Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Nov. 2016 - 4 ARs 17/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:101116B4ARS17.16.0
bei uns veröffentlicht am10.11.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 ARs 17/16
vom
10. November 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
hier: Anfragebeschluss des 2. Strafsenats vom 1. Juni 2016
– 2 StR 335/15
ECLI:DE:BGH:2016:101116B4ARS17.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. November 2016 gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG beschlossen:
Die beabsichtigte Entscheidung des 2. Strafsenats widerspricht der Rechtsprechung des 4. Strafsenats, der an dieser festhält.

Gründe:

1
1. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs beabsichtigt zu entscheiden :
2
„Die Nötigung zur Herausgabe von Betäubungsmitteln richtet sich nicht gegen das Vermögen des Genötigten und erfüllt daher nicht den Tatbestand der Erpressung.“
3
Er hat daher mit Beschluss vom 1. Juni 2016 (2 StR 335/15) bei den anderen Strafsenaten angefragt, ob sie dem zustimmen oder an etwa entgegenstehender Rechtsprechung festhalten.
4
2. Der beabsichtigten Entscheidung des 2. Strafsenats steht Rechtsprechung des 4. Strafsenats entgegen. Der Senat hat in zahlreichen nicht begründeten Beschlüssen nach § 349 Abs. 2 StPO vorausgesetzt, dass Betäubungsmittel – auch wenn diese in strafbarer Weise besessen werden – zu dem nach §§ 253 ff. StGB geschützten Vermögen gehören, so zuletzt mit Beschluss vom 27. September 2016 im Verfahren 4 StR 392/16. Auch dem Urteil vom 27. Mai 2008 (4 StR 150/08, NStZ 2008, 569 f.) liegt diese Rechtsauffassung zugrunde. Weil der Angeklagte in dem dort zu entscheidenden Fall vom Tatopfer aber ein Kilogramm Kokain oder – alternativ – den entsprechenden Gegenwert in Geld gefordert hatte, kam es für die Annahme einer versuchten räuberischen Er- pressung auf die vom anfragenden Senat aufgeworfene Rechtsfrage nicht entscheidungserheblich an.
5
3. Der Senat hält – nach Beratung im Plenum – an dieser Rechtsprechung fest. Er kann der beabsichtigten Entscheidung des 2. Strafsenats schon mit Blick auf die weit gefasste Vorlegungsfrage nicht zustimmen. Von ihr werden jegliche Betäubungsmittel und jegliche Form des Besitzes an Betäubungsmitteln erfasst, also auch solche, die nach Maßgabe von § 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. den Anlagen I bis III zum BtMG verkehrsfähig bzw. verschreibungsfähig sind.
6
Auch in den Fällen des nicht erlaubnispflichtigen beziehungsweise erlaubten Betäubungsmittelbesitzes (§§ 3, 4 BtMG) besteht kein sachlicher Grund, den Anwendungsbereich der Vermögensdelikte einzuschränken.
7
Soweit sich die Anfrage auf illegal besessene Betäubungsmittel bezieht, kann sich der Senat der Rechtsansicht des 2. Strafsenats nicht anschließen. Eine Versagung des Vermögensschutzes ist auch in diesen Fällen nicht angezeigt.
8
Der Senat hat sich zu dieser Frage in seinem Urteil vom 25. November 1951 (4 StR 574/51, BGHSt 2, 364, 365 ff.) der Rechtsprechung des Reichsgerichts angeschlossen, die seit der Entscheidung vom 14. Dezember 1910 – II 1214/10, RGSt 44, 230)vom wirtschaftlichen Vermögensbegriff ausgeht. Danach sind auch in strafbarer Weise besessene Gegenstände dem Vermögen zuzuordnen. Maßgeblich ist allein, ob dem Besitz ein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zukommt, was regelmäßig zu bejahen ist, wenn mit dem Besitz wirtschaftlich messbare Gebrauchsvorteile verbunden sind, die der Täter nutzen will (zuletzt Senat, Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 701 mwN). Dies ist bei illegalen Betäubungsmitteln der Fall.
9
Die Anfrage gibt keinen Anlass, den in der Praxis bewährten und insbesondere aus kriminalpolitischen Gesichtspunkten sachgerechten wirtschaftlichen Vermögensbegriff – mit erheblichen Weiterungen auch für zahlreiche andere Fallkonstellationen – generell aufzugeben. Auch eine ausnahmsweise Einschränkung des Vermögensschutzes nur für den illegalen Betäubungsmittelbesitz kommt aus Sicht des Senats nicht in Betracht. Vielmehr ist auf der Grundlage des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs auch in diesen Fallkonstellationen an der strafrechtlichen Sanktionierung festzuhalten. Sost-Scheible Roggenbuck Franke Mutzbauer Quentin

