Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 585/16
vom
31. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:310117B4STR585.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 31. Januar 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 12. August 2016 im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten „wegen Wohnungseinbruchdieb- stahls und wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchtem Diebstahl unter Auflösung der durch Beschluss des Amtsgerichts Warstein vom 16. Juni 2013 (richtig: 2016) (Aktenzeichen 1 Ds 242 Js 631/15-333/15) gebildeten Gesamtstrafe und unter Einbeziehung der Verurteilung (richtig: der Strafe aus dem Urteil) des Amtsgerichts Warstein vom 04. Februar 2016 (Aktenzeichen 1 Ds 242 Js 631/15-333/15) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jah- ren fünf Monaten“ verurteilt. Die aufdie Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht ausgeführt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) und daher unzulässig.
3
2. Die materiell-rechtliche Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten im Schuldspruch und in den Einzelstrafaussprüchen ergeben.
4
3. Der Gesamtstrafenausspruch hält indes sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
Die Einzelstrafe von einem Jahr und acht Monaten Freiheitsstrafe für die zweite Tat (Tatzeit: 23. Februar 2016) durfte nicht gemäß § 55 Abs. 1 StGB in die nachträgliche Gesamtstrafe einbezogen werden, weil diese Tat nach der zäsurbildenden Verurteilung durch das Amtsgericht Heidelberg vom 2. Februar 2016 begangen worden war. Der Umstand, dass das Landgericht von einer Erledigung der hierdurch verhängten Geldstrafe von 40 Tagessätzen ausging, steht dem nicht entgegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Juli 2007 – 4 StR 266/07, NStZ-RR 2007, 269 f., und vom 26. Juni 2013 – 3 StR 161/13, BGHR StPO § 460 Anwendung 1).
6
Das Landgericht wird daher eine nachträgliche Gesamtstrafe aus der Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten für die erste Tat vom 19. Januar 2016 sowie den beiden rechtskräftigen Geldstrafen vom 2. und 4. Februar 2016 (letztere zu 100 Tagessätzen) zu bilden haben. Für die Frage der Erledigung an sich gesamtstrafenfähiger Vorstrafen ist der Vollstreckungsstand im Zeitpunkt der früheren tatrichterlichen Entscheidung maßgeblich (BGH, Urteil vom 14. Januar 2016 – 4 StR 437/15, NStZ-RR 2016, 75 mwN). Die Einzelstrafe wegen der zweiten Tat bleibt unabhängig davon bestehen.
7
Das Landgericht wird bei der Gesamtstrafenbildung auch das Verschlechterungsverbot gemäß § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO zu beachten haben (BGH, Beschluss vom 8. Juni 2016 – 4 StR 73/16, NStZ-RR 2016, 275). Danach darf die Summe aus der neu zu bildenden nachträglichen Gesamtstrafe und der verbleibenden Einzelstrafe wegen der zweiten Tat nicht höher als zwei Jahre und fünf Monate sein. Um diesen Rahmen einzuhalten, ist das Landge- richt ausnahmsweise nicht an das Gebot der „Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe“ in § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB gebunden (vgl. BGH, Urteil vom 3. November 1955 – 3 StR 369/55, BGHSt 8, 203, 205; MüKo-StPO/Quentin, § 331 Rn. 40 mwN).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


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Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


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Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


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Strafprozeßordnung - StPO | § 358 Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung


