Anwesenheit den Untersuchungszweck gefährden würde. Dies gilt namentlich dann, wenn zu befürchten ist, daß ein Zeuge in Gegenwart des Beschuldigten nicht die Wahrheit sagen werde.

(4) Hat ein nicht in Freiheit befindlicher Beschuldigter einen Verteidiger, so steht ihm ein Anspruch auf Anwesenheit nur bei solchen Terminen zu, die an der Gerichtsstelle des Ortes abgehalten werden, wo er in Haft ist.

(5) Von den Terminen sind die zur Anwesenheit Berechtigten vorher zu benachrichtigen. In den Fällen des Absatzes 2 unterbleibt die Benachrichtigung, soweit sie den Untersuchungserfolg gefährden würde. Auf die Verlegung eines Termins wegen Verhinderung haben die zur Anwesenheit Berechtigten keinen Anspruch.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

5 StR 494/06

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 1. Februar 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Februar 2007

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 19. Juni 2006 gemäß § 349 Abs. 4 StPO dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte allein wegen Raubes mit Todesfolge verurteilt ist, und im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Die Sache wird zur Bemessung einer neuen Strafe, auch zur Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zum Wegfall der tateinheitlichen Verurteilung wegen Mordes. Die weitergehende Revision ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Jugendkammer des Landgerichts hat mit Urteil vom 3. Dezember 1996 zwei Mittäter der nämlichen Tat wegen „gemeinschaftlichen schweren Raubes in Tateinheit mit versuchtem Mord durch Unterlassen“ schuldig gesprochen und den erwachsenen Angeklagten N. zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren und den heranwachsenden Angeklagten S.
auch wegen weiterer – eher geringfügiger – Straftaten zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Die dagegen gerichteten Revisionen dieser Angeklagten hat der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes durch Beschluss vom 21. Mai 1997 – 3 StR 137/97 – gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Den Schuldsprüchen der Jugendkammer lagen Geständnisse der damaligen Angeklagten zugrunde, die in ihren Einlassungen den damals nicht auffindbaren jetzigen Angeklagten als alleinigen Verursacher sämtlicher Verletzungen des Verstorbenen bezeichnet hatten.
3
2. In weitestgehend wörtlicher Übereinstimmung mit den damaligen Feststellungen der Jugendkammer hat die Schwurgerichtskammer nunmehr folgende Feststellungen getroffen:
4
Der damals 22 Jahre alte Angeklagte durchwatete mit S. und N. am 24. Februar 1996 in Zittau von Polen kommend den Grenzfluss Neiße. Sie entschlossen sich, ein Fahrzeug zu entwenden, und warteten bis zum 27. Februar 1996 in einer G. gehörenden Gartenlaube in Eckartsberg auf eine Gelegenheit zum Diebstahl. G. fuhr zwischen 17.30 Uhr und 17.45 Uhr „mit seinem Pkw Peugeot 309 auf die Wiese vor seinem Gartengrundstück vor. Er stellte seinen Pkw ab und begab sich in Richtung seiner Laube. Der Angeklagte bemerkte dies und weckte die schlafenden N. und S. . Er teilte ihnen mit, dass nunmehr der Zeitpunkt gekommen sei, ein Fahrzeug zu besorgen. Alle drei beobachteten den Geschädigten G. . Sie fassten gemeinsam den Entschluss, den Mann zu überraschen, um sich des Fahrzeugs notfalls mit Gewalt, insbesondere durch Vorhalt eines aus einer zuvor aufgebrochenen Laube entwendeten Luftgewehrs und eines Küchenmessers sowie Fesseln des Geschädigten zu bemächtigen und mit dem Fahrzeug weiter in das Landesinnere gelangen zu können. Entsprechend dem zuvor gemeinsam gefassten Tatplan übergab der Angeklagte dem N. das Luftgewehr und nahm ein in der Laube vorgefundenes Küchenmesser an sich. Der Angeklagte durchschnitt den an der Laubentür angebrachten Klebestreifen, mit dem zuvor das