Bundesgerichtshof Urteil, 06. Juli 2017 - 4 StR 124/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:060717U4STR124.17.0
06.07.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 124/17
vom
6. Juli 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:060717U4STR124.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. Juli 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke, Dr. Quentin, Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung -, Staatsanwalt - bei der Verkündung - als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Offenburg vom 21. November 2016 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „gemeinschaftlichen schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen, gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung“ zu einer Freiheitstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass vor der Maßregel zehn Monate der Freiheitstrafe zu vollziehen sind.
2
Die auf die ausgeführte Sachrüge gestützte, ausdrücklich zu Gunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, wendet sich allein gegen den Maßregelausspruch. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


3
1. Der auf einer Verständigung beruhenden Verurteilung liegt ein Raubüberfall auf ein Juweliergeschäft in O. zu Grunde, bei dem der Angeklagte und seine beiden nicht revidierenden Mittäter absprachegemäß unter Drohung mit einer Scheinwaffe sowie unter Misshandlung und Fesselung der in dem Geschäft Beschäftigten, zum Teil nach Einschlagen einer Glasvitrine mit einem mitgebrachten Hammer, Uhren, Schmuck und andere Wertgegenstände im Gesamtwert von über 400.000 Euro erbeuteten und einen Sachschaden von etwa 13.000 Euro verursachten. Der langjährig kokainabhängige Angeklagte hoffte, mit seinem Beuteanteil Schulden aus Betäubungsmittelkäufen tilgen zu können. In der Nacht und am Morgen vor der Tat hatte er bis zu drei Gramm Kokain konsumiert, war jedoch zum Zeitpunkt der Tatbegehung voll schuldfähig.
4
2. Soweit für die Maßregelfrage relevant, hat das Landgericht im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
a) Der Angeklagte begann im Alter von 14 Jahren mit dem regelmäßigen Konsum von Marihuana und dem gelegentlichen Konsum von LSD. Von seinem 25. Lebensjahr bis zur Inhaftierung in dieser Sache konsumierte er in erheblichem Umfang Kokain, zeitweise bis zu viermal täglich Einzelmengen von zwei Gramm. Während er als Jugendlicher zur Finanzierung seines Konsums Straftaten beging, verwendete er als Erwachsener dafür zunächst den überwiegenden Teil seines Arbeitslohns; nach konsumbedingtem Verlust seiner Arbeitsfähigkeit im Jahr 2014 musste er sich bei seinen Betäubungsmittellieferanten verschulden. Der Empfehlung einer Suchtberatungsstelle, die er in seinem Heimatland Polen in den Jahren 2015 und 2016 mehrfach aufgesucht hatte, sich einer stationären Drogentherapie zu unterziehen, folgte er nicht, da er nicht für längere Zeit von seiner Familie getrennt sein wollte. Nunmehr ist er zu einer derartigen Therapie auch unter den Bedingungen des Maßregelvollzugs bereit. Der Angeklagte, der die englische Sprache fließend beherrscht, bemüht sich, in der Untersuchungshaft die deutsche Sprache zu erlernen.
6
b) Das Landgericht hat, insoweit dem medizinischen Sachverständigen folgend, bei dem Angeklagten eine Kokainabhängigkeit festgestellt und einen Hang im Sinne des § 64 StGB sowie den Symptomcharakter der verfahrensgegenständlichen Tat bejaht. Auch die nach § 64 Satz 2 StGB erforderliche hinreichend konkrete Erfolgsaussicht einer Behandlung des Angeklagten im Maßregelvollzug hat es als gegeben angesehen. Entgegen den insoweit erhobenen Bedenken des Sachverständigen sei, so die Strafkammer, von einem ernsthaften Therapiewillen des Angeklagten auszugehen. Er selbst habe mehrfach erklärt , dass er eine derartige Behandlung als einzigen Ausweg aus seiner Sucht ansehe. Seine intellektuellen Fähigkeiten zur Durchführung einer Therapie seien ausreichend, von seiner Familie sei er wegen der andauernden Inhaftierung ohnehin getrennt. Die fehlende Beherrschung der deutschen Sprache stehe der Annahme einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht nicht entgegen. Der Angeklagte habe zwar seinen Lebensmittelpunkt nicht in Deutschland. Auch seien Einrichtungen des Maßregelvollzugs mit Behandlungsmöglichkeiten in polnischer Sprache im Gerichtsbezirk nicht vorhanden. Der Angeklagte sei aber bereit und auch in der Lage, sich während der Dauer des Vorwegvollzugs ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache anzueignen. Seine Fremdsprachenkompetenz habe er in der Vergangenheit durch problemloses Erlernen der englischen Sprache im Ausland unter Beweis gestellt. Die Kommunikation mit dem Behandlungspersonal könne, wenn nötig, zunächst in dieser Sprache er- folgen. Dem ärztlichen Personal der für den Angeklagten zuständigen Einrichtungen im Bezirk gehöre im Übrigen ein englischer Muttersprachler an.

II.


7
Die ausdrücklich zu Gunsten des Angeklagten eingelegte und auch nur zu seinen Gunsten wirkende (vgl. BGH, Urteile vom 21. März 1979 – 2 StR 743/78, BGHSt 28, 327, 331 f.; vom 24. Juni 2003 – 1 StR 25/03, NStZ 2004, 111; vom 18. Dezember 2007 – 1 StR 411/07, StV 2008, 138 und vom 5. August 2010 – 3 StR 195/10, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Erfolgsaussicht 11; Beschlüsse vom 10. November 2015 – 1 StR 482/15, NStZ-RR 2016, 113 und vom 2. Dezember 2010 – 4 StR 459/10, NStZ-RR 2011, 255) Revision der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf die Maßregelanordnung beschränkt. Bedenken gegen die Trennbarkeit zwischen Strafhöhe und Maßregelanordnung bestehen hier nicht. Zwar hat die Strafkammer die angeordnete Unterbringung bei Bemessung der Strafe berücksichtigt, jedoch nur strafmildernd. Ein darin liegendes Trennbarkeitshindernis kann sich hier aber nicht auswirken, da eine Strafschärfung schon wegen der zu Gunsten des Angeklagten eingelegten Revision nicht in Betracht kommt (§ 358 Abs. 2 StPO).

III.


8
Die Anordnung der Maßregel hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.
9
1. Die Feststellungen tragen die Annahme des Landgerichts, bei dem Angeklagten sei ein Hang gegeben, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und die abgeurteilte Tat habe Symptomwert für den Hang (§ 64 Satz 1 StGB). Insoweit wird die Unterbringungsanordnung von der Beschwerdeführerin , soweit ersichtlich, auch nicht angegriffen.
10
2. Es begegnet aber ferner weder unter dem Gesichtspunkt der Annahme einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht (§ 64 Satz 2 StGB) noch hinsichtlich der Ermessensausübung revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Landgericht in der fehlenden Beherrschung der deutschen Sprache keinen die Unterbringung des Angeklagten hindernden Umstand gesehen hat.
11
a) Ungeachtet von Unterschieden in der Beurteilung der Erfolgsaussichten im Einzelfall besteht nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Übereinstimmung dahin, dass es auch nach der Umgestaltung von § 64 StGB zur Soll-Vorschrift durch die Gesetzesnovelle vom 16. Juli 2007 (BGBl. I 1327) im Grundsatz dabei verbleiben soll, dass die Sprachunkundigkeit eines Ausländers nicht ohne Weiteres allein ein Grund für einen Verzicht auf seine Unterbringung sein kann (vgl. nur BGH, Beschluss vom 17. August 2011 – 5StR 255/11, StV 2012, 281, 282 und vom 12. März 2014 – 2 StR 436/13, StV 2014, 545, jeweils unter Bezugnahme auf den Bericht und die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/5137, S. 10). Zwar muss nicht gegen jeden Sprachunkundigen, insbesondere wenn eine therapeutisch sinnvolle Kommunikation mit ihm absehbar nur schwer möglich sein wird, eine Unterbringung nach § 64 StGB angeordnet werden (BGH, Beschlüsse vom 28. Oktober 2008 – 5 StR 472/08, NStZ 2009, 204, 205; vom 17. August 2011 – 5StR 255/11, StV 2012, 281 und vom 12. März 2014 – 2 StR 436/13, StV 2014, 545). Vielmehr wird bei weitgehender Sprachunkundigkeit die Annahme fehlender Erfolgsaussicht nahe liegen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013 – 3 StR 513/12, BGHR StGB § 64 Abs. 2 Erfolgsaussicht 1). Denn mit der Umgestaltung von § 64 StGB zu einer Soll-Vorschrift beabsichtigte der Gesetzgeber auch die Schonung der Behandlungskapazitäten, die bis dahin durch eine nicht zu vernachlässigende Anzahl von in Anbetracht des Heilungszwecks weniger geeigneten Personen blockiert wurden (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2007 – 1 StR 411/07, StV 2008, 138). Deshalb sollte nach der Begründung des Gesetzentwurfs ein Absehen von der Maßregelanordnung insbesondere bei ausreisepflichtigen Ausländern ermöglicht werden, bei denen infolge erheblicher sprachlicher Verständigungsprobleme eine erfolgversprechende Therapie kaum vorstellbar ist (BT-Drucks. aaO). Hingegen genügt es regelmäßig für eine erfolgversprechende Maßregelanordnung, wenn der Betreffende zumindest über Grundkenntnisse der deutschen Sprache verfügt (BGH, Beschluss vom 20. Juni 2001 – 3 StR 209/01, NStZ-RR 2002, 7).
12
b) Die in eine Soll-Vorschrift umgestaltete Regelung räumt dem Tatrichter zwar grundsätzlich die Möglichkeit ein, von einer Unterbringung abzusehen; § 64 StGB ist damit aber keine Ermessensvorschrift im engeren Sinne geworden (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2010 – 4 StR 241/10, NStZ-RR 2010, 307; ebenso Beschluss vom 11. Dezember 2007 – 4 StR 576/07; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 64 Rn. 22). Das Absehen von einer Maßregelanordnung kommt vielmehr nur in Ausnahmefällen in Betracht. Geben die Feststellungen jedoch Anlass, die Nichtanordnung der Unterbringung nach § 64 StGB etwa unter dem Gesichtspunkt der Sprachunkundigkeit des Betreffenden in Erwägung zu ziehen , hat der Tatrichter die für seine Entscheidung maßgeblichen Umstände im Urteil für das Revisionsgericht nachprüfbar darzulegen (BGH, Beschlüsse vom 28. Oktober 2008 – 5 StR 472/08, BGHR StGB § 64 Nichtanordnung 2 und vom 12. März 2014 aaO).
13
3. Diesen Maßstäben wird die angefochtene Entscheidung gerecht.
14
a) Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin bieten die Feststellungen des Landgerichts keinen Anhaltspunkt für die Annahme, die Ausgangsbedingungen für eine Therapie des Angeklagten im Maßregelvollzug seien wegen der fehlenden Kenntnisse der deutschen Sprache sehr ungünstig und erforderten daher einen nicht zu leistenden Aufwand. Zum einen spricht der Angeklagte fließend Englisch, also eine gängige Fremdsprache. Zum anderen erweist sich die Erwartung der Strafkammer, der Angeklagte sei nicht nur willens, sondern aufgrund seiner intellektuellen Fähigkeiten auch in der Lage, zumindest grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache während der Dauer des Vorwegvollzugs zu erwerben, vor dem Hintergrund seiner festgestellten Fremdsprachenkompetenz als hinreichend tatsachenfundiert. Soweit die Beschwerdeführerin die Erörterung weiterer Gesichtspunkte vermisst, die die organisatorische Ausgestaltung und praktische Durchführung der Maßregel betreffen, verkennt sie, dass derartige Umstände bei der Anordnung der Maßregel außer Betracht bleiben (BGH, Beschluss vom 26. November 1996 – 4 StR 538/96, BGHR StGB § 64 Abs. 2 Aussichtslosigkeit 6). Es kommt hinzu, dass eine vollziehbare Ausreisepflicht des Angeklagten nicht festgestellt ist; eine Aufklärungsrüge ist insoweit nicht erhoben.
15
b) Es ist auch nicht zu besorgen, dass das Landgericht das ihm eingeräumte Ermessen verkannt hat. Zwar hat es den Umstand, dass der Angeklagte der deutschen Sprache nicht mächtig ist, als polnischer Staatsangehöriger mit ständigem Wohnsitz im Ausland über keinerlei soziale Bindungen in Deutschland verfügt und lediglich kurzfristig mit dem ausschließlichen Ziel nach Deutschland gereist ist, hier Eigentumsdelikte zu begehen, lediglich in die Prüfung der hinreichend konkreten Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB einfließen lassen. Der Senat entnimmt aber dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, dass sich die Strafkammer dabei des ihr eröffneten eingeschränkten Ermessensspielraums gleichwohl bewusst war und diesen Spielraum auch ausgeschöpft hat. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die insoweit entscheidungserheblichen Gesichtspunkte – neben der Sprachunkundigkeit des Angeklagten auch dessen Lebensmittelpunkt im EU-Ausland – im angefochtenen Urteil getrennt von den übrigen, für die Erfolgsaussicht maßgeblichen Gesichtspunkten erörtert werden. Das Landgericht nimmt ferner ausdrücklich auf den Zweck der Gesetzesänderung aus dem Jahr 2007 Bezug und sieht, dass in Fällen ungünstiger Ausgangsbedingungen, etwa bei sprachunkundigen Ausländern , zur Entlastung des Maßregelvollzugs ausnahmsweise von der Anordnung der Unterbringung Abstand genommen werden kann.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 06. Juli 2017 - 4 StR 124/17

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 06. Juli 2017 - 4 StR 124/17

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Juli 2017 - 4 StR 124/17 zitiert 3 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafprozeßordnung - StPO | § 358 Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung


(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Juli 2017 - 4 StR 124/17 zitiert oder wird zitiert von 17 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Juli 2017 - 4 StR 124/17 zitiert 10 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. März 2014 - 2 StR 436/13

bei uns veröffentlicht am 12.03.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR436/13 vom 12. März 2014 in der Strafsache gegen wegen besonders schweren Raubes u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 12.

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Dez. 2007 - 4 StR 576/07

bei uns veröffentlicht am 11.12.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 576/07 vom 11. Dezember 2007 in der Strafsache gegen wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 11.

