Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Apr. 2017 - 4 StR 252/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 11. April 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
a) soweit die Angeklagten im Fall II.2 der Urteilsgründe verurteilt worden sind, und
b) im Gesamtstrafenausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
Gründe:
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- Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in zwei Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von neun Monaten verurteilt , deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Hiergegen richten sich die Revisionen der Angeklagten, die jeweils mit einer Verfahrensbeanstan- dung und der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet sind. Die Rechtsmittel haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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- Die Verurteilung wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gemäß § 266a Abs. 3 StGB im Fall II.2 der Urteilsgründe hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil die Urteilsausführungen nicht hinreichend belegen , dass es sich bei den nicht abgeführten Beiträgen um Teile des den Arbeitnehmern zustehenden Arbeitsentgelts handelte.
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- 1. Nach den Feststellungen waren die Angeklagten Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der W. GmbH & Co. KG, die mit mehr als 500 Beschäftigten im Bereich der Herstellung, Veredelung und Bearbeitung von Glas zu Geschenkartikeln unternehmerisch tätig war. Für tarifgebundene Arbeitnehmer der W. GmbH & Co. KG bestand die Möglichkeit, Beiträge an die ufba - Unterstützungskasse zur Förderung der betrieblichen Altersvorsorge e.V. zu leisten. Hierzu wurden seitens der Gesellschaft jeweils im Dezember eines Jahres vorschüssig für das Folgejahr pro Mitarbeiter 624 Euro des Weihnachtsgeldes einbehalten und bei der Unterstützungskasse für die Beschäftigten angelegt. Vor dem Hintergrund einer seit 2008 angespannten Liquiditätssituation bei der W. GmbH & Co. KG unterließen die Angeklagten in Kenntnis ihrer Verpflichtungen bewusst die Abführung von Beiträgen in Höhe von ca. 157.000 Euro für das Beitragsjahr 2010, die grundsätzlich am 1. Dezember 2009 hätten entrichtet werden müssen, deren Fälligkeit aber aufgrund einer mit der Unterstützungskasse getroffenen Vereinbarung bis August 2010 gestundet war. Ferner unterließen sie es, die betroffenen Mitarbeiter hierüber zu informieren, obwohl ihnen bewusst war, hierzu verpflichtet zu sein.
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- 2. Die Strafvorschrift des § 266a Abs. 3 StGB, mit welcher der Gesetzgeber treuwidrige Verhaltensweisen des Arbeitgebers im Grenzbereich von Betrug und Untreue erfassen wollte (vgl. Entwurf der Bundesregierung für ein Zweites Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, BT-Drucks. 10/318, S. 13, 29), stellt das heimliche Nichtabführen von einbehaltenen Teilen des dem Arbeitnehmer zustehenden Arbeitsentgelts durch den Arbeitgeber unter Strafe. Erforderlich ist eine den Arbeitgeber treffende rechtliche Verpflichtung zur Abführung von Entgeltteilen des Arbeitnehmers an Dritte, die sich neben gesetzlichen Regelungen auch aus vertraglichen Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ergeben kann (vgl. BT-Drucks. 10/318, S. 29; Perron in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 266a Rn. 13; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 266a Rn. 22a). Tatbestandlich geschützt sind ausschließlich Bestandteile des dem Arbeitnehmer zustehenden Entgelts. Zahlungen, die der Arbeitgeber aufgrund einer eigenen, wenn auch im Interesse der Arbeitnehmer bestehenden Beitragsverpflichtung zu erbringen hat, unterfallen dagegen nicht der Strafnorm des § 266a Abs. 3 StGB (vgl. BAG, NJW 2005, 3739, 3740; LAG Hamm, Urteil vom 18. Juli 2014 – 10 Sa 1492/13, juris Rn. 76). Ob sich die seitens des Arbeitgebers unterbliebene Erbringung vertraglich vereinbarter Leistungen zur Altersvorsorge als Nichterfüllung einer eigenen Beitragsverpflichtung des Arbeitgebers oder als Nichtabführung einbehaltener Entgeltteile des Arbeitnehmers darstellt, beurteilt sich nach dem – gegebenenfalls durch Auslegung zu ermittelnden – Inhalt der für das Arbeitsverhältnis maßgeblichen einzel- und tarifvertraglich getroffenen Vereinbarungen (vgl. LAG Hamm aaO Rn. 77; LAG Düsseldorf, Urteil vom 2. September 2015 – 12 Sa 175/15, juris Rn. 111 ff.).
