Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Nov. 2015 - 2 StR 299/15

ECLI: ECLI:DE:BGH:2015:111115B2STR299.15.0
published on 11/11/2015 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Nov. 2015 - 2 StR 299/15
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 299/15
vom
11. November 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:111115B2STR299.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 11. November 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 19. März 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) in den Fällen A.II. 1. Nr. 1 - 4 und 6 - 39 der Urteilsgründe,
b) im Gesamtstrafenausspruch sowie
c) im Ausspruch über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug in 38 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt sowie die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nebst Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich die Angeklagte mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Die Verurteilung der Angeklagten wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug in 38 Fällen hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
1. Die zu den Fällen A.II. 1. Nr. 1 - 4 und 6 - 39 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen sind lückenhaft und erlauben dem Senat nicht die Beurteilung , ob das Landgericht die Angeklagte zu Recht tateinheitlich zur Urkundenfälschung wegen vollendeten Betrugs gemäß § 263 Abs. 1 StGB verurteilt hat.
4
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts reichte die Angeklagte die von ihr gefälschten Überweisungsträger bei der Bank der Geschädigten ein. Durch diese Einreichung täuschte sie über das Vorliegen eines Überweisungs- auftrags zu ihren Gunsten. „Die Bank“ irrte sich dementsprechend insoweit, als sie von einem Überweisungsauftrag des über das Konto der Geschädigten ver- fügungsberechtigten Mitangeklagten ausging, der tatsächlich nicht vorlag. Auf- grund dieses Irrtums traf „die Bank“ eine Vermögensverfügung, indem sie den jeweils auf dem Überweisungsträger angegebenen Betrag auf das Konto der Angeklagten überwies. Feststellungen zu der Art und Weise der Abwicklung der Überweisungen hat die Strafkammer nicht getroffen.
5
b) Danach bleibt unklar, ob Bankbedienstete - wie es der Betrugstatbestand voraussetzt - täuschungsbedingt einem Irrtum erlegen sind oder ob es an einem solchem fehlte, weil die Bank der Geschädigten die Überweisungsträger lediglich automatisiert geprüft hat, ohne dass die Fälschung auffiel und ohne dass ein Mitarbeiter der Bank noch eine persönliche Kontrolle durchgeführt hat. Dann aber wäre die für eine Strafbarkeit wegen Betrugs erforderliche täuschungsbedingte Irrtumserregung nicht gegeben. Vielmehr hätte die Angeklagte unter diesen Umständen den Tatbestand des Computerbetrugs gemäß § 263a Abs. 1 StGB nach der betrugsspezifischen Auslegung in der Variante des unbefugten Verwendens von Daten erfüllt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Februar 2008 - 4 StR 623/07, NStZ 2008, 281, 282 mwN).
6
Die aus diesem Grund aufzuhebende Verurteilung wegen Betrugs in den Fällen A.II. 1. Nr. 1 - 4 und 6 - 39 der Urteilsgründe zwingt auch zur Aufhebung des - an sich rechtsfehlerfreien (zu den Konkurrenzen siehe die Ausführungen unter I. 2. b) - Schuldspruchs wegen Urkundenfälschung und entzieht dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage.
7
2. Ergänzend weist der Senat daraufhin, dass die lückenhaften Feststellungen auch im Übrigen eine rechtliche Überprüfung teilweise nicht zulassen:
8
a) In den Fällen A.II. 1. Nr. 12 bis 14 der Urteilsgründe kann nicht beurteilt werden, ob sich die Angeklagte des vollendeten Betrugs (bzw. Computerbetrugs ) zum Nachteil der Geschädigten schuldig gemacht hat.
9
Nach den Feststellungen wurde in diesen Fällen der vom Konto der Ge- schädigten zunächst abgebuchte Betrag „durch die Bank“ auf das Konto der Geschädigten zurückgebucht, bevor eine Gutschrift auf dem Konto der Angeklagten erfolgen konnte (UA S. 12). Der „Buchungsvorgang“ wurde jeweils vor Gutschrift auf dem Konto der Angeklagten „abgebrochen“ und sodann die ab- gebuchten Beträge zurückgebucht.
10
Nicht belegt ist damit eine bereits erfolgte Vermögensverfügung und eine darauf beruhende schadensgleiche Vermögensgefährdung, denn es bleibt offen , ob mit der „Abbuchung“ der Geldbeträge bereits die Anweisung ausgeführt wurde und diese zu einer dem Schaden gleich kommenden Vermögensgefährdung der Geschädigten geführt hat oder aber ob es dazu noch weiterer Handlungen der Bank bedurft hätte. Zwar hat die Strafkammer festgestellt, dass die Bank den Überweisungsauftrag zunächst „ausgeführt“ und die Beträge vom Konto der Geschädigten abgebucht hatte. Unklar bleibt aber, warum die Rückbuchung erfolgte. Denkbar ist insoweit, dass die Bank zwar das Konto der Geschädigten belastet, vor Auszahlung auf das Empfängerkonto aber ihren Irrtum bemerkt und die Beträge deshalb dem Konto der Geschädigten wieder gutgeschrieben hatte. In diesem Fall aber läge nur ein versuchter Betrug vor. Denkbar ist aber auch, dass die Bank bereits die Auszahlung auf das Konto der Angeklagten veranlasst hatte, deren Bank aber den Betrag - möglicherweise wegen des angegebenen, mit der Angeklagten als Kontoinhaberin nicht identischen Zahlungsempfängers - wieder an die Bank der Geschädigten zurücküberwiesen hatte.
11
b) In den Fällen A.II. 1. Nr. 13, 14, 22 und 23 der Urteilsgründe ermöglichen die Feststellungen nicht die Beurteilung, ob das Landgericht die Angeklagte insoweit rechtsfehlerfrei wegen vier selbständiger Taten verurteilt hat.
12
Zu Recht ist das Landgericht zwar davon ausgegangen, dass das Herstellen einer falschen Urkunde und ihr Gebrauchmachen jeweils nur eine Tat im Rechtssinne bildet. Dabei gebraucht der Täter die gefälschte Urkunde im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB, wenn er sie in einer Weise vorlegt oder übergibt, dass der zu Täuschende in die Lage versetzt wird, von der Urkunde Kenntnis zu nehmen. Dies ist bei gefälschten Überweisungsträgern dann der Fall, wenn sie von dem Täter bei der Bank eingereicht werden (vgl. Senat, Beschluss vom 7. September 2005 - 2 StR 342/05, NStZ 2006, 100).
13
Vorliegend fehlen jedoch nähere Feststellungen zu den Umständen, insbesondere zu Zeit und Ort der Einreichung der gefälschten Überweisungsträger bei der Bank der Geschädigten. Darauf kommt es aber an. Denn wenn und soweit die Angeklagte mehrere der gefälschten Überweisungsträger in einem einzigen Akt vorlegte, etwa indem sie die Überweisungsträger „gebündelt“ weiterreichte , liegt nur eine Handlung im natürlichen Sinne und deshalb auch nur rechtlich eine Tat des Gebrauchmachens im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB vor (vgl. Senat, Beschluss vom 7. September 2005 - 2 StR 342/05, NStZ 2006, 100; BGH, Beschluss vom 15. Januar 2008 - 4 StR 648/07, wistra 2008, 182). Hiervon ausgehend besteht Grund für die Annahme, dass die Angeklagte jedenfalls die unter dem gleichen Datum ausgestellten Überweisungsträger in den Fällen A.II. 1. Nr. 13 und 14 (2. April 2013) und Nr. 22 und 23 (21. Mai 2013) zeitgleich bei der Bank der Geschädigten vorgelegt hat und ihr deshalb nur jeweils eine Tat zur Last fällt.