(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte

Strafgesetzbuch - StGB | § 54 Bildung der Gesamtstrafe


(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener

Strafprozeßordnung - StPO | § 460 Nachträgliche Gesamtstrafenbildung


Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 266/07
vom
17. Juli 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 17. Juli 2007 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 28. Februar 2007 dahin geändert , dass der Angeklagte wegen Totschlags, verbotenen Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe und wegen falscher Verdächtigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren und fünf Monaten verurteilt wird. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen Totschlags unter Einbeziehung der durch Strafbefehl des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 2. Mai 2005 verhängten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten und einer Woche und wegen verbotenen Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe sowie wegen falscher Verdächtigung zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat dieses Urteil durch Beschluss vom 5. Dezember 2006 - 4 StR 484/06 - im Ausspruch über die beiden Gesamtfreiheitsstrafen mit den Feststellungen aufgehoben und die weiter gehende Revision verworfen.
2
Das Landgericht hat den Angeklagten nunmehr unter Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 2. Mai 2005 wegen Totschlags, verbotenen Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe und wegen falscher Verdächtigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
Die Gesamtstrafenbildung, die das Landgericht nach Zurückverweisung der Sache vorzunehmen hatte, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit das Landgericht in die Gesamtstrafe, die es aus den rechtskräftigen Einzelstrafen von neun Jahren und sechs Monaten wegen Totschlags, von drei Jahren wegen verbotenen Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe und von sechs Monaten wegen falscher Verdächtigung zu bilden hatte, auch die durch Strafbefehl des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 2. Mai 2005 verhängte Geldstrafe von 30 Tagessätzen einbezogen hat.
4
Der Einbeziehung dieser Geldstrafe im Wege der nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB steht entgegen, dass aus dieser wegen Beleidigung verhängten Geldstrafe und der durch Strafbefehl des Amtsgerichts Krefeld vom 10. März 2005 wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung verhängten Geldstrafe von 90 Tagessätzen gemäß § 460 StPO im Beschlusswege nachträglich eine Gesamtstrafe zu bilden ist, weil die Beleidigung am 20. Februar 2005 begangen wurde, sodass allein der Strafbefehl vom 10. März 2005 eine Zäsur bilden kann (vgl. BGHSt 32, 190, 193). Nach den Feststellungen wurde dieser Strafbefehl aber am 10. März 2005 von dem zuständigen Richter vor 14.00 Uhr unterzeichnet. Da der Angeklagte den hier abgeurteilten Totschlag am Abend des 10. März 2005 nach 20.00 Uhr, den Verstoß gegen das Waffengesetz am 14. November 2005 und das Vergehen der falschen Verdächtigung am 28. November 2005 begangen hat, ist für eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung aus den wegen dieser Taten verhängten Freiheitsstrafen und der Geldstrafe aus dem Strafbefehl vom 2. Mai 2005 kein Raum.
5
Die Zäsurwirkung des Strafbefehls vom 10. März 2006 ist auch nicht etwa deshalb entfallen, weil die Geldstrafe aus dem Strafbefehl vom 10. März 2005 nunmehr nach Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe in der Zeit vom 30. November 2006 bis zum 12. Februar 2007 erledigt ist. Da die Erledigung erst nach Erlass des Strafbefehls vom 2. Mai 2005 eingetreten ist, steht sie einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 460 StPO nicht entgegen (vgl. Fischer in KK StPO 5. Aufl. § 460 Rdn. 10; Meyer-Goßner StPO 50. Aufl. § 460 Rdn. 13, jew. m.w.N.). Ein Nachtragsverfahren nach § 460 StPO ist erst dann ausgeschlossen, wenn sämtliche Strafen, die für eine Gesamtstrafenbildung in Betracht gekommen wären, vollständig vollstreckt, verjährt oder erlassen sind (vgl. Fischer aaO; Meyer-Goßner aaO).
