Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Aug. 2017 - 4 StR 292/17

published on 29/08/2017 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Aug. 2017 - 4 StR 292/17
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 292/17
vom
29. August 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Urkundenfälschung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:290817B4STR292.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 29. August 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stendal vom 15. März 2017 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Urkundenfälschung in 171 Fällen, davon in 150 Fällen in Tateinheit mit Wahlfälschung und in zehn weiteren Fällen in Tateinheit mit versuchter Wahlfälschung, schuldig ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung in 299 Fällen, davon in 150 Fällen in Tateinheit mit Wahlfälschung und in zehn weiteren Fällen in Tateinheit mit versuchter Wahlfälschung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten führt auf die nicht näher begründete Sachrüge hin zu einer gering- fügigen Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Die Rüge der Verletzung von Verfahrensrecht ist nicht näher ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

II.


3
1. Die sachlich-rechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils führt im Fall II. 1 der Urteilsgründe zu einer Berichtigung des Schuldspruchs, da die Annahme von Tatmehrheit in den dort abgeurteilten 139 Fällen der Urkundenfälschung durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet.
4
Insoweit hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 20. Juli 2017 unter anderem Folgendes ausgeführt: „… das Herstellen einer falschen Urkunde und das Gebrauchmachen von der gefälschten Urkunde bildet jeweils nur eine Tat im Rechtssinne (st.Rspr.; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 267 Rn. 58 m.w.N.; vgl. auch Senat, Beschluss vom 15. Januar 2008 – 4 StR 648/07). Dabei liegt ein Gebrauchmachen der Urkunde im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB vor, wenn sie in einer Weise vorgelegt oder übergeben wird, dass der zu Täuschende in die Lage versetzt wird, von dieser Kenntnis zu nehmen (Fischer , a.a.O. Rn. 36; BGH, Beschluss vom 11. November 2015 – 2 StR 299/15). Aus den Urteilsfeststellungen ergibt sich insoweit, dass die von dem Angeklagten ohne Kenntnis der jeweiligen Wahlberechtigten erstellten Unterlagen zur Abholung der Briefwahlunterlagen durch elf von ihm eingesetzte Bevollmächtigte – als mittelbare Täter – im Wahlbüro der Stadt S. vorgelegt wurden. Soweit diese das Wahlbüro teilweise zweimal aufsuchten, ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht, dass der Angeklagte hierauf Einfluss hatte und insoweit einen individuellen Tatbeitrag erbrachte und inwieweit sich neben der Abholung der Briefwahlunterlagen auch die Vorlage der jeweiligen Bevollmächtigungen auf die Termine verteilten. Zugunsten des Angeklagten ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen daher von insgesamt elf Fällen auszugehen.
Der Senat wird den Schuldspruch insoweit abändern können. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der Angeklagte gegen den Vorwurf tateinheitlicher Tatbegehung nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Infolge der Schuldspruchänderung entfallen die Einzelstrafen des Tatkomplexes zu II.1 der Urteilsgründe mit Ausnahme der verbleibenden elf Fälle. Der Senat kann jedoch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO die Gesamtstrafe bestehen lassen. Die bloße Korrektur des Konkurrenzverhältnisses hat keine Verringerung des Tatunrechts und des Schuldgehalts in seiner Gesamtheit zur Folge (Senat , Beschluss vom 3. Juli 2014 – 4 StR 191/14 und Beschluss vom 4. Juli 2017 – 4 StR 566/16, jeweils m.w.N.). Der Senat vermag deshalb auszuschließen, dass das Landgericht angesichts der verbleibenden Einzelstrafen bei zutreffender Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.“
5
Dem kann sich der Senat nicht verschließen.
6
2. Im Übrigen hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
7
Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, hält auch die Beurteilung der Konkurrenzen in den Fällen II. 4 und II. 5 der Urteilsgründe rechtlicher Nachprüfung stand. Soweit der Angeklagte mit Blick auf die Verwendung der Daten von 160 Wahlberechtigten in jedem der Fälle wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit (versuchter) Wahlfälschung verurteilt worden ist, entnimmt der Senat den Urteilsgründen, dass die Briefwahlunterlagen für jeden Wahlberechtigten jeweils auch gesondert an das Wahlbüro gelangten (UA 10).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Quentin Feilcke
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellt, eine echte Urkunde verfälscht oder eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Betrug oder Urkundenfälschung verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt,
3.
durch eine große Zahl von unechten oder verfälschten Urkunden die Sicherheit des Rechtsverkehrs erheblich gefährdet oder
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht.

(4) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer die Urkundenfälschung als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.