Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Feb. 2019 - 4 StR 464/18

bei uns veröffentlicht am26.02.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 464/18
vom
26. Februar 2019
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:260219B4STR464.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 26. Februar 2019 gemäß § 349 Abs. 4, § 354 Abs. 1 analog StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 4. Juni 2018
a) mit den Feststellungen aufgehoben, mit Ausnahme der Entscheidung über den Adhäsionsantrag,
b) im Adhäsionsausspruch dahin abgeändert, dass Zinsen seit dem 5. Juni 2018 zu zahlen sind. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat im Wesentlichen Erfolg.
2
1. Die Verneinung eines strafbefreienden Rücktritts des Angeklagten von dem Versuch des Totschlags hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3
a) Nach den Feststellungen begab sich der Angeklagte am Abend des 4. November 2017 zusammen mit Bekannten auf die Kirmesveranstaltung „S. “, wo sich auch der Nebenkläger mit mehreren Freunden auf- hielt. Einer der Bekannten des Angeklagten begann einen Streit mit dem Nebenkläger, der in eine Schlägerei zwischen Mitgliedern beider Gruppen mündete. Der Angeklagte, der sich an der Auseinandersetzung zunächst nicht beteiligt hatte, beschloss nun, den Nebenkläger mit seinem Messer zu attackieren. Er lief, das Messer mit 5 cm langer Klinge in der erhobenen Hand haltend, von hinten auf den Nebenkläger zu und stach gezielt in dessen linke Halsseite. Ihm war bewusst, dass der Stich tödliche Verletzungen zur Folge haben konnte; das war ihm egal. Unmittelbar anschließend ergriff er die Flucht. Der Nebenkläger erlitt eine 3 cm lange Stichverletzung an der linken Halsseite, die komplikationslos verheilt ist.
4
b) Die Frage eines strafbefreienden Rücktritts hat das Landgericht im Rahmen der rechtlichen Würdigung wie folgt erörtert: „Der Angeklagte ist auch nicht gem. § 24 Abs. 1 StGB strafbefreiend vom versuchten Totschlag zurückgetreten. Der Versuch ist fehlgeschlagen. Ein Fehlschlag liegt vor, wenn aus Sicht des Täters nach seiner letzten Ausführungshandlung der Taterfolg mit den eingesetzten oder zur Verfügung stehenden Mitteln nicht mehr ohne In-GangSetzen einer völlig neuen Handlungskette erreicht werden kann (vgl. Fischer, StGB, § 24 Rn. 7 m.w.N.). Der Angeklagte war ersichtlich der Meinung, mit dem Stich in den Hals des Nebenklägers alles für die Herbeiführung des Taterfolgs, namentlich dessen Tötung, Erforderliche getan zu haben. Dies entsprach auch seiner Vorstellung von der Tat, da er durch den Stich die Auseinandersetzung zugunsten seiner Gruppe entscheiden wollte. Der ganze Tatablauf zeigt, dass der Angeklagte nur einmal, gezielt in den Halsbereich seines Opfers zustechen wollte.“.
5
c) Diese Begründung lässt besorgen, dass die Strafkammer dem Tatplan für die Beurteilung der Rücktrittsfrage eine Bedeutung zugemessen hat, die ihr nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht mehr zukommt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227; vom 24. Oktober 2017 – 1 StR 393/17, StV 2018, 715 f., mwN). Danach gilt das Folgende:
6
Fehlgeschlagen ist ein Versuch nur dann, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt, oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Dabei kommt es auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (Rücktrittshorizont). Scheidet ein Fehlschlag aus, kommt es auf die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch an (vgl. BGH, Beschluss vom 22. April 2015 – 2 StR 383/14, StV 2015, 687).
7
Ein unbeendeter Versuch eines Tötungsdelikts, bei dem allein der Abbruch der begonnenen Tathandlung zum strafbefreienden Rücktritt vom Versuch führt, liegt vor, wenn der Täter nach Abschluss der letzten Ausführungs- handlung noch nicht alles getan hat, was nach seiner Vorstellung zur Herbeiführung des Todes erforderlich ist. Ein beendeter Tötungsversuch, bei dem der Täter für einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch den Tod des Opfers durch eigene Rettungsbemühungen verhindern oder sich darum zumindest freiwillig und ernsthaft bemühen muss, ist hingegen anzunehmen, wenn er zu diesem Zeitpunkt den Eintritt des Todes bereits für möglich hält oder sich keine Vorstellungen über die Folgen seines Tuns macht.
8
Allen Fällen aber ist gemeinsam, dass das Vorstellungsbild des Täters im entscheidungserheblichen Zeitpunkt unmittelbar nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung von maßgebender Bedeutung ist. Lässt sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen, hält das Urteil sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 19. März 2013 – 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273; und vom 13. August 2015 – 4 StR 99/15, StraFo 2015, 470, jeweils mwN). So liegt der Fall hier.
9
Den Urteilsausführungen ist nicht zu entnehmen, ob der Angeklagte unmittelbar nach Zufügung des Stiches davon ausging, bereits die beigefügte Verletzung sei dazu geeignet gewesen, den Tod des Opfers herbeizuführen – dann beendeter Versuch –, oder ob er der Ansicht war, dazu seien weitere Maßnahmen erforderlich, die ihm aber nicht möglich seien – dann fehlgeschlagener Versuch. In diesem Zusammenhang fehlen insbesondere Feststellungen zum Zustand des Nebenklägers unmittelbar nach der Tat und zur Wahrnehmung desselben durch den Angeklagten, die im Regelfall einen Rückschluss auf das Vorstellungsbild des Täters zulassen. Sollte der Angeklagte die Verletzung des Nebenklägers für nicht ausreichend gehalten haben, dessen Tod herbeizuführen , die Vollendung der Tat im unmittelbaren Fortgang aber für möglich gehalten haben, wird zu prüfen sein, ob er freiwillig davon Abstand nahm. Die vollständige Durchführung eines Tatplans stünde einem freiwilligen Rücktritt vom unbeendeten Versuch nicht entgegen (BGH, Beschluss vom 28. Februar1989 – 1 StR 36/89, NStZ 1989, 317).
10
Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
11
2. Die Adhäsionsentscheidung wird von der Aufhebung nicht erfasst (BGH, Urteil vom 28. November 2007 – 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96, 97 f.; SSW-StPO/Schöch, 3. Aufl., § 406a Rn. 7). Über die Aufhebung oder Änderung der Adhäsionsentscheidung hat der neue Tatrichter auf der Grundlage des Ergebnisses der neuen Hauptverhandlung zu entscheiden (BGH aaO). Die Revision des Angeklagten führt allerdings zur Abänderung des Adhäsionsausspruchs im Zinsbeginn.
12
Der Nebenkläger hat Anspruch auf Prozesszinsen auf den ausgeurteilten Schmerzensgeldbetrag in Höhe von 3.500 Euro sowie auf den Schadensersatzbetrag in Höhe von 187 Euro gemäß § 404 Abs. 2 StPO, § 291 Satz 1 BGB, § 187 Abs. 1 BGB analog erst ab dem auf den Eintritt der Rechtshängigkeit des Zahlungsanspruchs folgenden Tag (vgl. Senat, Beschlüsse vom 5. Dezember 2018 – 4 StR 292/18, NStZ-RR 2019, 96 mwN; vom 15. Januar 2019 – 4 StR 531/18,juris Rn. 2). Eine Anspruchsgrundlage für eine Verzinsung des Schmerzensgeldanspruchs ab dem Tattag besteht nicht; für einen Eintritt des Verzugs vor Rechtshängigkeit des Adhäsionsanspruchs ist nichts vorgetragen.
13
Rechtshängigkeit ist vorliegend mit Adhäsionsantragsstellung am 4. Juni 2018 eingetreten, so dass Prozesszinsen ab dem 5. Juni 2018 zu zahlen sind. Der Senat hat die Entscheidung daher in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO abgeändert.
Sost-Scheible Roggenbuck Quentin
Feilcke Bartel

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(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

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1 StR 393/17
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wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:241017B1STR393.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 24. Oktober 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 27. März 2017 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit rechtlich zusammentreffender gefährlicher Körperverletzung, versuchter Körperverletzung, Sachbeschädigung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, die mit der Sachrüge Erfolg hat (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.