Bundesgerichtshof Urteil, 18. Dez. 2007 - 1 StR 411/07

bei uns veröffentlicht am 18.12.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 411/07 vom 18. Dezember 2007 in der Strafsache gegen wegen schwerer räuberischer Erpressung u. a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Dezember 2007, an der teilgen

Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Dez. 2010 - 4 StR 459/10

bei uns veröffentlicht am 02.12.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 459/10 vom 2. Dezember 2010 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u. a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführer

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Jan. 2013 - 3 StR 513/12

bei uns veröffentlicht am 22.01.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 513/12 vom 22. Januar 2013 in der Strafsache gegen wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts -

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Juni 2010 - 4 StR 241/10

bei uns veröffentlicht am 29.06.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 241/10 vom 29. Juni 2010 in der Strafsache gegen wegen räuberischen Diebstahls Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat zu 2. auf Antrag, im Übrigen nach Anhörung des Generalbundesanwalts und nach Anhörung de

Bundesgerichtshof Urteil, 24. Juni 2003 - 1 StR 25/03

bei uns veröffentlicht am 24.06.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 25/03 vom 24. Juni 2003 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen zu 1.: bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. zu 2.: unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsm

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Okt. 2008 - 5 StR 472/08

bei uns veröffentlicht am 28.10.2008

5 StR 472/08 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 28. Oktober 2008 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Oktober 2008 beschlossen: D

Bundesgerichtshof Urteil, 05. Aug. 2010 - 3 StR 195/10

bei uns veröffentlicht am 05.08.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 195/10 vom 5. August 2010 in der Strafsache gegen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung v

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Nov. 2015 - 1 StR 482/15

bei uns veröffentlicht am 10.11.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 482/15 vom 10. November 2015 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. November 2015 gemäß § 349 Abs
7 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 06. Juli 2017 - 4 StR 124/17.

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Juni 2018 - 4 StR 116/18

bei uns veröffentlicht am 27.06.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 116/18 vom 27. Juni 2018 in der Strafsache gegen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a. ECLI:DE:BGH:2018:270618B4STR116.18.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Gene

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Apr. 2018 - 2 StR 14/18

bei uns veröffentlicht am 25.04.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 14/18 vom 25. April 2018 in der Strafsache gegen wegen besonders schweren Raubes u.a. ECLI:DE:BGH:2018:250418U2STR14.18.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Apr

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Juli 2018 - 4 StR 173/18

bei uns veröffentlicht am 17.07.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 173/18 vom 17. Juli 2018 in der Strafsache gegen wegen besonders schweren Raubes u.a. ECLI:DE:BGH:2018:170718B4STR173.18.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts – z

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Aug. 2018 - 4 StR 54/18

bei uns veröffentlicht am 01.08.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 54/18 vom 1. August 2018 in der Strafsache gegen wegen schweren Bandendiebstahls u.a. ECLI:DE:BGH:2018:010818B4STR54.18.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nac

Referenzen

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 25/03
vom
24. Juni 2003
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
zu 2.: unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. Juni
2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - für den Angeklagten R. -
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. 1. Auf die Revision des Angeklagten R. gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 18. Juli 2002 wird im Fall II. 13. der Urteilsgründe
a) das Verfahren, soweit es diesen Angeklagten betrifft, mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 154a Abs. 2 StPO dahin beschränkt, daß ein Verstoß gegen das Waffengesetz von der Strafverfolgung ausgenommen wird,
b) der Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte R. des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln schuldig ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte R. trägt die Kosten seines Rechtsmittels. II. 1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen. 2. Die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft fallen der Staatskasse zur Last. Die den Angeklagten R. und N. insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen tragen sie selbst.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, davon in einem Fall auch in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln, unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln sowie (Fall II.13.) unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführung eines Gegenstandes, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist, in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln und unerlaubter Ausübung der tatsächlichen Gewalt über einen Totschläger zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt.
Den Angeklagten N. hat es wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln sowie unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Im übrigen hat es ihn freigesprochen.

Die Unterbringung der Angeklagten R. und N. in einer Entziehungsanstalt wurde angeordnet.
Gegen das Urteil haben der Angeklagte R. und die Staatsanwaltschaft - zugunsten beider Angeklagten - Revision eingelegt. Sie erheben die Sachbeschwerde.
Die Revision des Angeklagten R. richtet sich insbesondere gegen die Annahme bewaffneten Handeltreibens im Fall II. 13. der Urteilsgründe und rügt Unklarheiten in der Bezeichnung des mitgeführten Gegenstandes.
Die Staatsanwaltschaft beanstandet die Anordnung der Unterbringung beider Angeklagten in einer Entziehungsanstalt als rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht den erforderlichen Hang, Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, nicht positiv festgestellt, sondern den Zweifelssatz angewendet habe, indem es von den nicht zu widerlegenden Angaben der Angeklagten zu ihrem Drogenkonsum ausgegangen sei.
I. Die Revision des Angeklagten R.
Sie hat nur in geringem Umfang Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts zum Fall II. 13. erwarb der Angeklagte R. in den Niederlanden 853 g Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 611,64 g Kokainhydrochlorid sowie 2.333 g Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 256,63 g Amphetaminbase und führte die Drogen über die deutsche Grenze ein. Sie waren im wesentlichen zum gewinnbringenden Wei-
terverkauf bestimmt. Nur ein geringer Teil des Kokains sollte dem Eigenkon- sum dienen. Bei der Fahrt führte der Angeklagte in dem zum Drogentransport benutzten Pkw einen Teleskopschlagstock mit, der teils in den Urteilsgründen auch als Teleskoptotschläger bezeichnet wird. Nach der Rückkehr wurde der Angeklagte kurz vor seiner Wohnung festgenommen. Die Betäubungsmittel befanden sich im Fußraum der Beifahrerseite. Der Teleskopschlagstock nebst Fahrzeugschein für den gesteuerten Pkw sowie ein Handy mit drei Handykarten wurden in einem Rucksack im Kofferraum aufgefunden und sichergestellt. Der Angeklagte hatte den Teleskopschlagstock auf die Drogenbeschaffungsfahrt mitgenommen, um bei etwaigen Problemen sich dessen bedienen und die Betäubungsmittel verteidigen zu können. Das Landgericht bewertet den mitgeführten Gegenstand als Totschläger im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 53 Abs. 3 Nr. 3 WaffG aF. Es hat für die Tat 13 eine Einzelstrafe von sechs Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verhängt.
2. Der Schuldspruch war in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang abzuändern. Die Änderung des Schuldspruchs hat keinen Einfluß auf den Rechtsfolgenausspruch. Im übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

a) Die unerlaubte Einfuhr der Betäubungsmittel bei der Tat 13 würdigt das Landgericht als eine solche im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, wie sich aus den Urteilsgründen ergibt. Diese Einfuhr ist aber ein unselbständiger Teilakt des bewaffneten Handeltreibens, wenn sie - wie hier - im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes erfolgt. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG: "wer... ohne Handel zu treiben, einführt ...." (BGH, Urteil vom 13. Februar 2003 - 3 StR 349/02; BGH NStZ-RR 2000, 91). Der tateinheitliche Schuldspruch hatte insoweit zu entfallen.

b) Die Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Der vom Angeklagten R. im Pkw mitgeführte Gegenstand war - auch unter Berücksichtigung der Unklarheiten in der Bezeichnung - zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt, ohne daß es einer ausdrücklichen Erörterung in den Urteilsgründen bedurfte. Sowohl bei einem Totschläger als auch bei einem Schlagstock handelt es sich um eine Waffe im technischen Sinn, nämlich eine Hieb- und Stoßwaffe gemäß § 1 Abs. 7 Satz 1 WaffG aF (Steindorf , Waffenrecht 7. Aufl. § 1 WaffG Rdn. 38). Hieb- und Stoßwaffen fallen auch nach dem WaffRNeuRegG vom 11. Oktober 2002, in Kraft seit dem 1. April 2003, unter den Waffenbegriff gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 WaffG nF i.V.m. Anlage 1, Abschnitt 1, Unterabschnitt 2, tragbare Gegenstände 1.1. Es liegt auf der Hand, daß derartige Gegenstände ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und vom Täter auch dazu bestimmt sind (BGHSt 43, 266, 269; BGH, Urteil vom 20. Juni 2000 - 2 StR 123/00 (Teleskopschlagstock); Weber, BtMG 2. Aufl. § 30a Rdn. 167).
Ein Mitsichführen ist gegeben, wenn der Täter den betreffenden Gegenstand bei der Tat bewußt gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, daß er sich seiner jederzeit bedienen kann. Ein Verwendungsvorsatz für die konkrete Tat ist entgegen der Auffassung der Revision nicht erforderlich (BGHSt 43, 8, 14; BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Gegenstand 1 und 2).
An diesem Maßstab gemessen, hat der Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts die Waffe jedenfalls während einer bestimmten Phase des Handeltreibens - bei seiner Rückkehr und Festnahme - im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG mit sich geführt. Auf die weitergehenden Schlußfolgerungen
des Landgerichts im Rahmen der Beweiswürdigung kommt es nicht an. Jederzeit griffbereit war die Waffe für den Angeklagten auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß sie sich im Kofferraum des Pkw's befand, während die Betäubungsmittel im Fußraum der Beifahrerseite lagerten. Der qualifikationsspezifische Gefahrenzusammenhang zwischen Bewaffnung und Handeltreiben ist objektiv gegeben, wenn der Täter im Pkw gleichzeitig die Waffe sowie die Betäubungsmittel aufbewahrt und sich damit auf einer Drogenverkaufsfahrt oder - wie hier - auf einer Drogenbeschaffungsfahrt befindet (BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Mitsichführen 2 und 5; Franke/Wienroeder, BtMG 2. Aufl. § 30a Rdn. 20). Bei Bedarf konnte der Angeklagte R. ohne nennenswerten Zeitaufwand auf die Waffe zugreifen.
Das Bewußtsein der Verfügbarkeit bedurfte hier angesichts der Tatsache , daß es sich um eine Waffe im technischen Sinne handelt und der Angeklagte diese gemeinsam mit dem Fahrzeugschein für den gesteuerten Pkw verstaut hatte, weder näherer Prüfung noch Darlegung (BGHSt 43, 8, 14). Danach kann entgegen der Auffassung der Revision von einem Transport "bei Gelegenheit" keine Rede sein.

c) Wegen der Unklarheiten in der Bezeichnung des mitgeführten Gegenstandes wurde ein Verstoß gegen das Waffengesetz gemäß § 154a Abs. 2 StPO von der Strafverfolgung ausgenommen. Ein Schlagstock ist kein Totschläger (Steindorf, aaO § 37 WaffG Rdn. 15). Die Beschränkung des Verfahrens hatte den Wegfall der tateinheitlichen Verurteilung wegen unerlaubter Ausübung der tatsächlichen Gewalt über einen Totschläger zur Folge.