selbstständige Aufgehen der nach außen zu öffnenden aufgebrochenen Laubentür verhindert worden war, und sicherte diese, indem er sie mit seinen Händen an sich zog. Gleichzeitig stellten sich N. und S. hinter den an der Tür stehenden Angeklagten und alle drei traten zusammen vor die Laube, als der Geschädigte G. im Begriff war, die Laubentür zu öffnen. N. stellte sich mit dem Luftgewehr vor den Geschädigten, während der Angeklagte hinter diesen trat und ihm sofort das mitgeführte Küchenmesser an die Kehle hielt. Er wollte die vom Geschädigten erwartete Flucht und Gegenwehr von vornherein im Keim ersticken. S. stellte sich etwa zwei Meter neben N. . Der Angeklagte verlangte von dem Geschädigten die Herausgabe der Autoschlüssel. Der völlig überraschte, durch die kräfte- und zahlenmäßige Überlegenheit und infolge des vorgehaltenen Messers und Luftgewehrs eingeschüchterte, zu keiner Gegenwehr fähige Geschädigte gab an, dass sich die Fahrzeugschlüssel im Wagen befinden würden. Der Angeklagte forderte S. auf, im Fahrzeug des Geschädigten nach dem Autoschlüssel zu sehen. Dieser weigerte sich und fragte N. , ob dieser das machen würde. N. übergab daraufhin das Luftgewehr an den Angeklagten und begab sich zu dem Fahrzeug des Geschädigten G. . Der Angeklagte schob den Geschädigten in die Laube …, fasste das Luftgewehr am Lauf und schlug dem Geschädigten für diesen und auch für den unmittelbar nach ihm in die Laube getretenen und daneben stehenden S. unerwartet zunächst einmal mit dem Gewehrkolben auf den Kopf, so dass der Geschädigte zu Boden ging. S. , der sich der Gefährlichkeit dieser Handlung für das Leben des Geschädigten G. bewusst war, rief dem Angeklagten zu, was er denn da mache. Der Angeklagte forderte ihn auf, ruhig zu sein und die Sachen einzusammeln. Er wisse, was zu machen sei. S. ließ den Angeklagten gewähren, begann die in der Laube herumliegenden Sachen zusammenzusuchen … Der Angeklagte schlug erneut mindestens dreimal auf den sich erhebenden Geschädigten mit dem Gewehrkolben ein … Der Angeklagte durchsuchte, wie von ihm beabsichtigt, die Taschen des Geschädigten und nahm die vorgefundenen Autoschlüssel sowie etwa 30 DM an sich. In der Zwischenzeit kam N. wieder in die Laube zurück und sah den im Ge- sicht blutenden Geschädigten G. am Boden liegen. Er bemerkte das am Kolben zerbrochene Luftgewehr und schloss daraus, dass der Geschädigte mit diesem niedergeschlagen worden war. N. schrie den Angeklagten an, was er gemacht habe, da auch er erkannte, dass dem Geschädigten lebensgefährliche Kopfverletzungen zugefügt wurden. Unbeeindruckt von N. s Reaktion trat der Angeklagte dem am Boden liegenden Geschädigten zweimal mit seinem beschuhten Fuß in das Gesicht. Auf die Frage des N. , warum er dies tue, antwortete der Angeklagte, dass dies geschehe , damit der Geschädigte nicht mehr aufstehe. Der Angeklagte schlug eine in der Nähe befindliche Bodenvase dem Geschädigten auf den Kopf, um sicher zu gehen, dass der Geschädigte nicht mehr in der Lage ist, bei der Polizei eine Anzeige zu erstatten, und um ohne jegliche Gegenwehr das Fahrzeug des Geschädigten in seine Gewalt zu bekommen. Zuletzt sprühte der Angeklagte dem am Boden liegenden Geschädigten den Inhalt einer mitgeführten Dose Reizgas in das Gesicht … Der Angeklagte und seine Mittäter schlossen die Tür der Laube und schoben die Bank davor, um den ursprünglichen äußeren Zustand wieder herzustellen und ein selbstständiges Aufgehen der Tür zu verhindern. Danach verließen sie mit dem Fahrzeug des Geschädigten die Gartenanlage und ließen den Geschädigten völlig hilflos zurück , um ihr Weiterkommen in das Landesinnere und damit den erfolgreichen Abschluss ihres Unternehmens zu sichern“ (UA S. 7 bis 9).
5
Gegen 18.00 Uhr des gleichen Tages verstarb G. infolge einer Einblutung in das Hirnkammersystem.
