Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Juli 2014 - 4 StR 191/14

published on 03/07/2014 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Juli 2014 - 4 StR 191/14
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR191/14
vom
3. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 3. Juli 2014 gemäß § 349 Abs. 2
und 4, § 357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten R. wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 6. Dezember 2013 – auch bezüglich der Mitangeklagten K. und M. – im Schuldspruch wie folgt geändert:
a) Die Angeklagten R. und K. sind jeweils des schweren Bandendiebstahls in zehn Fällen und des versuchten schweren Bandendiebstahls in drei Fällen schuldig.
b) Der Angeklagte M. ist des schweren Bandendiebstahls in elf Fällen und des versuchten schweren Bandendiebstahls in drei Fällen schuldig. Die gegen die Angeklagten im Fall II.3 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen entfallen. 2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten R. wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen „schweren Bandendiebstahls in 14 Fällen, wobei es in vier Fällen beim Versuch blieb“, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen die Mitangeklagten K. , M. und A. hat es we- gen „schweren Bandendiebstahls in 14 Fällen, wobei es in vier Fällen beim Versuch blieb“ (K. ), „schweren Bandendiebstahls in 15 Fällen, wobei es in vier Fällen beim Versuch blieb“ (M. ) und Wohnungseinbruchsdiebstahls (A. ) (Gesamt-)Freiheitsstrafen von vier Jahren und sechs Monaten (K. und M. ) sowie einem Jahr und sechs Monaten (A. ) verhängt. Die gegen die Mitangeklagten ergangenen Urteile sind rechtskräftig. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten R. führt zu der aus dem Urteilstenor ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs und dem Wegfall einer Einzelstrafe; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Gemäß § 357 StPO ist die Änderung auf die nicht revidierenden Mitangeklagten K. und M. zu erstrecken.
2
1. Die Annahme real konkurrierender Taten in den Fällen II.3 und II.4 der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
a) Nach den Feststellungen fuhren der Angeklagte R. , die Mitangeklagten K. und M. sowie der anderweitig verfolgte Mi. am 1. Februar 2013 nach Düsseldorf-Niederkassel, um dort Wohnungseinbrüche zu begehen. In der Folge drangen mehrere Mitglieder der Gruppe durch eine aufgehebelte Tür in die Souterrainwohnung des Geschädigten Ah. ein, während die übrigen Gruppenmitglieder die Umgebung absicherten (Fall II.3 der Urteilsgründe). Nachdem sie in der unmöblierten Wohnung nichts Stehlenswertes gefunden hatten, brachen sie von außen in die im ersten Obergeschoss desselben Hauses gelegene Wohnung des Geschädigten Ko. ein und entwendeten daraus Gegenstände in einem Wert von 10.000 Euro (Fall II.4 der Urteilsgründe). Nähere Feststellungen dazu, wer aus der Tätergruppe in das Haus eingedrungen ist und wer die Umgebung abgesichert hat, vermochte das Landgericht nicht zu treffen.
4
b) Sind an einer Deliktserie mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter , Anstifter oder Gehilfen beteiligt, ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, bei jedem Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei der Umfang des erbrachten Tatbeitrags. Leistet ein Mittäter für alle oder einige Einzeltaten einen individuellen , nur je diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten – soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt – als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Fehlt es an einer solchen individuellen Tatförderung, erbringt der Täter aber im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeltaten seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden , sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 30. Juli 2013 – 4 StR 29/13, NStZ 2013, 641 m. Anm. Kämpfer; Beschluss vom 22. Dezember 2011 – 4 StR 514/11, wistra 2012, 146, 147; Beschluss vom 7. Dezember 2010 – 3 StR 434/10, StraFo 2011, 238; Urteil vom 17. Juni 2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 182 f.). Lässt sich nicht feststellen, durch wie viele Handlungen im Sinne der §§ 52, 53 StGB der Angeklagte die festgestell- ten Taten gefördert hat, so ist im Zweifel zu seinen Gunsten davon auszugehen , dass er nur eine Handlung begangen hat (BGH, Beschluss vom 19. November 1996 – 1 StR 572/96, BGHR StGB § 52 Abs. 1 in dubio pro reo 7; vgl. Beschluss vom 15. April 1987 – 3 StR 138/87, BGHR StGB § 52 Abs. 1 in dubio pro reo 1).
5
Da das Landgericht die einzelnen Tatbeiträge nicht genauer feststellen konnte, ist nach dem Zweifelssatz zugunsten des Angeklagten davon auszugehen , dass er nicht selbst in die Wohnungen der Geschädigten Ah. und Ko. eingedrungen ist, sondern an den von seinen Mittätern ausgeführten Einbrüchen durch das Absichern der Umgebung übergreifend mitgewirkt hat. Damit hat er in Bezug auf diese beiden Taten keinen individuellen, sondern nur einen einheitlichen Tatbeitrag erbracht, so dass insoweit (gleichartige) Tateinheit gemäß § 52 Abs. 1 StGB gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 2013 – 4 StR 29/13, Rn. 5)
6
2. Der Senat ändert den Schuldspruch unter Verzicht auf eine ausdrückliche Kennzeichnung der gleichartigen Tateinheit entsprechend ab (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 1996 – 4 StR 166/96, Rn. 17). § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da der Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
7
Infolge der Schuldspruchänderung entfällt die Einzelstrafe von einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe im Fall II.3 der Urteilsgründe. Die Einzelstrafe von zwei Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe im Fall II.4 der Urteilsgründe bleibt als alleinige Einzelstrafe bestehen. Einer Aufhebung der Gesamtstrafe bedarf es nicht. Die bloße Korrektur des Konkurrenzverhältnisses hat keine Verringerung des Tatunrechts und des Schuldgehalts in seiner Ge- samtheit zur Folge (BGH, Urteil vom 20. Februar 2014 – 3 StR 178/13, Rn. 8; Beschluss vom 5. Juni 2013 – 2 StR 537/12, Rn. 12; Beschluss vom 30. Juli 2013 – 4 StR 29/13, NStZ 2013, 641; Beschluss vom 22. Dezember 2011 – 4 StR 514/11, wistra 2012, 146, 147; Beschluss vom 7. Januar 2011 – 4 StR 409/10, NStZ 2011, 281, 282). Der Senat schließt deshalb aus, dass das Landgericht vor dem Hintergrund der verbleibenden Einzelstrafen von acht Mal zwei Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe, zwei Mal zwei Jahren Freiheitsstrafe , ein Mal einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe und zwei Mal einem Jahr und vier Monate Freiheitsstrafe auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
8
3. Da die Urteilsaufhebung auf einer Rechtsverletzung beruht, die auf die Sachrüge hin zu beachten ist, ändert der Senat nach § 357 StPO (vgl. dazu ElGhazi , Die Zuordnung von Gesetzesverletzungen zu Sach- und Verfahrensrüge in der strafprozessualen Revision, 2014, S. 90 f. mwN; krit. Basdorf in Festschrift Meyer-Goßner, 2001, S. 665, 673 f.; Hamm in Festschrift Hanack, 1999, S. 369, 383 ff.) auch bei den nichtrevidierenden Mitangeklagten K.
und M. die Schuldsprüche entsprechend ab. Dadurch kommt auch bei ihnen die im Fall II.3 der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe in Wegfall. Die gegen sie festgesetzten Gesamtstrafen werden davon nicht berührt, da der Senat mit Rücksicht auf die verbleibenden Einzelstrafen ausschließen kann, dass das Landgericht auf eine niedrigere Gesamtstrafe erkannt hätte.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie d
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Annotations

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.