2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
Der Angeklagte begehrte nach dem Ende der kurzen Beziehung zu der späteren Geschädigten einen finanziellen Ausgleich für Investitionen in die ehemals gemeinsame Wohnung. Nachdem seine ehemalige Lebensgefährtin dies erneut abgelehnt hatte und sich weigerte, die Haustür zu öffnen und mit ihm zu sprechen, trat er die Tür ein und kündigte an, sie nun umzubringen. Die Geschädigte flüchtete in den Garten. Der Angeklagte warf sie zu Boden und würgte sie mit beiden Händen. Sie wurde bewusstlos. Eine herbeigeeilte Nachbarin schubste den Angeklagten von der Geschädigten herunter. Der Angeklagte stieß die Nachbarin zur Seite, packte die Geschädigte an den Haaren und schwang sie durch die Luft. Sie schlug auf dem Boden auf. Der Angeklagte setzte sich wieder auf ihren Oberkörper und würgte sie erneut mit beiden Händen am Hals. Die Nachbarin stieß ihn erneut von der Geschädigten herunter und rief um Hilfe. Der Angeklagte ging jedoch wieder auf die Nachbarin und die Geschädigte zu. In diesem Augenblick riefen vom zweiten und dritten Stock des Hauses zwei Zeuginnen, sie hätten bereits die Polizei verständigt bzw. sie würden die Polizei holen und fragten, ob ein Krankenwagen erforderlich sei. Der Angeklagte sah nun keine Möglichkeit zur Tatrealisierung mehr, drehte sich um, ging zu seinem Auto, fuhr zu einem Arbeitskollegen, erzählte ihm, dass er seine ehemalige Lebensgefährtin hatte umbringen wollen und fuhr dann zur Polizei.
4
Die Geschädigte erlitt insbesondere eine Einblutung in den Kehlkopf, Schwellungen, Schürfwunden, Hautrötungen, andere kleinere Hautdefekte und Einblutungen. Ein Krankenhausaufenthalt war nicht erforderlich.
5
2. Das Landgericht wertete dieses Geschehen tateinheitlich als versuchten Totschlag, gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung, versuchte Körperverletzung und Nötigung, letztere zum Nachteil der Nachbarin. Einen Rücktritt vom Tötungsversuch schloss das Landgericht aus, da der Angeklagte die weitere Ausführung der Tat nicht freiwillig aufgegeben habe.

II.


6
Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand, da sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen lässt (vgl. hierzu z.B. BGH, Urteile vom 19. März 2013 – 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273 und vom 13. August 2015 – 4 StR 99/15, StraFo 2015, 470, jeweils mwN).
7
Die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch bestimmt sich nach dem Vorstellungsbild des Täters nach dem Abschluss der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung, dem sogenannten Rücktrittshorizont. Ein unbeendeter Versuch eines Tötungsdelikts, bei dem allein der Abbruch der begonnenen Tathandlung zum strafbefreienden Rücktritt vom Versuch führt, liegt vor, wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt noch nicht alles getan hat, was nach seiner Vorstellung zur Herbeiführung des Todes erforderlich ist. Ein beendeter Tötungsversuch, bei dem der Täter für einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch den Tod des Opfers durch eigene Rettungsbemühungen verhindern oder sich darum zumindest freiwillig und ernsthaft bemühen muss, ist hingegen anzunehmen, wenn er den Eintritt des Todes bereits für möglich hält oder sich keine Vorstellungen über die Folgen seines Tuns macht.
8
Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Auch dabei kommt es auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (Rücktrittshorizont). Hält er die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsvorgang noch für möglich, wenn auch mit anderen Mitteln, so ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten (vgl. hierzu z.B. BGH, Beschluss vom 22. April 2015 – 2 StR 383/14, StV 2015, 687). Scheidet ein Fehlschlag aus, kommt es auf die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch an (vgl. BGH, Beschluss vom 22. April 2015 – 2 StR 383/14, StV 2015, 687).
9
Allen Fällen aber ist gemeinsam, dass das Vorstellungsbild des Täters im entscheidungserheblichen Zeitpunkt von maßgebender Bedeutung ist. Lässt sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten , das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen, hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 19. März 2013 – 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273 und vom 13. August 2015 – 4 StR 99/15, StraFo 2015, 470, jeweils mwN). So liegt der Fall hier.
10
Den Urteilsausführungen ist bereits nicht zu entnehmen, ob der Angeklagte davon ausging, bereits die beigefügten Verletzungen und das Würgen seien dazu geeignet gewesen, den Tod des Opfers herbeizuführen, oder ob er der Ansicht war, dazu seien weitere Maßnahmen erforderlich gewesen.
11
Die Urteilsfeststellungen schließen auch einen freiwilligen Rücktritt vom Tötungsversuch nicht aus. Die Strafkammer ist zwar davon ausgegangen, dass dem Angeklagten durch die Rufe der Nachbarinnen im zweiten und dritten Stockwerk bewusst geworden sei, dass er bei weiterer Fortsetzung seines Angriffs Gefahr laufen würde, von der Polizei angetroffen zu werden. Allein der Umstand der Entdeckung und die sich anschließende Flucht können die Annahme unfreiwilliger Tataufgabe jedoch nicht tragen.
12
Freiwilligkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn der Täter "Herr seiner Entschlüsse" geblieben ist und die Ausführung seines Verbrechensplans noch für möglich gehalten hat, er also weder durch eine äußere Zwangslage daran gehindert noch durch seelischen Druck unfähig geworden ist, die Tat zu vollbringen. Maßgebliche Beurteilungsgrundlage ist insoweit nicht die objektive Sachlage, sondern die Vorstellung des Täters hiervon. Der Annahme von Freiwilligkeit steht es dabei nicht von vornherein entgegen, dass der Anstoß zum Umdenken von außen kommt oder das Abstandnehmen von der Tat erst nach dem Einwirken eines Dritten erfolgt. Entscheidend für die Annahme von Freiwilligkeit ist, dass der Täter die Tatvollendung aus selbstgesetzten Motiven nicht mehr erreichen will (BGH, Beschluss vom 22. April 2015 – 2 StR 383/14, StV 2015, 687, 688 Rn. 9 mwN).
13
Ob der Angeklagte die Tötung des Opfers noch für möglich gehalten oder ob er sich nach den Rufen der Nachbarn außerstande gesehen hat, sein Ziel noch zu erreichen, hätte das Landgericht näher erörtern müssen. Es lag nicht auf der Hand, dass sich der Angeklagte in dieser Situation ohne Weiteres gehindert sah, den Tod des Opfers noch herbeizuführen. Die der Geschädigten zur Hilfe kommende Nachbarin hatte ihn bis dahin nicht an weiteren Angriffen auf die Geschädigte hindern können, die Bewohnerinnen des zweiten und dritten Stockwerks hatten die Verständigung der Polizei gerade erst mitgeteilt, der Angeklagte hatte zumindest einmal das Tatmittel gewechselt und es verblieb noch eine gewisse Zeit bis zum Eintreffen der Polizei.
14
Zu der Vorstellung des Angeklagten nach den Rufen aus dem zweiten und dritten Stockwerk enthält das Urteil keine konkreten Feststellungen. Der Senat kann auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen , dass der Angeklagte in seinem Rücktrittshorizont eine Vollendung der Tat mit gleichen oder anderen Mitteln nicht mehr für möglich hielt. Der Senat hält es daher nicht für fernliegend, dass der Angeklagte seinen Tötungsvorsatz noch hätte weiterverfolgen können, wenn er dies noch gewollt hätte.
15
Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen versuchten Totschlags; erfasst werden auch die an sich rechtsfehlerfreien tateinheitlichen Verurteilungen. Dies entzieht ohne Weiteres dem Strafausspruch die Grundlage.
16
Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass die Strafkammer fälschlich (und ohne Begründung) der Auffassung war, der über § 21 StGB und § 23 StGB doppelt gemilderte Strafrahmen des § 212 StGB sei günstiger als der des § 213 StGB; denn bei einem sonst minder schweren Fall im Sinne von § 213 2. Alt. StGB hätte sich ein minder schwerer Fall aus den allgemeinen Milderungsgründen , gegebenenfalls zusammen mit einem vertypten Strafmilderungsgrund , ergeben können. Dann wäre über den zweiten Strafmilderungsgrund eine weitere Verschiebung des Strafrahmens möglich gewesen. Dies wäre für den Angeklagten günstiger gewesen. Nur, wenn die tatrichterliche Beurteilung zu dem Ergebnis geführt hätte, dass beide vertypten Strafmilderungsgründe zur Begründung eines sonst minder schweren Falls im Sinne von § 213 StGB erforderlich seien, wäre der doppelt gemilderte Strafrahmen des § 212 StGB günstiger gewesen.
17
Der Senat hat sämtliche Feststellungen aufgehoben. Dies ermöglicht dem neuen Tatrichter, widerspruchsfreie Feststellungen zu treffen, auch im Hinblick auf die Dauer der Bewusstlosigkeit der Geschädigten unter Berücksichtigung ihrer eigenen Angaben und der der Zeuginnen.

