Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Aug. 2018 - 4 StR 211/18

bei uns veröffentlicht am29.08.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 211/18
vom
29. August 2018
in der Strafsache
gegen
1.
2.
alias:
3.
wegen zu 1.+ 3.: bandenmäßigen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
zu 2.: bandenmäßigen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 29. August 2018 einstimmig beschlossen
:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Bielefeld vom 8. Januar 2018 werden als unbegründet verworfen, da
die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen
keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349
Abs. 2 StPO).
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
ECLI:DE:BGH:2018:290818B4STR211.18.0

Ergänzend bemerkt der Senat:
Die Begründung, mit der das Landgericht eine Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt hat, weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Das Landgericht hat bei der Ausübung seines Ermessens zu Recht bedacht, dass eine spätere Integration der Angeklagten in Deutschland nicht zu erwarten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2017 – 4 StR 218/17, NStZ-RR 2017, 283; vgl. auch Urteil vom 6. Juli 2017 – 4 StR 124/17, BGHR StGB § 64 Satz 2 Erfolgsaussicht 4). Zwar sind die von der Strafkammer in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen zu einer möglichen Ausweisung der Angeklagten nach §§ 53, 54 des Aufenthaltsgesetzes insoweit rechtsfehlerhaft, als das Aufenthaltsgesetz auf die Angeklagten als Unionsbürger unmittelbar keine Anwendung findet (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG, § 11 Freizügigkeitsgesetz/EU). Rechtsgrundlage für die Feststellung des Verlustes des Freizügigkeitsrechts von EU-Bürgern ist vielmehr § 6 Freizügigkeitsgesetz /EU. Soweit es hierzu im Urteil jeweils heißt: „Zwar darf er nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 53 Abs. 2 AufenthG ausgewiesen werden, der die Ausweisung eines Unionsbürgers nur erlaubt, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und die Auswei- sung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist …“ (UA 61 f., 64, 67), handelt es sich bei der Angabe des Paragraphen aber wohl lediglich um einen Missgriff. Denn die von der Strafkammer genannten Voraussetzungen sind in § 6 Abs. 2 Freizügigkeitsgesetz /EU enthalten, während § 53 Abs. 2 AufenthG einzelne Kriterien für die Abwägung bei einer Ausweisung nach § 53 Abs. 1 AufenthG aufzählt, der für Unionsbürger gerade nicht gilt. Inhaltlich ist die Strafkammer jedenfalls von zutreffenden Voraussetzungen der Ausweisung eines Unionsbürgers ausgegangen.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

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Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 53 Ausweisung


(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 54 Ausweisungsinteresse


(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 1 Zweck des Gesetzes; Anwendungsbereich


(1) Das Gesetz dient der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland. Es ermöglicht und gestaltet Zuwanderung unter Berücksichtigung der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit sowie der wirtschaftlichen und arbei

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Bundesgerichtshof Urteil, 06. Juli 2017 - 4 StR 124/17

bei uns veröffentlicht am 06.07.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 124/17 vom 6. Juli 2017 in der Strafsache gegen wegen schweren Raubes u.a. ECLI:DE:BGH:2017:060717U4STR124.17.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. Juli 2017, an

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Juni 2017 - 4 StR 218/17

bei uns veröffentlicht am 22.06.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 218/17 vom 22. Juni 2017 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. ECLI:DE:BGH:2017:220617B4STR218.17.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat n

