Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Nov. 2017 - 4 StR 306/17

bei uns veröffentlicht am22.11.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 306/17
vom
22. November 2017
in der Strafsache
gegen
alias:
wegen Wohnungseinbruchdiebstahls
ECLI:DE:BGH:2017:221117B4STR306.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 22. November 2017 gemäß § 206a Abs. 1, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 23. Februar 2017 1. mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte in den Fällen II. 3 und II. 4 der Urteilsgründe verurteilt worden ist; aa) im Fall II. 3 der Urteilsgründe – Anklage der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 27. Dezember 2016 – wird das Verfahren eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last; bb) im Fall II. 4 der Urteilsgründe wird die Sache an das Amtsgericht – Schöffengericht – Arnsberg zurückgegeben; in diesem Umfang fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) im Ausspruch über die Kompensation für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung;
c) im Gesamtstrafenausspruch; 2. im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Wohnungseinbruchdiebstahls in zwei Fällen, wovon es in einem Fall beim Versuch blieb, schuldig ist; die Einzelstrafen für die Taten II. 3 und II. 4 der Urteilsgründe und der Ausspruch über eine Kompensation für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung entfallen. II. Die weiter gehende Revision wird verworfen. III. In dem verbleibenden Umfang der Aufhebung nach Einstellung und Rückgabe an das Amtsgericht – Schöffengericht – wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die weiteren Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Wohnungseinbruchdiebstahls in vier Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, von der zwei Monate wegen überlanger Verfahrensdauer im Fall II. 4 der Urteilsgründe als vollstreckt gelten. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Soweit der Angeklagte im Fall II. 3 der Urteilsgründe verurteilt worden ist, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren einzustellen, weil es hinsichtlich der Anklage der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 27. Dezember 2016, die dieser Verurteilung zugrunde liegt, an der Verfahrensvoraussetzung eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses fehlt. Der in der Hauptverhandlung am 7. Februar 2017 ergangene Einbeziehungsbeschluss der Strafkammer „§ 266 StPO analog“ ist unwirksam.
3
Der im Anschluss an die Verlesung des Anklagesatzes und der Zustimmung des Angeklagten und seines Verteidigers zur Einbeziehung ergangene Einbeziehungsbeschluss entfaltet keine Wirkungen. Der Einbeziehungsbeschluss nach § 266 Abs. 1 StPO, der von der Strafkammer in der Besetzung der Hauptverhandlung getroffen wird (vgl. BGH, Beschluss vom 29. August 2011 – 5 StR 327/11, BGHR StPO § 266 Einbeziehungsbeschluss 4), tritt zwar bei einer Nachtragsanklage an die Stelle des Eröffnungsbeschlusses (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. August 2011 – 5 StR 327/11 aaO; vom 8. Februar 2011 – 4 StR 612/10 Rn. 4). Für einen solchen Einbeziehungsbeschluss war hier jedoch von vornherein kein Raum, weil es an einer Nachtragsanklage gemäß § 266 Abs. 1 StPO fehlte. Denn die Anklage vom 27. Dezember 2016 ist nicht mündlich in der Hauptverhandlung, sondern entsprechend der gesetzlichen Regelung des § 170 Abs. 1, § 199 Abs. 2 StPO durch Einreichung einer Anklageschrift bei Gericht erhoben worden. Eine Nachtragsanklage hinsichtlich des Tatvorwurfs vom 22. Juli 2016 zum Nachteil der Familie R. hätte in der Hauptverhandlung nur nach Rücknahme der Anklage vom 27. Dezember 2016 erhoben werden können.