III.


18
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass angesichts des Verzichts des Angeklagten auf eigene Ansprüche gegen die Geschädigte aus der Finanzierung und Einrichtung der ehemals gemeinsamen Wohnung und seiner Verpflichtung, Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro nebst Zinsen zu zahlen, auch eine Prüfung der Voraussetzungen eines TäterOpfer -Ausgleichs nach § 46a StGB veranlasst ist.
Raum Bellay Fischer Bär Hohoff

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 3 8 3 / 1 4
vom
22. April 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 22. April 2015 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 25. März 2014 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist, sowie im Ausspruch über die Einheitsjugendstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie Beleidigung in zwei Fällen unter Einbeziehung einer weiteren Verurteilung zu einer Einheitsjugendstrafe von fünf Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerichtete Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Der Schuldspruch wegen Beleidigung in zwei Fällen hält rechtlicher Nachprüfung stand. Hingegen begegnet die Verurteilung wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft nicht geprüft, ob der Angeklagte zusammen mit seinem Mittäter strafbefreiend vom Versuch des versuchten Totschlags zurückgetreten sind.
3
a) Gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB werden bei Tatbeteiligung mehrerer diejenigen Beteiligten nicht wegen Versuchs bestraft, die freiwillig die Tatvollendung verhindern. Hierfür kann es genügen, wenn Mittäter im Falle eines unbeendeten Versuchs einvernehmlich nicht mehr weiterhandeln, obwohl sie dies tun könnten (vgl. BGH StV 2014, 286, 287; NStZ-RR 2012, 167, 168; NStZ 2007, 91, 92; BGHSt 44, 158, 162). Im Falle eines versuchten Totschlags ist es insoweit ausreichend, wenn die Täter freiwillig davon absehen, die Tötung des Opfers mit den verfügbaren Tatmitteln weiter zu verfolgen.
4
b) Das Urteil verhält sich hierzu nicht, obwohl nach den getroffenen Feststellungen ein strafbefreiender Rücktritt des Angeklagten vom Versuch des Totschlags nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint.
5
aa) Der Angeklagte und sein unbekannt gebliebener Mittäter, die beide ein Messer mit sich führten, überfielen am Abend des 24. Juni 2013 gegen 22.40 Uhr das Tatopfer in der Absicht, es zu töten. Sie erwarteten es vor dem Eingangsbereich des Hauses, in dem es wohnte, und versetzten ihm unvermittelt einen Stich in den oberen Nackenbereich und sodann ins Bein, so dass es zu Boden fiel. Es folgten Schläge, Tritte und weitere Messerstiche und -schnitte von beiden Angreifern. Dem Überfallenen gelang es nicht, wieder auf die Beine zu kommen oder sich der Angreifer zu entledigen. Er verlagerte das Geschehen aber so in den Hofbereich vor dem Haus, dass Nachbarn auf seine Schreie nach Hilfe und nach der Polizei aufmerksam wurden. Ein Nachbar rief am Fenster stehend: "Verpisst Euch, sonst rufe ich die Polizei", eine andere Nachbarin forderte die Täter auf aufzuhören. Dem Angeklagten und seinem Mittäter wurde hierdurch klar, dass sie bei weiterer Fortsetzung ihres Angriffs Gefahr laufen würden, von der Polizei angetroffen und festgenommen zu werden. Sie versetzten dem Opfer einen letzten Stich in den Nackenbereich, ließen dann von ihm ab und rannten eilig davon. Mehrere Nachbarn begaben sich nun in den Hof und fanden den Angegriffenen kaum noch ansprechbar und stark blutend vor. Der Notruf bei der Polizei ging um 22.43 Uhr ein. Das Tatopfer wurde in die Klinik verbracht und dort notfallmäßig versorgt. Dabei wurden insgesamt fünf Stichverletzungen festgestellt, darunter eine im Rippenbereich mit einem Stichkanal von 8 cm Tiefe.
6
Der Angeklagte und sein Mittäter ließen - nachdem sie im Anschluss an die Rufe der Nachbarn einen letzten Stich in den Nackenbereich gesetzt hatten, über dessen Länge und Tiefe die Urteilsgründe keine Angaben enthalten - von dem Opfer ab und rannten davon.
7
bb) Dies könnte für einen strafbefreienden Rücktritt genügen, falls es sich aus Sicht des Angeklagten um einen unbeendeten Versuch handeln würde und der Verzicht auf ein Weiterhandeln freiwillig erfolgt wäre.
8
Den Urteilsausführungen ist nicht zu entnehmen, ob der Angeklagte davon ausging, bereits die beigefügten Verletzungen seien dazu geeignet gewesen , den Tod des Opfers herbeizuführen, oder ob er der Ansicht war, dazu wären weitere Stiche mit dem Messer erforderlich gewesen. Angaben dazu waren auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Annahme eines beendeten Versuchs auf der Hand gelegen hätte. Zwar hatte das Opfer "in seiner Gesamtheit" lebensgefährliche Verletzungen erlitten; ob das der Angeklagte aber erkannt hatte , könnte immerhin fraglich sein, nachdem das Opfer das Geschehen in den Hofbereich verlagerte und um Hilfe rief.
9
Der Rücktritt wäre auch nicht von vornherein ausgeschlossen, weil der Angeklagte nicht freiwillig von seinem Tun abgelassen hätte. Die Strafkammer ist zwar davon ausgegangen, dass den Angreifern durch die Rufe der Nachbarn bewusst geworden sei, dass sie bei weiterer Fortsetzung ihres Angriffs Gefahr laufen würden, von der Polizei angetroffen zu werden. Es ist aber schon unklar, worauf das Landgericht diese Annahme im Einzelnen gestützt hat. Vor allem aber könnten allein der Umstand der Entdeckung und die sich anschließende Flucht die Annahme unfreiwilliger Tataufgabe nicht tragen. Freiwilligkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn der Täter "Herr seiner Entschlüsse" geblieben ist und die Ausführung seines Verbrechensplans noch für möglich gehalten hat, er also weder durch eine äußere Zwangslage daran gehindert noch durch seelischen Druck unfähig geworden ist, die Tat zu vollbringen. Maßgebliche Beurteilungsgrundlage ist insoweit nicht die objektive Sachlage, sondern die Vorstellung des Täters hiervon (vgl. nur BGH NStZ-RR 2014, 9). Der Annahme von Freiwilligkeit steht es dabei nicht von vornherein entgegen, dass der Anstoß zum Umdenken von außen kommt (BGH NStZ-RR 2010, 366 f.) oder die Abstandnahme von der Tat erst nach dem Einwirken eines Dritten erfolgt (s. BGH NStZ 1988, 69 f.). Entscheidend für die Annahme von Freiwilligkeit ist, dass der Täter die Tatvollendung aus selbstgesetzten Motiven nicht mehr erreichen will (BGH NStZ-RR 2014, 241).
10
Ob der Angeklagte die Ausführung seines Plans, die Tötung des Opfers, noch für möglich gehalten oder ob er sich nach den Rufen der Nachbarn außerstande gesehen hat, sein Ziel noch zu erreichen, hätte das Landgericht erörtern müssen. Denn es lag - angesichts des Umstands, dass lediglich ein Nachbar für den Fall, dass die Täter sich nicht "verpissen" würden, die Anrufung der Polizei angedroht hatte, und mit Blick darauf, dass der Angeklagte vor Verlassen des Tatorts noch einen weiteren Stich setzte - auch nicht auf der Hand, dass sich der Angeklagte in dieser Situation ohne Weiteres gehindert sah, den Tod des Opfers noch herbeizuführen.
11
2. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen versuchten Totschlags; erfasst wird auch die an sich rechtsfehlerfreie tateinheitliche Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung. Dies entzieht ohne Weiteres dem Strafausspruch die Grundlage.
12
3. Die (teilweise) Aufhebung des Urteils erfasst nicht den Adhäsionsausspruch ; eine Aufhebung der Adhäsionsentscheidung ist dem Tatrichter vorbehalten (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Februar 2015 - 2 StR 388/14). Auf den Anfragebeschluss des Senats vom 8. Oktober 2014 - 2 StR 137/14 u.a. wird hingewiesen. Krehl Eschelbach Ott Zeng Bartel