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 1 Betäubungsmittel


(1) Betäubungsmittel im Sinne dieses Gesetzes sind die in den Anlagen I bis III aufgeführten Stoffe und Zubereitungen. (2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung von Sachverständigen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrat

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(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 335/15
vom
1. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:010616B2STR335.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. Juni 2016 gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG beschlossen:
Die Revisionshauptverhandlung wird unterbrochen. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Die Nötigung zur Herausgabe von Betäubungsmitteln richtet sich nicht gegen das Vermögen des Genötigten und erfüllt daher nicht den Tatbestand der Erpressung. Der Senat fragt bei den anderen Strafsenaten an, ob sie dem zustimmen oder an etwa entgegenstehender Rechtsprechung festhalten.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten D. wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Angeklagte S. hat es wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen tätlicher Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und ihre Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Gegen den Angeklagten B. hat es wegen Beihilfe zur besondersschweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verhängt, de- ren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten mit der Sachrüge.

A.

2
Die drogensüchtigen Angeklagten D. und S. hatten nach den Feststellungen des Landgerichts am 10. Juni 2014 den Rest ihres Heroinvorrats konsumiert und befürchteten Entzugserscheinungen. Nachdem D. vergeblich versucht hatte, Heroin zu kaufen, erfuhr er, dass der Nebenkläger damit Handel treibt. Er beschloss, den Nebenkläger mit Gewalt zur Herausgabe von Heroin zu zwingen und weihte die Angeklagte S. in seinen Plan ein; diese erklärte sich damit einverstanden. Ferner gewann der Angeklagte D. den Angeklagten B. dafür, bei dem Überfall mitzuwirken. Die Angeklagten traten die Wohnungstür des Nebenklägers ein. D. fragte den Nebenkläger sogleich nach „Dope“, worauf dieser erwiderte , dass er keines besitze. Deshalb packte D. den Nebenkläger am Kragen und versetzte ihm Schläge mit der Aufforderung: „gib uns das Zeug raus“. Auch die Angeklagte S. schlug den Nebenkläger und verlangte die Herausgabe von Heroin. Der Angeklagte B. forderte ebenfalls: „gib den Stoff raus“. Die Angeklagte S. hielt dem Nebenkläger auch einen spitzen Gegenstand, eine Schere oder ein Messer, vor das Gesicht und bedrohte ihn damit, was die anderen Angeklagten billigten. Bei dem Versuch des Nebenklägers zu fliehen, wurde er von dem Angeklagten B. festgehalten. Nach weiteren Schlägen gab er drei Plomben Heroin mit der Bemerkung heraus: „hier, könnt ihr haben, mehr habe ich nicht“. Nach Hilferufen des Nebenklägers flohen die Angeklagten unter Mitnahme des Heroins (Fall II.2. der Urteilsgründe).

B.

3
Der Senat hält die Revisionen der Angeklagten für begründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung wegen Beteiligung an einer besonders schweren räuberischen Erpressung richten. Der Tatbestand der Erpressung setzt voraus, dass der Täter dem Vermögen eines Anderen einen Nachteil zufügt. Der Begriff des Vermögens entspricht hier demjenigen des Betrugstatbestands. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dem Vermögen im Sinne der §§ 253, 263 StGB auch der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln zuzurechnen, weil der strafrechtliche Vermögensbegriff wirtschaftlich betrachtet werden soll. Daran will der Senat nicht festhalten. Er beabsichtigt zu entscheiden, dass die Nötigung zur Übertragung von unerlaubtem Besitz an Betäubungsmitteln nicht das strafrechtlich geschützte Vermögen betrifft. Er fragt deshalb wegen Divergenz und grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage bei den anderen Strafsenaten an, ob diese ihm folgen oder an der bisherigen Rechtsprechung festhalten.

