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Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 68/17
vom
11. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:110517B4STR68.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 11. Mai 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1b StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 20. Oktober 2016 im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach §§ 460, 462 StPO zu treffen ist. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen bleibt dem für das Nachverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zuständigen Gericht vorbehalten.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung sowie wegen Computerbetruges unter Auflösung der Gesamtstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Dortmund vom 8. August 2016 und unter Einbeziehung „der dort verhängten Einzelstrafen“ sowie der Freiheitsstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Schwelm vom 14. April 2016 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine hiergegen eingelegte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe aus den Einzelstrafen für die verfahrensgegenständlichen Taten und den gemäß § 55 Abs. 1 StGB einbezogenen weiteren Einzelstrafen begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
3
Die Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Schwelm vom 14. April 2016 (drei Monate Freiheitsstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung) und der Strafe aus dem Urteil des Landgerichts Dortmund vom 8. August 2016 (ein Jahr ein Monat Freiheitsstrafe) ist rechtsfehlerhaft, weil die zugrunde liegenden Taten am 15. Mai 2014 sowie am 10. Februar 2015 und damit vor dem rechtskräftigen und im Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch nicht erledigten Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 17. April 2015 begangen wurden. Da beide Taten in diesem früheren Erkenntnis geahndet werden konnten, kam den für sie verhängten Einzelstrafen im vorliegenden Verfahren gesamtstrafenrechtlich keine Bedeutung mehr zu, sodass für die Bildung einer Gesamtstrafe mit den Einzelstrafen für die am 7. Dezember 2015 begangenen verfahrensgegenständlichen Taten kein Raum war (vgl. BGH, Beschluss vom 23. März 2017 – 2 StR 484/16, Rn. 6; Beschluss vom 8. Juni 2016 – 4 StR 73/16, StraFo 2016, 348 mwN).
4
Soweit das Landgericht auch die Einzelstrafen für die Taten aus dem Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 17. April 2015 einbezogen hat (UA 22), fehlt es ebenfalls an der erforderlichen Gesamtstrafenlage (§ 55 Abs. 1 Satz 1 StPO), denn die verfahrensgegenständlichen Taten wurden nach diesem Urteil begangen.
5
2. Die aufgezeigten Rechtsfehler nötigen zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO Gebrauch, die Entscheidung über die zu bildende Gesamtstrafe dem Nachverfahren nach den §§ 460, 462 StPO zuzuweisen; das danach zuständige Gericht wird auch über die Kosten des Rechtsmittels zu entscheiden haben. Dabei wird das mit Blick auf die alleinige Revision des Angeklagten geltende Verbot der reformatio in peius (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) zu beachten sein, das im Falle der fehlerhaften nachträglichen Gesamtstrafenbildung den Angeklagten davor bewahrt, dass ihm der durch die fehlerhafte Anwendung des § 55 StGB erlangte Vorteil wieder genommen wird (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 2017 – 4 StR 388/16, Rn. 5; Beschluss vom 8. Juni 2016 – 4 StR 73/16, StraFo 2016, 348, 349; Urteil vom 3. November 1955 – 3 StR 369/55, BGHSt 8, 203, 205; vgl. auch BayObLG, Urteil vom 7. Oktober1970 – RReg. 5 St 95/70, NJW 1971, 1193).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

Strafprozeßordnung - StPO | § 358 Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung


(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte

Strafprozeßordnung - StPO | § 55 Auskunftsverweigerungsrecht


(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 462 Verfahren bei gerichtlichen Entscheidungen; sofortige Beschwerde


