Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Jan. 2018 - 4 StR 597/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:160118B4STR597.17.0
16.01.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 597/17
vom
16. Januar 2018
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:160118B4STR597.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 16. Januar 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 357 Satz 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten T. D. wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 28. August 2017 – auch soweit es die Mitangeklagte M. D. betrifft – mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) hinsichtlich des Angeklagten T. D. , aa) soweit dieser in den Fällen III. 3 bis 7 der Urteilsgründe verurteilt ist, bb) in den Fällen III. 1 und 2 der Urteilsgründe im Strafausspruch , cc) im Ausspruch über die Gesamtstrafe;
b) hinsichtlich der Angeklagten M. D. , soweit sie verurteilt worden ist. 2. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten T. D. wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten T. D. wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Schutzbefohlenen in zwei Fällen sowie schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Die nicht revidierende Mitangeklagte M. D. hat es wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person und Beihilfe zum schweren sexuellen Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Der Angeklagte T. D. wendet sich mit der allgemeinen Sachrüge gegen seine Verurteilung. Sein Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg und führt zu einer Erstreckung der Aufhebung auf die nicht revidierende Mitangeklagte M. D. (§ 357 Satz 1 StGB). Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung des Angeklagten T. D. wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person in den Fällen III. 3 bis 7 der Urteilsgründe nach dem zur Tatzeit geltenden § 179 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB in der bis zum 9. November 2016 geltenden Fassung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand, weil die Urteilsgründe eine Widerstandsunfähigkeit des Nebenklägers nicht belegen.
3
a) Nach den Feststellungen leidet der zu den Tatzeiten 18 Jahre alte Nebenkläger unter einer leichten geistigen Behinderung, die im Grenzbereich zu einer mittelgradigen geistigen Behinderung liegt. Aufgrund dessen verfügte er nur über die Intelligenz eines etwa neun bis zehn Jahre alten Kindes und eine dementsprechend entwickelte soziale Kompetenz.
4
In der Zeit zwischen dem 17. Januar 2015 und dem 20. September 2015 forderte der Angeklagte den Nebenkläger mehrfach dazu auf, mit ihm den Analverkehr (Fälle III. 3, 4 und 7 der Urteilsgründe) oder den Oralverkehr (Fall III. 6 der Urteilsgründe) auszuüben. In einem Fall sollte er zusätzlich an der Scheide der Mitangeklagten M. D. (seiner Mutter) lecken (Fall III. 6 der Urteils- gründe). Der Nebenkläger kam diesem Ansinnen jeweils nach, weil er „aufgrund seiner psychischen Situation nicht in der Lage war, einen entgegenstehenden Willen zu bilden und deutlich zu machen bzw. durchzusetzen“. In den Fällen III. 3 und 4 der Urteilsgründe handelte er auch aus Angst vor körperlichen Züchtigungen. Im Fall III. 6 der Urteilsgründe brach die Mitangeklagte M. D. die sexuellen Handlungen mit dem Nebenkläger ab, nachdem dieser durch ein Kopfschütteln signalisiert hatte, dass er dies nicht wolle. In einem weiteren Fall (Fall III. 5 der Urteilsgründe) führte der Angeklagte – bestärkt von der zusehenden Mitangeklagten M. D. – einen Dildo in den Anus des Nebenklägers ein. Als er anschließend den Penis des Nebenklägers in den Mund nahm, versuchte dieser seinen Unwillen durch ein Kopfschütteln deutlich zu machen. Der Angeklagte erwiderte daraufhin, dass sich der Nebenkläger „nicht so haben soll“ und führte den Oralverkehr an ihm aus. Der Nebenkläger ließ dies geschehen, weil er „aufgrund seiner geistigen Behinderung nicht in der Lage war, die Situation ausreichend zu erfassen und einen entgegenstehenden Willen durchzusetzen“.
5
Nach der Einschätzung des Sachverständigen Dr. Da. , der sich die Strafkammer angeschlossen hat, könne bei dem Nebenkläger weder die Fähig- keit zur sexuellen Selbstbestimmung noch die Möglichkeit für eine „altersadä- quate Widerständigkeit“ gegenüber den Handlungen des Angeklagten festge- stellt werden. Ihm sei es aufgrund seiner Entwicklungsdefizite und der Beeinträchtigung seiner geistigen Fähigkeiten nicht möglich gewesen, die Absichten des Angeklagten umfassend zu reflektieren und die Folgen für seine sexuelle Selbstbestimmung abzuschätzen (UA 21).
6
b) Diese Feststellungen rechtfertigen nicht den Schluss, dass der Nebenkläger in den konkreten Tatsituationen im Sinne von § 179 Abs. 1 StGB in der bis zum 9. November 2016 geltenden Fassung widerstandsunfähig war.
7
aa) Nach dieser Vorschrift machte sich strafbar, wer eine Person, die aus den in der Norm näher genannten Umständen zum Widerstand unfähig war, dadurch missbrauchte, dass er unter Ausnutzung der Widerstandsunfähigkeit sexuelle Handlungen an ihr vornahm oder an sich von ihr vornehmen ließ. Als widerstandsunfähig galt, wer – wenn auch nur vorübergehend – gänzlich unfähig war, einen zur Abwehr ausreichenden Widerstandswillen gegen das an ihn herangetragene sexuelle Ansinnen zu bilden, zu äußern oder durchzusetzen. Die Feststellung der Widerstandsunfähigkeit erforderte eine normative Entscheidung, die der Tatrichter auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung zu treffen hatte, in welche auch das aktuelle Tatgeschehen und etwaige Beeinträchtigungen des Tatopfers durch die Tatsituation einzubeziehen waren (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2017 – 4 StR 366/16, NStZ-RR 2017, 240, 241; Beschluss vom 16. Mai 2017 – 3 StR 43/17, NStZ 2018, 33; Urteil vom 15. März 1989 – 2 StR 662/88, BGHSt 36, 145, 147 mwN). Eine Widerstandsunfähigkeit konnte danach nicht schon ohne nähere Begründung auf die Feststellung einer geistigen Behinderung und daraus resultierende allgemeine Kompetenzmängel gestützt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2008 – 2 StR 385/08, NStZ-RR 2009, 14; Beschluss vom 26. Januar 2005 – 2 StR 456/04, NStZ-RR 2005, 172, 173; Beschluss vom 1. April 2003 – 4 StR 96/03, NStZ 2003, 602, 603).
8
bb) Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht. Aus der allgemein gehaltenen Feststellung, dass es dem Nebenkläger aufgrund seiner Entwicklungsdefizite und der Beeinträchtigung seiner geistigen Fähigkeiten nicht möglich gewesen sei, die Absichten des Angeklagten umfassend zu reflektieren und die Folgen für seine sexuelle Selbstbestimmung abzuschätzen, folgt nicht ohne weiteres, dass es ihm in den einzelnen Tatsituationen unmöglich war, einen zur Abwehr ausreichenden Widerstandswillen zu bilden, zu äußern oder durchzusetzen. Eine das konkrete jeweilige Tatgeschehen einbeziehende Gesamtbetrachtung hat das Landgericht in keinem der abgeurteilten Fälle erkennbar vorgenommen. Dabei hätte insbesondere näher erörtert werden müssen, dass es dem Nebenkläger im Fall III. 6 der Urteilsgründe möglich war, die Mitangeklagte M. D. durch ein bloßes Kopfschütteln zum Abbruch der sexuellen Handlungen zu bewegen und er auch im Fall III. 5 der Urteilsgründe seinen Unwillen zur Durchführung des Oralverkehrs zum Ausdruck brachte. Dafür, dass der Nebenkläger – jedenfalls in eingeschränktem Umfang – zu einer Reflektion seines Verhaltens und zu Folgeabschätzungen in der Lage war, spricht überdies, dass er in den Fällen III. 3 und 4 der Urteilsgründe die sexuellen Handlungen des Angeklagten an sich auch aus Angst vor körperlichen Züchtigungen duldete. Schließlich durfte die Strafkammer in den Fällen III. 3, 4, 6 und 7 der Urteilsgründe auch nicht ohne nähere Begründung offenlassen , ob dem Nebenkläger aufgrund seiner Defizite bereits die Fähigkeit fehlte, einen Widerstandswillen zu bilden oder ob es ihm lediglich unmöglich war, einen solchen Willen in den konkreten Tatsituationen zu äußern oder durchzusetzen.
9
c) Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Aufhebung ist in den Fällen III. 5 und 6 der Urteilsgründe nach § 357 Satz 1 StPO auf die nicht revidierende Mitangeklagte M. D. zu erstrecken , weil in beiden Fällen ein innerer Zusammenhang zwischen ihrer Verurteilung und derjenigen des Angeklagten T. D. besteht.
10
Sollte der neue Tatrichter wiederum zu der Überzeugung gelangen, dass sich die Angeklagten nach § 179 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB in der bis zum 9. November 2016 geltenden Fassung gegebenenfalls in Verbindung mit § 27 StGB strafbar gemacht haben, wird bei der Prüfung der Frage, ob der mit Wirkung zum 10. November 2016 neu gefasste § 177 StGB, der insbesondere in den Abs. 1, 2 Nrn. 1 und 2 sowie Abs. 4 Nachfolgeregelungen zu § 179 StGB enthält, das nach § 2 Abs. 3 StGB mildere Gesetz darstellt, von ihm zu beachten sein, dass es insoweit auf eine konkrete Betrachtungsweise ankommt (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 30. August 2017 – 4 StR 345/17; Beschluss vom 9. Mai 2017 – 4 StR 366/16, NStZ-RR 240, 241 f.; Beschluss vom 16. Mai 2017 – 3 StR 43/17, NStZ 2018, 33; Beschluss vom 4. April 2017 – 3 StR 524/16, NStZ-RR 2017, 242).
11
2. In den Fällen III. 1 und 2 der Urteilsgründe hält jeweils der Ausspruch über die Einzelstrafe revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand, weil die Strafkammer dem Angeklagten die Störung des Sexualverhaltens des Nebenklägers als Folge dieser Taten angelastet hat, obwohl die Feststellungen dafür keinen ausreichenden Beleg bieten.
12
a) Als verschuldete Auswirkungen der Tat im Sinne von § 46 Abs. 2 StGB können nur Geschehnisse und Umstände angesehen werden, bei denen feststeht, dass sie durch die Tat verursacht worden sind. Kann das Gericht hierzu keine sicheren Feststellungen treffen, darf sich das nicht zu Lasten des Angeklagten auswirken (vgl. BGH, Beschluss vom 20. August 2003 – 2 StR 285/03, NStZ-RR 2004, 41, 42; Beschluss vom 7. Januar 1997 – 4 StR 601/96, NStZ 1997, 336, 337). Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, dass die therapiebedürftige Unfähigkeit des Nebenklägers, seine eigene Sexualität zu regulieren und Schamgrenzen anderer zu erkennen, sicher auch auf die unter III. 1 und 2 der Urteilsgründe festgestellten Taten zurückzuführen ist. In den Feststellungen wird dazu – soweit nachvollziehbar – nur ein Zusammenhang zu der von beiden Angeklagten vorgelebten „offenen Sexualität“ hergestellt (UA 14 f.).
13
b) Dies und die Aufhebung in den Fällen III. 3 bis 7 der Urteilsgründe zieht bei dem Angeklagten die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Bender Quentin