I.

4
1. Das Reichsgericht hatte zuerst nur zivilrechtlich anerkannte Vermögensgegenstände dem vom Strafrecht geschützten Vermögen zugeordnet. Deshalb wurden Ansprüche auf Zahlung von Geldbeträgen, die aus Dirnenlohn herrührten (RG, Urteil vom 27. April 1889 – Rep. 694/89, RGSt 19, 186, 188 ff.; Urteil vom 20. Juni 1895 – Rep. 1877/95, RGSt 27, 300 f.), der Kaufpreis für gestohlene Banknoten (RG, Urteil vom 6. November 1890 – Rep. 2222/90, RGSt 21, 161 ff.) oder für unbrauchbare Mittel zur Durchführung eines strafbaren Schwangerschaftsabbruchs (RG, Urteil vom 3. Juli 1903 – Rep. 937/03, RGSt 36, 334, 343 ff.), das Entgelt für den Verkauf einer hehlerisch erlangten Sache (RG, Urteil vom 18. Dezember 1903 – Rep. 5722/03) oder der Lohn für Parteiverrat (RG, Urteil vom 3. Mai 1904 – Rep. 1851/04, RGSt 37, 161 f.) ebenso vom Begriff des strafrechtlich geschützten Vermögens aus- geklammert wie das Entgelt für den vorgetäuschten Verkauf von Falschgeld (RG, Urteil vom 24. Mai 1907 – 5 D 1062/06, GA Bd. 54 [1907], S. 418).
5
Von diesem Ansatz wichen die Vereinigten Strafsenate des Reichsgerichts in einem Fall ab, in dem es erneut um die Täuschung von Frauen über die Tauglichkeit eines an sie verkauften Mittels zur Herbeiführung eines Schwangerschaftsabbruchs ging (RG, Beschluss vom 14. Dezember 1910 – II 1214/10, RGSt 44, 230 ff. mit Anm. Binding DJZ 1911, Sp. 553 ff.).
6
Die Vereinigten Strafsenate führten aus, der Begriff des rechtlich geschützten Vermögens sei irreführend. Er erwecke die Vorstellung, als gebe es Vermögen, das rechtlich nicht geschützt sei. Jedoch sei die Auffassung unzutreffend , dass demjenigen, der eine Sache oder Forderung widerrechtlich erworben habe, diese nicht durch Vermögensdelikt entzogen werden könne. Einen Rechtssatz, der einen Straftäter mit Bezug auf sein Vermögen friedlos mache, habe das Reichsgericht nicht vertreten. Vermögen sei wirtschaftliche Macht, also alles, was für die wirtschaftlichen Verhältnisse einer Person einen Wert habe. Da jeder Wert in Geld ausgedrückt werden könne, gehe es letztlich um die Summe der geldwerten Güter einer Person.
7
2. Nach dem Krieg übernahm der Oberste Gerichtshof für die Britische Zone diesen Ansatz (OGHBrZ, Urteil vom 11. Oktober 1949 – StS 160/49, OGHSt 2, 193, 201 f.).
8
3. Auch der Bundesgerichtshof folgte bald darauf der Entscheidung der Vereinigten Strafsenate des Reichsgerichts.
9
a) In seiner ersten Entscheidung zu dieser Frage führte er aus, auch die Forderung aus einem unsittlichen oder gesetzwidrigen Geschäft könne unter Umständen dem wirtschaftlichen Vermögen zugerechnet werden (BGH, Urteil vom 25. November 1951 – 4 StR 574/51, BGHSt 2, 364, 365 ff.). Die strafrechtliche Rechtsprechung habe sich im Streben nach befriedigenden Ergeb- nissen von der bürgerlich-rechtlichen Betrachtungsweise abgewendet und dem wirtschaftlichen Vermögensbegriff zunehmend Geltung verschafft. Auch eine nichtige Forderung könne wirtschaftlichen Wert haben. Dabei sei in erster Linie an geschäftliche, verwandtschaftliche, freundschaftliche, sonstige gesellschaftliche