(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b d

Strafprozeßordnung - StPO | § 460 Nachträgliche Gesamtstrafenbildung


Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

6
b) Entgegen der Annahme des Landgerichts liegen die Voraussetzungen für eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung (§ 55 StGB) nicht vor, weil die Taten am 23. November 2009 und damit vor der noch unerledigten Vorverurteilung des Angeklagten durch das Amtsgericht Waldbröl vom 15. September 2010 begangen worden sind, das Zäsurwirkung entfaltet. Die unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Waldbröl vom 6. Januar 2010 gebildete Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr wurde im Jahr 2011 zwar teilweise vollstreckt; ein Strafrest ist jedoch durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer Dortmund zur Bewährung ausgesetzt und war im Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch nicht erlassen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 73/16
vom
8. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:080616B4STR73.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 8. Juni 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 4. September 2015, soweit es die Angeklagte betrifft, im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an das Amtsgericht Gelsenkirchen – Strafrichter – zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung und fahrlässiger Körperverletzung unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 17. Oktober 2014 zu der Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die nicht näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revi- sion der Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Strafausspruchs ; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Gesamtstrafenentscheidung des Landgerichts hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil die Strafkammer dem Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 17. Oktober 2014 zu Unrecht Zäsurwirkung beigemessen hat.
3
a) Wurde die neu abzuurteilende Tat zwischen zwei Vorverurteilungen begangen, die untereinander nach der Regelung des § 55 StGB gesamtstrafenfähig sind, darf aus der Strafe für die neu abgeurteilte Tat und der Strafe aus der letzten Vorverurteilung keine Gesamtstrafe gebildet werden. Der letzten Vorverurteilung kommt, da die Taten aus beiden Vorverurteilungen bereits in dem früheren Erkenntnis hätten geahndet werden können, gesamtstrafenrechtlich keine eigenständige Bedeutung zu (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2013 – 4 StR 356/13, NStZ-RR 2014, 74). Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unabhängig davon, ob eine nachträgliche Gesamtstrafe tatsächlich gebildet wurde (vgl. Beschlüsse vom 17. November 2015 – 4 StR 276/15, StraFo 2016, 82; vom 7. Mai 2013 – 4 StR 111/13, wistra 2013, 354; Urteil vom 12. August 1998 – 3 StR 537/97, BGHSt 44, 179, 180 f.; Beschluss vom 22. Juli 1997 – 1 StR 340/97, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 13) oder im Verfahren nach § 460 StPO noch nachgeholt werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Juli 2009 – 5 StR 269/09; vom 17. Juli 2007 – 4 StR 266/07, NStZ-RR 2007, 369 f.; vom 7. Dezember 1983 – 1 StR 148/83, BGHSt 32, 190, 193).
4
b) Bei der im angefochtenen Urteil vorgenommenen Gesamtstrafenbildung hat die Strafkammer übersehen, dass in dem Verfahren des Amtsgerichts Gelsenkirchen Az. 16 a Ds–40 Js 2487/12–262/12, in dem die Angeklagte zu der zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wurde, am 23. Januar 2014 ein Berufungsurteil des Landgerichts Essen erging, in welchem zumindest über die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung entschieden wurde. Nach dieser Berufungsentscheidung, die zu einem Teil der Straffrage ergangen ist, bestimmt sich nach der gesetzlichen Regelung des § 55 Abs. 1 Satz 2 StGB der Zeitpunkt der dieser Vorverurteilung zukommenden Zäsurwirkung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. November 2015 – 4 StR 407/15, NStZ-RR 2016, 75 [LS]; vom 30. Juni 1960 – 2 StR 147/60, BGHSt 15, 66, 69 ff.). Da die im einbezogenen Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 17. Oktober 2014 mit einer Bewährungsstrafe von sieben Monaten geahndete Tat am 14. Januar 2014, mithin vor dem Berufungsurteil des Landgerichts Essen vom 23. Januar 2014 begangen wurde, sind beide Vorverurteilungen der Angeklagten untereinander gesamtstrafenfähig. Demgegenüber wurde die im angefochtenen Urteil abgeurteilte Tat erst am 5. April 2014 und damit nach dem Berufungsurteil des Landgerichts Essen verübt, so dass eine nachträgliche Gesamtstrafe unter Einbeziehung der Vorverurteilung durch das Amtsgericht Gelsenkirchen vom 17. Oktober 2014 nicht in Betracht kommt.
5
2. Die im angefochtenen Urteil verhängte Einzelfreiheitsstrafe von sieben Monaten kann gleichfalls nicht bestehen bleiben. Das bei alleiniger Revision des Angeklagten zu beachtende verfahrensrechtliche Verbot der reformatio in peius aus § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO hat im Falle der fehlerhaften nachträglichen Gesamtstrafenbildung zur Folge, dass dem Angeklagten ein durch die fehlerhafte Anwendung des § 55 StGB erlangter Vorteil nicht mehr genommen werden darf (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Dezember 1995 – 2 StR 584/95, StV 1996, 265 [LS]; vom 11. Februar 1988 – 4 StR 516/87, BGHSt 35, 208, 212; Urteil vom 3. November 1955 – 3 StR 369/55, BGHSt 8, 203). Das Verschlech- terungsverbot führt hier dazu, dass die Einzelstrafe für die im angefochtenen Urteil neu abgeurteilte Tat und die zwingend nach § 460 StPO zu bildende Gesamtstrafe aus den Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 17. Oktober 2014 sowie dem Verfahren des Amtsgerichts Gelsenkirchen Az. 16 a Ds– 40 Js 2487/12–262/12 zusammen die Dauer von 17 Monaten (Summe der Gesamtstrafen von elf Monaten aus dem angefochtenen Urteil und von sechs Monaten aus dem vorbezeichneten Verfahren des Amtsgerichts Gelsenkirchen) nicht übersteigen dürfen. Da die Höhe der nunmehr im Verfahren nach § 460 StPO noch festzusetzenden nachträglichen Gesamtstrafe aus den sich aus den Vorverurteilungen ergebenden (Einzel-)Strafen offen ist, hebt der Senat, um jede Schlechterstellung der Angeklagten auszuschließen, den Einzelstrafausspruch mit auf. Der neue Tatrichter wird – zweckmäßigerweise nach Durchführung des Verfahrens zur nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 460 StPO – unter Beachtung des Verbots der reformatio in peius eine neue Einzelstrafe zu bestimmen haben.
6
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, aus denen sich ergibt, dass die Angeklagte bei Begehung der neuerlichen Tat in drei – nicht wie von der Strafkammer angenommen in vier – Verfahren unter Bewährung stand, können bestehen bleiben. Neu getroffene ergänzende Feststellungen dürfen den bisherigen nicht widersprechen.
7
3. Da sich das weitere Verfahren nur noch gegen eine Erwachsene richtet und die Strafgewalt des Strafrichters ausreicht, macht der Senat von seinem Ermessen Gebrauch (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 1994 – 4 StR 75/94, BGHR StPO § 354 Abs. 3 Zuständigkeit 1 mwN) und verweist die Sache an den Strafrichter des Amtsgerichts Gelsenkirchen zurück, der nach § 462a Abs. 3 Satz 1 StPO auch für die nach § 460 StPO vorzunehmende Gesamtstrafenbildung zuständig ist.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Bender