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 218/17
vom
22. Juni 2017
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:220617B4STR218.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 22. Juni 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 24. Februar 2017 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Seine hiergegen eingelegte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben, weil die Strafkammer den Grenzwert zur nicht geringen Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG un- richtig bestimmt und deshalb von einem zu großen Schuldumfang ausgegangen ist.
3
Nach den Feststellungen war der Angeklagte im Besitz von 9.997 Tabletten mit einem MDMA-Anteil von 801,62 Gramm und 994,7 Gramm einer „kristal- linen bräunlichen Substanz“, in der 698,28 GrammMDMA enthalten waren. Er beabsichtigte, die Betäubungsmittel für einen Kurierlohn von 1.000 Euro nach B. zu transportieren, wo sie von Dritten gewinnbringend verkauft werden sollten. Das Landgericht ist bei der Bestimmung der nicht geringen Menge von dem Grenzwert für Amphetamin (10 Gramm Amphetaminbase) ausgegangen (UA 9) und hat dem Angeklagten bei der Strafzumessung die „besonders hohe Wirkstoffmenge der Betäubungsmittel“ angelastet, die mit 1.499,9 Gramm „rund das 149-fache der nicht geringen Menge“ betrage (UA 14).
4
Dies ist rechtsfehlerhaft. Der Bundesgerichtshof hat den Grenzwert zur nicht geringen Menge bei MDMA auf 30 Gramm Base festgesetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 17. November 2004 – 3 StR 417/04; Beschluss vom 15. März 2001 – 3 StR 21/01, NJW 2001, 1805; Urteil vom 9. Oktober 1996 – 3 StR 220/96, BGHSt 42, 255, 262, 267; Patzak in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., § 29a Rn. 92). Zwar hat der 2. Strafsenat eine Herabsetzung der Grenzmenge auf 10 Gramm Base anlässlich der Bestimmung der Grenzmenge für Metamphetamin in einem obiter dictum für gerechtfertigt gehalten (Urteil vom 3. Dezember 2008 – 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89, 97 f.); die bisherige Grenzmengenbestimmung auf 30 Gramm in einer späteren Entscheidung (Beschluss vom 5. August 2010 – 2 StR 296/10, StraFo 2010, 472) aber wieder bestätigt. Danach hätte die Strafkammer dem Angeklagten nicht anlasten dür- fen, dass die Grenze zur nicht geringen Menge um „rund das 149-fache“ über- schritten gewesen sei. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass die Straf- kammer bei zutreffender Bestimmung des Schuldumfangs die Strafe milder bemessen hätte.
5
2. Die Ablehnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Zwar hat das Landgericht das Vorliegen eines Hangs mit bedenklichen Erwägungen (Selbstreflektion erhalten, keine Anzeichen für eine persönlichkeitsbezogene oder soziale Depravation) verneint , jedoch ergeben die Feststellungen keinen greifbaren Hinweis auf eine hangbedingte Gefährlichkeit. Zudem gehört der ausreisepflichtige Angeklagte als durchreisender Rauschgiftkurier mit Lebensmittelpunkt in R. , bei dem eine spätere Integration in Deutschland kaum zu erwarten ist, zu dem Personenkreis , bei der eine negative Ermessensentscheidung getroffen werden konnte (vgl. BT-Drucks. 16/1344, S. 12 f. und 16/5137, S. 10; BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2008 – 5 StR 472/08, NStZ 2009, 204, 205; Schöch in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 64 Rn. 159).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 124/17
vom
6. Juli 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:060717U4STR124.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. Juli 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke, Dr. Quentin, Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung -, Staatsanwalt - bei der Verkündung - als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Offenburg vom 21. November 2016 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „gemeinschaftlichen schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen, gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung“ zu einer Freiheitstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass vor der Maßregel zehn Monate der Freiheitstrafe zu vollziehen sind.
2
Die auf die ausgeführte Sachrüge gestützte, ausdrücklich zu Gunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, wendet sich allein gegen den Maßregelausspruch. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