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Ein Vorgesetzter, welcher seine Untergebenen zu einer rechtswidrigen Tat im Amt verleitet oder zu verleiten unternimmt oder eine solche rechtswidrige Tat seiner Untergebenen geschehen läßt, hat die für diese rechtswidrige Tat angedrohte Strafe verwirkt.

(2) Dieselbe Bestimmung findet auf einen Amtsträger Anwendung, welchem eine Aufsicht oder Kontrolle über die Dienstgeschäfte eines anderen Amtsträgers übertragen ist, sofern die von diesem letzteren Amtsträger begangene rechtswidrige Tat die zur Aufsicht oder Kontrolle gehörenden Geschäfte betrifft.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

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BESCHLUSS
4 StR 366/16
vom
9. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person
ECLI:DE:BGH:2017:090517B4STR366.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 9. Mai 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 18. März 2016 – mit Ausnahme der Feststellungen, die bestehen bleiben – aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner auf eine Verfahrensbeanstandung und die Sachrüge gestützten Revision wendet sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Nach den Feststellungen kannte der Angeklagte den 1972 geborenen Nebenkläger, der unter einer leichten Intelligenzminderung leidet und schwerhörig ist, aus der Zeit seiner früheren Tätigkeit als Leiter einer Förderschule für geistige Entwicklung in M. .
3
Nachdem es anlässlich eines Schulfestes, an dem auch der Angeklagte und ehemalige Schüler der Förderschule teilgenommen hatten, wieder zum Kontakt zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger und in der Folgezeit zu einem ohne sexuelle Interaktion verlaufenden Besuch des Angeklagten beim Nebenkläger gekommen war, besuchte der Angeklagte an einem nicht mehr näher eingrenzbaren Tag zwischen 2010 und 2012 erneut den Nebenkläger in dessen Wohnung. Dort schauten beide Pornofilme mit heterosexuellen Handlungen. Der Angeklagte fragte den Nebenkläger sinngemäß, ob er einen „Stän- der“ habe, worauf dieser nichts entgegnete. Anschließend fasste der Angeklag- te oberhalb der Kleidung an den Penis des Nebenklägers, der daraufhin einmal „nein“ sagte, der sexuellen Zielsetzungdes Angeklagten aber nichts Weiteres entgegenzusetzen vermochte. Der Angeklagte forderte den geschockten und überrumpelten Geschädigten sodann auf, auch ihm an den Penis zu fassen, was der Nebenkläger auch tat. Nachdem sich beide im Wohnzimmer ausgezogen hatten, drang der Angeklagte mit seinem Penis, über den er ein Kondom gestreift hatte, anal in den Nebenkläger ein. Danach führte der Nebenkläger auf Aufforderung des Angeklagten den Oralverkehr bei diesem bis zum Samenerguss durch.
4
Der Geschädigte wollte den Sexualkontakt nicht und empfand großen Ekel. Aufgrund seiner Intelligenzminderung in Verbindung mit den Persönlich- keitsbesonderheiten und der Deprivation bei Sozialkontakten war er nicht in der Lage, sich gegen die homosexuellen Handlungen des Angeklagten zu wehren. Der Angeklagte, der – ausweislich der Ausführungen der Strafkammer im Rahmen der Beweiswürdigung – wusste, dass der Geschädigte den sexuellen Kontakt nicht wollte, kannte die geistige Behinderung und Persönlichkeitsstruktur des Geschädigten sowie die ihm aus Sicht des Geschädigten zukommende Autoritätsstellung. Die Defizite des Nebenklägers nutzte er bewusst zur Tatbegehung aus.

II.