6
Die Einbeziehung der Geldstrafe von 30 Tagessätzen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 2. Mai 2005 muss deshalb entfallen. Der Senat setzt die gegen den Angeklagten verhängte Gesamtfreiheitsstrafe um einen Monat herab.
7
Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels gibt keinen Anlass, den Angeklagten von den Kosten des Verfahrens und seinen Auslagen gemäß § 473 Abs. 4 StPO teilweise zu entlasten.
Tepperwien Athing Solin-Stojanović
Ernemann Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 161/13
vom
26. Juni 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Wohnungseinbruchdiebstahls u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 26. Juni 2013 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 20. Februar 2013 im Gesamtstrafenausspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt wird; die Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Schwarzenbek vom 17. September 2012 entfällt. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Wohnungseinbruchdiebstahls in sieben Fällen, versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls in sechs Fällen und Diebstahls zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und elf Monaten verurteilt. In die Gesamtfreiheitsstrafe einbezogen hat es eine gegen den Angeklagten am 17. September 2012 durch Strafbefehl des Amtsgerichts Schwarzenbek (3 Cs 761 Js 7614/12) verhängte Geldstrafe von 30 Tagessätzen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übri- gen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Gesamtstrafenausspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit das Landgericht in die Gesamtfreiheitsstrafe auch die Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Schwarzenbek einbezogen hat. Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt: "Der Einbeziehung im Wege der nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB steht entgegen, dass aus der wegen Diebstahls verhängten Geldstrafe des Amtsgerichts Schwarzenbek und der durch Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Harburg vom 16. Dezember 2011 … wegen versuchten Betrugs verhängten Geldstrafe von 60 Tagessätzen gemäß § 460 StPO im Beschlusswege nachträglich eine Gesamtstrafe zu bilden ist, weil der Diebstahl am 11. Dezember 2011 begangen wurde, so dass allein das Urteil des Amtsgerichts HamburgHarburg vom 16. Dezember 2011 eine Zäsur bilden kann (vgl. BGHSt 32, 190, 193). Die Zäsurwirkung des Urteils des Amtsgerichts Hamburg-Harburg vom 16. Dezember 2011 ist auch nicht etwa deshalb entfallen, weil die Vollstreckung der dort verhängten Geldstrafe seit 8. Dezember 2012 infolge Vollzugs der Ersatzfreiheitsstrafe erledigt ist (UA S. 7, 8), denn die Erledigung ist erst nach Erlass des Strafbefehls des Amtsgerichts Schwarzenbek vom 17. September 2012 eingetreten. Damit steht diese Erledigung einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 460 StPO aus den vom Amtsgericht Hamburg-Harburg am 16. Dezember 2011 und vom Amtsgericht Schwarzenbek am 17. September 2012 verhängten Geldstrafen nicht entgegen. Ein Nachtragsverfahren nach § 460 StPO ist erst dann ausgeschlossen, wenn sämtliche Strafen, die für eine Gesamtstrafenbildung in Betracht gekommen wären, vollständig vollstreckt, verjährt oder erlassen sind (BGH NStZ-RR 2007, 369 f. m.w.N.)."
3
Dem schließt sich der Senat an. Die Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Schwarzenbek in die hier zu bildende Gesamt- strafe hat deshalb zu entfallen. Gemäß § 354 Abs. 1 StPO setzt der Senat in Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts die vom Landgericht ausgesprochene Gesamtfreiheitsstrafe herab, soweit die Besorgnis strafschärfender Berücksichtigung der fehlerhaft einbezogenen Strafe reichen könnte (§ 54 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 StGB).
4
Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels gibt keinen Anlass, den Angeklagten von den Kosten des Verfahrens und seinen Auslagen teilweise zu entlasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Tolksdorf Pfister Schäfer
Mayer Gericke