d) Von der Änderung des Schuldspruchs bleiben der Ausspruch über die Einzelstrafe für den Fall II.13. und auch der Ausspruch über die Gesamtstrafe
unberührt. Soweit die Einfuhr als Teilakt des Handeltreibens bewertet wird, ändert sich dadurch das Tatunrecht nicht (BGH, Beschluß vom 23. Mai 2000 - 1 StR 200/00 - und Beschluß vom 11. März 2003 - 1 StR 50/03). Das weggefallene Waffendelikt hat das Landgericht bei der Zumessung der Einzel- und der Gesamtstrafe nicht strafschärfend berücksichtigt.
II. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft
1. Sie sind nicht ausdrücklich beschränkt. Eine Beschränkung allein auf die Maßregelanordnung gemäß § 64 StPO, deren Aufhebung beantragt wird, wäre insoweit unwirksam, als diese nach den Urteilsgründen bei beiden Angeklagten Einfluß auf die Strafzumessung genommen hat (BGHSt 38, 362, 365). Unter Berücksichtigung der Angriffsrichtung ist dem Revisionsvorbringen jedoch eine zulässige Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch zu entnehmen (BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 13). Diese Beschränkung führt dazu, daß auf die Revision der Staatsanwaltschaft keine Schuldspruchänderung zugunsten des Angeklagten R. auszusprechen war.
2. Die vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen Revisionen der Staatsanwaltschaft bleiben ohne Erfolg. Sie wurden zugunsten der Angeklagten R. und N. eingelegt, denn die Maßregelanordnung beschwert die Angeklagten (BGHSt 38, 4, 7; BGHR StGB § 64 Ablehnung 1). Die angeordnete Unterbringung beider Angeklagten in einer Entziehungsanstalt ist im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden.
Nach den Urteilsfeststellungen haben die Angeklagten in der Hauptverhandlung Angaben zu ihrem Drogenkonsum gemacht, die das Landgericht als "letztlich nicht zu widerlegen" bezeichnet hat. Diese Formulierung - isoliert ge-
sehen - könnte zwar besorgen lassen, daß das Landgericht einen Hang der Angeklagten, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen als Grundlage der Taten nicht positiv festgestellt habe. Eine solche positive Feststellung ist aber Voraussetzung für die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (BGH NStZ-RR 2001, 295; BGH, Beschluß vom 6. November 2002 - 1 StR 382/02). Die Beweiswürdigung zum Hang in ihrer Gesamtheit läßt jedoch mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, daß das Landgericht - trotz mißverständlicher Formulierung - den Zweifelssatz nicht in seine Überzeugungsbildung einbezogen hat, sondern von der Richtigkeit der Angaben der Angeklagten zu ihrem Drogenkonsum ausgegangen ist (UA S. 238 bis 243 R. , 249 bis 250 N. ). Diese Überzeugung des Landgerichts ist revisionsrechtlich hinzunehmen, auch wenn die Annahme eines Hanges hier nicht nahegelegen hat.
Die Nachprüfung des Rechtsfolgenausspruchs im übrigen hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
3. Die durch die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft den Angeklagten R. und N. erwachsenen notwendigen Auslagen tragen diese gemäß § 473 Abs. 1 und 2 StPO selbst, weil die zu ihren Gunsten eingelegten Rechtsmittel erfolglos blieben (Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 473 Rdn. 16).
Nack Boetticher Schluckebier
Hebenstreit Elf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 411/07
vom
18. Dezember 2007
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Dezember
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München II vom 17. April 2007 dahin geändert, dass die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt entfällt. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung und wegen Diebstahls geringwertiger Sachen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Mit ihrer auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Insbesondere beanstandet sie zuungunsten des Angeklagten die von der Strafkammer angenommene erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit nach § 21 StGB und die damit begründete Strafrahmenverschiebung. Diese beruhe auf einem unzureichenden psychiatrischen Sachverständigengutachten. Außerdem lägen die Voraussetzungen für die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB nicht vor. Insoweit wirkt das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft zu- gunsten des Angeklagten (vgl. § 358 Abs. 2 Satz 3 StPO), was allerdings entgegen Nr. 147 Abs. 3 Satz 2 RiStBV nicht zum Ausdruck gebracht wurde. Das Rechtsmittel wird vom Generalbundesanwalt nur insoweit vertreten, als es sich gegen die Anordnung der Unterbringung in der Entziehungsanstalt richtet. In diesem Umfang hat das Rechtsmittel zugunsten des Angeklagten Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat festgestellt:
3
1. Der Angeklagte, ein italienischer Staatsangehöriger, ist seit seinem 15. Lebensjahr Haschischkonsument. Mit 18 Jahren schnupfte er daneben auch Kokain. Ab dem 19. Lebensjahr trank er auch gelegentlich Alkohol. Das Geld für den Drogenkonsum verdiente er sich durch Gelegenheitsarbeiten. Er lebte überwiegend bei seiner Adoptivmutter in Neapel. Nachdem ihn seine Adoptivmutter bei der Polizei angezeigt hatte, verbrachte er statt der Verbüßung einer an sich verwirkten Freiheitsstrafe die Zeit von November 2002 bis April 2006 in verschiedenen Therapiegemeinschaften der italienischen Drogenhilfeeinrichtung SAMAN. Anfang Mai 2006 wurde er aus dem Programm entlassen und kehrte nach Neapel zurück. Nach seiner Rückkehr stand er vor dem Nichts, da seine Adoptivmutter in der Zwischenzeit verstorben war und ihm jeglicher sozialer Empfangsraum fehlte. Er bekam Depressionen, entwickelte Ängste und trank wieder vermehrt Alkohol. Wegen seiner depressiven Verstimmungen wurde er vom 19. bis 24. Mai 2006 in der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses in Neapel stationär behandelt. Nach nur fünf Tagen wurde er dort auf eigenen Wunsch entlassen. Nach seiner Entlassung begab sich der Angeklagte am 26. Mai 2006 nach München, um sich eine Arbeit als Küchenhilfe zu suchen. Er bekam in der Nähe von München eine Stelle in einer Pizzeria, wo er zur Probe arbeiten durfte. Wegen seiner langsamen Arbeitsweise und seiner Trägheit war der Betreiber der Pizzeria nicht mit seiner Arbeitsleistung zufrieden und eröffnete ihm am 29. Mai 2006 nach Auszahlung eines Arbeitsentgelts von 100 €, dass er nicht eingestellt werde.
4
2. Den Vormittag des Tattages, des 29. Mai 2006, verbrachte der Angeklagte damit, Alkohol zu trinken sowie mit dem vergeblichen Versuch, bei der Post an Geld heranzukommen, das ihm seine Schwester aus Italien überweisen sollte. Eine freundliche 72 Jahre alte Postkundin bot ihm an, sich für ihn von ihrer Wohnung aus telefonisch um eine Übernachtungsmöglichkeit zu bemühen. Während die Frau telefonierte, nahm er in der Küche ihren dort abgelegten Geldbeutel an sich, in dem sich 35 € Bargeld und zwei EC-Karten befanden. Danach verhielt sich der Angeklagte zunächst weiter plan- und ziellos, trank Alkohol und spielte an Automaten.
5
Gegen 17.00 Uhr erwarb er in einem Supermarkt ein ca. 29 cm langes, vorne spitz zulaufendes Küchenmesser mit der Absicht, dieses bei einer Straftat einzusetzen. Er begab sich auf den Kunden-Parkplatz des Supermarktes, wo eine Kundin gemeinsam mit ihrer neunjährigen Tochter dabei war, die eingekauften Gegenstände in ihrem Pkw zu verstauen. Die Geschädigte und ihre Tochter waren gerade eingestiegen, um nach Hause zu fahren, als der Angeklagte mit der linken Hand die Fahrertür aufriss und die Geschädigte unter Bedrohung mit dem Messer aufforderte, den Pkw zu verlassen. Er hielt ihr das Küchenmesser mit der rechten Hand vor den Unterleib und deutete mit dem Messer auch in Richtung auf das Kind. Dadurch veranlasste er beide, den Pkw zu verlassen. Diese verstanden die in italienischer Sprache gemachten Aufforderungen nicht, empfanden aber die Gesamtsituation als bedrohlich. Der Angeklagte setzte sich ans Steuer, verlor aber nach kurzer Fahrt die Kontrolle über den Pkw und blieb im Gartenzaun eines nahe gelegenen Grundstücks hängen. An dem Pkw entstand Totalschaden. Er flüchtete zu Fuß und wurde gegen 19.00 Uhr schlafend angetroffen und festgenommen. Ihm wurde um 19.26 Uhr und um 19.51 Uhr Blut entnommen. Es wurde eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,94 o/oo und von 1,85 o/oo festgestellt. Die Strafkammer ist, sachverständig beraten, von einer auf den Tatzeitpunkt zurückgerechneten maximalen BAK von 2,8 o/oo bei der ersten Tat und 2,6 o/oo bei der zweiten Tat ausgegangen.

II.


6
Die Revision ist auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.
7
1. Die Strafzumessung ist rechtsfehlerfrei. Der Senat kann den für das Revisionsverfahren allein maßgeblichen Urteilsgründen entnehmen, dass die Strafkammer - die sich sowohl von einem Rechtsmediziner als auch von einer forensisch-psychiatrischen Sachverständigen hat beraten lassen - bei der Annahme der erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen ist. Soweit die Beschwerdeführerin, die die Diagnosen der Sachverständigen selbst nicht in Frage stellt, eigene methodenkritische Ausführungen zum vorläufigen schriftlichen Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen macht, ist dem Senat die inhaltliche Prüfung schon deshalb verwehrt, weil die Staatsanwaltschaft – unabhängig von der Frage, ob nicht ohnehin eine Verfahrensrüge zu erheben gewesen wäre - das schriftliche Gutachten nicht mitgeteilt hat.
8
a) Bezogen auf den Einfluss von Alkohol auf die Steuerungsfähigkeit ist die Kammer mit dem rechtsmedizinischen Sachverständigen rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass bezogen auf die Tatzeit kein eindeutiges durch die Einnahme von Alkohol beeinflusstes Leistungsdefizitbild, sondern nur ein Mischbild vorliegt. Die Kammer hat die maßgeblichen Anknüpfungstatsachen ausführlich dargelegt und unter Zugrundelegung der maximalen BAK und dem gezeigten Verhalten (motorische Auffälligkeiten, eigengefährdende Handlungsweise , Enthemmung, fehlende Zielgerichtetheit) Hinweise auf eine Rauschbeeinflussung festgestellt. Sie hat aber ebenso mit dem Sachverständigen angenommen , dass die planvolle Verknüpfung von Kauf und Einsatz des Messers, das ruhige Halten des Messers in der Bedrohungssituation, die sinnhafte Reaktion auf das unverhofft angetroffene Kind und das Fehlen sprachlicher Auffälligkeiten gegen die Annahme eines Rausches sprachen. Die Strafkammer hat somit ihre Entscheidung über die Verminderung der Steuerungsfähigkeit auch nicht allein auf die Intoxikation durch Alkohol zur Tatzeit gestützt. Soweit die Beschwerdeführerin rügt, die Kammer habe sich nicht ausreichend mit der Möglichkeit eines Nachtrunks auseinandergesetzt, zeigt sie selbst keine tragfähigen Anhaltspunkte auf, die auf mehr als die bloße Möglichkeit der späteren Einnahme weiteren Alkohols hinweisen.
9
b) Die Strafkammer hat zusätzlich die bisherige Lebensgeschichte des Angeklagten in den Blick genommen, die durch einen multiplen Substanzgebrauch sowie darauf beruhenden Verhaltensauffälligkeiten geprägt war. Rechtsfehlerfrei ist die Strafkammer der psychiatrischen Sachverständigen darin gefolgt, dass beim Angeklagten eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung nach den Eingangskriterien DSM-IV 304.80 sowie psychische Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen nach ICD-10 F 19.20 vorliegen. Sie hat dabei beachtet, dass das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung für sich genommen nicht ausreicht, das vierte Merkmal des § 20 StGB, die schwere andere seelische Abartigkeit, anzunehmen (BGHSt 49, 45, 54 f. m.w.N.). Sie hat für die Bestimmung des Schweregrads einer anderen seelischen Abartigkeit noch weitere Umstände herangezogen. Danach befand sich der Angeklagte zur Tatzeit in einer akuten Lebenskrise bei abnormer Erlebnisverarbeitung, die nach ICD-10 F 43.25 als pathologische Trauerreaktion bewertet werden. Der Angeklagte hat seine unbewältigte Lebenskrise durch einen unvorbereiteten fluchtartigen Wechsel nach Deutschland zu lösen versucht. Die Strafkammer durfte der Sachverständigen darin folgen, dass das schnelle berufliche Scheitern in der Pizzeria zu noch größerer Vereinsamung und wegen der Sprachschwierigkeiten zu noch größerer Isolierung geführt hat. Diese Umstände konnte die Kammer für ihre Bewertung der Störung als „schwer“ heranziehen, weil die von ihr festgestellte Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Angeklagten am Tattag durch die Summierung der pathologischen Verhaltensmuster in ihren Auswirkungen denen einer krankhaften seelischer Störungen gleichstanden (vgl. Kröber NStZ 1998, 80 f.).
10
c) Letztlich hat die Strafkammer die ihr obliegende Entscheidung über die Rechtsfrage der Erheblichkeit der Verminderung auf eine Gesamtwürdigung aller auch von beiden Sachverständigen für die Beurteilung maßgeblichen Umstände gestützt, die den Zustand des Angeklagten bei Begehung der Tat geprägt haben. Vor dem Hintergrund der festgestellten Persönlichkeitsstörung hat sie maßgeblich auf die Wechselwirkung zwischen der zugespitzten Belastungssituation und dem zur Tatzeit wirksamen Alkohol abgestellt und diese nach eigenständiger Prüfung zur Grundlage ihrer rechtlichen Bewertung gemacht. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich, dass die Kammer die von beiden Sachverständigen übereinstimmend getragene Diagnose einer vorübergehenden „krankhaften“ seelischen Störung - im Sinne des ersten Merkmals des § 20 StGB – nach eigenständiger Prüfung übernommen hat und daraus rechtlich eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB angenommen hat.
11
2. Der Maßregelausspruch hat hingegen keinen Bestand. Nach der landgerichtlichen Entscheidung ist das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl I 1327) in Kraft getreten. Nach der Gesetzesbegründung soll dieses Gesetz dazu beitragen, die vorhandenen Kapazitäten des Maßregelvollzugs besser und zielgerichteter zu nutzen und zu verhindern, dass Personen in den Maßregelvollzug gelangen, deren Unterbringung aus therapeutischen oder rechtlichen Gründen problematisch ist (BTDrucks. 16/1110 S. 9). Deshalb wurden § 64 Satz 1 StGB in eine Sollvorschrift umgestaltet und die Entscheidung über die Vollstreckungsreihenfolge nach § 67 Abs. 2 StGB zur Sicherung des Rehabilitationsinteresses des Verurteilten flexibler gestaltet. Da der Angeklagte durch die Anordnung der Maßregel beschwert ist, hat der Senat die geänderte Rechtslage nach § 354a StPO seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
12
a) Unverändert geblieben ist in § 64 StGB als erste Voraussetzung das Vorliegen eines Hanges, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Von einem Hang ist auszugehen, wenn eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung besteht , immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad physischer Abhängigkeit erreicht haben muss (vgl. nur BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 5; Hanack in LK-StGB 11. Aufl. § 64 Rdn. 40).
„Im Übermaß“ bedeutet regelmäßig, dass der Täter berauschende Mittel in einem solchen Umfang zu sich nimmt, dass seine Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit dadurch erheblich beeinträchtigt wird (BGH NStZ-RR 2004, 39,

40).