4
2. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Wohnungseinbruchdiebstahls im Fall II. 4 der Urteilsgründe kann nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht insoweit für die Entscheidung nicht zuständig war. Dieser Mangel ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. Dezember 2005 – 4 StR 426/05, NStZ-RR 2006, 85 und vom 16. April 1996 – 4 StR 80/95, NStZ-RR 1996, 232 mwN).
5
Das Landgericht Dortmund hat das beim Amtsgericht – Schöffengericht – Arnsberg gegen den Angeklagten wegen eines Wohnungseinbruchdiebstahls anhängige Verfahren nach Vorlage durch dieses Gericht durch Beschluss vom 14. August 2015 übernommen und das übernommene Verfahren zu dem bereits rechtshängigen Verfahren wegen unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet und unerlaubten Aufenthalts darin, wegen schweren Bandendiebstahls in sechs Fällen, wovon es in zwei Fällen beim Versuch blieb, wegen Wohnungseinbruchdiebstahls und wegen Diebstahls in drei Fällen, wovon es in einem Fall beim Versuch blieb, hinzuverbunden. Durch Beschluss vom 13. Januar 2017 hat die Strafkammer das Hauptverfahren eröffnet. Der Verbindungsbeschluss ist jedoch rechtsunwirksam, weil er nicht von dem hierfür zuständigen Gericht erlassen worden ist. Die Verbindung, die nicht nur die örtliche, sondern auch die sachliche Zuständigkeit betraf, konnte nicht durch Vereinbarung der beteiligten Gerichte (§ 13 Abs. 2 StPO), sondern nur durch Entscheidung des gemeinschaftlichen oberen Gerichts (§ 4 Abs. 2 StPO) herbeigeführt werden (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 13 Rn. 5a mwN). Gemeinschaftliches oberes Gericht für das zum Landgerichtsbezirk Arnsberg gehörende Amtsgericht Arnsberg und das Landgericht Dortmund ist das Oberlandesgericht Hamm. Da es mithin an einer Entscheidung des für die Verbindung zuständigen Gerichts fehlt, ist das zum Amtsgericht Arnsberg angeklagte Verfahren dort rechtshängig geblieben (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2000 – 4 StR 105/00); an dieses verweist der Senat die Sache in entsprechender Anwendung des § 355 StPO zurück.
6
Da der Ausspruch über die Kompensation allein wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung im Fall II. 4 der Urteilsgründe erfolgt ist, hat der Senat den Rechtsfolgenausspruch auch insoweit aufgehoben.
7
3. Der Wegfall der Verurteilungen in den vorgenannten Fällen führt zur Aufhebung auch der Gesamtstrafe. Insoweit ist ergänzend auf Folgendes hinzuweisen :
8
Nach den landgerichtlichen Feststellungen wurde der Angeklagte mit Urteil des Amtsgerichts Werl vom 13. Mai 2016 zu einer (wohl: Gesamt-)Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 20 € verurteilt. Aus den Urteilsgründen ergibt sich nicht, ob die Geldstrafe zum Zeitpunkt des Urteilserlasses erledigt war. Weil der Angeklagte die beiden noch verfahrensgegenständlichen Straftaten vor dem 13. Mai 2016 begangen hat, wird der neue Tatrichter prüfen müssen, ob aus den mit dem amtsgerichtlichen Urteil verhängten (Einzel-)Strafen und den Einzelfreiheitsstrafen für die noch verfahrensgegenständlichen Taten gemäß § 55 StGB eine nachträgliche Gesamtstrafe zu bilden ist, wobei insoweit der Vollstreckungsstand im Zeitpunkt des Erlasses des Ersturteils maßgebend ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 8. Juni 2016 – 5 StR 170/16 Rn. 5 mwN).
9
Da lediglich Wertungsfehler vorliegen, können die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten werden. Das Landgericht kann weitere Feststellungen treffen, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.
10
4. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Paul