5
Die Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen nach § 179 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB in der bis 9. November 2016 geltenden Fassung kann nicht bestehen bleiben, weil im Revisionsverfahren nicht ausgeschlossen werden kann, dass die durch das Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I 2460) umgestaltete Vorschrift des § 177 StGB nF bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise gemäß § 2 Abs. 3 StGB als milderes Recht Anwendung findet.
6
1. Nach § 179 Abs. 1 StGB in der bis zum 9. November 2016 geltenden Fassung macht sich strafbar, wer eine Person, die aus den in der Norm näher genannten Umständen zum Widerstand unfähig ist, dadurch missbraucht, dass er unter Ausnutzung der Widerstandsunfähigkeit sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt. Widerstandsunfähigkeit im Sinne dieser Vorschrift setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass das Tatopfer – wenn auch nur vorübergehend – gänzlich unfähig ist, einen zur Abwehr ausreichenden Widerstandswillen gegen das sexuelle Ansinnen des Täters zu bilden, zu äußern oder durchzusetzen. Die Feststellung der Widerstandsunfähigkeit erfordert eine normative Entscheidung, die der Tatrichter auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung zu treffen hat, in welche auch das aktuelle Tatgeschehen und etwaige Beeinträchtigungen des Tatopfers durch die Tatsituation infolge Überraschung, Schreck oder Schock einzubeziehen sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 15. März 1989 – 2 StR 662/88, BGHSt 36, 145, 147; Beschlüsse vom 23. September 1997 – 4 StR 433/97, NStZ 1998, 83; vom 23. November 2010 – 3 StR 410/10, NStZ 2011, 210; vom 10. August 2011 – 4 StR 338/11, NStZ 2012, 150; Urteil vom 5. November 2014 – 1 StR 394/14, NStZ-RR 2015, 44, 45).
7
Das Landgericht ist – sachverständig beraten – aufgrund der gebotenen umfassenden Gesamtbetrachtung zu der Überzeugung gelangt, dass der Nebenkläger wegen seiner kognitiven Einschränkungen in Verbindung mit den weiteren Persönlichkeitsdefiziten und den besonderen Gegebenheiten der Tatsituation insoweit widerstandsunfähig war, als er zwar in der Lage war, einen den homosexuellen Handlungen entgegenstehenden Willen zu bilden und zu artikulieren, diesen Willen jedoch gegenüber dem Angeklagten bei der Tat nicht durchsetzen konnte. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Mit Blick auf die festgestellte anale und orale Penetration des Geschädigten hat die Strafkammer ferner zutreffend die Qualifikation des § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB aF bejaht und ist im Rahmen der Strafzumessung von einem minder schweren Fall des schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen gemäß § 179 Abs. 6 StGB aF ausgegangen.
8
2. Mit dem am 10. November 2016 in Kraft getretenen Fünfzigsten Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I 2460) hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 179 StGB aF aufgehoben und mit dem neu gefassten § 177 StGB nF eine einheitliche Strafnorm zur Erfassung sexueller Übergriffe auf Menschen mit und ohne Behinderung geschaffen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz , BT-Drucks. 18/9097, S. 2, 21). Die neu gefasste Vorschrift des § 177 StGB nF enthält insbesondere in den Absätzen 1, 2 Nrn. 1 und 2 und Absatz 4 Nachfolgeregelungen zu § 179 StGB aF, die hinsichtlich des geschützten Rechtsguts und der inkriminierten Angriffsrichtung unverändert geblieben sind und damit einen identischen Unrechtskern aufweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 StR 52/17).
9
Da die Tatbestände des § 177 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StGB nF und die Qualifikationsnorm des § 177 Abs. 4 StGB nF ausschließlich an die Fähigkeit zur Bildung und Äußerung eines entgegenstehenden Willens anknüpfen, wird die nach altem Recht unter den Begriff der Widerstandsunfähigkeit subsumierte Unfähigkeit, einen Abwehrwillen gegenüber dem Täter zu realisieren, von diesen Vorschriften des neuen Rechts nicht erfasst (vgl. Renzikowski in MK-StGB, 3. Aufl., § 177 nF Rn. 60; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 177 Rn. 59). Das Hinwegsetzen über den artikulierten entgegenstehenden Willen des Tatopfers unterfällt vielmehr unabhängig von einer zustandsbedingten habituellen Unfähigkeit zur Durchsetzung dieses Willens lediglich dem Grundtatbestand des sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 1 StGB nF, der mit einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren eine gegenüber § 179 Abs. 1 StGB aF deutlich niedrigere Strafandrohung enthält. Bei der Vornahme des Beischlafs oder ähnlicher sexueller Handlungen, die das Opfer besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit dem Eindringen in den Körper verbunden sind, sieht das neue Recht in § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren vor.
10
3. Ob die nach § 354a StPO auch im Revisionsverfahren zu beachtende Änderung des materiellen Rechts bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise nach § 2 Abs. 3 StGB die Anwendung des neuen Rechts zur Folge hat, hängt von der als Strafzumessungsakt allein dem Tatrichter obliegenden Entscheidung über die Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF ab und kann daher vom Senat auf der Grundlage der bisherigen, sich hierzu nicht verhaltenden Urteilsausführungen nicht abschließend beurteilt werden. Bei Annahme eines besonders schweren Falls entsprechend dem Regelbeispiel des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF ist das neue Recht nicht milder und es verbleibt bei der Anwendung des § 179 StGB aF, während sich bei einem Absehen von der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF das neue Recht für den Angeklagten mit der Strafandrohung aus § 177 Abs. 1 StGB nF als günstiger darstellt, sodass es nach § 2 Abs. 3 StGB anzuwenden ist. Da das Landgericht von dem Normalstrafrahmen des § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB aF, der wie § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren vorsieht, abgewichen ist und einen minder schweren Fall gemäß § 179 Abs. 6 StGB aF mit einem Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren angenommen hat, kann der Senat nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen , dass der Tatrichter bei Zugrundelegung des neuen Rechts die Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF verneint hätte.
11
Der Senat hebt daher den Schuld- und Strafausspruch auf. Die rechtsfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen können bestehen bleiben. Ergänzende, zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen durch den neu zur Verhandlung und Entscheidung berufenen Tatrichter bleiben möglich.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 43/17
vom
16. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person
ECLI:DE:BGH:2017:160517B3STR43.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 16. Mai 2017 gemäß § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 24. Oktober 2016 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person unter Einbeziehung einer weiteren Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sieben Monaten verurteilt. Seine auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision erweist sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StGB.
2
1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte nach einem gemeinsamen Gasthausbesuch der Nebenklägerin, die eine Blutalkoholkonzentration von mindestens drei Promille aufwies und sich nicht mehr selbständig fortzubewegen vermochte, und deren Freundin vorgeschlagen , in seiner Wohnung zu übernachten. Dort entkleidete er - ohne dass sie dies bemerkte - den Unterleib der auf dem Bett schlafenden Nebenklägerin und fasste an ihre Brüste. Hiervon erwachte die Nebenklägerin, die erfolglos ver- suchte, die Hände des Angeklagten wegzuschieben, was ihr jedoch nicht gelang , weil sie die Arme kaum heben konnte. Der Angeklagte drehte die reglos daliegende Geschädigte nun auf den Rücken, drang mit seinem Glied in ihre Scheide ein und vollzog ungeschützt den Geschlechtsverkehr. Dabei war ihm bewusst, dass die Nebenklägerin infolge der massiven Alkoholintoxikation und ihrer Übermüdung nicht in der Lage war, seinem Verhalten entgegenzutreten. Die Nebenklägerin gab allerdings durch Hin- und Herwerfen ihres Kopfes und die wiederholt gemurmelte Aufforderung, dies zu unterlassen, zu verstehen, dass sie mit dem Geschlechtsverkehr nicht einverstanden war, bevor sie wieder einschlief.
3
2. Das Landgericht hat dieses Verhalten rechtsfehlerfrei nach dem zur Tatzeit und noch zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung geltenden Recht als schweren sexuellen Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person nach § 179 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB aF gewertet. Zwar ist danach das Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460 ff.) in Kraft getreten, was der Senat bei seiner Entscheidung gemäß § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO zu berücksichtigen hat. Das angefochtene Urteil hat jedoch auch unter Beachtung der neuen Gesetzeslage Bestand, da sich diese im konkreten Fall nicht als milderes Recht im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB darstellt. Im Einzelnen :
4
a) Der Missbrauch widerstandsunfähiger Personen wurde durch § 179 Abs. 1 StGB aF im Grundtatbestand mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bedroht. Als widerstandsunfähig im Sinne der Vorschrift wurde angesehen, wer aus einem der dort genannten Gründe - wenn auch nur vorübergehend - keinen zur Abwehr ausreichenden Widerstandswillen gegen das sexuelle Ansinnen des Täters bilden, äußern oder durchsetzen konnte (st.
Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 15. März 1989 - 2 StR 662/88, BGHSt 36, 145, 147; Beschlüsse vom 23. November 2010 - 3 StR 410/10, NStZ 2011, 210; vom 10. August 2011 - 4 StR 338/11, NStZ 2012, 150; Urteil vom 5. November 2014 - 1 StR 394/14, NStZ-RR 2015, 44, 45).
5
Das neue Recht enthält demgegenüber im Grundtatbestand differenzierende Regelungen. § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB nF erfasst die Fälle, in denen das Opfer nicht mehr fähig ist, einen der sexuellen Handlung entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern. Ist das Opfer infolge seines körperlichen oder psychischen Zustands nur erheblich eingeschränkt zur Bildung oder Äußerung eines derartigen Willens in der Lage und versichert sich der Täter nicht der Zustimmung des Opfers zu der sexuellen Handlung, so unterfällt die Tat § 177 Abs. 2 Nr. 2 StGB nF. Vermag das Opfer dagegen - wie hier - noch einen ablehnenden Willen zu bilden und zu äußern, setzt sich der Täter jedoch darüber hinweg, so greift § 177 Abs. 1 StGB nF ein. In allen diesen Fällen wird die Tat als sexueller Übergriff mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bedroht. Infolge dieser geringeren Strafdrohung kann sich § 177 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 oder 2 StGB nF im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB als milderes Gesetz im Vergleich zu § 179 Abs. 1 StGB aF darstellen (BGH, Beschluss vom 4. April 2017 - 3 StR 524/16, juris Rn. 4).
6
b) Allerdings hat der Angeklagte mit der Geschädigten den Beischlaf vollzogen. In einem solchen Fall, für den der vom Landgericht zur Anwendung gebrachte Qualifikationstatbestand des § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB aF eine Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren vorsah, enthält auch das neue Recht in § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall des sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 1 und Abs. 2 StGB nF, bei dessen Vorliegen dem Täter ebenfalls eine Mindeststrafe von zwei Jahren droht. Allerdings folgt hieraus nicht, dass der Strafrahmen für Taten, die nach früherer Rechtslage im Grundtatbestand von § 179 Abs. 1 StGB aF erfasst waren , nun aber § 177 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 bzw. 2 StGB nF unterfallen, ohne weiteres identisch ist, wenn der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht. Denn während § 179 Abs. 5 StGB aF einen Qualifikationstatbestand enthielt, der bei Vollzug des Beischlafs - auch bei Annahme eines minder schweren Falles (vgl. § 179 Abs. 6 aF) - zwingend einen gegenüber dem Grundtatbestand des § 179 Abs. 1 StGB aF höheren Strafrahmen vorsah, stellt es eine allein dem Tatrichter obliegende Entscheidung der Strafzumessung dar, ob er es bei der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF belässt. In einem solchen Fall ist das neue Recht nicht milder und es verbleibt bei der Anwendung des § 179 StGB aF, während sich bei einem Absehen von der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF das neue Recht für den Angeklagten mit der Strafandrohung aus § 177 Abs. 1 StGB nF als günstiger darstellt, so dass es nach § 2 Abs. 3 StGB anzuwenden ist.
7
3. Vor diesem Hintergrund hat das Urteil Bestand. Der Senat kann ausschließen , dass das Landgericht, hätte es das neue Recht angewandt, von der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF abgegangen wäre und eine niedrigere Strafe als die festgesetzte von drei Jahren und sechs Monaten verhängt hätte. Es ist bei der Bemessung der Strafe von dem Normalstrafrahmen des § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB aF ausgegangen. Einen minderschweren Fall gemäß § 179 Abs. 6 StGB aF hat es nach ausführlicher und rechtlich nicht zu beanstandender Gesamtabwägung verneint. Diese Gründe hätten das Landgericht aber ebenso veranlasst, es bei der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF zu belassen.
Becker Gericke Spaniol Tiemann Berg