3
1. Der auf einer Verständigung beruhenden Verurteilung liegt ein Raubüberfall auf ein Juweliergeschäft in O. zu Grunde, bei dem der Angeklagte und seine beiden nicht revidierenden Mittäter absprachegemäß unter Drohung mit einer Scheinwaffe sowie unter Misshandlung und Fesselung der in dem Geschäft Beschäftigten, zum Teil nach Einschlagen einer Glasvitrine mit einem mitgebrachten Hammer, Uhren, Schmuck und andere Wertgegenstände im Gesamtwert von über 400.000 Euro erbeuteten und einen Sachschaden von etwa 13.000 Euro verursachten. Der langjährig kokainabhängige Angeklagte hoffte, mit seinem Beuteanteil Schulden aus Betäubungsmittelkäufen tilgen zu können. In der Nacht und am Morgen vor der Tat hatte er bis zu drei Gramm Kokain konsumiert, war jedoch zum Zeitpunkt der Tatbegehung voll schuldfähig.
4
2. Soweit für die Maßregelfrage relevant, hat das Landgericht im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
a) Der Angeklagte begann im Alter von 14 Jahren mit dem regelmäßigen Konsum von Marihuana und dem gelegentlichen Konsum von LSD. Von seinem 25. Lebensjahr bis zur Inhaftierung in dieser Sache konsumierte er in erheblichem Umfang Kokain, zeitweise bis zu viermal täglich Einzelmengen von zwei Gramm. Während er als Jugendlicher zur Finanzierung seines Konsums Straftaten beging, verwendete er als Erwachsener dafür zunächst den überwiegenden Teil seines Arbeitslohns; nach konsumbedingtem Verlust seiner Arbeitsfähigkeit im Jahr 2014 musste er sich bei seinen Betäubungsmittellieferanten verschulden. Der Empfehlung einer Suchtberatungsstelle, die er in seinem Heimatland Polen in den Jahren 2015 und 2016 mehrfach aufgesucht hatte, sich einer stationären Drogentherapie zu unterziehen, folgte er nicht, da er nicht für längere Zeit von seiner Familie getrennt sein wollte. Nunmehr ist er zu einer derartigen Therapie auch unter den Bedingungen des Maßregelvollzugs bereit. Der Angeklagte, der die englische Sprache fließend beherrscht, bemüht sich, in der Untersuchungshaft die deutsche Sprache zu erlernen.
6
b) Das Landgericht hat, insoweit dem medizinischen Sachverständigen folgend, bei dem Angeklagten eine Kokainabhängigkeit festgestellt und einen Hang im Sinne des § 64 StGB sowie den Symptomcharakter der verfahrensgegenständlichen Tat bejaht. Auch die nach § 64 Satz 2 StGB erforderliche hinreichend konkrete Erfolgsaussicht einer Behandlung des Angeklagten im Maßregelvollzug hat es als gegeben angesehen. Entgegen den insoweit erhobenen Bedenken des Sachverständigen sei, so die Strafkammer, von einem ernsthaften Therapiewillen des Angeklagten auszugehen. Er selbst habe mehrfach erklärt , dass er eine derartige Behandlung als einzigen Ausweg aus seiner Sucht ansehe. Seine intellektuellen Fähigkeiten zur Durchführung einer Therapie seien ausreichend, von seiner Familie sei er wegen der andauernden Inhaftierung ohnehin getrennt. Die fehlende Beherrschung der deutschen Sprache stehe der Annahme einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht nicht entgegen. Der Angeklagte habe zwar seinen Lebensmittelpunkt nicht in Deutschland. Auch seien Einrichtungen des Maßregelvollzugs mit Behandlungsmöglichkeiten in polnischer Sprache im Gerichtsbezirk nicht vorhanden. Der Angeklagte sei aber bereit und auch in der Lage, sich während der Dauer des Vorwegvollzugs ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache anzueignen. Seine Fremdsprachenkompetenz habe er in der Vergangenheit durch problemloses Erlernen der englischen Sprache im Ausland unter Beweis gestellt. Die Kommunikation mit dem Behandlungspersonal könne, wenn nötig, zunächst in dieser Sprache er- folgen. Dem ärztlichen Personal der für den Angeklagten zuständigen Einrichtungen im Bezirk gehöre im Übrigen ein englischer Muttersprachler an.

II.


7
Die ausdrücklich zu Gunsten des Angeklagten eingelegte und auch nur zu seinen Gunsten wirkende (vgl. BGH, Urteile vom 21. März 1979 – 2 StR 743/78, BGHSt 28, 327, 331 f.; vom 24. Juni 2003 – 1 StR 25/03, NStZ 2004, 111; vom 18. Dezember 2007 – 1 StR 411/07, StV 2008, 138 und vom 5. August 2010 – 3 StR 195/10, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Erfolgsaussicht 11; Beschlüsse vom 10. November 2015 – 1 StR 482/15, NStZ-RR 2016, 113 und vom 2. Dezember 2010 – 4 StR 459/10, NStZ-RR 2011, 255) Revision der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf die Maßregelanordnung beschränkt. Bedenken gegen die Trennbarkeit zwischen Strafhöhe und Maßregelanordnung bestehen hier nicht. Zwar hat die Strafkammer die angeordnete Unterbringung bei Bemessung der Strafe berücksichtigt, jedoch nur strafmildernd. Ein darin liegendes Trennbarkeitshindernis kann sich hier aber nicht auswirken, da eine Strafschärfung schon wegen der zu Gunsten des Angeklagten eingelegten Revision nicht in Betracht kommt (§ 358 Abs. 2 StPO).