13
Die Urteilsfeststellungen zu der seit dem 15. Lebensjahr von ständigem Drogenkonsum beeinflussten Persönlichkeitsentwicklung des Angeklagten und zu seinen langjährigen Aufenthalten in therapeutischen Einrichtungen legen nahe, dass der Angeklagte schon bisher Betäubungsmittel und auch Alkohol im Übermaß konsumiert hat. Den Urteilsgründen ist auch ein symptomatischer Zusammenhang zwischen dem Hang des Angeklagten und den Straftaten zu entnehmen , da er nur wenige Tage nach der Entlassung aus der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses in Neapel rückfällig geworden ist und die beiden Taten in alkoholisiertem Zustand zur Lösung der zugespitzten Belastungssituation begangen hat.
14
b) Dagegen halten die Gründe, mit denen die Strafkammer die hinreichend konkrete Erfolgsaussicht für eine Behandlung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt bejaht hat, revisionsrechtlicher Überprüfung - gemessen am Maßstab des neuen § 64 Satz 2 StGB - nicht stand.
15
Die Neuregelung des § 64 Satz 2 StGB bestimmt, dass die Anordnung der Unterbringung nur dann ergehen darf, wenn eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht besteht, die untergebrachte Person zu heilen oder über eine nicht unerhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf den Hang zurückgehen (BTDrucks. 16/1110 S. 10 und 13). Die Anordnung dieser beschweren den Maßregel ist demnach nur dann vorgesehen, wenn sie geeignet ist, den Schutzzweck gerade durch eine Behandlung zu erreichen (vgl. BVerfGE 91, 1, 28 f.).
16
Anlass für die Umgestaltung des § 64 StGB zu einer „Soll-Vorschrift“ war auch, dass nach bisherigem Recht an den Aufwand der Maßregelvollzugseinrichtungen , einen Behandlungserfolg zu erreichen, unter Hinweis auf den zwingenden Charakter der Vorschrift teilweise zu hohe Anforderungen gestellt wurden. Von den Verantwortlichen des Maßregelvollzugs war beklagt worden, dass die Kapazitäten der Anstalten durch eine nicht zu vernachlässigende Anzahl von in Anbetracht des Heilungszwecks weniger geeigneten Personen blockiert würden.
17
Therapeutische Maßnahmen würden insbesondere dann an die Grenzen stoßen, wenn eine Verständigung mit dem Probanden nicht oder nur über einen Dolmetscher möglich sei (vgl. die Begründung des im Gesetzgebungsverfahren mit beratenen Entwurf des Bundesrates für ein Gesetz zur Reform des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in der Entziehungsanstalt , BRDrucks. 455/04 S. 20 f.). Im Zusammenhang mit den Erfolgsaussichten therapeutischer Behandlung im Maßregelvollzug nach § 64 StGB hätten sich bisher Fälle als problematisch erwiesen, in denen der deutschen Sprache nicht mächtige Personen sich – wie z.B. die durchreisenden Rauschgiftkuriere – nur kurze Zeit in Deutschland aufgehalten haben und bei denen eine spätere Entlassung und Integration in Deutschland wegen der überwiegenden Bindungen an das Heimatland kaum zu erwarten war. In diesen Fällen bestünden kulturelle und sprachliche Barrieren, die eine Einbeziehung in das therapeutische Angebot schwierig machten und häufig zu Therapieabbrüchen führten. Zusätzlich bestünde nicht selten das Problem, dass Erprobungen und Lockerungen im Hinblick auf die erhöhte Fluchtgefahr nicht gewährt werden können und die Therapieaussichten von vornherein eingeschränkt sind (BTDrucks. 16/1110 S. 15 zu den neuen Anforderungen an die Entscheidung über die Vollstreckungsreihenfolge im Fall des Bestehens einer rechtskräftigen Ausweisungsverfügung nach § 67 Abs. 2 Satz 4 und Abs. 5 StGB).
18
Soweit die Strafkammer unter Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausgeführt hat, mangelhafte oder fehlende Sprachkenntnisse des Angeklagten hätten bei der Unterbringungsanordnung außer Betracht zu bleiben (BGHSt 36, 199; BGH NStZ-RR 2002, 7), wird diese Rechtsprechung in dieser Allgemeinheit unter der Geltung des neuen Rechts nicht aufrecht zu erhalten sein. Die Neufassung des § 64 StGB ermöglicht es nunmehr , in den Fällen, in denen die Ausgangsbedingungen sehr ungünstig sind, von der Anordnung der Unterbringung Abstand zu nehmen und dadurch den Maßregelvollzug von einem faktisch nicht zu leistenden Therapieaufwand zu entlasten, der für die aussichtsreichen Fälle die knappen Ressourcen entzieht (BRDrucks. 455/04 S. 21).
19
c) Die Anwendung der nunmehr für § 64 Satz 2 StGB geltenden Maßstäbe ergibt (§ 354a StPO), dass hier keine hinreichend konkrete Behandlungsprognose gestellt werden kann. Bei einem Angeklagten, der nach jahrelangen Therapieversuchen in Italien seine unbewältigte Lebenskrise durch einen unvorbereiteten fluchtartigen Wechsel nach Deutschland zu lösen versuchte und wegen seines erneuten beruflichen Misserfolgs und der Sprachschwierigkeiten in noch größere Isolierung geriet, besteht keine konkrete Chance für einen Behandlungserfolg in Deutschland. Die Anordnung der Maßregel muss daher entfallen. Der Senat schließt aus, dass eine neue Verhandlung Erkenntnisse ergeben könnte, die eine Unterbringungsanordnung nach § 64 StGB rechtfertigen würden.
Nack Wahl Boetticher Kolz Elf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 195/10
vom
5. August 2010
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. August
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
Richter am Bundesgerichtshof
von Lienen,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Mayer
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 27. Januar 2010 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge "unter Mitsichführens einer Schusswaffe" in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Vortäuschen einer Straftat sowie wegen Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt. Es hat außerdem die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Mit ihrer auf die Anfechtung des Maßregelausspruchs beschränkten Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, beanstandet die Staatsanwaltschaft die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
2
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
3
1. Die Beschränkung der Revision auf den Maßregelausspruch ist wirksam ; nach den Urteilsgründen ist eine Wechselwirkung zwischen der Unterbringungsanordnung nach § 64 StGB und dem Strafausspruch auszuschließen (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362, 363). Das Rechtsmittel wirkt nunmehr nur noch zugunsten des Angeklagten, da die angefochtene Maßregelanordnung ihn beschwert (BGH, Urteil vom 21. März 1979 - 2 StR 743/78, BGHSt 28, 327, 331; BGH, Beschluss vom 24. Juni 2003 - 1 StR 25/03).
4
2. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat keinen Bestand.
5
a) Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte seit seinem 15. Lebensjahr Kontakt zu Betäubungsmitteln. Während er anfangs nur Marihuana konsumierte, stieg er 1999 auf Heroin um, das er sich auch injizierte. Im Sommer 2005 gelang es ihm, vom Heroinkonsum, nicht jedoch vom Konsum von Cannabis und Alkohol Abstand zu nehmen. Seit Anfang 2009 nahm er jedoch wieder Heroin zu sich, wobei er zuletzt eine tägliche Dosis von bis zu 7 g des Betäubungsmittels benötigte. Bei seiner Festnahme litt er unter erheblichen Entzugserscheinungen. Die abgeurteilten Betäubungsmitteltaten beging der Angeklagte, um sich Drogen und finanzielle Mittel zur Befriedigung seiner Sucht zu beschaffen.
6
Das Landgericht hat sachverständig beraten einen Hang des Angeklagten zum Missbrauch von Rauschmitteln bejaht. Die Urteilgründe belegen auch hinreichend eine mit der Betäubungsmittelabhängigkeit einhergehende Gefahr der Begehung weiterer Betäubungsmitteldelikte durch den Angeklagten. Zur Begründung einer hinreichend konkreten Aussicht auf einen Behandlungserfolg hat die Strafkammer darauf abgestellt, dass der vom Angeklagten in der Haupt- verhandlung geäußerte Therapiewunsch nicht lediglich vordergründig sei, was sich auch daraus ergebe, dass "der Angeklagte das gegen ihn ergangene Urteil akzeptiert und sich somit auf eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt eingestellt" habe. Die voraussichtlich erforderliche Therapiedauer hat das Landgericht der Sachverständigen folgend auf etwa drei Jahre bemessen.
7
b) Die Unterbringungsanordnung hält auf die von der Revision erhobene Verfahrensrüge nach § 261 StPO rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
8
Grundlage der Überzeugungsbildung des Richters und der Urteilsfindung darf nur das sein, was innerhalb der Hauptverhandlung, d.h. vom Aufruf der Sache bis zum letzten Wort des Angeklagten mündlich so erörtert worden ist, dass alle Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme hatten (KK-Schoreit, 6. Aufl., § 261 Rn. 6; BGH, Beschluss vom 10. Juli 2001 - 5 StR 250/01, NStZ 2001, 595 f.). Hiergegen hat das Landgericht verstoßen. Es hat die für die Maßregelanordnung nach § 64 StGB erforderliche hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg auch aus dem Umstand entnommen, dass der Angeklagte innerhalb der Frist des § 341 Abs. 1 StPO keine Revision eingelegt hat, und sich damit auf eine Tatsache gestützt, die nicht Inbegriff der Hauptverhandlung war, sondern erst nach Erlass des Urteils zutage getreten ist.
9
Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Maßregelanordnung auf diesem Verfahrensverstoß beruht. Denn die Sachverständige hat ersichtlich Zweifel an der Bereitschaft des Angeklagten bekundet, sich einer langfristigen Therapie im Rahmen des Maßregelvollzugs zu unterziehen. Diese Zweifel hat das Landgericht jedoch maßgeblich mit der von der Revision beanstandeten Erwägung auszuräumen versucht.
10
c) Da das Urteil im angefochtenen Umfang bereits auf die erhobene Verfahrensrüge der Aufhebung unterliegt, kommt es auf die Sachrüge nicht mehr an. Der Senat weist jedoch darauf hin, dass bei einer voraussichtlichen Therapiedauer von drei Jahren, wie sie das Landgericht hier festgestellt hat, die für die Maßregelanordnung nach § 64 StGB notwendige Aussicht eines Behandlungserfolgs zu verneinen ist (Senatsurteil vom 11. März 2010 - 3 StR 538/09 - obiter dictum -; s. aber auch BGH, Beschluss vom 6. Februar 1996 - 5 StR 16/96).
11
d) Über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt ist deshalb erneut zu befinden. Der neue Tatrichter wird insbesondere Gelegenheit haben, neue Feststellungen zu der voraussichtlich notwendigen Therapiedauer zu treffen. Becker von Lienen Sost-Scheible Hubert Mayer