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 437/15
vom
14. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung
ECLI:DE:BGH:2016:140116U4STR437.15.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Januar 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke, Dr. Mutzbauer, Bender als beisitzende Richter,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Pflichtverteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 30. Juni 2015 wird verworfen.
Die Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hatte die Angeklagte mit Urteil vom 19. August 2014 wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Einzel- strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Essen „vom 6. Dezember 2012“ (rich- tig: 6. März 2012) und der Strafe aus dem Urteil des Landgerichts Essen vom 1. Februar 2013 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt. Ferner hatte es sie wegen Diebstahls in zwei Fällen und wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, sie im Übrigen freigesprochen und die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt sowie den teilweisen Vorwegvollzug der Strafe angeordnet. Dieses Urteil hat der Senat mit Beschluss vom 28. Januar 2015 hinsichtlich der Verurteilung wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung, der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten und im Maßregelausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2
Nunmehr hat das Landgericht Essen die Angeklagte wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung „unter Einbeziehung der rechtskräftig verhängten Einzelstrafen aus der Verurteilung des Landgerichts Essen vom 19.08.2014“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
3
1. Schuld- und Strafausspruch wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung weisen keinen die Angeklagte beschwerenden Rechtsfehler auf (§ 349 Abs. 2 StPO).
4
2. Auch der Ausspruch über die Gesamtstrafe hat Bestand. Er ist zwar fehlerhaft, die Angeklagte ist hierdurch aber nicht beschwert.
5
Die im Ersturteil des Landgerichts Essen vom 19. August 2014 verhängten Einzelstrafen (zwei Mal drei und einmal zwei Monate für am 13. und am 26. Februar 2013 begangene Taten), aus denen die Strafkammer dort die zweite Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten gebildet hatte, durfte das Landgericht im angefochtenen Urteil zwar nicht einbeziehen (vgl. zu der auch deshalb fehlerhaften, weil nicht nach § 55, sondern nach § 54 StGB vorzunehmenden Gesamtstrafenbildung: Fischer, StGB, 63. Aufl., § 55 Rn. 5 mwN). Denn insofern kam dem Urteil des Landgerichts Essen vom 1. Februar 2013 weiterhin Zäsurwirkung zu, da – worauf der Generalbundesanwalt in anderem Zusammenhang zutreffend abstellt – nach Aufhebung und Zurückverweisung für eine schon im ersten Urteil nach § 55 StGB gesamtstrafenfähige Entscheidung die Vollstreckungssituation im Zeitpunkt der früheren tatrichterlichen Entscheidung maßgeblich ist (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss vom 3. Juni 2015 – 4 StR 176/15; Fischer, aaO, § 55 Rn. 6a). Es ist deshalb ohne Bedeutung, dass die Angeklagte die im Urteil des Landgerichts Essen vom 1. Februar 2013 verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten inzwischen vollständig verbüßt hat (UA S. 7).
6
Die Beschwer eines Angeklagten durch die unterlassene Einbeziehung von Einzelstrafen kann aber entfallen, wenn eine Zäsurwirkung für eine einzubeziehende Verurteilung hätte beachtet werden müssen und deshalb mehrere Gesamtstrafen zu bilden gewesen wären (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 7. April 2006 – 2 StR 63/06, NStZ-RR 2006, 232). Das ist hier der Fall.
7
Denn für die wegen der mit Urteil des Landgerichts Essen vom 1. Februar 2013 abgeurteilten schweren räuberischen Erpressung verhängte Freiheitsstrafe von zwei Jahren und die nunmehr wegen der versuchten gefährlichen Körperverletzung festgesetzte Freiheitsstrafe von drei Monaten könnte allenfalls eine (nachträgliche) Gesamtstrafe von zwei Jahren und einem oder zwei Monaten verhängt werden. Zudem würde die im Ersturteil des Landgerichts Essen vom 19. August 2014 verhängte zweite Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten fortbestehen, da mit den ihr zugrunde liegenden Einzelstrafen wegen der erst nach dem 1. Februar 2013 begangenen Taten keine Gesamtstrafenbildung nach § 55 Abs. 1 StGB möglich wäre. Ferner würde die Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Essen vom 6. März 2012 zwar nicht „wieder aufleben“, obwohl die dort verhängten Einzelstrafen fehler- haft – weil eine Gesamtstrafenlage nach § 55 Abs. 1 StGB mit der am 5. Oktober 2012 begangenen schweren räuberischen Erpressung tatsächlich nicht bestand – in die Entscheidung des Landgerichts Essen vom 1. Februar 2013 einbezogen worden waren; vielmehr hätte das Landgericht insofern selbst eine neue weitere Gesamtfreiheitsstrafe aus den dortigen Einzelstrafen von zwei Mal vier Monaten bilden müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2000 – 5 StR 651/99, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Strafen, einbezogene 7; zur Korrektur einer solchen fehlerhaften Gesamtstrafenbildung auch: OLG Hamm, Beschluss vom 26. September 2013 – III-3 Ws 254/13 u.a., NStZ-RR 2014, 75). Diese könnte jedoch nur fünf bis sieben Monate betragen. Damit würden bei richtiger Gesamtstrafenbildung mindestens zwei Jahre und ein Monat, sechs Monate sowie fünf Monate verhängt werden müssen bzw. fortbestehen. Die nunmehr bestehenden bzw. verhängten Gesamtstrafen von zwei Jahren und vier Monaten sowie sieben Monaten beschweren die Angeklagte daher nicht.
8
3. Auch die Nichtanordnung der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat Bestand.
9
Zwar kann das Revisionsgericht auf eine zulässig erhobene und die Nichtanwendung des § 64 StGB nicht ausdrücklich vom Angriff ausnehmende Revision des Angeklagten das Urteil aufheben (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362 f.), ohne dass es auf eine Beschwer des Angeklagten ankommt (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Januar 2009 – 3 StR 458/08, BGHR StGB § 64 Ablehnung 11 mwN). Jedoch ist die Wertung des Landgerichts, die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt biete keine hinreichende Erfolgsaussicht, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Bender