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(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

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(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen. (2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

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(1) Erstreckt der Staatsanwalt in der Hauptverhandlung die Anklage auf weitere Straftaten des Angeklagten, so kann das Gericht sie durch Beschluß in das Verfahren einbeziehen, wenn es für sie zuständig ist und der Angeklagte zustimmt. (2) Die Nac

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(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Erstreckt der Staatsanwalt in der Hauptverhandlung die Anklage auf weitere Straftaten des Angeklagten, so kann das Gericht sie durch Beschluß in das Verfahren einbeziehen, wenn es für sie zuständig ist und der Angeklagte zustimmt.

(2) Die Nachtragsanklage kann mündlich erhoben werden. Ihr Inhalt entspricht dem § 200 Abs. 1. Sie wird in das Sitzungsprotokoll aufgenommen. Der Vorsitzende gibt dem Angeklagten Gelegenheit, sich zu verteidigen.

(3) Die Verhandlung wird unterbrochen, wenn es der Vorsitzende für erforderlich hält oder wenn der Angeklagte es beantragt und sein Antrag nicht offenbar mutwillig oder nur zur Verzögerung des Verfahrens gestellt ist. Auf das Recht, die Unterbrechung zu beantragen, wird der Angeklagte hingewiesen.

5 StR 327/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 29. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. August 2011

beschlossen:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 11. April 2011 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen, jedoch mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO), dass in die Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten auch die Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Pinneberg vom 10. Februar 2010 (Az.: 31 Cs 14/10) einbezogen ist.
Die Angeklagte trägt die Kosten ihrer Revision.
Zutreffend hat das Landgericht allein der Verurteilung vom 11. Dezember 2009 Zäsurwirkung zuerkannt; der nicht vollständig vollstreckte Gesamtstrafbeschluss vom 8. Oktober 2010, der sämtlich vor jener Zäsur begangene Straftaten betrifft, entfaltet seinerseits keine Zäsurwirkung. Die hiervon miterfasste Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 10 € aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Pinneberg vom 10. Februar 2010 ist indes ebenfalls in die erste Gesamtstrafe einzubeziehen. Ihre vollständige – nach § 51 Abs. 2 StGB anzurechnende – Vollstreckung vermochte, anders als das Landgericht annimmt (UA S. 29), nach Rechtskraft des genannten, Geld- und Freiheitsstrafen zusammenfassenden Gesamtstrafbeschlusses eine die Einbeziehung hindernde Erledigung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB nicht mehr zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 2006 – 5 StR 229/06, NStZ-RR 2006, 337; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 55 Rn. 6a). Schon im Blick auf § 39 StGB schließt der Senat eine Erhöhung der ersten Gesamtstrafe durch die Einbeziehung einer weiteren geringen Geldstrafe sicher aus; höher als die aufgelöste Gesamtstrafe aus dem Beschluss vom 8. Oktober 2010 muss sie nicht ausfallen (vgl. Fischer, aaO, § 55 Rn. 16).

Der Senat merkt ferner an: Die letzte, zur Einsatzstrafe für die zweite Gesamtstrafe führende Straftat der Angeklagten ist im Wege der Nachtragsanklage in der Hauptverhandlung einbezogen worden. Der zutreffend in der Besetzung der Hauptverhandlung (mit je zwei Berufsrichtern und Schöffen) ergangene Einbeziehungsbeschluss nach § 266 Abs. 1 StPO begründet die Verfahrensvoraussetzung eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 266 Rn. 15). Der nur wegen des missverständlich gebrauchten Begriffs „Nachtragsanklage“ scheinbar abweichende Beschluss des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 2. Februar2011 – 2 StR 511/10 (StV 2011, 365, 366, Rn. 6), in dem die nach § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG reduzierte Berufsrichterbesetzung beanstandet wird, betrifft, wie die zusammenhängenden Rechtsprechungszitate erweisen, keine nach § 266 Abs. 1 StPO einbezogene Nachtragsanklage.
Basdorf Brause Schaal Schneider König

(1) Erstreckt der Staatsanwalt in der Hauptverhandlung die Anklage auf weitere Straftaten des Angeklagten, so kann das Gericht sie durch Beschluß in das Verfahren einbeziehen, wenn es für sie zuständig ist und der Angeklagte zustimmt.

(2) Die Nachtragsanklage kann mündlich erhoben werden. Ihr Inhalt entspricht dem § 200 Abs. 1. Sie wird in das Sitzungsprotokoll aufgenommen. Der Vorsitzende gibt dem Angeklagten Gelegenheit, sich zu verteidigen.

(3) Die Verhandlung wird unterbrochen, wenn es der Vorsitzende für erforderlich hält oder wenn der Angeklagte es beantragt und sein Antrag nicht offenbar mutwillig oder nur zur Verzögerung des Verfahrens gestellt ist. Auf das Recht, die Unterbrechung zu beantragen, wird der Angeklagte hingewiesen.