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 385/08
vom
1. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 1. Oktober 2008 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 3. April 2008 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Soweit der Angeklagte in den Fällen II. 1 bis II. 3 der Urteilsgründe verurteilt worden ist, wird er freigesprochen. Insoweit hat die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 3. Im Übrigen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und festgestellt, dass als Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer sechs Monate dieser Strafe als vollstreckt gelten. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung und Freisprechung in drei Fällen, in einem Fall zur Zurückverweisung.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der 1935 geborene Angeklagte bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im Jahr 1994 33 Jahre lang als Werkmeister in der Schreinerei der P.-Werkstätten in F. beschäftigt, einer Einrichtung, in der überwiegend geistig Behinderte unter fachlicher Anleitung tätig sind. Der Geschädigte, ein 57 Jahre alter Mann, ist seit früher Kindheit "mittelschwer geistig behindert", kann weder lesen noch rechnen und spricht in kurzen, grammatikalisch fehlerhaften Sätzen. Er hat einen besonderen Hang zu Zahlen und Daten, die er sich gut merken und gut zuordnen kann. Sein Hobby ist das Basteln an Radios. Nach dem Tod seiner Mutter ist der inzwischen 80 Jahre alte Vater des Geschädigten als dessen Betreuer bestellt.
3
Der Angeklagte kümmerte sich schon während seiner Tätigkeit in den P.Werkstätten um den Geschädigten. Nach Eintritt in den Ruhestand hielt er den Kontakt zu den Werkstätten, insbesondere aber auch zu dem Geschädigten aufrecht. Er holte ihn etwa alle vier bis sechs Wochen ab und unternahm mit ihm Wander-Ausflüge in den Taunus. Der Geschädigte, der sonst keine Gelegenheiten zu solchen Unternehmungen hatte, freute sich über diese Ausflüge sehr; sein Vater, der dem Angeklagten in besonderem Maß vertraute, war über die Kontakte informiert und stimmte ihnen ausdrücklich zu.
4
Schon seit 1990, später auch im Rahmen der Ausflüge kam es zu sexuellen Übergriffen des Angeklagten, von denen der Verurteilung vier zugrunde liegen: In den Fällen II. 1 bis II. 3 forderte der Angeklagte im November 1999, Juli und August 2003 den Geschädigten jeweils auf, sich vollständig nackt auszuziehen und sich vor ihm hinzulegen. Der Angeklagte fotografierte und filmte den Geschädigten jeweils; die Aufnahmen löschte er wieder. Im Fall II. 4 begab sich der Angeklagte im November 2003 mit dem Geschädigten in den Keller seiner Wohnung. Nachdem sich der Geschädigte auf Geheiß des Angeklagten wiederum entkleidet hatte, führte dieser ein bleistiftartiges Stück Holz, das er zuvor mit Öl beträufelt hatte, in den Anus des Geschädigten ein.
5
Das Landgericht hat den Geschädigten als widerstandsunfähig angesehen. Hierzu hat es festgestellt, dem Geschädigten sei das Geschehen jeweils unangenehm und peinlich gewesen. Er habe aber nicht gewagt, sich dem Angeklagten zu widersetzen, den er als Vertrauens- und Autoritätsperson ansah. Die Ausflüge mit ihm seien für den Geschädigten die einzige Abwechslung gewesen ; dieser sei überdies irrtümlich davon ausgegangen, der Angeklagte habe die Macht, einen Umzug aus dem relativ streng behüteten Elternhaus in eine Einrichtung des betreuten Wohnens zu veranlassen, von dem er sich mehr Freiheit erhoffte.
6
Nach der Anzeigeerstattung im November 2003 hat sich der Geschädigte mehrfach bei der Polizei nach dem Fortgang des Verfahrens erkundigt.
7
2. In den Fällen II. 1 bis II. 3 war, wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat, der Tatbestand des sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person gemäß § 179 Abs. 1 Nr. 1 (a.F.) StGB schon deshalb nicht gegeben, weil der Angeklagte jeweils weder eine sexuelle Handlung an dem Geschädigten vorgenommen noch diesen dazu veranlasst hat, sexuelle Handlungen an ihm vorzunehmen. Der Tatbestand des § 179 Abs. 1 StGB setzt Körperkontakt zwischen Täter und Tatopfer voraus; daran fehlt es hier. Da weitergehende Feststellungen insoweit nicht zu erwarten sind, war der Angeklagte in diesen Fällen freizusprechen.
8
Im Fall II. 4 wird der Schuldspruch wegen (schwerem) sexuellem Missbrauch eines Widerstandsunfähigen gemäß § 179 Abs. 4 Nr. 1 a.F. StGB von den Feststellungen nicht getragen, weil ein Zustand der Widerstandsunfähigkeit des Geschädigten nicht rechtsfehlerfrei festgestellt ist.
9
Die Feststellung, der Geschädigte sei "mittelschwer geistig behindert" (UA S. 4), reicht insoweit nicht aus; erst recht nicht der Umstand, dass er nicht lesen oder rechnen kann (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 172 f.; 2005, 232, 233; BGHR StGB § 179 Abs. 1 Widerstandsunfähigkeit 9; Fischer StGB 55. Aufl. § 179 Rdn. 9, 11 a m.w.N.). Zwar hat das Landgericht sich der Bewertung der Sachverständigen angeschlossen, die vorgetragen hat, der Geschädigte habe "keine Handlungsalternative gehabt, da seine Persönlichkeit es nicht zulasse, dass er sich gegen den Angeklagten zur Wehr setze" (UA S. 27). Dieser Hinweis könnte für das Vorliegen der Voraussetzungen von Widerstandsunfähigkeit sprechen (vgl. dazu etwa BGHSt 32, 183, 185; 36, 145, 147; Lenckner/Perron/Eisele in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 179 Rdn. 5; Renzikowski in MüKo-StGB § 179 Rdn. 25 f.; Fischer aaO Rdn. 11 ff.; jeweils m.w.N.). Dem steht aber die nachfolgende Erläuterung wieder entgegen, der Angeklagte sei für den Geschädigten "eine absolute Autoritätsperson gewesen, die ihm zu Ausflügen aus dem Alltag verholfen habe, zumal sich der Geschädigte vom Angeklagten auch Einfluss hinsichtlich eines möglichen Umzugs in eine Einrichtung des betreuten Wohnens versprochen habe. Vor diesem Hintergrund habe der Geschädigte die Handlungen des Angeklagten über sich ergehen lassen, ohne eine Wahl gehabt zu haben" (UA S. 27). Diese Erwägungen weisen gerade darauf hin, dass der Geschädigte jedenfalls subjektiv "eine Wahl" hatte, denn andernfalls wären Abwägungen über Vor- und Nachteile nicht verständlich.
10
Die Feststellung der Widerstandsunfähigkeit im Sinne von § 179 Abs. 1 StGB ist im Übrigen eine normative Entscheidung, hinsichtlich derer sich der Tatrichter nicht ohne eigene Würdigung einem Sachverständigen anschließen darf (Renzikowski aaO Rdn. 25; vgl. auch Fischer aaO Rdn. 13). An einer solchen fehlt es hier. Grundlage hierfür wären auch nähere Feststellungen zu den konkreten, rechtsgutbezogenen Auswirkungen der Behinderung des Geschä- digten gewesen; allgemeine Diagnosen oder zusammenfassende, schlagwortartige Beschreibungen reichen nicht aus. So wird durch den neuen Tatrichter gegebenenfalls auch das Maß lebenspraktischer Fähigkeiten des Geschädigten näher aufzuklären und zu würdigen sein, das sich etwa in seinen sonstigen sozialen Kontakten, seinem Hobby oder sonstigen Freizeitbeschäftigungen sowie seiner mehrfachen Nachfrage bei der Polizei nach dem Verfahrensstand widerspiegeln könnte. Insoweit sind umfassende neue Feststellungen erforderlich. Da auch die Feststellungen zum äußeren Sachverhalt im Fall II. 4 hiervon beeinflusst sein könnten, hat der Senat davon abgesehen, diese an sich rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen aufrecht zu erhalten.
11
3. Wenn der neue Tatrichter erneut zur Annahme von Widerstandsunfähigkeit des Geschädigten gelangen und zu einem Fall des § 179 Abs. 4 Nr. 1 a.F. StGB gelangen sollte, wäre diese Qualifikation im Schuldspruch, entsprechend der ständigen Rechtsprechung zu § 177 StGB, als schwerer sexueller Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person zu kennzeichnen.
12
4. Lässt sich Widerstandsunfähigkeit des Geschädigten zum Zeitpunkt der Tat nicht feststellen, wird der neue Tatrichter die Voraussetzungen des § 174 c Abs. 1 StGB zu prüfen haben.
13
Die Annahme eines Betreuungsverhältnisses liegt hier im Hinblick auf die besondere Vertrauensbeziehung zwischen dem Vater des Geschädigten als dessen Betreuer, dem Geschädigten selbst und dem Angeklagten nahe; auf die Dauer eines solchen Verhältnisses sowie darauf, dass der Geschädigte dem Angeklagten nur außerhalb einer Wohn-, Arbeits- oder Therapieeinrichtung und nur für die Dauer der jeweiligen Ausflüge anvertraut war, käme es nicht an (vgl. Renzikowski aaO § 174 c Rdn. 22; Fischer aaO § 174 c Rdn. 7 f.; Laufhütte /Roggenbuck in LK 11. Aufl. Nachtrag § 174 c Rdn. 6 f.). Fischer Rothfuß Roggenbuck Cierniak Schmitt

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 96/03
vom
1. April 2003
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs einer widerstandsunfähigen Person
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 1. April 2003 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 3. Dezember 2002 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs einer widerstandsunfähigen Person in drei Fällen unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe von neun Monaten aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Das Urteil hält insgesamt der sachlich-rechtlichen Nachprüfung nicht stand, weil das Landgericht nicht hinreichend mit Tatsachen belegt hat, daß der Angeklagte den äußeren Tatbestand des § 179 StGB verwirklicht hat.

a) Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen überredete der seinerzeit 30jährige, heterosexuell geprägte Angeklagte den ihm seit langem bekannten seinerzeit 20jährigen Kai L. am Nachmittag des 28. Oktober 2000, mit ihm zusammen die Wohnung eines Bekannten aufzusuchen. Er wußte, daß Kai L. seit seiner Geburt geistig behindert ist und unter Betreuung steht. In der Wohnung des Bekannten wurde Alkohol getrunken. Auch badeten dort der Angeklagte und Kai L. zusammen in der Badewanne, ohne daß es jedoch zu sexuellen Handlungen kam. Später am Abend begab man sich in die Wohnung des Angeklagten. Als dort beide allein waren, zog sich Kai L. bis auf die Unterwäsche aus und legte sich auf das Gästebett. Dort manipulierte er an seinem Geschlechtsteil. In dieser Situation entschloß sich der Angeklagte, "die geistige Behinderung und die alkoholische Beeinflussung des Kai L. für sexuelle Handlungen auszunutzen" (UA 12). Er griff zunächst an das Geschlechtsteil des Geschädigten und rieb daran bis zum Samenerguß. Anschließend zog er sich aus und führte bei Kai L. den ungeschützten Analverkehr aus. Der Geschädigte übernachtete bei dem Angeklagten, der am frühen Morgen des folgenden Tages bei ihm noch ein weiteres Mal den ungeschützten Analverkehr ausübte. Zu keinem Zeitpunkt wehrte sich Kai L. gegen die sexuellen Übergriffe des Angeklagten.

b) Das Landgericht ist der Auffassung, der Geschädigte sei "aufgrund seiner geistigen Behinderung nicht in der Lage (gewesen), selbstbestimmt zu entscheiden, mit wem er verkehren wollte und welche sexuellen Handlungen er an sich vornehmen lassen wollte" (UA 13). Es hat ihn deshalb als widerstandsunfähig im Sinne von § 179 StGB angesehen. Die dem zugrundeliegende Beweiswürdigung begegnet jedoch durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Das Landgericht hat die Annahme der Widerstandsunfähigkeit des Geschädigten allein auf ein im November 1998 im Betreuungsverfahren erstattetes fachpsychiatrisches Gutachten und auf den vom Geschädigten in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck gestützt. Diese Grundlagen genügen nicht, eine Widerstandsunfähigkeit des Geschädigten im Sinne des § 179 StGB zu belegen. Es bleibt schon offen, ob aus dem zwei Jahre vor der Tat im Betreuungsverfahren erstatteten Gutachten und aus dem zwei Jahre nach der Tat in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck ohne weiteres auf den Zustand des Kai L. im Tatzeitpunkt geschlossen werden kann. Entscheidend kommt aber hinzu, daß der in dem schriftlichen Gutachten aus dem Betreuungsverfahren niedergelegte Befund schon für sich genommen nicht belegt, daß Kai L. aufgrund seiner diagnostizierten geistigen Behinderung psychisch widerstandsunfähig (vgl. dazu BGHSt 32, 183, 185; 36, 145, 147; 45, 253, 260 f.) gegenüber den sexuellen Übergriffen des Angeklagten war. Widerstandsunfähig im Sinne des § 179 StGB ist, wer aus den in Absatz 1 der Vorschrift genannten Gründen keinen zur Abwehr ausreichenden Widerstandswillen bilden, äußern oder durchsetzen kann (BGHSt 36 aaO). Hierzu äußert sich das im Urteil wiedergegebene schriftliche Gutachten nicht, das sich auch mit dem Sexualverhalten des Kai L. nicht befaßt. Zudem fehlt eine Auseinandersetzung mit der Frage, welchen Einfluß die im Gutachten erwähnte medikamentöse Einstellung des Geschädigten auf seine Fähigkeit, ihm unangenehme Ansinnen abzuwehren, hat bzw. zur Tatzeit gehabt haben kann. Daß der „persönliche Eindruck“ vom Geschädigten in der Hauptverhandlung eine Aussage über dessen Widerstandsfähigkeit in sexuellen Angelegenheiten schwerlich zuläßt, liegt auf der Hand.
Soweit sich das Landgericht im übrigen auf die eigene Sachkunde „festzustellen , ob eine Person geistig gesund ist,“ (UA 14), berufen hat, ist auch dies nicht ausreichend dargetan. Es erscheint bereits fraglich, ob die eigene Sachkunde des Gerichts überhaupt ausreichen kann, die Frage einer auf einem psychischen Defekt beruhenden Widerstandsunfähigkeit im Sinne des § 179 StGB sicher zu beantworten. Jedenfalls genügt allein die Feststellung einer § 20 StGB unterfallenden geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht, um die Annahme der Widerstandsunfähigkeit im Sinne des § 179 StGB zu begründen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. Mai 2001 - 4 StR 58/01 -, insoweit in StV 2001, 679 nicht abgedr. und vom 13. November 2002 – 4 StR 438/02 – [Oligophrenie]; Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 179 Rdn. 9 und 11 m.w.N.). Unter den hier gegebenen Umständen hätte sich das Landgericht deshalb zur Klärung der Frage, ob der Geschädigte gerade aufgrund seines geistig-seelischen Zustands im Tatzeitpunkt zu einer Abwehr gegenüber den sexuellen Übergriffen des Angeklagten nicht in der Lage und er deshalb widerstandsunfähig im Sinne des § 179 StGB war, der Hilfe eines Sachverständigen bedienen müssen.
2. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils insgesamt. Sofern sich im weiteren Verfahren die Annahme der Widerstandsunfähigkeit des Geschädigten im Sinne des § 179 StGB bestätigen sollte, wird im Zusammenhang mit der Prüfung des Tatbestandsmerkmals der mißbräuchlichen Ausnutzung Gelegenheit sein, die Beweisgrundlagen für das Sexualverhalten des Geschädigten näher darzulegen. Dem angefochtenen Urteil kann jedenfalls nicht entnommen werden, worauf die Feststellung beruht, Kai L. sei "heterosexuell und nicht auf Männer als Sexualpartner fixiert" (UA 11). Auch bleibt die Bedeutung des Hinweises unklar, Kai L. sei "am 25.09.2002 auf HIV-
positiv getestet" worden (UA 13). Sollte der neue Tatrichter eine Widerstands- unfähigkeit des Geschädigten nicht sicher feststellen können, wird mit Blick auf die geständige Einlassung des Angeklagten auch eine Strafbarkeit wegen (untauglichen) Versuchs (§ 179 Abs. 3 und Abs. 4 i.V.m. § 23 Abs. 1 Halbs. 1 StGB) zu prüfen sein. Wegen der Konkurrenz der vom Landgericht als selbständige Straftaten gewerteten Fälle II. 1 und 2 der Urteilsgründe verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in der Antragsschrift vom 11. März 2003.
Der Senat verweist die Sache gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück, nachdem Gegenstand des Verfahrens nicht mehr eine die Zuständigkeit der Jugendschutzkammer begründende Tat ist.
Tepperwien Maatz Kuckein
Athing Ernemann

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 345/17
vom
30. August 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen
Person
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 30. August 2017 einstimmig beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der Strafkammer des
Landgerichts Münster bei dem Amtsgericht Bocholt vom 21. Februar
2017 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils
auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil
des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der
Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen
zu tragen.
ECLI:DE:BGH:2017:300817B4STR345.17.0

