Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Feb. 2017 - 4 StR 388/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 1. Februar 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur besonders schweren räuberischen Erpressung und unbefugten Gebrauchs eines Kraftfahrzeugs unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 15. Juli 2015 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die allgemein auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat zu den Schuldsprüchen und zu den Aussprüchen über die Einzelstrafen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Auch die Verurteilung wegen unbefugten Gebrauchs eines Kraftfahrzeugs hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die freibeweislichen Ermittlungen des Senats haben ergeben, dass insoweit ein Verfahrenshindernis (§ 248b Abs. 3 StGB) nicht besteht.
- 3
- 2. Jedoch begegnet die Bildung der nachträglichen Gesamtstrafe aus den Einzelfreiheitsstrafen für die verfahrensgegenständlichen Taten (Tatzeiten: 10. Februar und 16. März 2015) und der zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Hauptverhandlung noch nicht erledigten Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 15. Juli 2015, rechtskräftig seit dem 17. November 2015, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
- 4
- a) Nach den Feststellungen wurde die der einbezogenen Strafe zugrunde liegende Tat am 17. April 2014 begangen. Bis zu ihrer Aburteilung durch das Amtsgericht Dortmund wurde der Angeklagte noch am 4. Februar 2015 durch das Amtsgericht Recklinghausen rechtskräftig wegen Diebstahls geringwertiger Sachen zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt. Den Vollstreckungsstand dieser Verurteilung teilt das angefochtene Urteil nicht mit. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die vom Amtsgericht Recklinghausen verhängte Geldstrafe im Zeitpunkt der Entscheidung des Amtsgerichts Dortmund am 15. Juli 2015 noch nicht erledigt war und deshalb zwischen der vom Amtsgericht Dortmund für die Tat vom 17. April 2014 verhängten Freiheitsstrafe und der Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen vom 4. Februar 2015 eine Gesamtstrafenlage im Sinne von § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB bestand. Die Verurteilung vom 4. Februar 2015 hätte dann Zäsurwirkung entfaltet. Aus der Gesamtstrafe für die neu abgeurteilten Taten und der Strafe aus der letzten Vorverurteilung, der in einem solchen Fall gesamtstrafenrechtlich keine eigenständige Bedeutung zukommt (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2013 – 4 StR 356/13, NStZ-RR 2014, 74), hätte dann keine Gesamtstrafe gebildet werden dürfen. Diese Grundsätze gelten nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unabhängig davon, ob eine Gesamtstrafe nachträglich gebildet wurde oder im Verfahren nach § 460 StPO noch nachgeholt werden kann (BGH, Beschluss vom 8. Juni 2016 – 4 StR 73/16, NStZ-RR 2016, 275, 276 mwN). Die nicht ausschließbar fehlerhafte Gesamtstrafenbildung kann den Angeklagten beschweren.
- 5
- b) Die Sache bedarf daher insoweit neuer Entscheidung. Dabei wird das mit Blick auf die alleinige Revision des Angeklagten geltende Verbot der reformatio in peius (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) zu beachten sein, das im Falle der fehlerhaften nachträglichen Gesamtstrafenbildung den Angeklagten davor bewahrt , dass ihm der durch die fehlerhafte Anwendung des § 55 StGB erlangte Vorteil wieder genommen wird (vgl. BGH, Urteil vom 3. November 1955 – 3 StR 369/55, BGHSt 8, 203, 205; Beschluss vom 8. Juni 2016 aaO; vgl. auch BayObLG, Urteil vom 7. Oktober 1970 – RReg, 5 St 95/70, NJW 1971, 1193).
Bender Quentin
moreResultsText
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer ein Kraftfahrzeug oder ein Fahrrad gegen den Willen des Berechtigten in Gebrauch nimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt.
(4) Kraftfahrzeuge im Sinne dieser Vorschrift sind die Fahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, Landkraftfahrzeuge nur insoweit, als sie nicht an Bahngleise gebunden sind.
(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.
Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.
(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.