Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2018 - 4 StR 579/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Ergänzend zu den Ausführungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
Es kann dahinstehen, ob auch die zu erwartenden Nachstellungen gemäß § 238 Abs. 1 StGB durch die Beschuldigte dem Bereich der erheblichen rechtswidrigen Taten im Sinne des § 63 StGB zuzurechnen sind (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 22. August 2017 – 2 BvR 2039/16, juris, Rn. 44, und vom 24. Juli 2013 – 2 BvR 298/12, RuP 2014, 31, 32; BGH, Beschlüsse vom 29. März 2017 – 4 StR 619/16, NStZ-RR 2017, 139, und vom 18. Juli 2013 – 4 StR 168/13, NStZ-RR 2013, 375, 377). Denn die vom Landgericht getroffene Gefährlichkeitsprognose wird jedenfalls durch die mit den weiteren festgestellten Anlasstaten vergleichbaren, künftig zu erwartenden Taten – unbeschadet der Nichterörterung eines Rücktritts vom Versuch auch durch die Tat vom 18. April 2016 zum Nachteil des Zeugen H. – hinreichend belegt. Zurecht hat das Landgericht insoweit unter anderem auf die Vielzahl der Anlasstaten, ihre enge zeitliche Abfolge – innerhalb eines Zeitraums von 22 Tagen sieben Körperverletzungstaten sowie ein versuchter gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr –, die in den Taten zum Ausdruck kommende Bereitschaft der Beschuldigten , ihre (vermeintlichen) Rechte auch unter Einsatz von Gewalt und gegen Zufallsopfer durchzusetzen, und die im Vergleich mit den früheren gegen die Beschuldigte geführten Ermittlungsverfahren deutlich progrediente Entwicklung abgestellt.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Feilcke
Annotations
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer anderen Person in einer Weise unbefugt nachstellt, die geeignet ist, deren Lebensgestaltung nicht unerheblich zu beeinträchtigen, indem er wiederholt
- 1.
die räumliche Nähe dieser Person aufsucht, - 2.
unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu dieser Person herzustellen versucht, - 3.
unter missbräuchlicher Verwendung von personenbezogenen Daten dieser Person - a)
Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für sie aufgibt oder - b)
Dritte veranlasst, Kontakt mit ihr aufzunehmen,
- 4.
diese Person mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit ihrer selbst, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person bedroht, - 5.
zulasten dieser Person, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person eine Tat nach § 202a, § 202b oder § 202c begeht, - 6.
eine Abbildung dieser Person, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht, - 7.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der geeignet ist, diese Person verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, unter Vortäuschung der Urheberschaft der Person verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder - 8.
eine mit den Nummern 1 bis 7 vergleichbare Handlung vornimmt.
(2) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 bis 7 wird die Nachstellung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
durch die Tat eine Gesundheitsschädigung des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person verursacht, - 2.
das Opfer, einen Angehörigen des Opfers oder eine andere dem Opfer nahestehende Person durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt, - 3.
dem Opfer durch eine Vielzahl von Tathandlungen über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten nachstellt, - 4.
bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 ein Computerprogramm einsetzt, dessen Zweck das digitale Ausspähen anderer Personen ist, - 5.
eine durch eine Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 erlangte Abbildung bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 6 verwendet, - 6.
einen durch eine Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 erlangten Inhalt (§ 11 Absatz 3) bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 7 verwendet oder - 7.
über einundzwanzig Jahre ist und das Opfer unter sechzehn Jahre ist.
(3) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.