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 647/12
vom
19. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. März
2013, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Radtke,
Zeng,
Richter
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 3. Juli 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben:
a) soweit der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung (in Tateinheit) mit Freiheitsberaubung verurteilt worden ist und
b) im Gesamtstrafenausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung (in Tateinheit) mit Freiheitsberaubung sowie wegen Urkundenfälschung in zwei Fällen und wegen versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.
2
Die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, ist auf die Anfechtung der Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung beschränkt. Die Staatsanwaltschaft erstrebt hinsichtlich der Gewalthandlungen vom 28./29. August 2011 jedenfalls die Verurteilung wegen eines versuchten Tötungsdelikts. Die weitergehende Verurteilung (wegen Urkundenfälschung in zwei Fällen und wegen versuchter Nötigung) ist vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.
3
Die insoweit wirksam beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg, sodass es eines Eingehens auf die Verfahrensrüge nicht bedarf.

II.

4
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
1. Der Angeklagte unterhielt mit der Nebenklägerin (im Folgenden: N.) seit etwa 2008 eine Beziehung. Aus dieser Beziehung ging der gemeinsame Sohn L. hervor. Nachdem es zwischen den Partnern immer öfter Streitigkeiten gab, trennte sich N. im Juli 2011 vom Angeklagten. Trotz der Trennung wohnten sie und der Angeklagte weiter zusammen in der gemeinsamen Wohnung und schliefen im gleichen Zimmer. Der Angeklagte sowie N. beabsichtigten, zur Absicherung ihres Sohnes eine gemeinsame Lebensversicherung abzuschließen. Versicherungsnehmer sollten sie beide sein. Die Vertragsformalitäten sollten vom Angeklagten übernommen werden.
6
Nachdem der Angeklagte erkannte, dass die Trennung von N. endgültig ist, beschloss er zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt, N. zu töten. In diesem Zusammenhang wollte er die Versicherungsleistung aus der geplanten, noch abzuschließenden Lebensversicherung zu Unrecht selbst vereinnahmen. Den Tod der N. wollte er so herbeiführen, dass sich der Geschehensablauf als häuslicher Unfall darstellt.
7
In Ausführung dieses Planes füllte er am 1. Juli 2011 in seiner Wohnung einen Antrag auf Abschluss einer Lebensversicherung bei der C.-Versicherung aus. Als Versicherungsnehmer und als die zu versichernde Person trug er entgegen der Absprache mit N. in das Formular diese als alleinige Versicherungsnehmerin ein, versah den Antrag mit deren nachgemachter Unterschrift und trug sich selbst als Begünstigter im Todesfall der N. ein. Im Antrag bezifferte er die Versicherungsleistung, die im Todesfall der N. an ihn selbst ausgezahlt werden sollte, mit 1.340.000 €. Dieser Antrag ging am 4. Juli 2011 bei der C.-Versicherung ein. Mit der nachgemachten Unterschrift wollte er die Versicherung über den tatsächlichen Antragsteller täuschen. N. wusste hiervon nichts.
8
Entgegen der Vorstellung des Angeklagten lehnte die Versicherungsgesellschaft eine Deckung in der beantragten Höhe ab, erklärte sich aber zum Vertragsschluss in Höhe von 500.000 € entsprechend einer von der Versicherung durchgeführten Bedarfsberechnung bereit. Am 13. August 2011 unterschrieb der Angeklagte aufgrund eines neuen Tatentschlusses erneut in seiner Wohnung eine Erklärung über den Erhalt von Unterlagen sowie einen Zusatzantrag zur Hinterbliebenenabsicherung, in dem der Versicherungsbeginn 1. August 2011 und die Versicherungssumme mit 500.000 € vereinbart wurde.
9
Die vorgenannten Urkunden versah er wiederum mit der von ihm nachgemachten Unterschrift der N., um die Versicherung erneut darüber zu täuschen , dass diese die Antragsunterlagen - wie nicht - erhalten und unterschrieben hätte, und reichte sie bei der C.-Versicherung ein. Im Vertrauen auf die Echtheit der Urkunden bestätigte die C.-Versicherung das Zustandekommen des Versicherungsvertrages mit Versicherungspolice vom 16. August 2011, die der Angeklagte tags darauf zugestellt bekam. Auch davon bekam N. nichts mit. Versichert war der Tod der N. unabhängig davon, ob es sich um einen natürlichen oder um einen gewaltsamen Tod handelte. Dies wusste der Angeklagte.
10
Nachdem der Angeklagte die vertraglichen Voraussetzungen geschaffen und erfahren hatte, dass N. sich mit einem anderen Mann trifft, entschloss er sich schließlich am 28. August 2011, seinen Tötungsplan in die Tat umzusetzen.
11
Der Angeklagte wollte den Eindruck erwecken, N. sei beim Ausstieg aus der nassen Dusche auf dem Boden des Badezimmers ausgerutscht und mit dem Kopf auf einen harten Gegenstand aufgeschlagen, wobei sie sich tödliche Verletzungen zugezogen habe. Hierzu verstreute er am Abend vorher auf dem Boden Waschpulver und legte sich Geschirrtücher sowie Kabelbinder unter dem Kopfkissen zurecht, um damit N. zu fesseln. Den gemeinsamen Sohn L. verbrachte er zu seinen Eltern, damit dieser von der Tat nichts mitbekomme. Um sich selbst ein Alibi zu verschaffen, verbrachte er den Abend bei seinen Eltern und legte sich, nachdem sein Vater zu Bett ging, zum Schein auf die Couch, um den Eindruck zu erwecken, er werde die ganze Nacht bei seinen Eltern verbringen.
12
Tatsächlich begab er sich jedoch heimlich zurück in seine Wohnung, wo er im Bett liegend auf die Rückkehr von N. wartete. Diese kehrte etwa gegen 2.30 Uhr zurück und legte sich nur mit einer Unterhose bekleidet neben den Angeklagten in ihre Betthälfte. Zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen 3.15 Uhr und 5.30 Uhr begann der Angeklagte, die schlafende, wehrlose N. zu fesseln. Er drehte sie dazu auf den Bauch und fesselte ihr zuerst mit einem stabilen Klebeband die Hände auf dem Rücken, wickelte ihr dann die bereits vorher dazu ebenfalls bereitgelegten Geschirrtücher um die Handgelenke und fixierte diese dann über den zur Polsterung und Striemenvermeidung dienenden Tüchern mit den bereitliegenden Kabelbindern. Hierdurch wurde N. wach, worauf der Angeklagte ihr sogleich den Mund mit Klebeband verklebte. Damit wollte der Angeklagte jeglichen Fluchtversuch der N. von vornherein verhindern.