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 482/15
vom
10. November 2015
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. November 2015 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 24. Februar 2015 dahin abgeändert , dass die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt entfällt. Die Staatskasse hat die Kosten der Revision und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie Wertersatzverfall angeordnet.
2
Die auf die ausgeführte Sachrüge gestützte, vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft zu Gunsten des Angeklagten wendet sich allein gegen den Maßregelausspruch. Das Rechtsmittel ist begründet und führt zum Wegfall der Maßregel (§ 349 Abs. 4 StPO).
3
1. Das Landgericht hat, soweit für die Maßregelfrage relevant, im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
a) Der 37-jährige Angeklagte konsumiert seit dem 14. Lebensjahr Cannabis , seit dem 16. Lebensjahr Kokain, LSD und Ecstasy sowie seit dem 17. Lebensjahr Heroin, zunächst intravenös, anschließend nur noch nasal, und ist in diesem Zusammenhang vielfach mit Betäubungsmitteldelikten strafrechtlich in Erscheinung getreten. Vom 24. Oktober 2001 bis zum 25. März 2002 war er erstmals in einer Entziehungsanstalt untergebracht. Die weitere Vollstreckung des Strafrests und der Unterbringung wurde im Dezember 2003 zur Bewährung ausgesetzt. Die Aussetzung des Strafrests wurde mit Beschluss vom 17. Dezember 2005 widerrufen und zugleich die Erledigung der angeordneten Unterbringung festgestellt. Vom 29. September 2005 bis zum 25. Oktober 2005 war der Angeklagte aufgrund eines Urteils vom 29. September 2005 erneut in einer Entziehungsanstalt untergebracht. Nach Vollstreckung des Rests einer Freiheitsstrafe wurde die Unterbringung von Dezember 2005 bis zum 13. Februar 2006 weiter vollzogen. Anschließend verbüßte der Angeklagte den achtmonatigen Rest einer Freiheitsstrafe. Im September 2006 wurde die weitere Vollstreckung der Unterbringung bis Oktober 2008 zurückgestellt. Die Zurückstellung wurde im Januar 2008 widerrufen und die Unterbringung in der Entziehungsanstalt vom 20. Februar 2008 bis 30. Juni 2010 weiter vollzogen. Mit Beschluss vom 22. Juni 2010 wurde der weitere Vollzug zur Bewährung ausgesetzt. In den Jahren 2004, 2005 und 2007 hielt sich der Angeklagte viermal stationär oder teilstationär zur Entgiftung und Entwöhnung in einer Entziehungsanstalt auf.
5
Vom 1. Juli 2010 bis zum 28. Februar 2014 erfolgte in der forensischpsychiatrischen Ambulanz der Entziehungsanstalt eine ambulante Nachsorgebehandlung. Anfang 2010 zog der Angeklagte mit seiner Lebensgefährtin zusammen und begann eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann. Er arbeitete in einem Fitnessstudio und schloss diese Ausbildung Anfang 2012 erfolgreich ab. Bereits zuvor war ihm von seinem Arbeitgeber bei einem monat- lichen Verdienst von etwa 1300 € netto die Leitung des Fitnessstudios übertra- gen worden.
6
Im November 2011 begab sich der Angeklagte wegen einer akuten Erkrankung an Hepatitis B mit drohendem Leberversagen - bereits einige Jahre zuvor war er an chronischer Hepatitis C erkrankt - in ein Krankenhaus und wurde dort bis Anfang 2012 stationär behandelt. In dieser Zeit wurde er mit Heroin und Subutex rückfällig, nachdem es seit Dezember 2008 keine Rückfälle mehr gegeben hatte. Für beide Erkrankungen an Hepatitis war die ursprünglich intravenöse Art des Heroinkonsums ursächlich. Anfang 2012 wurde er aus dem Krankenhaus entlassen und in verschiedenen Entziehungsanstalten mehrfach substitutionsbehandelt. Im Sommer 2013 reiste der Angeklagte in die Ukraine und ließ sich dort einen Opiatblocker implantieren, der die durch Opiate verursachten Wirkungen für die Dauer von etwa sechs Monaten aufhebt, wodurch der Patient zum Unterlassen des nun wirkungslosen Opiatkonsums motiviert werden soll. Der Angeklagte konsumierte, nachdem er am 15. April 2014 in Untersuchungshaft genommen worden war, in der Justizvollzugsanstalt weiterhin Heroin.
7
Während seiner Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann verkaufte der Angeklagte am 17. Dezember 2010 aus einer Menge von mindestens einem Kilogramm Heroin 40 g und erhielt hierfür vom Käufer 1000 € in bar. Am 1. Februar 2011 verkaufte er daraus an denselben Käufer 100 g Heroin zum Preis von 1800 €. Der Angeklagte handelte in beiden Fällen in Gewinnerzie- lungsabsicht. Das Heroin hatte der Angeklagte von einem unbekannten Lieferanten aus dem westdeutschen Raum erworben.
8
b) Die Strafkammer hat einen Hang im Sinne des § 64 Satz 1 StGB bejaht. Der Angeklagte habe bereits zur Tatzeit an den gesundheitlichen Folgen seines langjährigen Heroinkonsums in Form einer chronischen Erkrankung an Hepatitis C gelitten und sei hierdurch sozial gefährdet gewesen. Bei einem langjährigen Konsum von Heroin, einem Rauschgift mit sehr großem „Abhängigkeitspotenzial“ , und der wiederholten Rückfälligkeit des Angeklagtenin der Vergangenheit könne das Fortbestehen eines Hangs nicht deswegen verneint werden, weil der Lebensweg des Angeklagten „Intervalle der Abstinenz“ auf- weise.
9
Damit ist die Kammer vom Gutachten des Sachverständigen abgewichen. Dieser hatte für den Zeitraum vor der zum 30. Juni 2010 beendeten stationären Unterbringung und dann erneut ab Ende November 2011 eine körperliche und psychische Opiatabhängigkeit diagnostiziert, nicht aber für den Tatzeitraum , in welchem der Angeklagte seit mehr als zwei Jahren abstinent war. Das Fehlen eines Hangs hatte der Sachverständige damit begründet, dass für den Tatzeitraum keine erhebliche Beeinträchtigung des psychosozialen Funktionsniveaus zweifelsfrei festzustellen sei.
10
Die Strafkammer hat auch den symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Hang zu übermäßigem Rauschmittelkonsum und der begangenen Tat bejaht und ist auch hier vom Gutachten des Sachverständigen abgewichen. Der Sachverständige hatte ausgeführt, dass bei einem erst Ende 2011 erfolgten Rückfall anzunehmen sei, dass der Angeklagte die Tat nicht begangen hat, um sich Drogen und finanzielle Mittel für den Eigenkonsum zu beschaffen, sondern aus anderen Motiven, zum Beispiel aus Gewinnerzielungsabsicht. Schließlich sei das erworbene Heroin zum Weiterverkauf und nicht zum Eigenkonsum des Angeklagten bestimmt gewesen. Dagegen begründet die Kammer den symptomatischen Zusammenhang mit der Überlegung, dass der Angeklag- te, der seine Heroinlieferanten dem Gericht nicht genannt hatte, „ohne Zweifel seine Kenntnisse und Kontakte zu seinen früheren Lieferquellen nutzte, um sich auch dieses Kilogramm Heroin zu beschaffen“.
11
Die Strafkammer hat eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht (§ 64 Satz 2 StGB) einer erneuten und damit der dritten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angenommen und ist der Auffassung des Sachverständigen auch in diesem Punkt nicht gefolgt. Der Sachverständige hatte dargelegt, beim Angeklagten fehle trotz dessen ausdrücklicher Erklärung, therapiebereit zu sein, eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht. Er habe sehr früh mit dem Rauschmittelkonsum und der Delinquenz begonnen, habe verschiedene Suchtmittel gebraucht und einen verfestigten langjährigen Heroinkonsum; er habe mehrere Therapien erfolglos absolviert und bereits zwei Unterbringungen im Maßregelvollzug durchlaufen; er sei mit dem kriminellen Milieu verflochten, habe lange Zeiten der Freiheitsentziehung hinter sich, weise eine verminderte Frustrationstoleranz und gewisse dissoziale Persönlichkeitszüge auf und habe in der Justizvollzugsanstalt weiter Heroin konsumiert. Die positiv zu bewertenden Faktoren wie abgeschlossene Schul- und Berufsausbildung, familiäre Bindungen , Erfahrungen in der Erwerbstätigkeit, Selbstentzug mit längerer Abstinenzphase hätten alle auch bereits zur Tatzeit vorgelegen.
12
2. Die Beschränkung des Rechtsmittels ist wirksam. Anhaltspunkte dafür , dass die Strafe von der Maßregelanordnung beeinflusst sein könnte, ergeben sich aus den Urteilsgründen nicht (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362, 364 f. und vom 31. Juli 2013 – 2 StR 620/12).
13
3. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Feststellungen tragen die Annahme des Landgerichts nicht, beim Angeklagten sei ein Hang gegeben, die abgeurteilte Tat habe Symptomwert für den Hang (§ 64 Satz 1 StGB) und es bestehe eine hinreichend konkrete Aussicht, den Angeklagten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zumindest eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in seinen Hang zu bewahren und von der Begehung auf seinen Hang zurückgehender erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten (§ 64 Satz 2 StGB).
14
a) Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (st. Rspr.; vgl. Beschlüsse vom 6. September 2007 – 4 StR 318/07, NStZ-RR 2008, 8; vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198, 199; vom 12. April 2012 – 5 StR 87/12, NStZ-RR 2012, 271; vom 21. August 2012 – 4 StR 311/12 und vom 30. Juli 2013 – 2 StR 174/13). Nicht erforderlich ist, dass beim Täter bereits eine Persönlichkeitsdepravation eingetreten ist (BGH, Beschluss vom 6. September 2007 – 4 StR 318/07, NStZ-RR 2008, 8). Dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum die Gesundheit sowie die Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betroffenen beeinträchtigt sind, kommt nur eine indizielle Bedeutung zu. Das Fehlen solcher Beeinträchtigungen schließt nicht notwendigerweise die Bejahung eines Hangs aus (BGH, Beschluss vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198).
15
Die von der Strafkammer für das Vorliegen eines Hangs angeführte Erkrankung an Hepatitis C zur Tatzeit begründet für sich gesehen keine soziale Gefährdung des Angeklagten, sondern lediglich die Behandlungsbedürftigkeit der Erkrankung. Feststellungen der Kammer, die eine soziale Gefährdung des Angeklagten auf Grund einer Neigung zum Rauschmittelkonsum in dieser Zeit belegen könnten, hat die Strafkammer nicht getroffen. Der Angeklagte war auch nicht nur für eine kurze Zeit abstinent, sondern über einen Zeitraum von etwa drei Jahren, ohne dass die Kammer irgendwelche Leistungsdefizite feststellen konnte. Im Gegenteil, er begann im Jahr 2010 eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann, arbeitete in einem Fitnessstudio und schloss seine Ausbildung Anfang 2012 erfolgreich ab. Bereits vor Ausbildungsabschluss war ihm von seinem Arbeitgeber die Leitung des Fitnessstudios übertragen worden. Seine privaten Verhältnisse waren geordnet (UA S. 3). Er war so stabil, dass er trotz der über einen längeren Zeitraum vorhandenen Zugriffsmöglichkeit auf Heroin erst im November 2011 rückfällig wurde, also zehn Monate nach dem letzten festgestellten Verkauf (UA S. 10 ff.).
16
b) Beim Angeklagten fehlt es zudem an dem für die Anordnung der Unterbringung nach § 64 StGB erforderlichen Symptomcharakter der abgeurteilten Tat.
17
Eine Tat hat dann Symptomcharakter, wenn sie in dem Hang ihre Wurzel findet, also Symptomwert für den Hang des Täters zum Missbrauch von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln hat (BGH, Urteil vom 11. September 1990 – 1 StR 293/90, NStZ 1991, 128; Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75), also – zumindest mitursächlich – auf den Hang zurückgeht (BGH, Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Typisch sind hierfür Delikte, die begangen werden, um Rauschmittel oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 – 1 StR 693/96, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1; Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75).
18
Daran fehlt es. Dem Angeklagten ging es allein darum, das erworbene Heroin mit Gewinn zu veräußern (UA S. 10). Dass er für die Beschaffung des Heroins möglicherweise Kontakte zu früheren Lieferanten genutzt hat (UA S. 21), genügt nicht. Denn dieser Umstand begründet keine besondere hangbedingte Gefährlichkeit. Ohnehin hat die Strafkammer die Nutzung solcher Kontakte auch nicht festgestellt. Zur Herkunft des Heroins findet sich nur die Feststellung , dass es der Angeklagte von einem unbekannten Lieferanten aus dem westdeutschen Raum erworben und in der Hauptverhandlung zu seinem Lieferanten keine Angaben gemacht hat. Gemäß den Feststellungen in einer früheren Verurteilung (Bundeszentralregisterauszug Ziffer 7, UA S. 7, 8) bezog er damals das Heroin aus den Niederlanden.
19
Eine Betäubungsmittelabhängigkeit jedenfalls spielte für die verfahrensgegenständliche Tat keine Rolle, da der Angeklagte zum Zeitpunkt des Handeltreibens mit Heroin keine Drogen konsumierte.
20
Andere Delikte als solche der Beschaffungskriminalität kommen als Hangtaten nur dann in Betracht, wenn sich in ihnen die hangbedingte besondere Gefährlichkeit des Täters zeigt (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 – 1 StR 693/96, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1; Beschluss vom 28. August2013 – 4StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Solche Anhaltspunkte sind hier nicht ersichtlich.
21
c) Darüber hinaus besteht beim Angeklagten nach den Feststellungen des Landgerichts auch keine tragfähige Basis für die erforderliche konkrete Therapieaussicht. Der seit frühester Jugend Betäubungsmittel konsumierende Angeklagte hat zahlreiche Therapieversuche unternommen, darunter auch zwei Unterbringungen gemäß § 64 StGB. Daneben kommen weitere ungünstige Umstände hinzu, die die Erfolgsaussichten einer Entwöhnungsbehandlung weiter vermindern. Sowohl die Tat, die im Urteil unter Bundeszentralregisterauszug Ziffer 9 mitgeteilt ist, als auch die vorliegende Tat mit der bislang höchsten Betäubungsmittelmenge beging der Angeklagte nur wenige Monate nach der Entlassung aus einer Unterbringung während der ambulanten Nachsorge (UA S. 8, 9). Jedenfalls bei derart ungünstigen Ausgangsbedingungen lässt einzig die Therapiemotivation des Angeklagten im Zeitpunkt der Hauptverhandlung nicht hinreichend sicher (§ 64 Satz 2 StGB) auf einen erfolgreichen Verlauf im Sinne des Gesetzes schließen.
22
4. Da eine Bejahung der Voraussetzungen des § 64 StGB auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen sicher ausscheidet und die Anordnung der Maßregel für den Angeklagten eine zusätzliche Beschwer darstellt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 1991 – 4 StR 105/91, BGHSt 38, 4, 7; Urteil vom 5. August 2010 – 3 StR 195/10), führt die gegen diese zusätzliche Belastung des Angeklagten gerichtete, ihn mithin aus Rechtsgründen begünstigende (§ 296 Abs. 2 StPO) Revision der Staatsanwaltschaft zum Wegfall der Maßregel.
23
Der Senat kann durch Beschluss entscheiden, da diese Folge allein zugunsten des Angeklagten wirkt.
24
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs.2 Satz 2 StPO (BGH, Urteil vom 20. September 2011 – 1 StR 120/11; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 473 Rn. 16). Graf Jäger Mosbacher Fischer Bär

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 459/10
vom
2. Dezember 2010
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 2. Dezember 2010
gemäß § 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bautzen vom 17. Mai 2010 wird als unzulässig verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, vorsätzlicher Körperverletzung in vier Fällen, Wohnungseinbruchsdiebstahls , fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und angeordnet, dass dem Angeklagten vor Ablauf von einem Jahr und sechs Monaten keine Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Mit seiner gegen dieses Urteil eingelegten Revision wendet sich der Angeklagte ausdrücklich allein gegen die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt.
2
Das Rechtsmittel ist mangels Beschwer des Angeklagten unzulässig. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass ein Angeklagter ein gegen ihn ergangenes Urteil nicht allein deswegen anfechten kann, weil gegen ihn neben der Strafe keine Maßregel nach § 64 StGB ange- ordnet worden ist (BGH, Urteil vom 21. März 1979 - 2 StR 743/78, BGHSt 28, 327, 330 f.; Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5, 7; Beschluss vom 13. Juni 1991 - 4 StR 105/91, BGHSt 38, 4, 7; Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362, 363; Beschluss vom 1. Juni 2005 – 2 StR 186/05; Beschluss vom 19. Juli 2006 – 2 StR 181/06 Rn. 4, NStZ 2007, 213; Beschluss vom 10. Januar 2008 – 4 StR 665/07 Rn. 2, NStZ-RR 2008, 142; Beschluss vom 7. Januar 2009 – 3 StR 458/08 Rn. 6, NStZ 2009, 261; Beschluss vom 27. Oktober 2009 – 3 StR 424/09 Rn. 2, NStZ 2010, 270; Beschluss vom 29. Oktober 2009 – 3 StR 141/09 Rn. 3; Beschluss vom 14. Januar 2010 – 1 StR 587/09 Rn. 29; zweifelnd zwischenzeitlich der 1. und der 4. Senat in Beschlüssen vom 3. November 1998 – 1 StR 531/98, NStZ-RR 2000, 43 und vom 14. September 2000 – 4 StR 314/00, StV 2001, 100). Dementsprechend wirkt ein Aufhebungsantrag des Generalbundesanwalts wegen der Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zu Lasten des Angeklagten und hindert nicht die Verwerfung der Revision durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO (st. Rspr., u.a. Beschluss vom 14. Dezember 2005 – 1 StR 420/05, NStZ-RR 2006, 103; Beschluss vom 4. November 2009 – 2 StR 434/09).
3
Hieran hat sich durch die Novellierung der §§ 64, 67 StGB durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl. I S. 1327) nichts geändert (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Januar 2009 – 3 StR 458/08 Rn. 6 f., NStZ 2009, 261). Die in der Entscheidung BGHSt 28, 327, 331 f. angeführten Argumente für eine zusätzliche Beschwer des Angeklagten durch die Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB treffen auch nach der Neufassung der §§ 64, 67 StGB zu. Dies gilt auch für den Gesichtspunkt, dass sich eine zusätzliche Beschwer schon aus der gesetzlichen Regelung in §§ 331 Abs. 2, 358 Abs. 2 Satz 2 (jetzt: Satz 3) StPO ergibt, die diese Anordnung trotz des grundsätzli- chen Verschlechterungsverbots als Ausnahme hiervon gestattet (BGH, Beschluss vom 13. Juni 1991 - 4 StR 105/91, BGHSt 38, 4, 7). Ernemann Roggenbuck Cierniak Mutzbauer Bender

