Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Jan. 2012 - 4 StR 632/11

bei uns veröffentlicht am10.01.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 632/11
vom
10. Januar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 10. Januar 2012 gemäß § 349 Abs.
2 und Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 16. Juni 2011 im Schuldspruch dahin geändert , dass der Angeklagte des besonders schweren Raubes in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung, in einem Fall zudem in Tateinheit mit versuchtem Betrug, des schweren Raubes in Tateinheit mit Urkundenfälschung, des Diebstahls in zwei Fällen und der Urkundenfälschung in Tateinheit mit versuchtem Betrug in fünf Fällen schuldig ist.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung, in einem Fall zudem in Tateinheit mit Unterschlagung, wegen schweren Raubes in Tateinheit mit Urkundenfälschung, wegen Diebstahls in zwei Fällen und wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Unterschlagung in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Gegen das Urteil richtet sich die auf eine Verfahrens- und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zu einer Änderung des Schuldspruchs, im Übrigen hat es keinen Erfolg.
2
1. Der Schuldspruch des landgerichtlichen Urteils hat keinen Bestand, soweit der Angeklagte wegen Unterschlagung verurteilt wurde.
3
Nach den von der Strafkammer insofern getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte seinen Pkw in allen diesen Fällen mit amtlichen Kennzeichen versehen, die er zuvor entwendet hatte, "damit er unerkannt ohne zu bezahlen tanken konnte". Entsprechend dieser Absicht hat er anschließend in sechs Fällen getankt, wobei die Strafkammer zum ersten dieser Fälle (Tat 3) ausdrücklich mitteilt, dass nicht festgestellt werden konnte, ob die in der Tankstelle allein anwesende Kassiererin "den Vorgang bemerkt hat".
4
War das Bestreben des Täters - wie mithin hier - von Anfang an darauf gerichtet, das Benzin an sich zu bringen, ohne den Kaufpreis zu entrichten, so macht er sich grundsätzlich nicht des Diebstahls oder der Unterschlagung, sondern des (versuchten) Betruges schuldig. Denn indem er als Kunde auftritt und sich wie ein solcher verhält, bringt er - jedenfalls in der Regel - durch schlüssiges Verhalten zum Ausdruck, dass er das Benzin nach dessen Erhalt bezahlen werde. Durch diese Vortäuschung einer nicht vorhandenen Zahlungsbereitschaft erweckt er bei dem Tankstelleninhaber oder dessen Personal einen entsprechenden Irrtum mit der Folge, dass ihm - sofern es sich um eine Bedienungstankstelle handelt - das Benzin in den Tank eingefüllt oder - falls es eine Selbstbedienungstankstelle ist - das Einfüllen gestattet wird. Aus dem äußeren Erscheinungsbild der Tathandlungen folgt bei natürlicher Betrachtungsweise, dass es sich hier um ein durch Täuschung bewirktes Geben und nicht um ein Nehmen im Sinne eines Gewahrsamsbruchs handelt. Ob mit dem Einfüllen bereits das Eigentum an dem Benzin erlangt wird, kann dabei dahingestellt bleiben. Jedenfalls bringt der Täter durch die Täuschungshandlung das Benzin in seinen Besitz und erlangt damit einen Vermögensvorteil i. S. des § 263 StGB, dem auf Seiten der geschädigten Tankstelle ein entsprechender Vermögensnachteil gegenüber steht.
5
Ein vollendeter Betrug liegt jedoch nicht vor, wenn der Täter an einer Selbstbedienungstankstelle tankt, ohne vom Tankstelleninhaber oder dessen Mitarbeiter bemerkt zu werden. In einem solchen Fall ist aber regelmäßig vom Tatbestand des versuchten Betruges auszugehen. Da der Täter schon beim Einfüllen mit dem Willen handelt, sich das Benzin zuzueignen, kommt eine Bestrafung wegen Unterschlagung schon wegen deren Subsidiarität (§ 246 Abs. 1 StGB) auch dann nicht in Betracht, wenn er durch den - versuchten oder vollendeten - Betrug nur den Besitz und nicht bereits das Eigentum an diesem erlangt (zum Ganzen: BGH, Urteil vom 5. Mai 1983 - 4 StR 121/83, NJW 1983, 2827; vgl. auch BGH, Beschluss vom 28. Juli 2009 - 4 StR 254/09, NStZ 2009, 694 jeweils mwN).
6
Da das Landgericht trotz umfangreicher Beweisaufnahme nicht in allen Fällen feststellen konnte, ob die Tankvorgänge von den Betreibern der Tankstellen oder deren Mitarbeitern bemerkt wurden, geht der Senat zugunsten des Angeklagten davon aus, dass dies nicht der Fall war und ändert den Schuldspruch jeweils von Unterschlagung in versuchten Betrug ab. Eines Hinweises nach § 265 Abs. 1 StPO hierauf bedurfte es nicht, weil diese Taten dem (geständigen ) Angeklagten in der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage bereits als Betrug zur Last gelegt worden waren.
7
2. Der Senat schließt aus, dass der Tatrichter bei Verurteilung wegen versuchten Betruges statt wegen Unterschlagung mildere Einzel- oder eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte, dass also der Rechtsfolgenausspruch auf dem Rechtsfehler beruht. Denn infolge der Aburteilung jeweils tat- einheitlich verwirklichter Straftatbestände werden die nach § 52 Abs. 2 StGB maßgeblichen Strafrahmenober- und -untergrenzen von der Änderung nicht berührt. Hinzu kommt, dass die Strafrahmenobergrenze des § 246 Abs. 1 StGB - bei gleicher Strafrahmenuntergrenze - geringer ist, als die gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB herabgesetzte Strafrahmenobergrenze des § 263 Abs. 1 StGB. Auch hat sich der Unrechtsgehalt der Taten - trotz der Einordnung als Versuch - nicht wesentlich verändert.
8
3. Die weiter gehende Revision hat aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 5. Dezember 2011 dargelegten Gründen keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).
Ernemann Cierniak Franke
Mutzbauer Quentin