13
Anschließend nahm er eine nicht näher identifizierte Pistole, hielt sie an ihren Mund und sagte, er würde sie wahnsinnig gerne erschießen. Tatsächlich beabsichtigte er dies nicht, sondern wollte sie einschüchtern und in Todesangst versetzen, was ihm auch gelang. Anschließend fesselte er N. mit dem Klebeband noch an den Beinen, um sie ohne Gegenwehr in das Badezimmer verbringen zu können. Entsprechend seinem Plan verbrachte er die verängstigte und wehrlose N. gegen ihren Willen ins Badezimmer und bespritzte dort das schon am Abend zuvor auf dem Boden verstreute Waschpulver mit Wasser, um einen Schmierfilm zu erzeugen. Anschließend verbrachte er sie nochmals ins Schlafzimmer und gleich wieder zurück ins Bad. Er stellte N. nun unter die laufende Dusche, um sie nass zu machen.
14
Dann zog er sie aus der Dusche, fasste sie mit den Händen an den Kopf, zog diesen zuerst nach vorne und schleuderte die gefesselte N. dann mit aller Kraft nach hinten, um ihr durch den Sturz möglichst tödliche Kopfverletzungen zuzufügen. Die aufgrund der Fesselung völlig wehrlose N. stürzte und schlug mit der linken Schulter und dem Hinterkopf auf dem gefliesten Boden auf. Sie blieb zwar auf dem Rücken liegen, war jedoch nicht schwer verletzt. Der Angeklagte war von diesem vergleichsweise harmlosen Verlauf überrascht, da er zumindest mit dem Eintreten der Bewusstlosigkeit der N. rechnete. Er entschloss sich nunmehr, N. dadurch zu töten, dass er ihr das Genick bricht. Er setzte sich dazu auf die Hüfte auf der am Boden liegenden N., nahm ihren Kopf in seine Hände und versuchte, durch gewaltsames Überdrehen des Kopfes nach hinten dieser tödliche Genickverletzungen zuzufügen. Als dies aufgrund Muskelanspannung der N. misslang, fasste er mit einer Hand unter die rechte Schulter der N., zog sie nach oben und drückte mit der anderen Hand gleichzeitig ihren Kopf nach unten. Da auch dies nicht zu tödlichen Verletzungen führte, kniete er sich nunmehr neben N., fasste mit einer Hand an ihren Hinterkopf und mit der anderen an ihr Kinn, um den Kopf kraftvoll drehen zu können. Er zog sodann gleichzeitig ihren Hinterkopf seitlich nach vorne und drückte ihr Kinn nach hinten. Aber auch hierdurch gelang es ihm nicht, N. erhebliche bzw. tödliche Verletzungen zuzufügen, weil diese ihren Körper mitdrehen konnte.
15
Er ließ nun von N. ab und fing an, diese zu beschimpfen. Er warf ihr vor, sie sei schuld am Scheitern der Beziehung und auch an dem was nunmehr passiere, weil sie egoistisch sei und nur an sich selbst denke. N. antwortete auf die Beschimpfungen und Vorhalte des Angeklagten trotz verklebtem Mund so gut sie konnte, worauf der Angeklagte ihr mehrfach mit der flachen Hand auf die Wange schlug, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass ihm ihre Antwort nicht gefiel.
16
Nunmehr entschloss er sich, die Gegenwehr der N. dadurch auszuschalten , dass er sie bis zur Ohnmacht knebelte, um ihren Kopf dann ohne Widerstand auf den Boden schleudern zu können bzw. ihr durch gewaltsames Verdrehen des Kopfes tödliche Verletzungen zuzufügen. Hierzu drückte er zunächst ihren Mund und ihre Nase mit der Hand zu. Infolge dieser Behandlung löste sich das Klebeband von ihrem Mund und N. schrie so laut sie konnte um Hilfe. Dies geschah ca. um 6.00 Uhr früh. Nun drückte er ihr ein im Badezimmer in unmittelbarer Reichweite befindliches Handtuch tief in den Mund- und Rachenraum und hielt ihr gleichzeitig die Nase zu. Damit gelang es ihm, die Luftzufuhr der N. vollständig zu unterbinden, sodass N. nicht mehr atmen konn- te, ihre Gegenwehr aufgab und dachte, sie werde nun sterben. Erst als sie langsam kraftlos wurde und, wie er erkannte, kurz vor der Bewusstlosigkeit stand, ließ der Angeklagte wortlos von seinem Vorhaben ab und nahm den Knebel aus ihrem Mund, sodass sie schließlich wieder Luft bekam und sich erholte.
17
Anschließend trug er die immer noch am Boden liegende, gefesselte halbnackte N. zurück in das Schlafzimmer und zwang sie, auf dem Bett liegen zu bleiben. Als er bemerkte, dass es ihr zwischenzeitlich gelungen war, der Fesselung der Hände durch die Kabelbinder teilweise zu entkommen, drehte er sie gewaltsam in Bauchlage und legte ihr neue Kabelbinder an, die er so fest zuzog, dass sie Schmerzen erlitt. Im weiteren Verlauf bot N. dem Angeklagten aus Angst um ihr Leben eine Übertragung des Sorgerechts für den gemeinsamen Sohn an und versprach ihm, sie werde nicht zur Polizei gehen, wenn er sie frei lasse.
18
Schließlich nahm der Angeklagte N. gegen 8.30 Uhr die Fesselung ab und ließ sie gegen 9.15 Uhr aus der Wohnung. Der Angeklagte bedrohte sie kurz vor Verlassen der Wohnung noch, dass er sie umbringen werde, wenn sie den Vorfall der Polizei melde.
19
Dennoch erstattete N. nach einer Überlegungsphase und erst nach Aufforderung durch ihre Mutter am 29. August 2011 abends Anzeige gegen den Angeklagten.
20
N. erlitt durch den Erstickungsversuch Petechien im Auge, durch den Aufprall auf dem gefliesten Boden eine 4 cm große Beule am Hinterkopf, durch die Misshandlungen starke Schmerzen am Hals und durch die Fesselung an den Hand- und Sprunggelenken Hautreizungen und Schmerzen. Dies hatte der Angeklagte zumindest billigend in Kauf genommen.
21
N. ist seit diesem Vorfall in psychiatrischer Behandlung. Ob und in welchem Umfang psychische Dauerfolgen verbleiben, steht nicht fest. Sie hat nach wie vor schon bei alltäglichen Berührungen Angstzustände.
22
2. Das Landgericht hat im Rahmen der Beweiswürdigung (III. 6 = UA S. 10-12) das Vorliegen eines fehlgeschlagenen Tötungsversuchs verneint und bei der rechtlichen Würdigung (IV. 1 = UA S. 12) einen freiwilligen Rücktritt vom unbeendeten Versuch bejaht. Es hat bei dem Tatgeschehen vom 28./29. August 2011 eine Zäsur nur im Hinblick auf die abschließende versuchte Nötigung angenommen und ist davon ausgegangen, dass das Dauerdelikt der Freiheitsberaubung "die übrigen Körperverletzungsdelikte" verklammere.