Ergänzend bemerkt der Senat:
Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen versuchten schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person gemäß §§ 22, 23 Abs. 1, § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB in der bis zum 9. November 2016 geltenden Fassung bejaht. Das Landgericht hat anhand der konkreten Betrachtungsweise nach § 2 Abs. 3 StGB geprüft, ob der zur Zeit der Verurteilung geltende § 177 StGB in der Fassung des 50. Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460) – eine mildere Bestrafung eröffnet (zum identischen Unrechtskern der Nachfolgeregelung vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2017 – 4 StR 366/16, NStZ-RR 2017, 240, 241). Das hat die Strafkammer im Ergebnis zutreffend verneint. Insoweit hat sie nach altem Recht rechtsfehlerfrei einen minder schweren Fall gemäß § 179 Abs. 6 StGB aF verneint, ebenso auch eine Abweichung von der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 StGB nF (vgl. zu dieser Konstellation auch BGH, Beschluss vom 5. Juli 2017 – 4 StR 31/17; Urteil vom 12. Juli 2017 – 5 StR 134/17). Hierfür hat es allerdings den „Grundtatbestand des § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB“ der nunmehr geltenden Gesetzesfassung herangezogen. Die Widerstandsunfähigkeit gemäß § 179 Abs. 1 Nr. 1 StGB aF hat es hingegen darauf gestützt, dass „die Nebenklägerin nicht mehr in der Lage (war), einen eigenen Willensentschluss in Bezug auf sexuelle Handlungen durchzusetzen …“ (UA 8;ebenso UA 9 und 18). Für diese Variante der Widerstandsunfähigkeit enthält § 177 Abs. 2 Nr. 1 (und 2) StGB nF indes keine Entsprechung (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2017 – 4 StR 366/16, NStZ-RR 2017, 240, 241).
Dieser Rechtsfehler stellt jedoch das vom Landgericht gefundene Ergebnis nicht in Frage: Die Feststellungen im angefochtenen Urteil belegen, dass der Angeklagte sich nach neuem Recht einer versuchten Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 1
und Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB schuldig gemacht hat und daher das neue Recht nicht zu einer milderen Bewertung seiner Tat führt. Der Angeklagte hat an der Nebenklägerin sexuelle Handlungen vorgenommen, indem er „mit seinem Penis bzw. der Kranzfurche jedenfalls in unmittelbaren körperlichen Kontakt zum Intimbereich“ (UA 9) der auf der Rasenfläche liegenden Nebenklägerin kam. Der Tatentschluss des Angeklagten (§ 22 StGB) umfasste auch den Umstand, dass er den sexuellen Übergriff im Sinne des § 177 Abs. 1 StGB nF „gegen den erkennbaren Willen“ der ihm unbekannten Nebenklägerin vornahm. Denn das Landgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass „der Angeklagte wusste, dass die Nebenklägerin aufgrund ihres Zustandes nicht in der Lage war, einen der Vornahme sexueller Handlungen entge- genstehenden Willen durchzusetzen“ (UA 9). Dies umfassthier den zumindest be- dingten Vorsatz, dass seine sexuellen Handlungen gegen den erkennbaren Willen der Nebenklägerin erfolgten bzw. erfolgen sollten. Dies lag angesichts der Auffindesituation – die Nebenklägerin lag apathisch und regungslos auf dem Rücken; sie selbst sprach in der Hauptverhandlung von einem „Blackout“, aus dem sie erst im Krankenhaus wieder aufgewacht sei – auf der Hand (vgl. auch Renzikowski, NJW 2016, 3553, 3554: „… dass die Weigerung … sich unmissverständlich aus der Situa- tion ergibt“).
Der Senat braucht daher nicht zu entscheiden, wie die Sachverhaltskonstellation zu beurteilen wäre, in welcher der Täter sexuelle Handlungen an einer widerstandsunfähigen Person vornimmt oder vorzunehmen versucht, die einen dem entgegenstehenden Willen gebildet hat, der Täter indes nicht erkennt, dass er „ge-
gen den erkennbaren Willen“des Opfers handelt (vgl. BT-Drucks. 18/9097 S. 22 f.; Renzikowski, aaO; Hörnle, NStZ 2017, 13, 15; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 177 Rn. 10 ff.).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Quentin Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 366/16
vom
9. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person
ECLI:DE:BGH:2017:090517B4STR366.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 9. Mai 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 18. März 2016 – mit Ausnahme der Feststellungen, die bestehen bleiben – aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner auf eine Verfahrensbeanstandung und die Sachrüge gestützten Revision wendet sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Nach den Feststellungen kannte der Angeklagte den 1972 geborenen Nebenkläger, der unter einer leichten Intelligenzminderung leidet und schwerhörig ist, aus der Zeit seiner früheren Tätigkeit als Leiter einer Förderschule für geistige Entwicklung in M. .
3
Nachdem es anlässlich eines Schulfestes, an dem auch der Angeklagte und ehemalige Schüler der Förderschule teilgenommen hatten, wieder zum Kontakt zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger und in der Folgezeit zu einem ohne sexuelle Interaktion verlaufenden Besuch des Angeklagten beim Nebenkläger gekommen war, besuchte der Angeklagte an einem nicht mehr näher eingrenzbaren Tag zwischen 2010 und 2012 erneut den Nebenkläger in dessen Wohnung. Dort schauten beide Pornofilme mit heterosexuellen Handlungen. Der Angeklagte fragte den Nebenkläger sinngemäß, ob er einen „Stän- der“ habe, worauf dieser nichts entgegnete. Anschließend fasste der Angeklag- te oberhalb der Kleidung an den Penis des Nebenklägers, der daraufhin einmal „nein“ sagte, der sexuellen Zielsetzungdes Angeklagten aber nichts Weiteres entgegenzusetzen vermochte. Der Angeklagte forderte den geschockten und überrumpelten Geschädigten sodann auf, auch ihm an den Penis zu fassen, was der Nebenkläger auch tat. Nachdem sich beide im Wohnzimmer ausgezogen hatten, drang der Angeklagte mit seinem Penis, über den er ein Kondom gestreift hatte, anal in den Nebenkläger ein. Danach führte der Nebenkläger auf Aufforderung des Angeklagten den Oralverkehr bei diesem bis zum Samenerguss durch.
4
Der Geschädigte wollte den Sexualkontakt nicht und empfand großen Ekel. Aufgrund seiner Intelligenzminderung in Verbindung mit den Persönlich- keitsbesonderheiten und der Deprivation bei Sozialkontakten war er nicht in der Lage, sich gegen die homosexuellen Handlungen des Angeklagten zu wehren. Der Angeklagte, der – ausweislich der Ausführungen der Strafkammer im Rahmen der Beweiswürdigung – wusste, dass der Geschädigte den sexuellen Kontakt nicht wollte, kannte die geistige Behinderung und Persönlichkeitsstruktur des Geschädigten sowie die ihm aus Sicht des Geschädigten zukommende Autoritätsstellung. Die Defizite des Nebenklägers nutzte er bewusst zur Tatbegehung aus.

II.