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- 3. Die Ausführungen der Strafkammer im angefochtenen Urteil ergeben danach nicht hinreichend, dass es sich bei den von den Angeklagten nicht an die Unterstützungskasse abgeführten Beiträgen um Teile des den Beschäftigten zustehenden Arbeitsentgelts handelte. Zu den vertraglichen Vereinbarungen, die der für die tarifgebundenen Arbeitnehmer bestehenden Möglichkeit zugrunde lag, Beiträge zur Altersvorsorge an die Unterstützungskasse zu leisten, verhalten sich die Feststellungen des Urteils nicht. Soweit das Landgericht im Rahmen der rechtlichen Würdigung pauschal auf entsprechende tarifvertragliche Vereinbarungen verweist, wird dies inhaltlich nicht näher ausgeführt. Auch der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ermöglicht keine eindeutige Beurteilung. So könnte die Feststellung, wonach pro Mitarbeiter vorschüssig für das Folgejahr 624 Euro des Weihnachtsgeldes einbehalten wurden, auf einen Entgeltcharakter der Beiträge hindeuten, während der Umstand, dass die W. GmbH & Co. KG hinsichtlich der zu leistenden Beiträge Stundungs - und Ratenzahlungsvereinbarungen mit der Unterstützungskasse schloss, eher für eine eigene Beitragsverpflichtung der Gesellschaft spricht. Insgesamt vermag der Senat auf der Grundlage der bisherigen Urteilsausführungen nicht abschließend zu beurteilen, ob der Tatrichter zu Recht von einem Nichtabführen von Teilen des den Arbeitnehmern zustehenden Arbeitsentgelts ausgegangen ist.
Bender Quentin
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer als Arbeitgeber
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der für den Einzug der Beiträge zuständigen Stelle über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder - 2.
die für den Einzug der Beiträge zuständige Stelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt
(3) Wer als Arbeitgeber sonst Teile des Arbeitsentgelts, die er für den Arbeitnehmer an einen anderen zu zahlen hat, dem Arbeitnehmer einbehält, sie jedoch an den anderen nicht zahlt und es unterlässt, den Arbeitnehmer spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach über das Unterlassen der Zahlung an den anderen zu unterrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt nicht für Teile des Arbeitsentgelts, die als Lohnsteuer einbehalten werden.
(4) In besonders schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
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aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß Beiträge vorenthält, - 2.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Beiträge vorenthält, - 3.
fortgesetzt Beiträge vorenthält und sich zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege von einem Dritten verschafft, der diese gewerbsmäßig anbietet, - 4.
als Mitglied einer Bande handelt, die sich zum fortgesetzten Vorenthalten von Beiträgen zusammengeschlossen hat und die zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege vorhält, oder - 5.
die Mithilfe eines Amtsträgers ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht.
(5) Dem Arbeitgeber stehen der Auftraggeber eines Heimarbeiters, Hausgewerbetreibenden oder einer Person, die im Sinne des Heimarbeitsgesetzes diesen gleichgestellt ist, sowie der Zwischenmeister gleich.
(6) In den Fällen der Absätze 1 und 2 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn der Arbeitgeber spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach der Einzugsstelle schriftlich
Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 vor und werden die Beiträge dann nachträglich innerhalb der von der Einzugsstelle bestimmten angemessenen Frist entrichtet, wird der Täter insoweit nicht bestraft. In den Fällen des Absatzes 3 gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.