III.

23
Das angefochtene Urteil leidet an durchgreifenden materiell-rechtlichen Fehlern.
24
1. Insbesondere ist den getroffenen Feststellungen nicht das Vorstellungsbild des Täters nach Abschluss der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung , der sogenannte Rücktrittshorizont, zu entnehmen. Bei Vorliegen einer Zäsur müssen zudem die Vorstellungen des Angeklagten jeweils nach der (vorläufig) letzten Ausführungshandlung dargetan werden.
25
Auf den Rücktrittshorizont des Angeklagten kann hier nicht aus dem Urteil in seiner Gesamtheit geschlossen werden, wenn auch im Rahmen der Beweiswürdigung (III. 6 = UA S. 10-12) und der rechtlichen Würdigung (IV. 1 = UA S. 12) rudimentär Rücktrittselemente angesprochen werden. Hier wird jeweils in erster Linie mitgeteilt, was nicht festgestellt werden konnte, ohne dass - ergänzend heranzuziehende - klare und eindeutige Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten nach den verschiedenen Tathandlungen getroffen wurden. Ohnehin konnte N. zum jeweiligen Vorstellungsbild des Angeklagten schon deshalb keine Angaben machen, weil er sich hierzu nicht geäußert hat. Die entsprechenden Feststellungen sind aber unerlässlich; denn auf den Rücktrittshorizont kommt es bei der Beurteilung, ob ein freiwilliger Rücktritt vom Versuch vorliegt, entscheidend an.
26
Das ergibt sich aus Folgendem:
27
Die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendeten Versuch bestimmt sich nach dem Vorstellungsbild des Täters nach dem Abschluss der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung, dem sogenannten Rücktrittshorizont. Bei einem Tötungsdelikt liegt demgemäß ein unbeendeter Versuch vor, bei dem allein der Abbruch der begonnenen Tathandlung zum strafbefreienden Rücktritt vom Versuch führt, wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt noch nicht alles getan hat, was nach seiner Vorstellung zur Herbeiführung des Todes erforderlich oder zumindest ausreichend ist.
28
Ein beendeter Tötungsversuch, bei dem der Täter für einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch den Tod des Opfers durch eigene Rettungsbemühungen verhindern oder sich darum zumindest freiwillig und ernsthaft bemühen muss, ist hingegen anzunehmen, wenn er den Eintritt des Todes bereits für möglich hält oder sich keine Vorstellungen über die Folgen seines Tuns macht.
29
Eine Korrektur des Rücktrittshorizonts ist in engen Grenzen möglich. Der Versuch eines Tötungsdelikts ist daher nicht beendet, wenn der Täter zunächst irrtümlich den Eintritt des Todes für möglich hält, aber nach alsbaldiger Erkenntnis seines Irrtums von weiteren Ausführungshandlungen Abstand nimmt.
30
Rechnet der Täter dagegen zunächst nicht mit einem tödlichen Ausgang, so liegt eine umgekehrte Korrektur des Rücktrittshorizonts vor, wenn er unmittelbar darauf erkennt, dass er sich insoweit geirrt hat.
31
In diesem Fall ist ein beendeter Versuch gegeben, wenn sich die Vorstellung des Täters bei fortbestehender Handlungsmöglichkeit sogleich nach der letzten Tathandlung in engstem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dieser ändert (st. Rspr. vgl. u.a. BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 - 3 StR 337/11 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen; BGH, Urteil vom 2. Februar 2012 - 3 StR 401/11; BGH, Urteil vom 8. Mai 2012 - 5 StR 528/11).
32
Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Dabei kommt es auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (Rücktrittshorizont). Wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Aussetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, liegt ein Fehlschlag vor (st. Rspr. vgl. nur BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 4 StR 346/12 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
33
Liegt ein Fehlschlag vor, scheidet ein Rücktritt vom Versuch nach allen Varianten des § 24 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB aus; umgekehrt kommt es nur dann, wenn ein Fehlschlag nicht gegeben ist, auf die Unterscheidung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch an, die für die vom Täter zu erbringende Rücktrittsleistung in Fällen des § 24 Abs. 1 StGB stets, in solchen des § 24 Abs. 2 StGB mittelbar dann von Bedeutung ist, wenn sich die (gemeinsame) Verhinderungsleistung von Versuchsbeteiligten in einem einverständlichen Unterlassen des Weiterhandelns erschöpfen kann (vgl. nur BGH, Urteil vom 19. Mai 2010 - 2 StR 278/09 mwN).
34
Allen Fällen ist gemeinsam, dass es auf das Vorstellungsbild des Täters im entscheidungserheblichen Zeitpunkt ankommt. Diese Vorstellung ist gegebenenfalls auch für die Beurteilung der Freiwilligkeit eines Rücktritts von Bedeutung (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 2005 - 4 StR 216/05 mwN).
35
Lässt sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen , hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 13. November 2012 - 3 StR 411/12; BGH, Beschluss vom 29. September 2011 - 3 StR 298/11; BGH, Beschluss vom 11. Februar 2003 - 4 StR 8/03).
36
Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, weil es sich um ein mehrstündiges und mehraktiges Tatgeschehen handelt und auch die Prüfung der Annahme nur einer Tat im Rechtssinne vorzunehmen ist. Denn würde man, was hier nicht fern liegt, eine oder mehrere Zäsuren (hinsichtlich der abschließenden versuchten Nötigung ist der Tatrichter selbst davon ausgegangen [UA S. 13]) annehmen, ist die Mitteilung des Vorstellungsbildes des Angeklagten nach der jeweils letzten Ausführungshandlung geboten.
37
Die Annahme des Landgerichts, das Dauerdelikt der (einfachen) Freiheitsberaubung verklammere auch gefährliche Körperverletzungen (die konkrete Fesselung kann ebenfalls eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB darstellen; vgl. u.a. BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 364/03 mwN; Fischer, StGB, 60. Aufl., Rn. 9b zu § 224), begegnet rechtlichen Bedenken; denn das im Strafrahmen des § 224 StGB zum Ausdruck kommende Gewicht übersteigt das des Dauerdelikts (§ 239 StGB) erheblich (vgl. Fischer aaO Rn. 32 vor § 52).
38
Zu denken ist aber an eine natürliche Handlungseinheit. Eine solche und damit eine Tat im materiell-rechtlichen Sinne liegt bei einer Mehrheit gleichartiger strafrechtlich erheblicher Verhaltensweisen nach der Rechtsprechung nur dann vor, wenn die einzelne Betätigungsakte durch ein gemeinsames subjektives Element verbunden sind und zwischen ihnen ein derart unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass das gesamte Handeln des Täters objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint.
39
Für die Beurteilung einzelner Versuchshandlungen als eine natürliche Handlungseinheit ist deshalb eine solche Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Dabei begründet der Wechsel eines Angriffsmittels nicht ohne Weiteres eine die Annahme einer Handlungseinheit ausschließende Zäsur. Eine tatbestandliche Handlungseinheit endet jedoch mit dem Fehlschlagen des Versuchs (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 25. November 2004 - 4 StR 326/04 mwN).
40
Auch für die Beurteilung, ob die einzelnen Betätigungsakte durch ein gemeinsames subjektives Element verbunden sind, ist die (jeweils rechtsfehlerfreie ) Feststellung der subjektiven Tatseite erforderlich.
41
An all diesem fehlt es hier.
42
Die Urteilsgründe lassen weiter nicht eindeutig erkennen, ob der Angeklagte durchgehend davon ausging, den Tod der N. (als außertatbestandliches Ziel) als Unfall darstellen zu können oder nur noch ihren gewaltsamen Tod erstrebte , obwohl dafür das Risiko für ihn größer wurde, als Täter in Verdacht zu geraten und deshalb die Versicherungssumme nicht ausbezahlt zu erhalten. Denn es ist naheliegend, dass bei einem offensichtlich gewaltsamen Tod der N. in der Wohnung des Angeklagten kurz nach Abschluss einer entsprechenden Lebensversicherung und bei einem möglichen Sorgerechtsstreit (UA S. 7) der Tatverdacht auf den Angeklagten fallen würde.
43
Die Urteilsgründe lassen offen, ob der Angeklagte möglicherweise nur noch weiterhandelte, um seine vorausgehende Tat zu verdecken.
44
Das Fehlen entsprechender Feststellungen und Erörterungen lässt eine abschließende Prüfung durch das Revisionsgericht nicht zu.
45
Die Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Urteils im angefochtenen Umfang.
46
Die zugrundeliegenden Feststellungen waren ebenfalls aufzuheben, da der Senat nicht ausschließen kann, dass auch insoweit neue Feststellungen getroffen werden können, die sich auf das Vorstellungsbild des Angeklagten im jeweiligen rechtserheblichen Zeitpunkt ausgewirkt haben.
47
2. Der Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung hatte im Übrigen schon deshalb keinen Bestand, weil die Strafkammer übersehen hat, dass tateinheitlich begangen auch eine Bedrohung (mit der Pistole; § 241 StGB) vorliegt. Ob diese hinter einem versuchten Tötungsdelikt zurücktreten würde, kann hier offenbleiben; sie würde aber nicht hinter der vom Landgericht lediglich angenommenen gefährlichen Körperverletzung zurücktreten (vgl. zur Problematik u.a. BGH, Beschluss vom 13. Februar 2002 - 2 StR 523/01; auch BGH, Beschluss vom 9. Februar 2000 - 2 StR 639/99). Wahl Rothfuß Jäger Radtke Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR99/15
vom
13. August 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen versuchten besonders schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. August
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwältin – jeweils in der Verhandlung –
als Verteidiger des Angeklagten L. ,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung –
als Verteidiger des Angeklagten D. ,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung –
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung –
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Dem Angeklagten K. wird auf seinen Antrag nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 12. November 2014 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte. 2. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 12. November 2014 mit den Feststellungen aufgehoben. 3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten des versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen und den Angeklagten L. zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren, den Angeklagten D. zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und zwei Monaten und den Angeklagten K. zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen richten sich die Revisionen der Angeklagten jeweils mit der Sachrüge; der Angeklagte D. hat zudem Verfahrensrügen erhoben. Die Rechtsmittel haben Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils hatte der Nebenkläger mit H. in einem Nebenraum der Gaststätte des Angeklagten L. um Geldbeträge Karten gespielt. H. verlor sein gesamtes Geld und warf dem Nebenkläger vor, ihn betrogen zu haben. Aus Wut schlug er dem Nebenkläger mit einem Bierkrug zweimal gegen die linke Stirnseite, so dass dieser zwei heftig blutende Platzwunden erlitt. H. ging dann in den Gastraum und beschwerte sich lautstark, dass der Nebenkläger ihn betrogenhabe und ihm das vom Nebenkläger eingesteckte Geld zustehe. Der Angeklagte L. , der dies hörte, kam mit den Angeklagten D. und K. überein, dem Nebenkläger das „eingesteckte Geld“ gewaltsam abzunehmen, um es für sich zu behalten. Sie gingen zu dritt in den Nebenraum und erklärten dem Nebenkläger abwechselnd „Gib das Geld raus, sonst kommst du hier nicht lebend raus!“. Der Angeklagte D. nahm einen Stuhl und schlug damit im Einver- ständnis mit den beiden anderen Angeklagten mehrfach auf den Kopf des Nebenklägers , der dadurch zu Boden ging. Danach hielt er die Tür des Nebenraums von innen zu, während der Angeklagte K. dem Nebenkläger mehrfach mit der Faust ins Gesicht schlug und ihn auch wiederholt gegen den Kopf trat. Der Nebenkläger kam wieder auf die Beine und versuchte, aus dem Fenster zu flüchten. Der Angeklagte L. packte ihn mit der Hand an der Kehle und sagte erneut: „Gib das Geld her, sonst kommst du hier nicht raus!“ und durchsuchte die Taschen, ohne Geld zu finden. Auch sonst gelangten die Angeklagten nicht in den Besitz des Geldes.
3
Der Angeklagte L. verließ schließlich den Nebenraum und ließ die Tür geöffnet. Die Zeugin W. bot an, dem Geschädigten Erste Hilfe zu leisten und ging in den Nebenraum. Der Angeklagte L. brachte ihr auf ihre Aufforderung Verbandszeug, warmes Wasser und Tücher in den Nebenraum. Während sich Frau W. um den Geschädigten kümmerte, versuchte der Angeklagte L. , dessen Jackentaschen zu durchsuchen. Der Geschädigte wehrte sich gegen die Bemühungen der Zeugin und die Griffe des Angeklagten L. und verließ die Gaststätte. Er wurde mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht, wo Polizeibeamte 1.145 € in seiner innenliegenden Jackentasche fanden.
4
Das Landgericht hat nicht auszuschließen vermocht, dass die aufgefundenen 1.145 € das gesamte Geld aus dem Spiel mit H. waren. Es hat deshalb nicht feststellen können, dass die Angeklagten dem Geschädigten Geld abnahmen, und hat sie wegen versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt.