6
Der Angeklagte und die bereits Verurteilten fuhren nach Kehl. Dort stellten sie den Pkw ab. Nach einem kurzen Aufenthalt in Frankreich begehrten S. und N. am 1. März 1996 in Mannheim Asyl mit richtigen, zwei Tage später in Berlin unter falschen Namen. N. und S. wurden Ende April 1996 in Berlin verhaftet, nachdem festgestellt worden war, dass am Tatort aufgefundene Fingerabdrücke mit den ihren übereingestimmt hatten.
7
3. Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung eingeräumt, dass er an der Tat zum Nachteil des G. zusammen mit S. und N. beteiligt war, ohne hierzu nähere Angaben zu machen. Er hat in Abrede genommen, dass er „alles gemacht“ habe (UA S. 11). S. habe den Mann mit dem Gewehr mindestens einmal ins Gesicht geschlagen. Er hätte den Verletzten nicht liegen gelassen, wenn er nicht von S. mit einem Messer bedroht und hierdurch zum Wegfahren gezwungen worden wäre.
8
4. Das Landgericht hat sich von einer mittäterschaftlichen Beteiligung des Angeklagten am Raub des Pkw aufgrund vom Angeklagten stammender Spuren am Tatort und der Zeugenaussage des Haftrichters des Amtsgerichts Laufen überzeugt, demgegenüber der Angeklagte während der Vernehmung am 30. März 2005 den im Haftbefehl vom 7. Mai 1996 konkret aufgeführten Tatvorwurf des gemeinschaftlichen Raubes des Pkw unter Herbeiführung lebensgefährlicher Verletzungen des Eigentümers des Fahrzeugs als grundsätzlich richtig bestätigt hatte, allerdings mit der Einschränkung, dass nicht er, sondern S. das Opfer geschlagen habe. Der Angeklagte hat ferner erklärt , er sei während der Vorfälle zum Auto gelaufen, da er Angst bekommen habe. Nach vergeblicher Suche nach den Kfz-Schlüsseln sei er in die Laube zurückgegangen und habe den bereits schwer Verletzten zusammen mit den Landsleuten durchsucht und die Schlüssel gefunden. Die Mittäter hätten sich geweigert, das Opfer in ein Krankenhaus zu bringen. Den erst in der Hauptverhandlung erhobenen Einwand des Angeklagten, er sei zur Abfahrt gezwungen worden, hat das Landgericht – für sich rechtsfehlerfrei – als unschlüssige Schutzbehauptung widerlegt.
9
Solches trägt als Mindestfeststellung den Schuldspruch wegen Raubes mit Todesfolge gemäß § 251 StGB. Der Angeklagte hat in Verfolgung des auf gewaltsame Wegnahme eines Pkw gerichteten gemeinsamen Tatplanes die, wenn nicht von ihm, so jedenfalls im Rahmen verabredeter Gewaltausübung von einem Mittäter dem Gewahrsamsinhaber beigebrachten lebensgefährlichen Körperverletzungen dazu ausgenutzt, sich und die Tat- genossen in den Besitz des Kraftfahrzeugs zu bringen (vgl. BGHSt 48, 365, 366 f.). Durch das Ansichnehmen der Kfz-Schlüssel aus der Kleidung des dann zurückgelassenen Schwerverletzten hat sich deren Vorsatz – entsprechend der Version des Angeklagten – wenigstens sukzessiv auf die Gewalthandlung des Mittäters erstreckt (vgl. BGH NJW 1998, 3361, 3362; Tröndle /Fischer, StGB 54. Aufl. § 251 Rdn. 5). Der Angeklagte hat den Todeseintritt jedenfalls leichtfertig mit herbeigeführt (vgl. BGH aaO S. 3363).
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5. Die Revision ist indes erfolgreich, soweit sie die Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes angreift. Die diesem Schuldspruch zugrunde liegende Beweiswürdigung hat keinen Bestand.
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a) Das Landgericht hat sich ausschließlich anhand indirekter Beweismittel , der früheren Aussagen der Mittäter S. und N. als Beschuldigte und Angeklagte, eingeführt durch Verlesung der Beschuldigtenvernehmungen und des Urteils der Jugendkammer vom 3. Dezember 1996 sowie Vernehmung des ermittelnden Kriminalbeamten und zweier beisitzender Richter der Jugendkammer als Zeugen davon überzeugt, dass es allein der Angeklagte war, der gegen das Opfer sämtliche Verletzungshandlungen ausgeführt hat. S. wurde als Zeuge in Rumänien geladen. Gegenüber der Polizei hat er dort erklärt, dass er seiner früher gemachten Aussage nichts hinzuzufügen habe. Er hat sich geweigert, eine schriftliche Erklärung abzugeben. Auch der Verurteilte N. ist als Zeuge in Rumänien geladen worden. Er soll sich aber in Spanien – für das Gericht unerreichbar – aufhalten.