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 73/16
vom
8. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:080616B4STR73.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 8. Juni 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 4. September 2015, soweit es die Angeklagte betrifft, im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an das Amtsgericht Gelsenkirchen – Strafrichter – zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung und fahrlässiger Körperverletzung unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 17. Oktober 2014 zu der Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die nicht näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revi- sion der Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Strafausspruchs ; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Die Gesamtstrafenentscheidung des Landgerichts hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil die Strafkammer dem Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 17. Oktober 2014 zu Unrecht Zäsurwirkung beigemessen hat.
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a) Wurde die neu abzuurteilende Tat zwischen zwei Vorverurteilungen begangen, die untereinander nach der Regelung des § 55 StGB gesamtstrafenfähig sind, darf aus der Strafe für die neu abgeurteilte Tat und der Strafe aus der letzten Vorverurteilung keine Gesamtstrafe gebildet werden. Der letzten Vorverurteilung kommt, da die Taten aus beiden Vorverurteilungen bereits in dem früheren Erkenntnis hätten geahndet werden können, gesamtstrafenrechtlich keine eigenständige Bedeutung zu (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2013 – 4 StR 356/13, NStZ-RR 2014, 74). Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unabhängig davon, ob eine nachträgliche Gesamtstrafe tatsächlich gebildet wurde (vgl. Beschlüsse vom 17. November 2015 – 4 StR 276/15, StraFo 2016, 82; vom 7. Mai 2013 – 4 StR 111/13, wistra 2013, 354; Urteil vom 12. August 1998 – 3 StR 537/97, BGHSt 44, 179, 180 f.; Beschluss vom 22. Juli 1997 – 1 StR 340/97, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 13) oder im Verfahren nach § 460 StPO noch nachgeholt werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Juli 2009 – 5 StR 269/09; vom 17. Juli 2007 – 4 StR 266/07, NStZ-RR 2007, 369 f.; vom 7. Dezember 1983 – 1 StR 148/83, BGHSt 32, 190, 193).
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b) Bei der im angefochtenen Urteil vorgenommenen Gesamtstrafenbildung hat die Strafkammer übersehen, dass in dem Verfahren des Amtsgerichts Gelsenkirchen Az. 16 a Ds–40 Js 2487/12–262/12, in dem die Angeklagte zu der zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wurde, am 23. Januar 2014 ein Berufungsurteil des Landgerichts Essen erging, in welchem zumindest über die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung entschieden wurde. Nach dieser Berufungsentscheidung, die zu einem Teil der Straffrage ergangen ist, bestimmt sich nach der gesetzlichen Regelung des § 55 Abs. 1 Satz 2 StGB der Zeitpunkt der dieser Vorverurteilung zukommenden Zäsurwirkung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. November 2015 – 4 StR 407/15, NStZ-RR 2016, 75 [LS]; vom 30. Juni 1960 – 2 StR 147/60, BGHSt 15, 66, 69 ff.). Da die im einbezogenen Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 17. Oktober 2014 mit einer Bewährungsstrafe von sieben Monaten geahndete Tat am 14. Januar 2014, mithin vor dem Berufungsurteil des Landgerichts Essen vom 23. Januar 2014 begangen wurde, sind beide Vorverurteilungen der Angeklagten untereinander gesamtstrafenfähig. Demgegenüber wurde die im angefochtenen Urteil abgeurteilte Tat erst am 5. April 2014 und damit nach dem Berufungsurteil des Landgerichts Essen verübt, so dass eine nachträgliche Gesamtstrafe unter Einbeziehung der Vorverurteilung durch das Amtsgericht Gelsenkirchen vom 17. Oktober 2014 nicht in Betracht kommt.