II.


5
1. Dem Angeklagten K. war auf seinen Antrag nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da die Fristversäumung ihre Ursache allein im Organisationsbereich des beauftragten Verteidigers hatte.
6
2. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge führt zu dessen Aufhebung , weil das Landgericht weder das Vorliegen eines fehlgeschlagenen Versuchs noch die Frage eines strafbefreienden Rücktritts gemäß § 24Abs. 1 und 2 StGB geprüft hat. Auf die vom Angeklagten D. erhobenen Verfahrensrügen kommt es deshalb nicht an.
7
a) Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Dabei kommt es auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (Rücktrittshorizont). Wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Aussetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, liegt ein Fehlschlag vor. Ist dies der Fall, scheidet ein Rücktritt vom Versuch nach allen Varianten des § 24 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB aus. Umgekehrt kommt es nur dann, wenn ein Fehlschlag nicht gegeben ist, auf die Unterscheidung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch an, die für die vom Täter zu erbringende Rücktrittsleistung in Fällen des § 24 Abs. 1 StGB stets, in solchen des § 24 Abs. 2 StGB mittelbar dann von Bedeutung ist, wenn sich die (gemeinsame) Verhinderungsleistung von Versuchsbeteiligten in einem einverständlichen Unterlassen des Weiterhandelns erschöpft. Allen Fällen ist gemeinsam, dass es auf das Vorstellungsbild des Täters im entscheidungserheblichen Zeitpunkt ankommt. Diese Vorstellung ist gegebenenfalls auch für die Beurteilung der Freiwilligkeit eines Rücktritts von Bedeutung. Lässt sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen, hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (zum Ganzen: BGH, Urteil vom 19. März 2013 – 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274; zur revisionsgerichtlichen Überprüfung ferner: BGH, Beschlüsse vom 11. März 2014 – 1 StR 735/13, NStZ-RR 2014, 201, 202; vom 27. November 2014 – 3 StR 458/14, NStZ-RR 2015, 105, 106; vom 4. Juni 2014 – 4 StR 168/14 jeweils mwN). Dies gilt umso mehr, wenn es sich um ein mehraktiges Tatgeschehen handelt und auch die Prüfung der Annahme nur einer Tat im Rechtssinne vorzunehmen ist. Denn würde man eine Zäsur annehmen, wäre die Mitteilung des Vorstellungsbildes des Angeklagten nach der jeweils letzten Ausführungshandlung geboten (BGH, Urteil vom 19. März 2013 – 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274).
8
b) Diesen Anforderungen werden die Darlegungen in den Urteilsgründen nicht gerecht.
9
Denn das Landgericht hat weder ausdrückliche Feststellungen zum Rücktrittshorizont der Angeklagten getroffen noch aus den getroffenen Feststellungen Rückschlüsse auf das Vorstellungsbild der Angeklagten nach Abschluss der – jeweiligen – letzten Ausführungshandlung gezogen. Vielmehr hat es zum ersten Handlungsabschnitt lediglich festgestellt, dass die Angeklagten das Geld bei der Durchsuchung der Taschen des Opfers nicht fanden und nicht in den Besitz des Geldes gelangten. Dass es infolge der erfolglosen Durchsuchung des Nebenklägers nicht zur Vollendung der Tat kam, begründet indes allein weder einen Fehlschlag des Versuchs, noch können hieraus derart sichere Schlüsse zur Frage der Freiwilligkeit des Nicht-Weiterhandelns gezogen werden , dass es dem Senat möglich ist, die vom Tatrichter nicht ausdrücklich getroffenen Feststellungen selbst zweifelsfrei dem Gesamtzusammenhang des Urteils zu entnehmen. Denn die Angeklagten wussten, dass der Nebenkläger das gewonnene Geld eingesteckt und – nach den Feststellungen ersichtlich – noch bei sich hatte. Entsprechendes gilt bezüglich des zweiten Handlungsabschnitts. Insoweit bleibt offen, ob das erneute Durchsuchen des Opfers in Anwesenheit der Zeugin W. Teil eines mit dem ersten Handlungsabschnitt einheitlichen Geschehens darstellt, oder ob eine Zäsur eingetreten war, als (nur?) der Angeklagte L. den Nebenraum verließ. Auch hier bleibt unerör- tert, welche Vorstellungen der Angeklagte L. bzw. die Angeklagten im Moment des Entkommenlassens des Opfers hatten.
10
3. Der Darlegungs- und Erörterungsmangel nötigt insgesamt zur Aufhebung des Urteils, wenngleich die tateinheitliche Verurteilung der Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 StGB rechtsfehlerfrei erfolgt ist.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