5 StR 327/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 29. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. August 2011

beschlossen:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 11. April 2011 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen, jedoch mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO), dass in die Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten auch die Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Pinneberg vom 10. Februar 2010 (Az.: 31 Cs 14/10) einbezogen ist.
Die Angeklagte trägt die Kosten ihrer Revision.
Zutreffend hat das Landgericht allein der Verurteilung vom 11. Dezember 2009 Zäsurwirkung zuerkannt; der nicht vollständig vollstreckte Gesamtstrafbeschluss vom 8. Oktober 2010, der sämtlich vor jener Zäsur begangene Straftaten betrifft, entfaltet seinerseits keine Zäsurwirkung. Die hiervon miterfasste Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 10 € aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Pinneberg vom 10. Februar 2010 ist indes ebenfalls in die erste Gesamtstrafe einzubeziehen. Ihre vollständige – nach § 51 Abs. 2 StGB anzurechnende – Vollstreckung vermochte, anders als das Landgericht annimmt (UA S. 29), nach Rechtskraft des genannten, Geld- und Freiheitsstrafen zusammenfassenden Gesamtstrafbeschlusses eine die Einbeziehung hindernde Erledigung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB nicht mehr zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 2006 – 5 StR 229/06, NStZ-RR 2006, 337; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 55 Rn. 6a). Schon im Blick auf § 39 StGB schließt der Senat eine Erhöhung der ersten Gesamtstrafe durch die Einbeziehung einer weiteren geringen Geldstrafe sicher aus; höher als die aufgelöste Gesamtstrafe aus dem Beschluss vom 8. Oktober 2010 muss sie nicht ausfallen (vgl. Fischer, aaO, § 55 Rn. 16).

Der Senat merkt ferner an: Die letzte, zur Einsatzstrafe für die zweite Gesamtstrafe führende Straftat der Angeklagten ist im Wege der Nachtragsanklage in der Hauptverhandlung einbezogen worden. Der zutreffend in der Besetzung der Hauptverhandlung (mit je zwei Berufsrichtern und Schöffen) ergangene Einbeziehungsbeschluss nach § 266 Abs. 1 StPO begründet die Verfahrensvoraussetzung eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 266 Rn. 15). Der nur wegen des missverständlich gebrauchten Begriffs „Nachtragsanklage“ scheinbar abweichende Beschluss des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 2. Februar2011 – 2 StR 511/10 (StV 2011, 365, 366, Rn. 6), in dem die nach § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG reduzierte Berufsrichterbesetzung beanstandet wird, betrifft, wie die zusammenhängenden Rechtsprechungszitate erweisen, keine nach § 266 Abs. 1 StPO einbezogene Nachtragsanklage.
Basdorf Brause Schaal Schneider König
4
Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift u.a. Folgendes ausgeführt: "Auf die Verkündung des Einziehungsbeschlusses in der Hauptverhandlung und dessen Aufnahme in das Hauptverhandlungsprotokoll kann grundsätzlich nicht verzichtet werden , weil es sonst an einer schlüssigen und eindeutigen Willenserklärung des Gerichts mangelt, dass es die Nachtragsanklage zum Gegenstand der Hauptverhandlung macht (Senat , 4 StR 279/95). Da im vorliegenden Fall ein solcher Einziehungsbeschluss nicht ergangen ist, fehlt es an einer von Amts wegen zu beachtenden Verfahrensvoraussetzung, was zur Einstellung des Verfahrens führen muss, indessen der Erhebung einer neuen Anklage nicht entgegen steht (vgl. BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 3). Ein Fall, in dem das Fehlen des Einziehungsbeschlusses ausnahmsweise als unschädlich angesehen werden kann, weil das Gericht in anderer Weise klar zu erkennen gegeben hat, dass es die Nachtragsanklage zum Gegenstand der Verhandlungsentscheidung machen wollte (vgl. Senat NJW 1990, 1055), ist hier nicht gegeben. Es sind zwar die Staatsanwaltschaft, der Angeklagte und sein Verteidiger von der Einbeziehung der weiteren Taten ausgegangen und es ist insoweit auch zur Sache verhandelt worden , nichts desto weniger fehlt es aber an einer deutlichen Willensäußerung des Gerichts".