III.


8
Die Anordnung der Maßregel hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.
9
1. Die Feststellungen tragen die Annahme des Landgerichts, bei dem Angeklagten sei ein Hang gegeben, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und die abgeurteilte Tat habe Symptomwert für den Hang (§ 64 Satz 1 StGB). Insoweit wird die Unterbringungsanordnung von der Beschwerdeführerin , soweit ersichtlich, auch nicht angegriffen.
10
2. Es begegnet aber ferner weder unter dem Gesichtspunkt der Annahme einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht (§ 64 Satz 2 StGB) noch hinsichtlich der Ermessensausübung revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Landgericht in der fehlenden Beherrschung der deutschen Sprache keinen die Unterbringung des Angeklagten hindernden Umstand gesehen hat.
11
a) Ungeachtet von Unterschieden in der Beurteilung der Erfolgsaussichten im Einzelfall besteht nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Übereinstimmung dahin, dass es auch nach der Umgestaltung von § 64 StGB zur Soll-Vorschrift durch die Gesetzesnovelle vom 16. Juli 2007 (BGBl. I 1327) im Grundsatz dabei verbleiben soll, dass die Sprachunkundigkeit eines Ausländers nicht ohne Weiteres allein ein Grund für einen Verzicht auf seine Unterbringung sein kann (vgl. nur BGH, Beschluss vom 17. August 2011 – 5StR 255/11, StV 2012, 281, 282 und vom 12. März 2014 – 2 StR 436/13, StV 2014, 545, jeweils unter Bezugnahme auf den Bericht und die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/5137, S. 10). Zwar muss nicht gegen jeden Sprachunkundigen, insbesondere wenn eine therapeutisch sinnvolle Kommunikation mit ihm absehbar nur schwer möglich sein wird, eine Unterbringung nach § 64 StGB angeordnet werden (BGH, Beschlüsse vom 28. Oktober 2008 – 5 StR 472/08, NStZ 2009, 204, 205; vom 17. August 2011 – 5StR 255/11, StV 2012, 281 und vom 12. März 2014 – 2 StR 436/13, StV 2014, 545). Vielmehr wird bei weitgehender Sprachunkundigkeit die Annahme fehlender Erfolgsaussicht nahe liegen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013 – 3 StR 513/12, BGHR StGB § 64 Abs. 2 Erfolgsaussicht 1). Denn mit der Umgestaltung von § 64 StGB zu einer Soll-Vorschrift beabsichtigte der Gesetzgeber auch die Schonung der Behandlungskapazitäten, die bis dahin durch eine nicht zu vernachlässigende Anzahl von in Anbetracht des Heilungszwecks weniger geeigneten Personen blockiert wurden (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2007 – 1 StR 411/07, StV 2008, 138). Deshalb sollte nach der Begründung des Gesetzentwurfs ein Absehen von der Maßregelanordnung insbesondere bei ausreisepflichtigen Ausländern ermöglicht werden, bei denen infolge erheblicher sprachlicher Verständigungsprobleme eine erfolgversprechende Therapie kaum vorstellbar ist (BT-Drucks. aaO). Hingegen genügt es regelmäßig für eine erfolgversprechende Maßregelanordnung, wenn der Betreffende zumindest über Grundkenntnisse der deutschen Sprache verfügt (BGH, Beschluss vom 20. Juni 2001 – 3 StR 209/01, NStZ-RR 2002, 7).
12
b) Die in eine Soll-Vorschrift umgestaltete Regelung räumt dem Tatrichter zwar grundsätzlich die Möglichkeit ein, von einer Unterbringung abzusehen; § 64 StGB ist damit aber keine Ermessensvorschrift im engeren Sinne geworden (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2010 – 4 StR 241/10, NStZ-RR 2010, 307; ebenso Beschluss vom 11. Dezember 2007 – 4 StR 576/07; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 64 Rn. 22). Das Absehen von einer Maßregelanordnung kommt vielmehr nur in Ausnahmefällen in Betracht. Geben die Feststellungen jedoch Anlass, die Nichtanordnung der Unterbringung nach § 64 StGB etwa unter dem Gesichtspunkt der Sprachunkundigkeit des Betreffenden in Erwägung zu ziehen , hat der Tatrichter die für seine Entscheidung maßgeblichen Umstände im Urteil für das Revisionsgericht nachprüfbar darzulegen (BGH, Beschlüsse vom 28. Oktober 2008 – 5 StR 472/08, BGHR StGB § 64 Nichtanordnung 2 und vom 12. März 2014 aaO).
13
3. Diesen Maßstäben wird die angefochtene Entscheidung gerecht.
14
a) Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin bieten die Feststellungen des Landgerichts keinen Anhaltspunkt für die Annahme, die Ausgangsbedingungen für eine Therapie des Angeklagten im Maßregelvollzug seien wegen der fehlenden Kenntnisse der deutschen Sprache sehr ungünstig und erforderten daher einen nicht zu leistenden Aufwand. Zum einen spricht der Angeklagte fließend Englisch, also eine gängige Fremdsprache. Zum anderen erweist sich die Erwartung der Strafkammer, der Angeklagte sei nicht nur willens, sondern aufgrund seiner intellektuellen Fähigkeiten auch in der Lage, zumindest grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache während der Dauer des Vorwegvollzugs zu erwerben, vor dem Hintergrund seiner festgestellten Fremdsprachenkompetenz als hinreichend tatsachenfundiert. Soweit die Beschwerdeführerin die Erörterung weiterer Gesichtspunkte vermisst, die die organisatorische Ausgestaltung und praktische Durchführung der Maßregel betreffen, verkennt sie, dass derartige Umstände bei der Anordnung der Maßregel außer Betracht bleiben (BGH, Beschluss vom 26. November 1996 – 4 StR 538/96, BGHR StGB § 64 Abs. 2 Aussichtslosigkeit 6). Es kommt hinzu, dass eine vollziehbare Ausreisepflicht des Angeklagten nicht festgestellt ist; eine Aufklärungsrüge ist insoweit nicht erhoben.
15
b) Es ist auch nicht zu besorgen, dass das Landgericht das ihm eingeräumte Ermessen verkannt hat. Zwar hat es den Umstand, dass der Angeklagte der deutschen Sprache nicht mächtig ist, als polnischer Staatsangehöriger mit ständigem Wohnsitz im Ausland über keinerlei soziale Bindungen in Deutschland verfügt und lediglich kurzfristig mit dem ausschließlichen Ziel nach Deutschland gereist ist, hier Eigentumsdelikte zu begehen, lediglich in die Prüfung der hinreichend konkreten Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB einfließen lassen. Der Senat entnimmt aber dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, dass sich die Strafkammer dabei des ihr eröffneten eingeschränkten Ermessensspielraums gleichwohl bewusst war und diesen Spielraum auch ausgeschöpft hat. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die insoweit entscheidungserheblichen Gesichtspunkte – neben der Sprachunkundigkeit des Angeklagten auch dessen Lebensmittelpunkt im EU-Ausland – im angefochtenen Urteil getrennt von den übrigen, für die Erfolgsaussicht maßgeblichen Gesichtspunkten erörtert werden. Das Landgericht nimmt ferner ausdrücklich auf den Zweck der Gesetzesänderung aus dem Jahr 2007 Bezug und sieht, dass in Fällen ungünstiger Ausgangsbedingungen, etwa bei sprachunkundigen Ausländern , zur Entlastung des Maßregelvollzugs ausnahmsweise von der Anordnung der Unterbringung Abstand genommen werden kann.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Das Gesetz dient der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland. Es ermöglicht und gestaltet Zuwanderung unter Berücksichtigung der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit sowie der wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Das Gesetz dient zugleich der Erfüllung der humanitären Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland. Es regelt hierzu die Einreise, den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern. Die Regelungen in anderen Gesetzen bleiben unberührt.

(2) Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf Ausländer,

1.
deren Rechtsstellung von dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern geregelt ist, soweit nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist,
2.
die nach Maßgabe der §§ 18 bis 20 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen,
3.
soweit sie nach Maßgabe völkerrechtlicher Verträge für den diplomatischen und konsularischen Verkehr und für die Tätigkeit internationaler Organisationen und Einrichtungen von Einwanderungsbeschränkungen, von der Verpflichtung, ihren Aufenthalt der Ausländerbehörde anzuzeigen und dem Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit sind und wenn Gegenseitigkeit besteht, sofern die Befreiungen davon abhängig gemacht werden können.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.