(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

5
b) Die Sache bedarf daher insoweit neuer Entscheidung. Dabei wird das mit Blick auf die alleinige Revision des Angeklagten geltende Verbot der reformatio in peius (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) zu beachten sein, das im Falle der fehlerhaften nachträglichen Gesamtstrafenbildung den Angeklagten davor bewahrt , dass ihm der durch die fehlerhafte Anwendung des § 55 StGB erlangte Vorteil wieder genommen wird (vgl. BGH, Urteil vom 3. November 1955 – 3 StR 369/55, BGHSt 8, 203, 205; Beschluss vom 8. Juni 2016 aaO; vgl. auch BayObLG, Urteil vom 7. Oktober 1970 – RReg, 5 St 95/70, NJW 1971, 1193).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 73/16
vom
8. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:080616B4STR73.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 8. Juni 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 4. September 2015, soweit es die Angeklagte betrifft, im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an das Amtsgericht Gelsenkirchen – Strafrichter – zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


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Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung und fahrlässiger Körperverletzung unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 17. Oktober 2014 zu der Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die nicht näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revi- sion der Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Strafausspruchs ; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Die Gesamtstrafenentscheidung des Landgerichts hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil die Strafkammer dem Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 17. Oktober 2014 zu Unrecht Zäsurwirkung beigemessen hat.
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a) Wurde die neu abzuurteilende Tat zwischen zwei Vorverurteilungen begangen, die untereinander nach der Regelung des § 55 StGB gesamtstrafenfähig sind, darf aus der Strafe für die neu abgeurteilte Tat und der Strafe aus der letzten Vorverurteilung keine Gesamtstrafe gebildet werden. Der letzten Vorverurteilung kommt, da die Taten aus beiden Vorverurteilungen bereits in dem früheren Erkenntnis hätten geahndet werden können, gesamtstrafenrechtlich keine eigenständige Bedeutung zu (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2013 – 4 StR 356/13, NStZ-RR 2014, 74). Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unabhängig davon, ob eine nachträgliche Gesamtstrafe tatsächlich gebildet wurde (vgl. Beschlüsse vom 17. November 2015 – 4 StR 276/15, StraFo 2016, 82; vom 7. Mai 2013 – 4 StR 111/13, wistra 2013, 354; Urteil vom 12. August 1998 – 3 StR 537/97, BGHSt 44, 179, 180 f.; Beschluss vom 22. Juli 1997 – 1 StR 340/97, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 13) oder im Verfahren nach § 460 StPO noch nachgeholt werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Juli 2009 – 5 StR 269/09; vom 17. Juli 2007 – 4 StR 266/07, NStZ-RR 2007, 369 f.; vom 7. Dezember 1983 – 1 StR 148/83, BGHSt 32, 190, 193).
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b) Bei der im angefochtenen Urteil vorgenommenen Gesamtstrafenbildung hat die Strafkammer übersehen, dass in dem Verfahren des Amtsgerichts Gelsenkirchen Az. 16 a Ds–40 Js 2487/12–262/12, in dem die Angeklagte zu der zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wurde, am 23. Januar 2014 ein Berufungsurteil des Landgerichts Essen erging, in welchem zumindest über die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung entschieden wurde. Nach dieser Berufungsentscheidung, die zu einem Teil der Straffrage ergangen ist, bestimmt sich nach der