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR436/13
vom
12. März 2014
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 12. März 2014 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 23. Mai 2013
a) im Schuldspruch dahingehend klargestellt, dass der Angeklagte des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig ist,
b) im Strafausspruch und, soweit von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jah- ren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision führt zu einer Klarstellung des Schuldspruchs und führt zu dem aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.
2
1. Die Überprüfung des Schuldspruchs deckt Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht auf. Er ist allerdings - entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts - klarzustellen, weil die in den Urteilsgründen zutreffend angenommene Verwirklichung von § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB in dem landgerichtlichen Tenor keinen Ausdruck findet.
3
2. Der Rechtsfolgenausspruch hält dagegen rechtlicher Überprüfung nicht stand.
4
Das Landgericht hat von einer Unterbringung des betäubungsmittelabhängigen Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB allein deshalb abgesehen, weil der Angeklagte über keine oder jedenfalls nicht ausreichende Deutschkenntnisse verfüge, wegen der deshalb erforderlichen Kommunikation mit dem Dolmetscher ein unmittelbarer Kontakt des Therapeuten mit dem Untergebrachten nicht möglich und deshalb eine „erfolgreiche Therapie bereits im Ansatz zum Scheitern verurteilt“ sei. Dies ist rechtsfehlerhaft.
5
Auch nach der Umgestaltung des § 64 StGB zur Sollvorschrift mit der Gesetzesnovelle vom 16. Juli 2007 (BGBl. I 1327) sollte es im Grundsatz dabei verbleiben, dass die Sprachunkundigkeit eines Ausländers nicht ohne Weiteres allein ein Grund für einen Verzicht auf seine Unterbringung sein kann (vgl. Bericht und Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/5137, S. 10). Zwar muss nicht gegen jeden Sprachunkundigen, insbesondere wenn eine therapeutisch sinnvolle Kommunikation mit ihm schwer möglich sein wird, eine Unterbringung nach § 64 StGB angeordnet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2008 - 5 StR 472/08, NStZ 2009, 204). Der Tatrichter hat insoweit aber eine Ermessensentscheidung zu treffen, die für das Revisionsgericht nachprüfbar sein muss.
6
Mangels ausreichender Feststellungen ist hier dem Senat die Überprüfung der landgerichtlichen Entscheidung nicht möglich. Es fehlt an konkreten Feststellungen zu den Sprachkenntnissen des Angeklagten, der sich immerhin seit Juli 2012 in Deutschland aufhält und in Berlin einer Tätigkeit auf einer Baustelle nachgegangen ist. Ob die Sprachkenntnisse für eine direkte Kommunikation mit dem Therapeuten ausreichen oder nicht, lässt sich ohne jegliches Wissen um das Sprachvermögen des Angeklagten nicht einschätzen. Zudem wäre bei dem von der Strafkammer auszuübenden Ermessen zu berücksichtigen gewesen, dass in der Zeit des Vorwegvollzuges der Strafe der Erwerb von weiterreichenden Sprachkenntnissen zumindest möglich gewesen wäre; insoweit wäre zu erwägen gewesen, ob jedenfalls bei Beginn der Unterbringung der Angeklagte über die notwendigen Sprachkenntnisse verfügen könnte.
7
Die rechtsfehlerhafte Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt führt zur Aufhebung des Urteils auch im Strafausspruch. Es ist nicht auszuschließen, dass die angesichts gewichtiger Strafmilderungsgründe recht hoch bemessene Freiheitsstrafe niedriger ausgefallen wäre, hätte die Strafkammer die Unterbringung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt angeordnet. Mit der gesamten Aufhebung des Rechtsfolgenaus- spruchs wird zudem eine sachgerechte Abstimmung von Strafe und Maßregel ermöglicht (BGH, Beschluss vom 7. November 2012 - 2 StR 201/12).
Fischer Schmitt Krehl
Eschelbach Zeng

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

5 StR 472/08

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 28. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Oktober 2008

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 22. Mai 2008 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Betrug, mit gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Sache an das Landgericht zurück zu verweisen, um über die Verhängung einer Maßregel nach § 64 StGB neu zu befinden. Diesem Antrag folgt der Senat nicht.
3
1. Der Angeklagte, ein Algerier, gegen den – allerdings unter befristeter Duldung – eine bestandskräftige Ausweisungsverfügung besteht, hat nach den Feststellungen des Landgerichts betrügerisch von einem Kokainhändler mindestens 200 g Kokain erlangt und sich später durch Sprühen mit Reizgas und mit Gewalt im Besitz des Rauschgifts gehalten. Bei der gesamten Tatausführung stand er – so die Urteilsgründe – unter dem Einfluss von Kokain. Das Landgericht hat in seiner Entscheidung die Frage einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB nicht erörtert.
4
2. Dies nötigt bei der hier vorliegenden Sachverhaltskonstellation nicht zu einer Aufhebung des Urteils in diesem Punkt.
5
a) Schon das Vorliegen der Voraussetzungen des § 64 StGB ist zweifelhaft. Das Landgericht geht zwar rechtsfehlerfrei davon aus, dass bei dem Angeklagten ein übermäßiger Rauschmittelkonsum gegeben ist, weil er seit zwei Jahren regelmäßig Kokain konsumiert. Gleichwohl hat die Tat damit nicht zwingend einen symptomatischen Bezug zu dem Betäubungsmittelabusus des Angeklagten, wie das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung zugunsten des Angeklagten unterstellt hat. Diese Tat, mag sie auch unter Kokaineinfluss begangen worden sein, lässt sich in ihrer Größenordnung und in der uneingeschränkte Leistungsfähigkeit offenbarenden Raffinesse der Tatausführung nicht ohne weiteres als Beschaffungsdelikt charakterisieren, das auf die Befriedigung seiner Sucht zielte. Insoweit steht das Betäubungsmitteldelikt weniger in einer inneren Beziehung zur Sucht, sondern ist vielmehr Mittel zur Erlangung erheblicher wirtschaftlicher Werte. Ein im Sinne des § 64 StGB erforderlicher symptomatischer Zusammenhang zwischen Betäubungsmittelabhängigkeit und Tat kann nämlich auch bei Betäubungsmittelstraftaten fehlen, wenn sie allein der Finanzierung des allgemeinen Lebensbedarfs (und damit mittelbar auch des Betäubungsmittelkonsums) dienen (vgl. BGHR StGB § 64 Hang 2, Zusammenhang symptomatischer 2). Dies liegt bei der abgeurteilten Tat zumindest nicht fern.
6
b) Das Landgericht hätte aber angesichts der Besonderheiten in der Person des Angeklagten von einer Anordnung nach § 64 StGB absehen dürfen. Durch die Gesetzesnovelle vom 16. Juli 2007 (BGBl I 1327) wurde die ursprünglich zwingend vorgeschriebene Rechtsfolge der Unterbringung in eine Soll-Vorschrift umgestaltet. Die gesetzliche Neuregelung räumt dem Tatrichter die Möglichkeit ein, von einer Unterbringung nach § 64 StGB in Ausnahmefällen abzusehen. Nach der Regierungsbegründung zum Gesetzesentwurf sollte nämlich gerade bei ausreisepflichtigen Ausländern die Möglichkeit eröffnet werden, von einer Unterbringung nach § 64 StGB Abstand zu nehmen (BT-Drucks 16/5137 S. 10). Dies gilt insbesondere dann, wenn noch erhebliche sprachliche Verständigungsprobleme hinzukommen und auch eine Erfolg versprechende Therapie schon aufgrund der unzulänglichen Kommunikationsgrundlage mit den Therapeuten kaum vorstellbar wäre (BT-Drucks aaO).
7
Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Allerdings weist der Generalbundesanwalt zutreffend darauf hin, dass die Entscheidung über die Anwendung des § 64 StGB im (eingeschränkten) Ermessen des Tatrichters steht, der seine Ermessensentscheidung für das Revisionsgericht nachprüfbar darstellen muss. Das landgerichtliche Urteil, das § 64 StGB gänzlich unerörtert gelassen hat, entspricht diesen Vorgaben nicht. Der Senat sieht aber bei der hier gegebenen besonderen Sachverhaltskonstellation davon ab, die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen, weil eine andere Entscheidung in der Sache praktisch ausgeschlossen erscheint. Im Übrigen hat der Angeklagte die Nichtanwendung des § 64 StGB nicht ausdrücklich beanstandet.
8
3. Ungeachtet des Aufhebungsantrags des Generalbundesanwalts hinsichtlich der Nichtverhängung der Maßregel nach § 64 StGB kann der Senat nach § 349 Abs. 2 StPO durch Beschluss entscheiden und die Revision insgesamt verwerfen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 2008 – 5 StR 423/08). Eine Anordnung der Maßregel würde nämlich nicht allein zu Gunsten des Angeklagten wirken (BGHR StPO § 349 Abs. 2 Verwerfung 3).
Basdorf Raum Brause Schaal Dölp

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR436/13
vom
12. März 2014
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 12. März 2014 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 23. Mai 2013
a) im Schuldspruch dahingehend klargestellt, dass der Angeklagte des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig ist,
b) im Strafausspruch und, soweit von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jah- ren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision führt zu einer Klarstellung des Schuldspruchs und führt zu dem aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.
2
1. Die Überprüfung des Schuldspruchs deckt Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht auf. Er ist allerdings - entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts - klarzustellen, weil die in den Urteilsgründen zutreffend angenommene Verwirklichung von § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB in dem landgerichtlichen Tenor keinen Ausdruck findet.
3
2. Der Rechtsfolgenausspruch hält dagegen rechtlicher Überprüfung nicht stand.
4
Das Landgericht hat von einer Unterbringung des betäubungsmittelabhängigen Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB allein deshalb abgesehen, weil der Angeklagte über keine oder jedenfalls nicht ausreichende Deutschkenntnisse verfüge, wegen der deshalb erforderlichen Kommunikation mit dem Dolmetscher ein unmittelbarer Kontakt des Therapeuten mit dem Untergebrachten nicht möglich und deshalb eine „erfolgreiche Therapie bereits im Ansatz zum Scheitern verurteilt“ sei. Dies ist rechtsfehlerhaft.
5
Auch nach der Umgestaltung des § 64 StGB zur Sollvorschrift mit der Gesetzesnovelle vom 16. Juli 2007 (BGBl. I 1327) sollte es im Grundsatz dabei verbleiben, dass die Sprachunkundigkeit eines Ausländers nicht ohne Weiteres allein ein Grund für einen Verzicht auf seine Unterbringung sein kann (vgl. Bericht und Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/5137, S. 10). Zwar muss nicht gegen jeden Sprachunkundigen, insbesondere wenn eine therapeutisch sinnvolle Kommunikation mit ihm schwer möglich sein wird, eine Unterbringung nach § 64 StGB angeordnet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2008 - 5 StR 472/08, NStZ 2009, 204). Der Tatrichter hat insoweit aber eine Ermessensentscheidung zu treffen, die für das Revisionsgericht nachprüfbar sein muss.
6
Mangels ausreichender Feststellungen ist hier dem Senat die Überprüfung der landgerichtlichen Entscheidung nicht möglich. Es fehlt an konkreten Feststellungen zu den Sprachkenntnissen des Angeklagten, der sich immerhin seit Juli 2012 in Deutschland aufhält und in Berlin einer Tätigkeit auf einer Baustelle nachgegangen ist. Ob die Sprachkenntnisse für eine direkte Kommunikation mit dem Therapeuten ausreichen oder nicht, lässt sich ohne jegliches Wissen um das Sprachvermögen des Angeklagten nicht einschätzen. Zudem wäre bei dem von der Strafkammer auszuübenden Ermessen zu berücksichtigen gewesen, dass in der Zeit des Vorwegvollzuges der Strafe der Erwerb von weiterreichenden Sprachkenntnissen zumindest möglich gewesen wäre; insoweit wäre zu erwägen gewesen, ob jedenfalls bei Beginn der Unterbringung der Angeklagte über die notwendigen Sprachkenntnisse verfügen könnte.
7
Die rechtsfehlerhafte Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt führt zur Aufhebung des Urteils auch im Strafausspruch. Es ist nicht auszuschließen, dass die angesichts gewichtiger Strafmilderungsgründe recht hoch bemessene Freiheitsstrafe niedriger ausgefallen wäre, hätte die Strafkammer die Unterbringung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt angeordnet. Mit der gesamten Aufhebung des Rechtsfolgenaus- spruchs wird zudem eine sachgerechte Abstimmung von Strafe und Maßregel ermöglicht (BGH, Beschluss vom 7. November 2012 - 2 StR 201/12).
Fischer Schmitt Krehl
Eschelbach Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 513/12
vom
22. Januar 2013
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
22. Januar 2013 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 13. August 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, die auf die - nicht ausgeführte - Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützt ist. Das Rechtsmittel hat auf die Sachbeschwerde den aus der Entschei- dungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht. Indes kann das Urteil nicht bestehen bleiben, soweit das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgelehnt hat. Die Prognose, es bestehe bei dem Angeklagten für eine Behandlung in einer Entziehungsanstalt keine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht im Sinne von § 64 Satz 2 StGB, ist nicht rechtsfehlerfrei begründet.
3
a) Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts , dass Anordnung und Vollzug der Maßregel die konkrete Aussicht voraussetzen, die süchtige Person zu heilen oder über eine erhebliche Zeitspanne vor einem Rückfall in den Rauschmittelkonsum zu bewahren (§ 64 Satz 2 StGB). Erforderlich ist die Prognose, dass bei erfolgreichem Verlauf der Therapie die Gefährlichkeit aufgehoben oder deutlich herabgesetzt wird (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 64 Rn. 19 mwN).
4
b) Die sich daraus ergebenden rechtlichen Anforderungen an die Bejahung einer konkreten Erfolgsaussicht hat das Landgericht indes verkannt.
5
Bedenken bestehen bereits insofern, als die Strafkammer davon ausgeht , dass die Therapiekonzepte im Maßregelvollzug eine differenzierte intellektuelle und sprachliche Auseinandersetzung mit der Suchtproblematik erfordern , und die Aussicht auf eine erfolgreiche Behandlung des Angeklagten wegen seiner "intellektuellen Minderbegabung" ablehnt. Eine erhebliche intellektuelle Behinderung, die wegen ihrer Schwere dazu führen könnte, dass der An- geklagte in einer Entziehungsanstalt nicht behandelbar wäre (vgl. MüKoStGB/van Gemmeren, 2. Aufl., § 64 Rn. 68), ist nicht festgestellt.
6
Auch der Hinweis der Strafkammer auf Defizite des Angeklagten in der Beherrschung der deutschen Sprache vermag die Ablehnung einer Erfolgsaussicht nicht zu tragen. Mangelnde Sprachkenntnisse von Ausländern haben zwar als in der Persönlichkeit des Täters begründete, nicht suchtbezogene Umstände für die Unterbringungsanordnung eine, wenn auch im Einzelnen hinsichtlich ihrer Erheblichkeit nicht einheitlich beurteilte, Bedeutung (vgl. MüKoStGB, aaO, Rn. 71 sowie LK/Schöch, StGB, 12. Aufl., § 64 Rn. 141 f., jew. mwN; BGH, Beschluss vom 30. Oktober 1996 - 2 StR 528/96, StV 1998, 74; Urteil vom 18. Dezember 2007 - 1 StR 411/07, StV 2008, 138, 139 sowie Beschluss vom 10. Juli 2012 - 2 StR 85/12, NStZ 2012, 689; vgl. auch BT-Drucks. 16/1344 S. 12 f.). Bei weitgehender Sprachunkundigkeit kann die Annahme, eine Behandlung habe keine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht, nahe liegen (vgl. Fischer, aaO, Rn. 23a, 24 mwN). Derartige Sprachdefizite sind hier jedoch nicht festgestellt: Der - zunächst in Griechenland aufgewachsene - 31-jährige Angeklagte besuchte ab seinem 9. Lebensjahr eine Grund- und Hauptschule bzw. die Sonderschule sowie Berufsschulen in Deutschland und arbeitete hier mehrere Jahre lang. Danach liegt es nahe, dass er zumindest über Grundkenntnisse der deutschen Sprache verfügt; dies genügt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 2001 - 3 StR 209/01, NStZ-RR 2002, 7). Darauf, dass der Angeklagte, wie das Landgericht in der Begründung seiner Prognoseentscheidung ausführt, weder die deutsche noch die griechische Schriftsprache beherrscht, kann es für die Beurteilung der Erfolgsaussicht nicht ankommen.
7
Die Erklärung des Angeklagten, dass er eine Behandlung im Maßregelvollzug ablehne, kann die Verneinung eines Therapieerfolges hier ebenfalls nicht begründen. Zwar kann fehlende Therapiebereitschaft, die der Anordnung der Unterbringung gemäß § 64 StGB weiterhin grundsätzlich nicht entgegensteht (vgl. LK, aaO, Rn. 138 ff.), ein gegen die erforderliche konkrete Erfolgsaussicht sprechendes Indiz sein (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2009 - 3 StR 516/09, NStZ-RR 2010, 141 sowie Beschluss vom 3. Juli 2012 - 5 StR 313/12, NStZ-RR 2012, 307). Vorliegend steht einer solchen Bedeutung indes entgegen, dass sich der Angeklagte bereit erklärt hat, bei Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG an einer Suchtbehandlung teilzunehmen. Angesichts dessen hätte die Verneinung einer Erfolgsaussicht der Maßregel im Sinne von § 64 StGB zumindest näherer Darlegung bedurft (vgl. MüKoStGB, aaO, Rn. 75). Der pauschale Hinweis des Landgerichts auf unterschiedliche Therapiekonzeptionen reicht dazu nicht aus. Die Therapie im Maßregelvollzug hat im Übrigen gegenüber der nach § 35 BtMG Vorrang (vgl. Fischer, aaO, Rn. 26).
8
2. Diese Rechtsmängel entziehen der negativen Prognose des Landgerichts zur Erfolgsaussicht einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt die Grundlage. Da der Angeklagte die Nichtanwendung des § 64 StGB nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362), das Landgericht die Voraussetzungen der Maßregelanordnung gemäß § 64 Satz 1 StGB rechtsfehlerfrei bejaht hat und die Unterbringung nach den bisherigen Feststellungen auch nicht aus anderem Grunde von vornherein ausscheidet, bedarf die Frage ihrer Anordnung - wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - der nochmaligen Prüfung und Entscheidung durch einen neuen Tatrichter. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5 sowie Beschluss vom 21. Oktober 2008 - 3 StR 275/08, NStZ-RR 2009, 48).
9
3. Der Strafausspruch wird durch die Teilaufhebung des Urteils nicht berührt. Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht im Falle der Unterbringung gegen den Angeklagten auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.
Tolksdorf Pfister Hubert Mayer Spaniol