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(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.

(2) Ist in den Fällen des Absatzes 1 die Sache dem Täter anvertraut, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(3) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 254/09
vom
28. Juli 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 28. Juli 2009 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 27. Januar 2009 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte in den Fällen II. 2 und 3 der Urteilsgründe wegen Betruges verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls sowie wegen Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen (vollendeten) Betruges in zwei Fällen kann nicht bestehen bleiben.
3
a) Nach den Feststellungen betankte der Angeklagte in dem einen Fall am 12. August 2008 seinen Pkw gegen 0.23 Uhr an einer Tankstelle mit Dieselkraftstoff im Wert von 102,53 €. Anschließend fuhr er – wie von vornherein geplant – ohne bei der Kassiererin zu bezahlen davon. Zwei Tage später tankte das Fahrzeug der frühere Mitangeklagte E. K. an einer anderen Tankstelle auf, während der Angeklagte im Verkaufsraum versuchte, den Kassierer abzulenken. Als dieser misstrauisch wurde, verließ der Angeklagte den Verkaufsraum, rannte zu seinem Fahrzeug und fuhr sodann mit E. K. einem vorgefassten Tatplan folgend davon, ohne den Kaufpreis zu entrichten.
4
b) Diese Feststellungen tragen nicht die Verurteilung wegen vollendeten Betruges.
5
aa) In den Fällen des Selbstbedienungstankens setzt die Annahme eines vollendeten Betruges voraus, dass der Täter durch (konkludentes) Vortäuschen von Zahlungsbereitschaft bei dem Kassenpersonal einen entsprechenden Irrtum hervorruft, der anschließend zu der schädigenden Vermögensverfügung (Einverständnis mit dem Tankvorgang) führt. An der erforderlichen Irrtumserregung fehlt es, wenn das Betanken des Fahrzeugs vom Kassenpersonal überhaupt nicht bemerkt wird. Ist dies der Fall, liegt jedoch regelmäßig ein Betrugs- versuch vor (vgl. Senat NJW 1983, 2827 mit Anm. Gauf/Deutscher NStZ 1983, 505; OLG Köln NJW 2002,1059).
6
bb) Die Urteilsfeststellungen belegen hier nicht, dass die Tankvorgänge von dem jeweiligen Kassenpersonal wahrgenommen worden sind. Zwar wird dies unter den heutigen Verhältnissen (Video-Überwachung, Kontrollpulte im Kassenraum etc.) vielfach der Fall sein. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Tankvorgänge vom Kassenpersonal nicht bemerkt werden , insbesondere bei weitläufigen Tankstellen mit zahlreichen Zapfsäulen, bei großem Kundenandrang oder bei Inanspruchnahme durch Kassier- oder sonstige Verkaufstätigkeiten. Dass das Betanken im ersten Fall zur Nachtzeit stattfand , das heißt zu einem Zeitpunkt, zu welchem üblicherweise mit geringerem Kundenaufkommen zu rechnen ist, rechtfertigt daher für sich gesehen nicht bereits den Schluss, die Kassiererin habe das Betanken des Fahrzeugs des Angeklagten auch tatsächlich wahrgenommen. Der Umstand, dass im zweiten Fall der Angeklagte versuchte, den Kassierer abzulenken, spricht ebenfalls nicht zwingend dafür, dass dieser das Betanken des Fahrzeugs bereits bemerkt hatte. Das Ablenkungsmanöver kann auch mit dem Ziel erfolgt sein, das Tankstellengelände wieder unbemerkt zu verlassen.
7
2. Die Verurteilungen wegen vollendeten Betruges haben daher keinen Bestand. Dies führt zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafe. Die neu erkennende Strafkammer wird bei erneuter Verurteilung mit Blick auf die Regelungen der §§ 263 Abs. 4, 248 a StGB zu Fall II. 3 der Urteilsgründe auch Feststellungen zu dem Wert des erlangten Treibstoffes zu treffen haben.
Tepperwien Athing Solin-Stojanović
Ernemann Mutzbauer

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.

(2) Ist in den Fällen des Absatzes 1 die Sache dem Täter anvertraut, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.