(1) Erstreckt der Staatsanwalt in der Hauptverhandlung die Anklage auf weitere Straftaten des Angeklagten, so kann das Gericht sie durch Beschluß in das Verfahren einbeziehen, wenn es für sie zuständig ist und der Angeklagte zustimmt.

(2) Die Nachtragsanklage kann mündlich erhoben werden. Ihr Inhalt entspricht dem § 200 Abs. 1. Sie wird in das Sitzungsprotokoll aufgenommen. Der Vorsitzende gibt dem Angeklagten Gelegenheit, sich zu verteidigen.

(3) Die Verhandlung wird unterbrochen, wenn es der Vorsitzende für erforderlich hält oder wenn der Angeklagte es beantragt und sein Antrag nicht offenbar mutwillig oder nur zur Verzögerung des Verfahrens gestellt ist. Auf das Recht, die Unterbrechung zu beantragen, wird der Angeklagte hingewiesen.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Das für die Hauptverhandlung zuständige Gericht entscheidet darüber, ob das Hauptverfahren zu eröffnen oder das Verfahren vorläufig einzustellen ist.

(2) Die Anklageschrift enthält den Antrag, das Hauptverfahren zu eröffnen. Mit ihr werden die Akten dem Gericht vorgelegt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 426/05
vom
1. Dezember 2005
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 1. Dezember 2005
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 29. April 2005 1. dahin geändert, dass der Angeklagte wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt wird, gegen ihn die Sicherungsverwahrung sowie die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet werden und der Gesamtstrafenausspruch entfällt; 2. mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen Raubes und Diebstahls verurteilt worden ist. Insoweit wird die Sache an das Amtsgericht - Schöffengericht - HerneWanne zurückgegeben. In diesem Umfang fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last. II. Die weiter gehende Revision wird verworfen. III. Der Beschwerdeführer hat die übrigen Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung, Raubes und wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung und in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts.
Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verurteilungen des Angeklagten wegen Raubes und wegen Diebstahls können nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht insoweit für die Entscheidung nicht zuständig war. Dieser Mangel ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten (vgl. BGH NStZ-RR 1996, 232 m.w.N.).
Das Landgericht Essen hat das beim Amtsgericht - Schöffengericht - Herne-Wanne gegen den Angeklagten wegen eines Diebstahls und eines Raubes anhängige Verfahren nach Vorlage durch dieses Gericht durch Beschluss vom 9. März 2005 übernommen, das Hauptverfahren eröffnet und das übernommene Verfahren zu dem bereits rechtshängigen Verfahren wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung hinzu verbunden. Dieser Beschluss ist jedoch rechtsunwirksam, weil er nicht von dem hierfür zuständigen Gericht erlassen worden ist. Die Verbindung, die nicht nur die örtliche, sondern auch die sachliche Zuständigkeit betraf, konnte nicht durch Vereinbarung der beteiligten Gerichte (§ 13 Abs. 2 StPO), sondern nur durch Entscheidung des gemeinschaftlichen oberen Gerichts (§ 4 Abs. 2 StPO) herbeigeführt werden (vgl. Meyer -Goßner StPO 48. Aufl. § 13 Rdn. 4 m.N.). Gemeinschaftliches oberes Ge-
richt für das zum Landgerichtsbezirk Bochum gehörende Amtsgericht HerneWanne und das Landgericht Essen ist das Oberlandesgericht Hamm. Da es mithin an einer Entscheidung des für die Verbindung zuständigen Gerichts fehlt, ist das zum Amtsgericht Herne-Wanne angeklagte Verfahren dort rechtshängig geblieben (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2000 - 4 StR 105/00); an dieses verweist der Senat die Sache in entsprechender Anwendung des § 355 StPO zurück (vgl. BGH NStZ-RR 1996, 232).
2. Der Wegfall der Verurteilungen in den vorgenannten Fällen führt zur Aufhebung auch der Gesamtstrafe.
3. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Es bleibt daher bei der Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten.
Auch die angeordneten Maßregeln der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung und in einer Entziehungsanstalt können bestehen bleiben, weil die Voraussetzungen sowohl für eine Unterbringung nach § 66 StGB als auch für eine solche nach § 64 StGB trotz des Wegfalls der Verurteilungen wegen Raubes und wegen Diebstahls weiterhin vorliegen. Dem steht nicht entgegen, dass das Landgericht die Anordnung der Maßregeln nicht allein auf die mit einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten geahndete versuchte schwere räuberische Erpressung gestützt hat, sondern bei der Gefährlichkeitsprognose auch die aus den vorgenannten Gründen noch beim Amtsgericht Herne-Wanne anhängigen Taten berücksichtigt hat, denn das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der auch insoweit geständige Angeklagte am
25. Januar 2005 die ihn in jenem Verfahren zur Last gelegten beiden Taten (Raub und Diebstahl) begangen hat.
Einer Bestimmung der Reihenfolge der Vollstreckung der beiden Maßregeln gemäß § 72 Abs. 3 Satz 1 StGB bedarf es nicht, denn die Vollstreckungsreihenfolge ergibt sich aus dem Gesetz (vgl. §§ 67 Abs. 1, 67 c Abs. 1 StGB).
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