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 411/07
vom
18. Dezember 2007
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Dezember
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München II vom 17. April 2007 dahin geändert, dass die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt entfällt. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung und wegen Diebstahls geringwertiger Sachen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Mit ihrer auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Insbesondere beanstandet sie zuungunsten des Angeklagten die von der Strafkammer angenommene erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit nach § 21 StGB und die damit begründete Strafrahmenverschiebung. Diese beruhe auf einem unzureichenden psychiatrischen Sachverständigengutachten. Außerdem lägen die Voraussetzungen für die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB nicht vor. Insoweit wirkt das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft zu- gunsten des Angeklagten (vgl. § 358 Abs. 2 Satz 3 StPO), was allerdings entgegen Nr. 147 Abs. 3 Satz 2 RiStBV nicht zum Ausdruck gebracht wurde. Das Rechtsmittel wird vom Generalbundesanwalt nur insoweit vertreten, als es sich gegen die Anordnung der Unterbringung in der Entziehungsanstalt richtet. In diesem Umfang hat das Rechtsmittel zugunsten des Angeklagten Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat festgestellt:
3
1. Der Angeklagte, ein italienischer Staatsangehöriger, ist seit seinem 15. Lebensjahr Haschischkonsument. Mit 18 Jahren schnupfte er daneben auch Kokain. Ab dem 19. Lebensjahr trank er auch gelegentlich Alkohol. Das Geld für den Drogenkonsum verdiente er sich durch Gelegenheitsarbeiten. Er lebte überwiegend bei seiner Adoptivmutter in Neapel. Nachdem ihn seine Adoptivmutter bei der Polizei angezeigt hatte, verbrachte er statt der Verbüßung einer an sich verwirkten Freiheitsstrafe die Zeit von November 2002 bis April 2006 in verschiedenen Therapiegemeinschaften der italienischen Drogenhilfeeinrichtung SAMAN. Anfang Mai 2006 wurde er aus dem Programm entlassen und kehrte nach Neapel zurück. Nach seiner Rückkehr stand er vor dem Nichts, da seine Adoptivmutter in der Zwischenzeit verstorben war und ihm jeglicher sozialer Empfangsraum fehlte. Er bekam Depressionen, entwickelte Ängste und trank wieder vermehrt Alkohol. Wegen seiner depressiven Verstimmungen wurde er vom 19. bis 24. Mai 2006 in der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses in Neapel stationär behandelt. Nach nur fünf Tagen wurde er dort auf eigenen Wunsch entlassen. Nach seiner Entlassung begab sich der Angeklagte am 26. Mai 2006 nach München, um sich eine Arbeit als Küchenhilfe zu suchen. Er bekam in der Nähe von München eine Stelle in einer Pizzeria, wo er zur Probe arbeiten durfte. Wegen seiner langsamen Arbeitsweise und seiner Trägheit war der Betreiber der Pizzeria nicht mit seiner Arbeitsleistung zufrieden und eröffnete ihm am 29. Mai 2006 nach Auszahlung eines Arbeitsentgelts von 100 €, dass er nicht eingestellt werde.
4
2. Den Vormittag des Tattages, des 29. Mai 2006, verbrachte der Angeklagte damit, Alkohol zu trinken sowie mit dem vergeblichen Versuch, bei der Post an Geld heranzukommen, das ihm seine Schwester aus Italien überweisen sollte. Eine freundliche 72 Jahre alte Postkundin bot ihm an, sich für ihn von ihrer Wohnung aus telefonisch um eine Übernachtungsmöglichkeit zu bemühen. Während die Frau telefonierte, nahm er in der Küche ihren dort abgelegten Geldbeutel an sich, in dem sich 35 € Bargeld und zwei EC-Karten befanden. Danach verhielt sich der Angeklagte zunächst weiter plan- und ziellos, trank Alkohol und spielte an Automaten.
5
Gegen 17.00 Uhr erwarb er in einem Supermarkt ein ca. 29 cm langes, vorne spitz zulaufendes Küchenmesser mit der Absicht, dieses bei einer Straftat einzusetzen. Er begab sich auf den Kunden-Parkplatz des Supermarktes, wo eine Kundin gemeinsam mit ihrer neunjährigen Tochter dabei war, die eingekauften Gegenstände in ihrem Pkw zu verstauen. Die Geschädigte und ihre Tochter waren gerade eingestiegen, um nach Hause zu fahren, als der Angeklagte mit der linken Hand die Fahrertür aufriss und die Geschädigte unter Bedrohung mit dem Messer aufforderte, den Pkw zu verlassen. Er hielt ihr das Küchenmesser mit der rechten Hand vor den Unterleib und deutete mit dem Messer auch in Richtung auf das Kind. Dadurch veranlasste er beide, den Pkw zu verlassen. Diese verstanden die in italienischer Sprache gemachten Aufforderungen nicht, empfanden aber die Gesamtsituation als bedrohlich. Der Angeklagte setzte sich ans Steuer, verlor aber nach kurzer Fahrt die Kontrolle über den Pkw und blieb im Gartenzaun eines nahe gelegenen Grundstücks hängen. An dem Pkw entstand Totalschaden. Er flüchtete zu Fuß und wurde gegen 19.00 Uhr schlafend angetroffen und festgenommen. Ihm wurde um 19.26 Uhr und um 19.51 Uhr Blut entnommen. Es wurde eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,94 o/oo und von 1,85 o/oo festgestellt. Die Strafkammer ist, sachverständig beraten, von einer auf den Tatzeitpunkt zurückgerechneten maximalen BAK von 2,8 o/oo bei der ersten Tat und 2,6 o/oo bei der zweiten Tat ausgegangen.

II.


6
Die Revision ist auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.
7
1. Die Strafzumessung ist rechtsfehlerfrei. Der Senat kann den für das Revisionsverfahren allein maßgeblichen Urteilsgründen entnehmen, dass die Strafkammer - die sich sowohl von einem Rechtsmediziner als auch von einer forensisch-psychiatrischen Sachverständigen hat beraten lassen - bei der Annahme der erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen ist. Soweit die Beschwerdeführerin, die die Diagnosen der Sachverständigen selbst nicht in Frage stellt, eigene methodenkritische Ausführungen zum vorläufigen schriftlichen Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen macht, ist dem Senat die inhaltliche Prüfung schon deshalb verwehrt, weil die Staatsanwaltschaft – unabhängig von der Frage, ob nicht ohnehin eine Verfahrensrüge zu erheben gewesen wäre - das schriftliche Gutachten nicht mitgeteilt hat.
8
a) Bezogen auf den Einfluss von Alkohol auf die Steuerungsfähigkeit ist die Kammer mit dem rechtsmedizinischen Sachverständigen rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass bezogen auf die Tatzeit kein eindeutiges durch die Einnahme von Alkohol beeinflusstes Leistungsdefizitbild, sondern nur ein Mischbild vorliegt. Die Kammer hat die maßgeblichen Anknüpfungstatsachen ausführlich dargelegt und unter Zugrundelegung der maximalen BAK und dem gezeigten Verhalten (motorische Auffälligkeiten, eigengefährdende Handlungsweise , Enthemmung, fehlende Zielgerichtetheit) Hinweise auf eine Rauschbeeinflussung festgestellt. Sie hat aber ebenso mit dem Sachverständigen angenommen , dass die planvolle Verknüpfung von Kauf und Einsatz des Messers, das ruhige Halten des Messers in der Bedrohungssituation, die sinnhafte Reaktion auf das unverhofft angetroffene Kind und das Fehlen sprachlicher Auffälligkeiten gegen die Annahme eines Rausches sprachen. Die Strafkammer hat somit ihre Entscheidung über die Verminderung der Steuerungsfähigkeit auch nicht allein auf die Intoxikation durch Alkohol zur Tatzeit gestützt. Soweit die Beschwerdeführerin rügt, die Kammer habe sich nicht ausreichend mit der Möglichkeit eines Nachtrunks auseinandergesetzt, zeigt sie selbst keine tragfähigen Anhaltspunkte auf, die auf mehr als die bloße Möglichkeit der späteren Einnahme weiteren Alkohols hinweisen.
9
b) Die Strafkammer hat zusätzlich die bisherige Lebensgeschichte des Angeklagten in den Blick genommen, die durch einen multiplen Substanzgebrauch sowie darauf beruhenden Verhaltensauffälligkeiten geprägt war. Rechtsfehlerfrei ist die Strafkammer der psychiatrischen Sachverständigen darin gefolgt, dass beim Angeklagten eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung nach den Eingangskriterien DSM-IV 304.80 sowie psychische Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen nach ICD-10 F 19.20 vorliegen. Sie hat dabei beachtet, dass das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung für sich genommen nicht ausreicht, das vierte Merkmal des § 20 StGB, die schwere andere seelische Abartigkeit, anzunehmen (BGHSt 49, 45, 54 f. m.w.N.). Sie hat für die Bestimmung des Schweregrads einer anderen seelischen Abartigkeit noch weitere Umstände herangezogen. Danach befand sich der Angeklagte zur Tatzeit in einer akuten Lebenskrise bei abnormer Erlebnisverarbeitung, die nach ICD-10 F 43.25 als pathologische Trauerreaktion bewertet werden. Der Angeklagte hat seine unbewältigte Lebenskrise durch einen unvorbereiteten fluchtartigen Wechsel nach Deutschland zu lösen versucht. Die Strafkammer durfte der Sachverständigen darin folgen, dass das schnelle berufliche Scheitern in der Pizzeria zu noch größerer Vereinsamung und wegen der Sprachschwierigkeiten zu noch größerer Isolierung geführt hat. Diese Umstände konnte die Kammer für ihre Bewertung der Störung als „schwer“ heranziehen, weil die von ihr festgestellte Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Angeklagten am Tattag durch die Summierung der pathologischen Verhaltensmuster in ihren Auswirkungen denen einer krankhaften seelischer Störungen gleichstanden (vgl. Kröber NStZ 1998, 80 f.).
10
c) Letztlich hat die Strafkammer die ihr obliegende Entscheidung über die Rechtsfrage der Erheblichkeit der Verminderung auf eine Gesamtwürdigung aller auch von beiden Sachverständigen für die Beurteilung maßgeblichen Umstände gestützt, die den Zustand des Angeklagten bei Begehung der Tat geprägt haben. Vor dem Hintergrund der festgestellten Persönlichkeitsstörung hat sie maßgeblich auf die Wechselwirkung zwischen der zugespitzten Belastungssituation und dem zur Tatzeit wirksamen Alkohol abgestellt und diese nach eigenständiger Prüfung zur Grundlage ihrer rechtlichen Bewertung gemacht. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich, dass die Kammer die von beiden Sachverständigen übereinstimmend getragene Diagnose einer vorübergehenden „krankhaften“ seelischen Störung - im Sinne des ersten Merkmals des § 20 StGB – nach eigenständiger Prüfung übernommen hat und daraus rechtlich eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB angenommen hat.
11
2. Der Maßregelausspruch hat hingegen keinen Bestand. Nach der landgerichtlichen Entscheidung ist das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl I 1327) in Kraft getreten. Nach der Gesetzesbegründung soll dieses Gesetz dazu beitragen, die vorhandenen Kapazitäten des Maßregelvollzugs besser und zielgerichteter zu nutzen und zu verhindern, dass Personen in den Maßregelvollzug gelangen, deren Unterbringung aus therapeutischen oder rechtlichen Gründen problematisch ist (BTDrucks. 16/1110 S. 9). Deshalb wurden § 64 Satz 1 StGB in eine Sollvorschrift umgestaltet und die Entscheidung über die Vollstreckungsreihenfolge nach § 67 Abs. 2 StGB zur Sicherung des Rehabilitationsinteresses des Verurteilten flexibler gestaltet. Da der Angeklagte durch die Anordnung der Maßregel beschwert ist, hat der Senat die geänderte Rechtslage nach § 354a StPO seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
12
a) Unverändert geblieben ist in § 64 StGB als erste Voraussetzung das Vorliegen eines Hanges, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Von einem Hang ist auszugehen, wenn eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung besteht , immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad physischer Abhängigkeit erreicht haben muss (vgl. nur BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 5; Hanack in LK-StGB 11. Aufl. § 64 Rdn. 40).
„Im Übermaß“ bedeutet regelmäßig, dass der Täter berauschende Mittel in einem solchen Umfang zu sich nimmt, dass seine Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit dadurch erheblich beeinträchtigt wird (BGH NStZ-RR 2004, 39,

40).