5
Die Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen nach § 179 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB in der bis 9. November 2016 geltenden Fassung kann nicht bestehen bleiben, weil im Revisionsverfahren nicht ausgeschlossen werden kann, dass die durch das Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I 2460) umgestaltete Vorschrift des § 177 StGB nF bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise gemäß § 2 Abs. 3 StGB als milderes Recht Anwendung findet.
6
1. Nach § 179 Abs. 1 StGB in der bis zum 9. November 2016 geltenden Fassung macht sich strafbar, wer eine Person, die aus den in der Norm näher genannten Umständen zum Widerstand unfähig ist, dadurch missbraucht, dass er unter Ausnutzung der Widerstandsunfähigkeit sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt. Widerstandsunfähigkeit im Sinne dieser Vorschrift setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass das Tatopfer – wenn auch nur vorübergehend – gänzlich unfähig ist, einen zur Abwehr ausreichenden Widerstandswillen gegen das sexuelle Ansinnen des Täters zu bilden, zu äußern oder durchzusetzen. Die Feststellung der Widerstandsunfähigkeit erfordert eine normative Entscheidung, die der Tatrichter auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung zu treffen hat, in welche auch das aktuelle Tatgeschehen und etwaige Beeinträchtigungen des Tatopfers durch die Tatsituation infolge Überraschung, Schreck oder Schock einzubeziehen sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 15. März 1989 – 2 StR 662/88, BGHSt 36, 145, 147; Beschlüsse vom 23. September 1997 – 4 StR 433/97, NStZ 1998, 83; vom 23. November 2010 – 3 StR 410/10, NStZ 2011, 210; vom 10. August 2011 – 4 StR 338/11, NStZ 2012, 150; Urteil vom 5. November 2014 – 1 StR 394/14, NStZ-RR 2015, 44, 45).
7
Das Landgericht ist – sachverständig beraten – aufgrund der gebotenen umfassenden Gesamtbetrachtung zu der Überzeugung gelangt, dass der Nebenkläger wegen seiner kognitiven Einschränkungen in Verbindung mit den weiteren Persönlichkeitsdefiziten und den besonderen Gegebenheiten der Tatsituation insoweit widerstandsunfähig war, als er zwar in der Lage war, einen den homosexuellen Handlungen entgegenstehenden Willen zu bilden und zu artikulieren, diesen Willen jedoch gegenüber dem Angeklagten bei der Tat nicht durchsetzen konnte. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Mit Blick auf die festgestellte anale und orale Penetration des Geschädigten hat die Strafkammer ferner zutreffend die Qualifikation des § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB aF bejaht und ist im Rahmen der Strafzumessung von einem minder schweren Fall des schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen gemäß § 179 Abs. 6 StGB aF ausgegangen.
8
2. Mit dem am 10. November 2016 in Kraft getretenen Fünfzigsten Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I 2460) hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 179 StGB aF aufgehoben und mit dem neu gefassten § 177 StGB nF eine einheitliche Strafnorm zur Erfassung sexueller Übergriffe auf Menschen mit und ohne Behinderung geschaffen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz , BT-Drucks. 18/9097, S. 2, 21). Die neu gefasste Vorschrift des § 177 StGB nF enthält insbesondere in den Absätzen 1, 2 Nrn. 1 und 2 und Absatz 4 Nachfolgeregelungen zu § 179 StGB aF, die hinsichtlich des geschützten Rechtsguts und der inkriminierten Angriffsrichtung unverändert geblieben sind und damit einen identischen Unrechtskern aufweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 StR 52/17).
9
Da die Tatbestände des § 177 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StGB nF und die Qualifikationsnorm des § 177 Abs. 4 StGB nF ausschließlich an die Fähigkeit zur Bildung und Äußerung eines entgegenstehenden Willens anknüpfen, wird die nach altem Recht unter den Begriff der Widerstandsunfähigkeit subsumierte Unfähigkeit, einen Abwehrwillen gegenüber dem Täter zu realisieren, von diesen Vorschriften des neuen Rechts nicht erfasst (vgl. Renzikowski in MK-StGB, 3. Aufl., § 177 nF Rn. 60; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 177 Rn. 59). Das Hinwegsetzen über den artikulierten entgegenstehenden Willen des Tatopfers unterfällt vielmehr unabhängig von einer zustandsbedingten habituellen Unfähigkeit zur Durchsetzung dieses Willens lediglich dem Grundtatbestand des sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 1 StGB nF, der mit einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren eine gegenüber § 179 Abs. 1 StGB aF deutlich niedrigere Strafandrohung enthält. Bei der Vornahme des Beischlafs oder ähnlicher sexueller Handlungen, die das Opfer besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit dem Eindringen in den Körper verbunden sind, sieht das neue Recht in § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren vor.
10
3. Ob die nach § 354a StPO auch im Revisionsverfahren zu beachtende Änderung des materiellen Rechts bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise nach § 2 Abs. 3 StGB die Anwendung des neuen Rechts zur Folge hat, hängt von der als Strafzumessungsakt allein dem Tatrichter obliegenden Entscheidung über die Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF ab und kann daher vom Senat auf der Grundlage der bisherigen, sich hierzu nicht verhaltenden Urteilsausführungen nicht abschließend beurteilt werden. Bei Annahme eines besonders schweren Falls entsprechend dem Regelbeispiel des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF ist das neue Recht nicht milder und es verbleibt bei der Anwendung des § 179 StGB aF, während sich bei einem Absehen von der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF das neue Recht für den Angeklagten mit der Strafandrohung aus § 177 Abs. 1 StGB nF als günstiger darstellt, sodass es nach § 2 Abs. 3 StGB anzuwenden ist. Da das Landgericht von dem Normalstrafrahmen des § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB aF, der wie § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren vorsieht, abgewichen ist und einen minder schweren Fall gemäß § 179 Abs. 6 StGB aF mit einem Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren angenommen hat, kann der Senat nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen , dass der Tatrichter bei Zugrundelegung des neuen Rechts die Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF verneint hätte.
11
Der Senat hebt daher den Schuld- und Strafausspruch auf. Die rechtsfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen können bestehen bleiben. Ergänzende, zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen durch den neu zur Verhandlung und Entscheidung berufenen Tatrichter bleiben möglich.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 43/17
vom
16. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person
ECLI:DE:BGH:2017:160517B3STR43.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 16. Mai 2017 gemäß § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 24. Oktober 2016 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person unter Einbeziehung einer weiteren Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sieben Monaten verurteilt. Seine auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision erweist sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StGB.
2
1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte nach einem gemeinsamen Gasthausbesuch der Nebenklägerin, die eine Blutalkoholkonzentration von mindestens drei Promille aufwies und sich nicht mehr selbständig fortzubewegen vermochte, und deren Freundin vorgeschlagen , in seiner Wohnung zu übernachten. Dort entkleidete er - ohne dass sie dies bemerkte - den Unterleib der auf dem Bett schlafenden Nebenklägerin und fasste an ihre Brüste. Hiervon erwachte die Nebenklägerin, die erfolglos ver- suchte, die Hände des Angeklagten wegzuschieben, was ihr jedoch nicht gelang , weil sie die Arme kaum heben konnte. Der Angeklagte drehte die reglos daliegende Geschädigte nun auf den Rücken, drang mit seinem Glied in ihre Scheide ein und vollzog ungeschützt den Geschlechtsverkehr. Dabei war ihm bewusst, dass die Nebenklägerin infolge der massiven Alkoholintoxikation und ihrer Übermüdung nicht in der Lage war, seinem Verhalten entgegenzutreten. Die Nebenklägerin gab allerdings durch Hin- und Herwerfen ihres Kopfes und die wiederholt gemurmelte Aufforderung, dies zu unterlassen, zu verstehen, dass sie mit dem Geschlechtsverkehr nicht einverstanden war, bevor sie wieder einschlief.
3
2. Das Landgericht hat dieses Verhalten rechtsfehlerfrei nach dem zur Tatzeit und noch zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung geltenden Recht als schweren sexuellen Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person nach § 179 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB aF gewertet. Zwar ist danach das Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460 ff.) in Kraft getreten, was der Senat bei seiner Entscheidung gemäß § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO zu berücksichtigen hat. Das angefochtene Urteil hat jedoch auch unter Beachtung der neuen Gesetzeslage Bestand, da sich diese im konkreten Fall nicht als milderes Recht im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB darstellt. Im Einzelnen :
4
a) Der Missbrauch widerstandsunfähiger Personen wurde durch § 179 Abs. 1 StGB aF im Grundtatbestand mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bedroht. Als widerstandsunfähig im Sinne der Vorschrift wurde angesehen, wer aus einem der dort genannten Gründe - wenn auch nur vorübergehend - keinen zur Abwehr ausreichenden Widerstandswillen gegen das sexuelle Ansinnen des Täters bilden, äußern oder durchsetzen konnte (st.
Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 15. März 1989 - 2 StR 662/88, BGHSt 36, 145, 147; Beschlüsse vom 23. November 2010 - 3 StR 410/10, NStZ 2011, 210; vom 10. August 2011 - 4 StR 338/11, NStZ 2012, 150; Urteil vom 5. November 2014 - 1 StR 394/14, NStZ-RR 2015, 44, 45).
5
Das neue Recht enthält demgegenüber im Grundtatbestand differenzierende Regelungen. § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB nF erfasst die Fälle, in denen das Opfer nicht mehr fähig ist, einen der sexuellen Handlung entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern. Ist das Opfer infolge seines körperlichen oder psychischen Zustands nur erheblich eingeschränkt zur Bildung oder Äußerung eines derartigen Willens in der Lage und versichert sich der Täter nicht der Zustimmung des Opfers zu der sexuellen Handlung, so unterfällt die Tat § 177 Abs. 2 Nr. 2 StGB nF. Vermag das Opfer dagegen - wie hier - noch einen ablehnenden Willen zu bilden und zu äußern, setzt sich der Täter jedoch darüber hinweg, so greift § 177 Abs. 1 StGB nF ein. In allen diesen Fällen wird die Tat als sexueller Übergriff mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bedroht. Infolge dieser geringeren Strafdrohung kann sich § 177 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 oder 2 StGB nF im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB als milderes Gesetz im Vergleich zu § 179 Abs. 1 StGB aF darstellen (BGH, Beschluss vom 4. April 2017 - 3 StR 524/16, juris Rn. 4).
6
b) Allerdings hat der Angeklagte mit der Geschädigten den Beischlaf vollzogen. In einem solchen Fall, für den der vom Landgericht zur Anwendung gebrachte Qualifikationstatbestand des § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB aF eine Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren vorsah, enthält auch das neue Recht in § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall des sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 1 und Abs. 2 StGB nF, bei dessen Vorliegen dem Täter ebenfalls eine Mindeststrafe von zwei Jahren droht. Allerdings folgt hieraus nicht, dass der Strafrahmen für Taten, die nach früherer Rechtslage im Grundtatbestand von § 179 Abs. 1 StGB aF erfasst waren , nun aber § 177 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 bzw. 2 StGB nF unterfallen, ohne weiteres identisch ist, wenn der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht. Denn während § 179 Abs. 5 StGB aF einen Qualifikationstatbestand enthielt, der bei Vollzug des Beischlafs - auch bei Annahme eines minder schweren Falles (vgl. § 179 Abs. 6 aF) - zwingend einen gegenüber dem Grundtatbestand des § 179 Abs. 1 StGB aF höheren Strafrahmen vorsah, stellt es eine allein dem Tatrichter obliegende Entscheidung der Strafzumessung dar, ob er es bei der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF belässt. In einem solchen Fall ist das neue Recht nicht milder und es verbleibt bei der Anwendung des § 179 StGB aF, während sich bei einem Absehen von der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF das neue Recht für den Angeklagten mit der Strafandrohung aus § 177 Abs. 1 StGB nF als günstiger darstellt, so dass es nach § 2 Abs. 3 StGB anzuwenden ist.
7
3. Vor diesem Hintergrund hat das Urteil Bestand. Der Senat kann ausschließen , dass das Landgericht, hätte es das neue Recht angewandt, von der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF abgegangen wäre und eine niedrigere Strafe als die festgesetzte von drei Jahren und sechs Monaten verhängt hätte. Es ist bei der Bemessung der Strafe von dem Normalstrafrahmen des § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB aF ausgegangen. Einen minderschweren Fall gemäß § 179 Abs. 6 StGB aF hat es nach ausführlicher und rechtlich nicht zu beanstandender Gesamtabwägung verneint. Diese Gründe hätten das Landgericht aber ebenso veranlasst, es bei der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF zu belassen.
Becker Gericke Spaniol Tiemann Berg