(1) Für zusammenhängende Strafsachen, die einzeln nach den Vorschriften der §§ 7 bis 11 zur Zuständigkeit verschiedener Gerichte gehören würden, ist ein Gerichtsstand bei jedem Gericht begründet, das für eine der Strafsachen zuständig ist.

(2) Sind mehrere zusammenhängende Strafsachen bei verschiedenen Gerichten anhängig gemacht worden, so können sie sämtlich oder zum Teil durch eine den Anträgen der Staatsanwaltschaft entsprechende Vereinbarung dieser Gerichte bei einem unter ihnen verbunden werden. Kommt eine solche Vereinbarung nicht zustande, so entscheidet, wenn die Staatsanwaltschaft oder ein Angeschuldigter hierauf anträgt, das gemeinschaftliche obere Gericht darüber, ob und bei welchem Gericht die Verbindung einzutreten hat.

(3) In gleicher Weise kann die Verbindung wieder aufgehoben werden.

(1) Eine Verbindung zusammenhängender oder eine Trennung verbundener Strafsachen kann auch nach Eröffnung des Hauptverfahrens auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten oder von Amts wegen durch gerichtlichen Beschluß angeordnet werden.

(2) Zuständig für den Beschluß ist das Gericht höherer Ordnung, wenn die übrigen Gerichte zu seinem Bezirk gehören. Fehlt ein solches Gericht, so entscheidet das gemeinschaftliche obere Gericht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 105/00
vom
9. Mai 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 9. Mai 2000 gemäß
§§ 154 Abs. 2, 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Das Verfahren wird gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit der Angeklagte wegen schwerer räuberischer Erpressung zum Nachteil der N. inG. v erurteilt worden ist. Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 22. Oktober 1999
a) dahin geändert, daß der Angeklagte wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt wird,
b) mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in neun Fällen und wegen versuchten Raubes unter Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Gladbeck vom 20. Januar 1999 (Az.: 6 Cs 20 Js 979/98) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden ist. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die insoweit entstandenen Kosten des Rechtsmittes, an das Amtsgericht - Schöffengericht - Oberhausen zurückverwiesen. 4. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 5. Der Angeklagte hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in neun Fällen und wegen versuchten Raubes unter Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Gladbeck vom 20. Januar 1999 (Az.: 6 Cs 20 Js 979/98) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sowie wegen schwerer räuberischer Erpressung und wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revision . Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg. 1. Der Senat stellt das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, soweit der Angeklagte wegen schwerer räuberischer Erpressung zum Nachteil der N. inG. verurteilt worden ist. Damit entfallen die für diese Tat verhängte Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten und die Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten.