oder andere Bindungen zu denken, die den Schuldner veranlassen könnten, die wegen Nichtigkeit nicht einklagbare Forderung dennoch zu begleichen , etwa auch, um Nachteile zu vermeiden, die sich aus der Verweigerung der Zahlung ergeben könnten. Die Einklagbarkeit sei bei wirtschaftlicher Betrachtung kein entscheidendes Merkmal für einen Vermögensgegenstand. Der Einwand, dass der widerrechtliche Erwerber einer Sache oder Forderung keines strafrechtlichen Schutzes würdig sei, greife nicht durch. Es komme in erster Linie darauf an, den vom Gesetzgeber mit dem Strafrecht verfolgten Zweck der Rechtssicherheit zu erreichen. Nicht allein dem Geschädigten werde die strafrechtliche Sühne als Genugtuung geschuldet, sondern auch der Allgemeinheit. Das Ergebnis, zu dem die bürgerlich-rechtliche Betrachtung des Vermögens führe, begegne rechtspolitischen Bedenken, insbesondere wenn die Straflosigkeit eines derartigen Verhaltens einen Anreiz für Verbrecher bilde, sich Opfer in Kreisen schwacher Personen zu suchen. Die Gegenansicht lasse die beim Täter zutage getretene Gefährlichkeit außer Betracht. In zahlreichen Fällen trete der Verstoß gegen das Gesetz oder die guten Sitten hinter der Verwerflichkeit des Handelnden, der sich einen solchen Sachverhalt wirtschaftlich zu Nutze mache, zurück.
10
Mit demselben rechtlichen Ansatz bewertete der Bundesgerichtshof die Nötigung zur Herausgabe eines rechtswidrig erlangten Besitzes als Vermögensdelikt (BGH, Urteil vom 16. August 1995 – 2 StR 303/95, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögenswert 1; Urteil vom 25. Februar 1997 – 1 StR 804/96, NStZ-RR 1997, 297 f.; Urteil vom 4. September 2001 – 1 StR 167/01, NStZ 2002, 33). Im Fall einer Täuschung bei einem Betäubungsmittelgeschäft ging er von Betrug wegen Lieferung von Schokolade statt Haschisch und bei der anschließenden Nötigung zur Unterlassung der Durchsetzung eines Rückgabeanspruchs von (räuberischer) Erpressung aus (BGH aaO NStZ 2002, 33; s.a. Beschluss vom 25. März 2003 – 1 StR 9/03, NStZ-RR 2003, 185).
11
b) Einschränkungen wurden später beim subjektiven Tatbestand gemacht. In einem Fall, in dem der Käufer von Rauschgift durch Täuschung zu einer Geldzahlung veranlasst wurde, ohne das Rauschgift zu erhalten, billigte der Bundesgerichtshof dem Verkäufer einen Schadensersatzanspruch zu und führte aus, dieser Anspruch könne der Absicht rechtswidriger Bereicherung entgegenstehen (BGH, Beschluss vom 12. März 2002 – 3 StR 4/02, NStZ 2003, 151, 152 f. mit Anm. Kindhäuser/Wallau = JR 2003, 163 f. mit Anm. Engländer). Mit Hinweis auf Besitzschutzansprüche, die auch einem Dieb gegen verbotene Eigenmacht zustünden, beanstandete er eine Verurteilung wegen (schwerer räuberischer) Erpressung, weil die Absicht rechtswidriger Bereicherung nicht belegt sei (BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2007 – 4 StR 422/07, NStZ 2009, 37 mit Anm. Dehne-Niemann).
12