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 524/16
vom
4. April 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:040417B3STR524.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 4. April 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog, § 354a StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 25. August 2016
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall II. Tat 1 der Urteilsgründe des sexuellen Übergriffs schuldig ist;
b) aufgehoben aa) in den Fällen II. Tat 2 und II. Tat 7 der Urteilsgründe insgesamt ; die zugehörigen Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen bleiben jedoch aufrecht erhalten; bb) im Strafausspruch im Fall II. Tat 1 der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe; die jeweils zugehörigen Feststellungen bleiben jedoch aufrecht erhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung, sexuellen Missbrauchs einer Widerstandsunfähigen, sexueller Nötigung in drei Fällen, versuchter sexueller Nötigung in zwei Fällen und wegen versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Revision, mit der er ein Verfahrenshindernis geltend macht, Verfahrensbeanstandungen erhebt sowie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
I. Aus den zutreffenden Gründen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts besteht das geltend gemachte Verfahrenshindernis nicht; die Verfahrensrügen haben ebenfalls keinen Erfolg.
3
II. Die umfassende Überprüfung des Urteils auf die von dem Angeklagten erhobene Sachrüge führt zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs im Fall II. Tat 1 der Urteilsgründe und zur Aufhebung des Urteils in den Fällen II. Tat 2 und II. Tat 7 der Urteilsgründe, im Strafausspruch im Fall II. Tat 1 der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe ; im Übrigen hat sie keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Im Einzelnen:
4
1. Die Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs einer Widerstandsunfähigen im Fall II. Tat 1 der Urteilsgründe (Manipulationen im Genitalbereich des schlafenden Opfers) bedarf der Schuldspruchänderung, weil der - von der Strafkammer für sich genommen rechtsfehlerfrei angewandte - zur Tatzeit und noch im Zeitpunkt der Urteilsverkündung geltende § 179 Abs. 1 Nr. 1 StGB aF aufgrund von Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I, S. 2460 ff.) mit Wirkung ab dem 10. November 2016 aufgehoben wurde und der frühere sexuelle Missbrauch infolge Schlafs widerstandsunfähiger Personen nunmehr als sexueller Übergriff in § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB nF geregelt ist (vgl. MüKoStGB/Renzikowski, 3. Aufl., § 177 nF Rn. 62 f.). Diese Gesetzesänderung ist nach § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO zu berücksichtigen, weil sich die Regelung des § 177 Abs. 2 StGB nF hinsichtlich der im Fall II. Tat 1 der Urteilsgründe abgeurteilten Tat gegenüber § 179 Abs. 1 StGB aF als milderes Gesetz erweist. Dies erhellt aus einem Vergleich der Strafrahmen: Während der Strafrahmen des § 179 Abs. 1 StGB aF Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vorsah, droht § 177 Abs. 2 StGB nF nunmehr Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren an.
5
Die Anwendung des damit auch im konkreten Fall milderen § 177 Abs. 2 StGB nF bedingt die Aufhebung der im Fall II. Tat 1 der Urteilsgründe verhängten Einzelfreiheitsstrafe. Auch wenn diese mit zehn Monaten im unteren Bereich des Strafrahmens liegt, kann der Senat mit Blick auf die Halbierung der Strafrahmenobergrenze nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Anwendung des milderen Rechts auf eine niedrigere Einzelfreiheitsstrafe erkannt hätte.
6
2. In den Fällen II. Tat 2 und II. Tat 7 der Urteilsgründe hält die jeweilige Verurteilung wegen versuchter sexueller Nötigung revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
7
a) Das Landgericht hat hierzu folgende Feststellungen getroffen:
8
Im Fall II. Tat 2 der Urteilsgründe traf der Angeklagte eine in der Gaststätte seiner Ehefrau arbeitende Aushilfe, die vorübergehend im Gästezimmer der Wohnung über der Gaststätte wohnte, in dem Wohnzimmer dieser Wohnung an und drängte sie, mit ihm gemeinsam pornographische Filme auf seinem Mobiltelefon anzuschauen. Währenddessen äußerte er den Wunsch, mit ihr geschlechtlich zu verkehren, was sie indes ablehnte und das Wohnzimmer verließ. Der Angeklagte folgte ihr und drängte die ihm körperlich weit unterlegene Zeugin mit seinem Oberkörper so gegen die Tür des Gästezimmers, dass sie ihm auch wegen der von ihm seitlich an der Wand platzierten Arme nicht entkommen konnte. Sodann versuchte der Angeklagte die Zeugin zu küssen und ihr seine Zunge in den Mund zu stecken, was sie durch Aufeinanderpressen ihrer Lippen und Wegdrehen des Gesichts verhindern konnte. Als kurze Zeit später die Tür zum Gästezimmer aufsprang, konnte sich die Zeugin befreien und in ihr Zimmer "stolpern".
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Im Fall II. Tat 7 der Urteilsgründe ergriff der Angeklagte den Kopf einer anderen Aushilfe seiner Ehefrau, die auch in den Fällen II. Tat 3 bis II. Tat 6 der Urteilsgründe sein Opfer wurde (drei Fälle der sexuellen Nötigung und eine Vergewaltigung), und versuchte, ihr ebenfalls die Zunge in den Mund zu stecken, was auch sie durch Aufeinanderpressen ihrer Lippen und Wegdrehen des Kopfes verhindern konnte.
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b) Insoweit ist es zwar mit Blick auf die Umstände des Einzelfalles (die Opfer waren zuvor keine Beziehungs- oder Sexualpartnerinnen des Angeklagten , befanden sich vielmehr ihm und seiner Ehefrau gegenüber in einer persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit; er versuchte, mit der Zunge in ihren Mund einzudringen) materiellrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Strafkammer den in beiden Fällen erstrebten Zungenkuss als sexuelle Handlung von einiger Erheblichkeit im Sinne von § 184h Nr. 1 StGB angesehen hat (vgl. dazu auch MüKoStGB/Hörnle aaO § 184h Rn. 21 mwN).
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Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen und ausgehend von seiner Wertung, dass der Angeklagte die sexuelle Nötigung jeweils nur versuchte , weil die Opfer das Eindringen seiner Zunge verhinderten, hätte das Landgericht indes prüfen und erörtern müssen, ob er strafbefreiend von der versuchten Tat zurücktrat. Es hat in der rechtlichen Würdigung zwar ausgeführt , der Angeklagte habe die Taten nicht freiwillig aufgegeben, vielmehr hätten die Zeuginnen durch ihre Gegenwehr den Erfolg endgültig verhindert; durch die Feststellungen wird aber weder belegt, dass der Nötigungsversuch jeweils fehlgeschlagen war, noch ist mit tragfähiger Begründung ausgeschlossen, dass der Angeklagte jeweils freiwillig vom unbeendeten Versuch der sexuellen Nötigung zurücktrat, als er sein Vorhaben, die Zeuginnen mit Gewalt zum Zungenkuss zu zwingen, aufgab. Im Einzelnen:
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aa) Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn der Täter nach der letzten von ihm vorgenommenen Tathandlung erkennt, dass mit den bereits eingesetzten oder den ihm sonst zur Hand liegenden Mitteln der erstrebte Taterfolg nicht mehr herbeigeführt werden kann, ohne dass er eine neue Handlungs- und Kausalkette in Gang setzt (st. Rspr.; siehe zuletzt etwa BGH, Beschluss vom 31. Mai 2016 - 3 StR 135/16, juris Rn. 7 mwN).
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Nach diesen Maßstäben belegen die Urteilsgründe einen fehlgeschlagenen Versuch nicht. Dies ergibt sich im Fall II. Tat 2 der Urteilsgründe schon daraus , dass der Angeklagte der Zeugin - nachdem diese sich aus der Fixierung durch ihn hatte befreien können - in ihr Zimmer folgte, der Aufforderung dieses zu verlassen, nicht nachkam, sie an ihrer Scheide berührte und sie schließlich auszog und gegen ihren Willen den Geschlechtsverkehr mit ihr vollzog, was sie resigniert über sich ergehen ließ. Die Strafkammer hat diese Handlungen zwar nur als - wegen der fehlenden Gegenwehr der Zeugin strafloses - Nachtatgeschehen gewertet; der Umstand, dass der Angeklagte sein Ziel, mit der Zeugin geschlechtlich zu verkehren, mit Erfolg weiter verfolgte, konnte aber den Schluss rechtfertigen, dass er gerade nicht davon ausging, den erstrebten Taterfolg nicht mehr herbeiführen zu können. Zu den Vorstellungen des Angeklagten in dem Zeitpunkt, als die Zeugin sich zunächst von ihm befreien konnte, verhalten sich die Urteilsgründe indes weder in den Feststellungen, noch im Rahmen der Beweiswürdigung oder der rechtlichen Würdigung.
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Aber auch im Fall II. Tat 7 der Urteilsgründe kann der Senat ohneeine - hier gleichfalls fehlende - Erörterung der Vorstellungen des Angeklagten in Bezug auf den Taterfolg nicht ausschließen, dass er es noch für möglich hielt, diesen doch noch zu erreichen. Dies gilt insbesondere mit Blick darauf, dass der Angeklagte in den anderen Fällen, in denen diese Zeugin sein Opfer wurde, auch vor erheblicherer Gewalt, als er sie in diesem Versuchsfall anwendete, nicht zurück schreckte. Dies lässt es als nicht fernliegend erscheinen, dass er aus seiner Sicht über weitere Mittel verfügt hätte, um die Zeugin zum Zungenkuss zu nötigen.
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bb) Der Versuch der sexuellen Nötigung war hier jeweils - auch für den Angeklagten erkennbar - noch nicht beendet, denn es war für ihn offensichtlich, dass die von ihm beabsichtigte sexuelle Nötigung in Gestalt des erstrebten, mit Gewalt erzwungenen Zungenkusses sich noch im Versuchsstadium befand, weil die Opfer jeweils das Eindringen seiner Zunge in ihren Mund verhinderten. Davon ausgehend konnte in seinem bloßen Nichtweiterhandeln ein Rücktritt vom Versuch liegen.
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c) Das Urteil beruht auf dem Rechtsfehler. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn sich die Handlungen des Angeklagten ungeachtet des Umstands, dass es ihm jeweils nicht gelang, seine Zunge in den Mund der Opfer zu stecken, gleichwohl bereits als sexuelle Handlungen von einiger Erheblichkeit darstellen würden und die Taten damit jeweils als vollendete sexuelle Nötigungen zu werten wären. Davon ist die Strafkammer indes offenbar nicht ausgegangen ; auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ist es dem Senat nicht möglich, zu einer abweichenden Würdigung zu gelangen.
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3. Die Aufhebung der Einzelstrafe im Fall II. Tat 1 der Urteilsgründe und ihr jeweiliger Wegfall in den Fällen II. Tat 2 und II. Tat 7 der Urteilsgründe bedingen die Aufhebung auch des Gesamtstrafenausspruchs.
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4. Die Feststellungen zu den Einzelstrafen und zum Gesamtstrafenausspruch werden, ebenso wie die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen in den Fällen II. Tat 2 und II. Tat 7 der Urteilsgründe, von den Rechtsfehlern, die zur teilweisen Aufhebung des Urteils führen, nicht betroffen und können des- halb - und weil sie auch im Übrigen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhen - bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen kann das neue Tatgericht treffen, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
Becker RiBGH Dr. Schäfer befindet sich Gericke im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Tiemann Hoch

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.