gesetzlichen Regelung des § 55 Abs. 1 Satz 2 StGB der Zeitpunkt der dieser Vorverurteilung zukommenden Zäsurwirkung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. November 2015 – 4 StR 407/15, NStZ-RR 2016, 75 [LS]; vom 30. Juni 1960 – 2 StR 147/60, BGHSt 15, 66, 69 ff.). Da die im einbezogenen Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 17. Oktober 2014 mit einer Bewährungsstrafe von sieben Monaten geahndete Tat am 14. Januar 2014, mithin vor dem Berufungsurteil des Landgerichts Essen vom 23. Januar 2014 begangen wurde, sind beide Vorverurteilungen der Angeklagten untereinander gesamtstrafenfähig. Demgegenüber wurde die im angefochtenen Urteil abgeurteilte Tat erst am 5. April 2014 und damit nach dem Berufungsurteil des Landgerichts Essen verübt, so dass eine nachträgliche Gesamtstrafe unter Einbeziehung der Vorverurteilung durch das Amtsgericht Gelsenkirchen vom 17. Oktober 2014 nicht in Betracht kommt.
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2. Die im angefochtenen Urteil verhängte Einzelfreiheitsstrafe von sieben Monaten kann gleichfalls nicht bestehen bleiben. Das bei alleiniger Revision des Angeklagten zu beachtende verfahrensrechtliche Verbot der reformatio in peius aus § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO hat im Falle der fehlerhaften nachträglichen Gesamtstrafenbildung zur Folge, dass dem Angeklagten ein durch die fehlerhafte Anwendung des § 55 StGB erlangter Vorteil nicht mehr genommen werden darf (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Dezember 1995 – 2 StR 584/95, StV 1996, 265 [LS]; vom 11. Februar 1988 – 4 StR 516/87, BGHSt 35, 208, 212; Urteil vom 3. November 1955 – 3 StR 369/55, BGHSt 8, 203). Das Verschlech- terungsverbot führt hier dazu, dass die Einzelstrafe für die im angefochtenen Urteil neu abgeurteilte Tat und die zwingend nach § 460 StPO zu bildende Gesamtstrafe aus den Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 17. Oktober 2014 sowie dem Verfahren des Amtsgerichts Gelsenkirchen Az. 16 a Ds– 40 Js 2487/12–262/12 zusammen die Dauer von 17 Monaten (Summe der Gesamtstrafen von elf Monaten aus dem angefochtenen Urteil und von sechs Monaten aus dem vorbezeichneten Verfahren des Amtsgerichts Gelsenkirchen) nicht übersteigen dürfen. Da die Höhe der nunmehr im Verfahren nach § 460 StPO noch festzusetzenden nachträglichen Gesamtstrafe aus den sich aus den Vorverurteilungen ergebenden (Einzel-)Strafen offen ist, hebt der Senat, um jede Schlechterstellung der Angeklagten auszuschließen, den Einzelstrafausspruch mit auf. Der neue Tatrichter wird – zweckmäßigerweise nach Durchführung des Verfahrens zur nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 460 StPO – unter Beachtung des Verbots der reformatio in peius eine neue Einzelstrafe zu bestimmen haben.
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Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, aus denen sich ergibt, dass die Angeklagte bei Begehung der neuerlichen Tat in drei – nicht wie von der Strafkammer angenommen in vier – Verfahren unter Bewährung stand, können bestehen bleiben. Neu getroffene ergänzende Feststellungen dürfen den bisherigen nicht widersprechen.
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3. Da sich das weitere Verfahren nur noch gegen eine Erwachsene richtet und die Strafgewalt des Strafrichters ausreicht, macht der Senat von seinem Ermessen Gebrauch (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 1994 – 4 StR 75/94, BGHR StPO § 354 Abs. 3 Zuständigkeit 1 mwN) und verweist die Sache an den Strafrichter des Amtsgerichts Gelsenkirchen zurück, der nach § 462a Abs. 3 Satz 1 StPO auch für die nach § 460 StPO vorzunehmende Gesamtstrafenbildung zuständig ist.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Bender