c) Beim Betrug zum Nachteil von Prostituierten wich die Rechtsprechung vor Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes aber von diesem so genannten wirtschaftlichen Vermögensbegriff ab (BGH, Urteil vom 9. Oktober 1953 – 2 StR 402/53, BGHSt 4, 373; Beschluss vom 28. April 1987 – 5 StR 566/86; NStZ 1987, 407; für die Rechtslage nach Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes BGH, Urteil vom 2. Februar 2016 – 1 StR 435/15, NStZ 2016, 283 ff.). Zwar könne auch die Möglichkeit, die eigene Arbeitskraft zur Erbringung von Dienstleistungen einzusetzen, zum Vermögen gehören. Das gelte aber nicht für Leistungen, die verbotenen oder unsittlichen Zwecken dienen. Das Strafrecht setze sich in Widerspruch zur übrigen Rechtsordnung, wenn es im Rahmen eines Vermögensdelikts auch solchen Ansprüchen Schutz gewährte, die aus verbotenen oder unsittlichen Rechtsgeschäften hergeleitet werden.
13
d) Dagegen hat der Bundesgerichtshof die (qualifizierte) Nötigung zur Herausgabe von Betäubungsmitteln als (schwere räuberische) Erpressung angesehen (BGH, Beschluss vom 26. Juli 1995 – 3 StR 694/93, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Sichverschaffen 2). Die Beteiligten eines Betäubungsmittelgeschäfts seien nicht aus dem Schutzbereich des Vermögensdelikts auszuklammern. Ein wegen seiner Herkunft, Entstehung oder Verwendung schlechthin schutzunwürdiges Vermögen kenne die Rechtsordnung nicht. Auch könne ein vermögensstrafrechtlich relevanter Schaden des Betäubungsmittelerwerbers und daran anknüpfend ein Ersatzanspruch gegen den Betrüger oder Erpresser nicht deswegen verneint werden, weil das Kaufgeld, das zu strafbaren Zwecken eingesetzt werde oder aus strafbarem Tun herrühre , der Einziehung oder dem Verfall unterliege. Einziehung und Verfall knüpften an das Vorliegen einer Straftat an. Für die Auslegung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Vermögensdelikte könnten diese Maßnahmen keine tauglichen Kriterien liefern.
14
In einem Fall, in dem Drogenhändler vom Abnehmer über dessen Zahlungsfähigkeit getäuscht wurden und nach der Übergabe der Betäubungsmittel mit Nötigungsmitteln die Herausgabe von Wertgegenständen als Surrogat für die Erfüllung der Kaufpreisforderung erzwungen hatten, hat der 3. Strafsenat die Frage, ob auch der unerlaubte Besitz an Betäubungsmitteln als Vermögensbestandteil zu bewerten sei, offen gelassen. Selbst wenn der Verlust des (unerlaubten) Besitzes von Betäubungsmitteln als Vermögenschaden zu bewerten wäre, habe den Tätern nämlich kein Anspruch auf dessen Ersatz zugestanden (BGH, Urteil vom 7. August 2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 326 ff. mit Aufs. Swoboda NStZ 2005, 476 ff.). Die Entscheidung für den umgekehrten Fall, dass der betrogene Käufer dem Betäubungsmittelhändler den betrügerisch erlangten Kaufpreis abpresst (BGH, Beschluss vom 12. März 2002 – 3 StR 4/02 mit Anm. Mitsch JuS 2003, 122 ff.), stehe dem nicht entgegen.
15
Der Senat hat in einer Entscheidung darauf hingewiesen, die Annahme, der Verlust des illegalen Besitzes von Betäubungsmitteln sei ein vom Recht anerkannter Vermögensschaden, sei jedenfalls nicht unbestritten (Senat, Beschluss vom 30. Juli 2013 – 2 StR 150/13, StraFo 2013, 480).