12
b) Der Senat ist nicht genötigt zu entscheiden, ob bei der vom Landgericht insoweit herangezogenen Beweislage eine Verurteilung wegen Mordes ohne Verstoß gegen Artikel 6 Abs. 3 lit. d in Verbindung mit Artikel 6 Abs. 1 MRK möglich ist (vgl. BGH NJW 2005, 1132; 2007, 237 zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt; EGMR NJW 2003, 2893, 2894; 2006, 2753, 2755 f.), weil die Beweiswürdigung des Landgerichts jedenfalls sachlichrechtlichen Anforderungen nicht entspricht.
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aa) Schon der Ausgangspunkt der Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet gewichtigen Bedenken. Die Schwurgerichtskammer würdigt die Einlassung der anderweitig Verurteilten im Stil von Zeugenaussagen (vgl. BGH NStZ 2001, 491, 492) und prüft, ob die ehemaligen Angeklagten etwas Selbsterlebtes wiedergegeben haben. Dies lässt besorgen, dass das Landgericht nicht hinreichend bedacht hat, dass am Tatort anwesend gewesene und gemeinsam geflüchtete Mittäter fraglos weitestgehend Selbsterlebtes bekunden können und es lediglich zu beurteilen gewesen ist, ob Mittäter gemeinsam oder einzeln dem Opfer die tödlichen Verletzungen beigebracht haben. Hinzu kommt, dass die vom Landgericht herangezogenen glaubhaftigkeitssteigernden Begleitumstände, die von den Verurteilten übereinstimmend in deren polizeilichen Vernehmungen geschildert worden sind (UA S. 28 f.: Tatzeit, Art der Verschließung der Laubentür, Äußerungen des Angeklagten nach der Tat, Fahrereigenschaft des Angeklagten) und das mit den bekundeten Belastungen der Verurteilten übereinstimmende Obduktionsergebnis für die ausschlaggebende Beurteilung einer möglicherweise alternativen Aufteilung der Tatausführungsbeiträge irrelevant sind.
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bb) Die Beweiswürdigung des Landgerichts erfüllt die sich aus der hier ebenfalls vorliegenden Konstellation Aussage-gegen-Aussage (vgl. BGH NStZ–RR 2002, 146 m.w.N.) ergebenden besonderen Erörterungspflichten nicht ausreichend. Die Schwurgerichtskammer hat nicht alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, in ihre Überlegungen einbezogen (vgl. BGHSt 44, 153, 158 f.).
15
Das Landgericht hat die den Beschuldigtenvernehmungen und Einlassungen der Verurteilten widersprechenden Aussagen vor dem jeweiligen Haftrichter nicht in die Würdigung miteinbezogen. N. hatte ursprünglich – wie jetzt teilweise der Angeklagte – angegeben, S. und der Angeklagte hätten G. getötet. S. hatte entgegen dem Beweisergebnis ausgesagt , er sei mit N. weggerannt und habe nicht mitbekommen, was in der Laube geschehen sei. Damit wäre zu beachten gewesen, dass die vom Landgericht aus den im Wesentlichen als übereinstimmend bewerteten Aussagen der Verurteilten in ihren polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen und Einlassungen als Angeklagte abgeleitete Aussagekonstanz zumindest so stark in Zweifel zu ziehen gewesen wäre, dass die vom Schwurgericht selbst festgestellten, sogar das Kerngeschehen berührenden Widersprüche (UA S. 30: Übernahme des Gewehrs durch den Angeklagten, Umfang der Wahrnehmungen des N. , Weigerung des S. , zum Pkw zu gehen, weiteres Tatmittel Bodenvase) nicht mehr mit einer Erinnerungslücke, fehlendem Belastungseifer oder Detailergänzungen hätten erklärt werden dürfen. Der Tatrichter wäre bei dieser Sachlage vielmehr genötigt gewesen, sämtliche Qualitätsmängel der Aussagen der Verurteilten in einer Gesamtschau daraufhin zu würdigen, ob sie in ihrer Häufung zu durchgreifenden Zweifeln an der Richtigkeit des Tatvorwurfs Anlass geben konnten (vgl. BGHR StPO § 261 Zeuge 3; Indizien 1, 7). Dabei wäre auch der Umstand heranzuziehen gewesen, dass die Verurteilten zu ihrem eigenen Vorteil deutsche Behörden unmittelbar nach der Tat durch Stellung von Asylanträgen unter falschen Namen zu täuschen in der Lage waren.