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2. Die im angefochtenen Urteil verhängte Einzelfreiheitsstrafe von sieben Monaten kann gleichfalls nicht bestehen bleiben. Das bei alleiniger Revision des Angeklagten zu beachtende verfahrensrechtliche Verbot der reformatio in peius aus § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO hat im Falle der fehlerhaften nachträglichen Gesamtstrafenbildung zur Folge, dass dem Angeklagten ein durch die fehlerhafte Anwendung des § 55 StGB erlangter Vorteil nicht mehr genommen werden darf (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Dezember 1995 – 2 StR 584/95, StV 1996, 265 [LS]; vom 11. Februar 1988 – 4 StR 516/87, BGHSt 35, 208, 212; Urteil vom 3. November 1955 – 3 StR 369/55, BGHSt 8, 203). Das Verschlech- terungsverbot führt hier dazu, dass die Einzelstrafe für die im angefochtenen Urteil neu abgeurteilte Tat und die zwingend nach § 460 StPO zu bildende Gesamtstrafe aus den Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 17. Oktober 2014 sowie dem Verfahren des Amtsgerichts Gelsenkirchen Az. 16 a Ds– 40 Js 2487/12–262/12 zusammen die Dauer von 17 Monaten (Summe der Gesamtstrafen von elf Monaten aus dem angefochtenen Urteil und von sechs Monaten aus dem vorbezeichneten Verfahren des Amtsgerichts Gelsenkirchen) nicht übersteigen dürfen. Da die Höhe der nunmehr im Verfahren nach § 460 StPO noch festzusetzenden nachträglichen Gesamtstrafe aus den sich aus den Vorverurteilungen ergebenden (Einzel-)Strafen offen ist, hebt der Senat, um jede Schlechterstellung der Angeklagten auszuschließen, den Einzelstrafausspruch mit auf. Der neue Tatrichter wird – zweckmäßigerweise nach Durchführung des Verfahrens zur nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 460 StPO – unter Beachtung des Verbots der reformatio in peius eine neue Einzelstrafe zu bestimmen haben.
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Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, aus denen sich ergibt, dass die Angeklagte bei Begehung der neuerlichen Tat in drei – nicht wie von der Strafkammer angenommen in vier – Verfahren unter Bewährung stand, können bestehen bleiben. Neu getroffene ergänzende Feststellungen dürfen den bisherigen nicht widersprechen.
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3. Da sich das weitere Verfahren nur noch gegen eine Erwachsene richtet und die Strafgewalt des Strafrichters ausreicht, macht der Senat von seinem Ermessen Gebrauch (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 1994 – 4 StR 75/94, BGHR StPO § 354 Abs. 3 Zuständigkeit 1 mwN) und verweist die Sache an den Strafrichter des Amtsgerichts Gelsenkirchen zurück, der nach § 462a Abs. 3 Satz 1 StPO auch für die nach § 460 StPO vorzunehmende Gesamtstrafenbildung zuständig ist.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Bender

(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.

(2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen.

(3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.