II.


14
Der Maßregelausspruch kann nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat zur Prognose im Sinne von § 64 StGB ausgeführt, die Behandlung sei "nicht von vornherein aussichtslos", auch der Sachverständige habe darauf hingewiesen , dass sich aus den mehrere Jahren zurückliegenden erfolglosen Therapieversuchen "allein keine Erfolgslosigkeitsprognose ableiten lasse“.
15
Das ist rechtsfehlerhaft. Nach § 64 Satz 2 StGB bedarf es einer "hinreichend konkreten Erfolgsaussicht"; dies ist mit dem Fehlen von "Aussichtslosigkeit" ersichtlich nicht gleichbedeutend (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2013 - 2 StR 442/12). Vorliegend lässt sich auch aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen, dass das Landgericht inhaltlich den richtigen Prognosemaßstab angewendet hat. Insofern hat die Strafkammer lediglich ausgeführt , dass nach den Ausführungen des Sachverständigen die Erfolgsaussichten von Suchttherapien mit fortschreitendem Alter zunähmen, was auch der Erfahrung der Kammer entspreche, denn langjährige Drogenkonsumenten sähen in einer Therapie oftmals die letzte Chance, um ihre Drogensucht in den Griff zu bekommen.
16
Über die Maßregelanordnung ist daher neu zu entscheiden.
Krehl Eschelbach Ott
Zeng Bartel
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs durch unrichtige Gestaltung des Programms, durch Verwendung unrichtiger oder unvollständiger Daten, durch unbefugte Verwendung von Daten oder sonst durch unbefugte Einwirkung auf den Ablauf beeinflußt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 263 Abs. 2 bis 6 gilt entsprechend.

(3) Wer eine Straftat nach Absatz 1 vorbereitet, indem er

1.
Computerprogramme, deren Zweck die Begehung einer solchen Tat ist, herstellt, sich oder einem anderen verschafft, feilhält, verwahrt oder einem anderen überlässt oder
2.
Passwörter oder sonstige Sicherungscodes, die zur Begehung einer solchen Tat geeignet sind, herstellt, sich oder einem anderen verschafft, feilhält, verwahrt oder einem anderen überlässt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) In den Fällen des Absatzes 3 gilt § 149 Abs. 2 und 3 entsprechend.

(1) Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellt, eine echte Urkunde verfälscht oder eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Betrug oder Urkundenfälschung verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt,
3.
durch eine große Zahl von unechten oder verfälschten Urkunden die Sicherheit des Rechtsverkehrs erheblich gefährdet oder
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht.

(4) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer die Urkundenfälschung als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.