(1) Der Antrag, durch den der Anspruch geltend gemacht wird, kann schriftlich oder mündlich zu Protokoll des Urkundsbeamten, in der Hauptverhandlung auch mündlich bis zum Beginn der Schlußvorträge gestellt werden. Er muß den Gegenstand und Grund des Anspruchs bestimmt bezeichnen und soll die Beweismittel enthalten. Ist der Antrag außerhalb der Hauptverhandlung gestellt, so wird er dem Beschuldigten zugestellt.

(2) Die Antragstellung hat dieselben Wirkungen wie die Erhebung der Klage im bürgerlichen Rechtsstreit. Sie treten mit Eingang des Antrages bei Gericht ein.

(3) Ist der Antrag vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt, so wird der Antragsteller von Ort und Zeit der Hauptverhandlung benachrichtigt. Der Antragsteller, sein gesetzlicher Vertreter und der Ehegatte oder Lebenspartner des Antragsberechtigten können an der Hauptverhandlung teilnehmen.

(4) Der Antrag kann bis zur Verkündung des Urteils zurückgenommen werden.

(5) Dem Antragsteller und dem Angeschuldigten ist auf Antrag Prozeßkostenhilfe nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu bewilligen, sobald die Klage erhoben ist. § 121 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gilt mit der Maßgabe, daß dem Angeschuldigten, der einen Verteidiger hat, dieser beigeordnet werden soll; dem Antragsteller, der sich im Hauptverfahren des Beistandes eines Rechtsanwalts bedient, soll dieser beigeordnet werden. Zuständig für die Entscheidung ist das mit der Sache befaßte Gericht; die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.

(2) Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 292/18
vom
5. Dezember 2018
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
ECLI:DE:BGH:2018:051218B4STR292.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts , zu Ziffer 2. auf dessen Antrag, sowie nach Anhörung des Beschwerdeführers am 5. Dezember 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten B. wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 22. Dezember 2017, soweit es ihn betrifft, im Adhäsionsausspruch dahin abgeändert, dass Zinsen seit dem 27. September 2017 zu zahlen sind. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten sowie die dem Neben- und Adhäsionskläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt , deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Ferner hat es ihn verurteilt, an den Neben- bzw. Adhäsionskläger für die Zeit vom 26. September 2017 bis zum 10. Oktober 2017 Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem als Schmerzensgeld anerkannten Betrag von 4.000 EUR zu zahlen. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg und führt zur Abänderung des Adhäsionsausspruchs im Zinsbeginn; im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts als unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Der Angeklagte hat Anspruch auf Prozesszinsen aus dem von ihm anerkannten Schmerzensgeldbetrag in Höhe von 4.000 EUR gemäß § 404 Abs. 2 StPO, § 291 Satz 1 BGB, § 187 Abs. 1 BGB analog erst ab dem auf den Eintritt der Rechtshängigkeit des Zahlungsanspruchs folgenden Tag (vgl. Senat, Beschluss vom 2. Dezember 2015 – 4 StR 411/15; BGH, Beschlüsse vom 19. Juli 2018 – 5 StR 277/18 und vom 20. März 2018 – 5 StR 52/18; Beschlüsse vom 17. Oktober 2018 – 2 StR 357/18 und 2 StR 259/18; Folgetagslösung; siehe auch BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 – XI ZR 555/16; Urteil vom 24. Januar 1990 – VIII ZR 296/88, NJW-RR 1990, 518, 519; BAG, Urteil vom 11. Oktober 2017 – 5 AZR 621/16, NJW 2018, 1707, 1709). Soweit der Senat im Hinblick auf anders lautende Entscheidungen des 1. und des 3. Strafsenats (vgl. Beschlüsse vom 8. Dezember 2016 – 1 StR 351/16, StV 2017, 321, 322; und vom 15. April 2014 – 3 StR 69/14, Rn. 2) erwogen hat, seine Rechtsauffassung zu überdenken (vgl. Senat, Urteil vom 25. Oktober 2018 – 4 StR 239/18, Rn. 21), hält er hieran nicht fest, zumal der 1. und der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs mitgeteilt haben, an ihrer entgegen stehenden Rechtsprechung nicht festhalten zu wollen.
3
Rechtshängigkeit ist vorliegend mit Adhäsionsantragsstellung am 26. September 2017 eingetreten, so dass Prozesszinsen ab dem 27. September 2017 zu zahlen sind. Der Senat hat die Entscheidung daher in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO abgeändert.
4
2. Der geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten gemäß § 473 Abs. 4 StPO teilweise von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen.
Sost-Scheible Cierniak Bender
RiBGH Dr. Quentin Bartel ist erkrankt und daher gehindert zu unterschreiben. Sost-Scheible
2
1. Dem Neben- und Adhäsionskläger stehen Zinsen erst ab dem 29. März 2018 zu, weil sein Klageschriftsatz im Adhäsionsverfahren vom 27. März 2018 beim Landgericht am 28. März 2018 eingegangen ist (§ 404 Abs. 2 Satz 2 StPO) und nach § 187 Abs. 1 BGB Zinsen erst ab dem auf die Rechtshängigkeit des Zahlungsanspruchs folgenden Tag zugesprochen werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2018 – 4 StR 292/18, Rn. 2 mwN). Da das Landgericht die Schmerzensgeldforderung (mindestens 10.000 Euro) nicht in vollem Umfang zugesprochen hat, war das darin liegende Absehen von einer Entscheidung (§ 406 Abs. 1 Satz 3 StPO) zur Verdeutlichung in die Urteilsformel aufzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 2018 – 5 StR 488/17, Rn. 14; Urteil vom 13. Mai 2003 – 1 StR 529/02, NStZ 2003, 565, 566).

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.