Die Verurteilung wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu drei Jahren Freiheitsstrafe weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Der Senat ändert das Urteil daher entsprechend ab. 2. Soweit der Angeklagte wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in neun Fällen und wegen versuchten Raubes unter Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Gladbeck vom 20. Januar 1999 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt wurde, kann das Urteil nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht für die Entscheidung nicht zuständig war. Dieser Mangel ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten (vgl. BGH NStZ-RR 1996, 232 m.w.N.). Das Landgericht Essen hat das insoweit beim Amtsgericht - Schöffengericht - Oberhausen rechtshängige Verfahren nach Vorlage durch dieses Gericht übernommen und mit dem bei ihm anhängigen Verfahren verbunden. Dieser Verbindungsbeschluß war jedoch rechtsunwirksam, da er nicht von dem hierfür zuständigen Gericht erlassen worden ist. Die Verbindung, die nicht nur die örtliche , sondern auch die sachliche Zuständigkeit betraf, konnte nicht durch Vereinbarung der beteiligten Gerichte (§ 13 Abs. 2 StPO), sondern nur durch Entscheidung des gemeinschaftlichen Oberen Gerichts (§ 4 Abs. 2 StPO) herbeigeführt werden (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 13
Rdn. 4). Gemeinschaftliches Oberes Gericht ist hier, da das Amtsgericht Oberhausen und das Landgericht Essen zum Bezirk verschiedener Oberlandesgerichte gehören, der Bundesgerichtshof. Da es mithin an einer Entscheidung des für die Verbindung zuständigen Gerichts fehlt, ist das Verfahren beim Amtsgericht Oberhausen rechtshängig geblieben; an dieses verweist der Senat die Sache in entsprechender Anwendung des § 355 StPO zurück (vgl. BGH aaO; BGH, Beschluß vom 21. März 2000 - 1 StR 609/99). RiBGH Maatz und RiBGH Athing sind wegen Urlaubs verhindert, ihre Unterschrift beizufügen. Meyer-Goßner Meyer-Goßner Kuckein Ernemann

Wird ein Urteil aufgehoben, weil das Gericht des vorangehenden Rechtszuges sich mit Unrecht für zuständig erachtet hat, so verweist das Revisionsgericht gleichzeitig die Sache an das zuständige Gericht.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

5
Nach den landgerichtlichen Feststellungen wurde der Angeklagte mit Urteil des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 21. November 2013 zu einer (wohl: Gesamt-)Freiheitsstrafe von neun Monaten und mit Urteil des Amtsgerichts Pirna vom 18. Dezember 2013 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Mit Beschluss vom 20. April 2015 bildete das Amtsgericht Pirna aus diesen Strafen eine nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Die Ausführungen des Landgerichts zum Haftverlauf und zu den Therapiebemühungen des Angeklagten (UA S. 5 f.) sprechen dafür, dass die Gesamtfreiheitsstrafe im Zeitpunkt der Verurteilung noch nicht erledigt war. Weil der Angeklagte alle verfahrensgegenständlichen und auch die mit den genannten Urteilen abgeurteilten Straftaten vor dem 21. November 2013 begangen hat, weswegen das Urteil von diesem Tag nicht etwa eine Zäsurwirkung entfaltet (vgl. BGH, Beschluss vom 16. März 2016 – 5 StR 78/16 mwN; missverständlich Fischer, StGB, 63. Aufl., § 55 Rn. 11), hätte das Landgericht gegebe- nenfalls prüfen müssen, ob – unter Auflösung der Gesamtstrafe aus dem Beschluss des Amtsgerichts Pirna vom 20. April 2015 – aus den mit diesen Urteilen verhängten (Einzel-)Strafen und den Einzelfreiheitsstrafen für die verfahrensgegenständlichen Taten gemäß § 55 StGB eine nachträgliche Gesamtstrafe zu bilden ist. Dies wird das neue Tatgericht nachzuholen haben, wobei insoweit der Vollstreckungsstand im Zeitpunkt des Erlasses des Ersturteils maßgebend ist (st. Rspr., vgl. etwa BGH, aaO Rn. 3 mwN).

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.