13
Die Urteilsfeststellungen zu der seit dem 15. Lebensjahr von ständigem Drogenkonsum beeinflussten Persönlichkeitsentwicklung des Angeklagten und zu seinen langjährigen Aufenthalten in therapeutischen Einrichtungen legen nahe, dass der Angeklagte schon bisher Betäubungsmittel und auch Alkohol im Übermaß konsumiert hat. Den Urteilsgründen ist auch ein symptomatischer Zusammenhang zwischen dem Hang des Angeklagten und den Straftaten zu entnehmen , da er nur wenige Tage nach der Entlassung aus der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses in Neapel rückfällig geworden ist und die beiden Taten in alkoholisiertem Zustand zur Lösung der zugespitzten Belastungssituation begangen hat.
14
b) Dagegen halten die Gründe, mit denen die Strafkammer die hinreichend konkrete Erfolgsaussicht für eine Behandlung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt bejaht hat, revisionsrechtlicher Überprüfung - gemessen am Maßstab des neuen § 64 Satz 2 StGB - nicht stand.
15
Die Neuregelung des § 64 Satz 2 StGB bestimmt, dass die Anordnung der Unterbringung nur dann ergehen darf, wenn eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht besteht, die untergebrachte Person zu heilen oder über eine nicht unerhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf den Hang zurückgehen (BTDrucks. 16/1110 S. 10 und 13). Die Anordnung dieser beschweren den Maßregel ist demnach nur dann vorgesehen, wenn sie geeignet ist, den Schutzzweck gerade durch eine Behandlung zu erreichen (vgl. BVerfGE 91, 1, 28 f.).
16
Anlass für die Umgestaltung des § 64 StGB zu einer „Soll-Vorschrift“ war auch, dass nach bisherigem Recht an den Aufwand der Maßregelvollzugseinrichtungen , einen Behandlungserfolg zu erreichen, unter Hinweis auf den zwingenden Charakter der Vorschrift teilweise zu hohe Anforderungen gestellt wurden. Von den Verantwortlichen des Maßregelvollzugs war beklagt worden, dass die Kapazitäten der Anstalten durch eine nicht zu vernachlässigende Anzahl von in Anbetracht des Heilungszwecks weniger geeigneten Personen blockiert würden.
17
Therapeutische Maßnahmen würden insbesondere dann an die Grenzen stoßen, wenn eine Verständigung mit dem Probanden nicht oder nur über einen Dolmetscher möglich sei (vgl. die Begründung des im Gesetzgebungsverfahren mit beratenen Entwurf des Bundesrates für ein Gesetz zur Reform des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in der Entziehungsanstalt , BRDrucks. 455/04 S. 20 f.). Im Zusammenhang mit den Erfolgsaussichten therapeutischer Behandlung im Maßregelvollzug nach § 64 StGB hätten sich bisher Fälle als problematisch erwiesen, in denen der deutschen Sprache nicht mächtige Personen sich – wie z.B. die durchreisenden Rauschgiftkuriere – nur kurze Zeit in Deutschland aufgehalten haben und bei denen eine spätere Entlassung und Integration in Deutschland wegen der überwiegenden Bindungen an das Heimatland kaum zu erwarten war. In diesen Fällen bestünden kulturelle und sprachliche Barrieren, die eine Einbeziehung in das therapeutische Angebot schwierig machten und häufig zu Therapieabbrüchen führten. Zusätzlich bestünde nicht selten das Problem, dass Erprobungen und Lockerungen im Hinblick auf die erhöhte Fluchtgefahr nicht gewährt werden können und die Therapieaussichten von vornherein eingeschränkt sind (BTDrucks. 16/1110 S. 15 zu den neuen Anforderungen an die Entscheidung über die Vollstreckungsreihenfolge im Fall des Bestehens einer rechtskräftigen Ausweisungsverfügung nach § 67 Abs. 2 Satz 4 und Abs. 5 StGB).
18
Soweit die Strafkammer unter Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausgeführt hat, mangelhafte oder fehlende Sprachkenntnisse des Angeklagten hätten bei der Unterbringungsanordnung außer Betracht zu bleiben (BGHSt 36, 199; BGH NStZ-RR 2002, 7), wird diese Rechtsprechung in dieser Allgemeinheit unter der Geltung des neuen Rechts nicht aufrecht zu erhalten sein. Die Neufassung des § 64 StGB ermöglicht es nunmehr , in den Fällen, in denen die Ausgangsbedingungen sehr ungünstig sind, von der Anordnung der Unterbringung Abstand zu nehmen und dadurch den Maßregelvollzug von einem faktisch nicht zu leistenden Therapieaufwand zu entlasten, der für die aussichtsreichen Fälle die knappen Ressourcen entzieht (BRDrucks. 455/04 S. 21).
19
c) Die Anwendung der nunmehr für § 64 Satz 2 StGB geltenden Maßstäbe ergibt (§ 354a StPO), dass hier keine hinreichend konkrete Behandlungsprognose gestellt werden kann. Bei einem Angeklagten, der nach jahrelangen Therapieversuchen in Italien seine unbewältigte Lebenskrise durch einen unvorbereiteten fluchtartigen Wechsel nach Deutschland zu lösen versuchte und wegen seines erneuten beruflichen Misserfolgs und der Sprachschwierigkeiten in noch größere Isolierung geriet, besteht keine konkrete Chance für einen Behandlungserfolg in Deutschland. Die Anordnung der Maßregel muss daher entfallen. Der Senat schließt aus, dass eine neue Verhandlung Erkenntnisse ergeben könnte, die eine Unterbringungsanordnung nach § 64 StGB rechtfertigen würden.
Nack Wahl Boetticher Kolz Elf

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 241/10
vom
29. Juni 2010
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischen Diebstahls
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat zu 2. auf Antrag, im Übrigen nach
Anhörung des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers
am 29. Juni 2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 5. Februar 2010 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Das Urteil kann nicht bestehen bleiben, soweit eine Entscheidung über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterblieben ist.
3
Nach den Feststellungen kam der Angeklagte bereits frühzeitig mit Drogen in Kontakt. Er konsumierte ab seinem vierzehnten Lebensjahr Haschisch. Erstmals im Jahr 1991 kam der Angeklagte mit Heroin in Berührung, das er zunächst rauchte und später spritzte. Zuletzt lag sein Bedarf bei 0,4 Gramm pro Tag. Die abgeurteilte Tat beging der Angeklagte zur Finanzierung seines Heroinkonsums.
4
Angesichts dieser Feststellungen liegt es nahe, dass die abgeurteilte Tat auf einen Hang des Angeklagten zurückgeht, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen (vgl. BGH, Beschl. vom 7. Oktober 2008 - 4 StR 257/08 m.w.N.). Daher hätte das Landgericht prüfen und entscheiden müssen, ob die Voraussetzungen für die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gegeben sind. Die vom Landgericht unterlassene Prüfung erweist sich auch nicht deshalb als entbehrlich, weil nach § 64 Satz 1 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl I 1327) die Maßregel nicht mehr zwingend angeordnet werden muss (BGH, Beschl. vom 17. November 2009 - 4 StR 375/09; Beschl. vom 13. November 2007 - 3 StR 452/07, NStZ-RR 2008, 73; Beschl. vom 31. März 2010 - 2 StR 76/10). Denn das Gericht "soll" die Unterbringung anordnen, wenn die Voraussetzungen des § 64 StGB vorliegen. Lediglich in besonderen Ausnahmefällen darf es von der Unterbringungsanordnung absehen (BTDrucks. 16/5137, S. 10; 16/1344, S. 12). Bei der ausdrücklich erklärten Therapiebereitschaft des Angeklagten ist nicht anzunehmen, dass es an der hinreichend konkreten Aussicht eines Behandlungserfolges (§ 64 Satz 2 StGB) fehlt (vgl. BGH, Beschl. vom 5. Mai 1995 - 2 StR 150/95, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Erfolgsaussicht 6).
5
Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (BGHSt 37, 5). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen.
6
Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils insoweit. Der Strafausspruch wird von der Teilaufhebung nicht berührt. Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung eine geringere Strafe verhängt hätte.
Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck RiBGH Dr. Franke befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Ernemann Bender

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 576/07
vom
11. Dezember 2007
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 11. Dezember 2007 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 10. Juli 2007
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Diebstahl schuldig ist,
b) im Rechtsfolgenausspruch, auch soweit eine Entscheidung nach § 64 StGB unterblieben ist, mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tatmehrheit mit Diebstahl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel er- sichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch bedarf der Änderung, weil die Strafkammer das Konkurrenzverhältnis zwischen der schweren räuberischen Erpressung und dem Diebstahl unrichtig beurteilt und insoweit Tatmehrheit angenommen hat.
3
Zwar sind mehrere natürliche Handlungen grundsätzlich auch mehrere Taten im Rechtssinne. Eine Ausnahme besteht jedoch, wenn mehrere an sich selbständige Betätigungen zeitlich, räumlich und situativ derart miteinander verbunden sind, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise eine einheitliche Handlung bilden. Unter diesen Umständen ist von einer Tat im Rechtssinne auszugehen (BGHR StGB vor § 1/natürliche Handlungseinheit, Entschluss einheitlicher 13). So verhält es sich hier. Die Wegnahme des Mobiltelefons erfolgte bei Gelegenheit der zwar vollendeten, aber noch nicht beendeten schweren räuberischen Erpressung zum Nachteil desselben Tatopfers.
4
Der Senat kann den Schuldspruch umstellen, da auszuschließen ist, dass sich der Angeklagte gegen das geänderte Konkurrenzverhältnis anders als geschehen hätte verteidigen können.
5
2. Mit der Schuldspruchänderung entfallen die von der Strafkammer festgesetzten Einzelstrafen (vier Jahre sowie sechs Monate Freiheitsstrafe). Die Festsetzung der vom Landgericht als angemessen erachteten Gesamtstrafe oder der höheren Einzelstrafe als Strafe für das einheitliche Delikt in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO kommt hier nicht in Betracht, da die vom Landgericht vorgenommene Strafzumessung nicht frei von Rechtsfehlern ist (vgl. nachstehend a). Darüber hinaus hätte sich das Landgericht ange- sichts der getroffenen Feststellungen zur Prüfung der Frage, ob eine Maßregel nach § 64 StGB anzuordnen ist, veranlasst sehen müssen (vgl. nachstehend b). Der Rechtsfolgenausspruch unterliegt deshalb insgesamt der Aufhebung.
6
a) Soweit das Landgericht bei Bemessung der Einzelstrafen maßgeblich zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt hat, dass er "zur Tatzeit wegen nicht weniger als vier Verurteilungen ... unter laufender Bewährung ... stand", hat es, worauf der Generalbundesanwalt zu Recht hinweist, übersehen, dass die Verurteilung durch das Amtsgericht St. Ingbert vom 19. September 2006 nach der verfahrensgegenständlichen Tat vom 28. August 2006 ergangen ist. Der Senat kann in Anbetracht der Höhe der verhängten Strafen nicht ausschließen, dass sich dieser Rechtsfehler bei der Bemessung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe ausgewirkt hat. Die Strafe ist deshalb für das einheitliche Delikt neu zuzumessen. Der neue Tatrichter wird auch zu berücksichtigen haben, dass die Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts St. Ingbert vom 19. September 2006 gesamtstrafenfähig (§ 55 StGB) ist.
7
b) Nach den Feststellungen konsumiert der vielfach wegen Gewalt- und Eigentumsdelikten vorbestrafte Angeklagte seit vielen Jahren regelmäßig Heroin. Die verfahrensgegenständliche Tat spielte im Drogenmilieu. Der Angeklagte hatte sich vor Tatbeginn nicht ausschließbar Heroin gespritzt und wies im Tatzeitpunkt überdies eine Blutalkoholkonzentration von 2,48 ‰ auf. Er hatte bei seiner kurz nach der Tat erfolgten Festnahme deutliche Ausfallerscheinungen. Deshalb hat das Landgericht nicht auszuschließen vermocht, dass er die Tat im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB begangen hat.
8
In Anbetracht dieser Umstände hätte der Tatrichter - gemäß § 246 a StPO unter Hinzuziehung eines Sachverständigen - über die Frage einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB (n.F.) befinden müssen. Zwar muss nach der Neuregelung des § 64 StGB die Maßregel nicht mehr zwingend angeordnet werden. Gleichwohl soll auch weiterhin, wenn die Voraussetzungen des § 64 StGB vorliegen, nur in besonderen Ausnahmefällen von der Unterbringung abgesehen werden (BTDrucks. 16/5137, S. 10, 16/1344, S. 12). Ein solcher liegt hier nach den bisherigen Feststellungen nicht vor. Die Urteilsgründe lassen trotz einer im Rahmen eines früheren Maßregelvollzugs gescheiterten Therapie auch nicht erkennen, dass bei dem Angeklagten die erforderliche hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg (§ 64 Satz 2 StGB n.F.) nicht besteht. Vielmehr hat sich der Angeklagte im September 2006 aus eigenem Antrieb um die Aufnahme in einer Therapieeinrichtung bemüht, was auf eine bei ihm vorhandene Therapiebereitschaft hinweist.
9
Der Anordnung einer Unterbringung nach § 64 StGB (n.F.) steht nicht entgegen, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Nichtanordnung der Maßregel hat der Beschwerdeführer auch nicht von seinem Revisionsangriff ausgenommen.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.