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cc) Soweit das Landgericht einen Hinweis auf die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Verurteilten darin erblickt, dass diese sich erheblich selbst belastet haben, steht solches in gewissem Widerspruch zu der im Urteil dargestellten , die Verurteilten stark belastenden Beweislage. S. und N. hatten am Tatort Fingerabdrücke hinterlassen. Der Todeszeitpunkt des Opfers stand im Einklang mit dem Verschwinden von dessen Pkw, der im weiteren Umkreis des Aufenthaltsorts der Verurteilten nach der Tat aufgefunden worden war. Als selbstbelastend konnte nur der aus der Zeit nach der unmittelbaren Tatausführung geschilderte Umstand bewertet werden, dass das Opfer noch gelebt habe, als die Verurteilten den Tatort verlassen und dabei nicht gewollt hatten, dass das Opfer zur Polizei hätte gehen können. Solches steht aber nicht im Zusammenhang mit der zu beurteilenden Zufügung der tödlichen Verletzungen.
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dd) Das Landgericht hat es schließlich unterlassen, bei der Wertung der Beweise auf die sich aus der Konstellation Aussage-gegen-Aussage in Kumulation mit dem geringeren Beweiswert der bloß zur Verfügung stehenden mittelbaren Aussagen ergebenden erhöhten Schwierigkeiten Bedacht zu nehmen (vgl. BGH NStZ 2004, 691, 692; NJW 2007, 237, 239 m.w.N.). Daneben hätte der Umstand kritischer Erörterung bedurft, dass sich S. , den der Angeklagte in seiner Einlassung belastet hat und der nach dem Beweisergebnis des Landgerichts während der Tatausführung anwesend war, ohne Grund der Zeugenrolle entzogen hat, ähnlich einem Zeugen, der § 55 StPO in Anspruch nimmt (vgl. BGHSt 47, 220, 223 f.).
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6. Der Senat schließt aus, dass ein neuer Tatrichter in der Lage sein wird, die aufgezeigten Schwierigkeiten der Beweisführung in dem Sinne überwinden zu können, dass eine Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes möglich sein wird. Demnach verbleibt es bei dem aufgrund der fehlerfrei getroffenen Mindestfeststellungen des Landgerichts (Ziffer 4 dieses Beschlusses ) sich ergebenden Schuldspruch wegen Raubes mit Todesfolge. Eine weitergehende Verurteilung ist bei der gegebenen Beweislage nicht möglich. Der Grundsatz in dubio pro reo nötigt bei den hier vorhandenen Mittätern zur Annahme, dass diese und nicht der Angeklagte das Opfer getötet haben (vgl. BGHR StPO § 261 in dubio pro reo 8).

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Der neue Tatrichter wird demnach auf Grundlage dieser Mindestfeststellungen nur noch die Strafe zu bestimmen haben. Einer Aufhebung von Feststellungen bedurfte es nicht. Zum Lebenslauf des Angeklagten dürfen ergänzende Feststellungen getroffen werden.
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(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Über die Verpflichtung zur Entschädigung entscheidet das Gericht in dem Urteil oder in dem Beschluß, der das Verfahren abschließt. Ist die Entscheidung in der Hauptverhandlung nicht möglich, so entscheidet das Gericht nach Anhörung der Beteiligten außerhalb der Hauptverhandlung durch Beschluß.

(2) Die Entscheidung muß die Art und gegebenenfalls den Zeitraum der Strafverfolgungsmaßnahme bezeichnen, für die Entschädigung zugesprochen wird.

(3) Gegen die Entscheidung über die Entschädigungspflicht ist auch im Falle der Unanfechtbarkeit der das Verfahren abschließenden Entscheidung die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung zulässig. § 464 Abs. 3 Satz 2 und 3 der Strafprozeßordnung ist entsprechend anzuwenden.