II.

16
Der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln ist kein Bestandteil des nach §§ 253, 263 StGB geschützten Vermögens.
17
1. Es gibt kein strafrechtlich schutzwürdiges Vermögen außerhalb des Rechts (vgl. Fischer in Fischer/Hoven/Huber/Raum/Rönnau/Saliger/Trüg [Hrsg.], Dogmatik und Praxis des strafrechtlichen Vermögensschadens, 2016, S. 51, 54) oder sogar im Widerspruch dazu. Auch der Besitz ist nur dann ein Bestandteil des geschützten Vermögens, wenn er auf einem Recht zum Besitz beruht (vgl. Gallas in Festschrift für Eb. Schmidt, 1961, S. 401, 408, 417, 426). Der strafbare Besitz von Betäubungsmitteln ist deshalb kein durch Strafrecht zu schützendes Rechtsgut. Vielmehr ist der Verlust dieses unerlaubten Besitzes gerade der rechtlich erwünschte Zustand (vgl. Mitsch JuS 2003, 122,

124).

18
Die gleichzeitige Strafdrohung gegen denjenigen, der unerlaubt Betäubungsmittel besitzt (§ 29 Abs. 1 Nr. 3, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) und gegen denjenigen, der dem Besitzer diesen unerlaubten Besitz durch Täuschung (§ 263 StGB) oder Nötigung (§§ 253, 255 StGB) entzieht, stellt einen offenkundigen Widerspruch dar. Zugleich fehlt es an einer Legitimation des Staates zur Bestrafung der auf die Entziehung eines seinerseits strafbaren Besitzes gerichteten Handlung unter dem speziellen Gesichtspunkt eines Vermögensdelikts (vgl. Hillenkamp in Festschrift für Achenbach, 2011, S. 189, 198 ff.).
19
Das Strafrecht wird als „ultima ratio“ des Rechtsgüterschutzes nur eingesetzt , wenn ein bestimmtes Verhalten über sein Verbotensein hinaus in be- sonderer Weise sozialschädlich und für das geordnete Zusammenleben der Menschen unerträglich, seine Verhinderung daher besonders dringlich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008 – 2 BvR 392/07, BVerfGE 120, 224, 239 f.). Der unerlaubte Besitz an Betäubungsmitteln ist, gemessen an dieser Anforderung, kein strafrechtlich schutzbedürftiges Rechtsgut, seine Entziehung ist nicht unerträglich, deren Verhinderung durch Strafrecht nicht geboten. Das Strafrecht darf nicht dazu dienen, strafbare Positionen zu schützen und insoweit eine „faktische Anerkennung des Unrechtsverkehrs“ vorzunehmen (vgl. Cramer JuS 1966, 472, 476); denn dies verstieße seinerseits gegen Wertentscheidungen der Verfassung (vgl. Zieschang in Festschrift für H. J. Hirsch, 1999, S. 831, 838 ff.).
20
Die Formel, dass es ein strafrechtlich nicht geschütztes Vermögen nicht gebe (krit. bereits Binding DJZ 1911, Sp. 553, 561 f.), ist tautologisch und mit Blick auf den strafbaren Besitz von Betäubungsmitteln jedenfalls unzutreffend.
21
2. Die Argumente, die bisher für die Anwendung der Vermögensdelikte auf die Entziehung unerlaubten Betäubungsmittelbesitzes angeführt werden, sind nicht tragfähig.
22
a) Nicht die „Gefährlichkeit des Täters“ oder seine „kriminelle Gesin- nung“, sondern die Tatbestandsmäßigkeit seiner Handlung bestimmt im gel- tenden Tatstrafrecht die Strafbarkeit. Das von einem Täterstrafrecht geprägte Vorstellungsbild des Reichsgerichts ist überholt.
23
b) Die Strafbarkeit nach anderen Straftatbeständen als den Vermögensdelikten (§§ 29 ff. BtMG, §§ 240, 261 StGB u.a.) bleibt bei der Ausklammerung des unerlaubten Besitzes aus dem strafrechtlich geschützten Vermögen unberührt und verhindert, dass ein strafrechtsfreier Raum entsteht (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 263 Rn. 109).
24
Aufgabe der spezifischen Vermögensdelikte ist es zudem nicht, zur Vermeidung einer sonst zu befürchtenden Strafbarkeitslücke den Rechtsfrieden zu bewahren (vgl. Gallas aaO, S. 426). Erst recht ist es nicht geboten, den Anwendungsbereich der Vermögensdelikte anhand von kriminalpolitischen Billigkeitserwägungen der Rechtsprechung auszudehnen (vgl. Zieschang aaO S. 841 ff.).
25
Die Annahme, den Vermögensdelikten komme die Aufgabe zu, über den Schutz des Rechtsguts „Vermögen“ hinaus die allgemeine Rechtsordnung zu schützen (krit. bereits Lenckner JZ 1967, 105, 107 f.), geht ferner daran vorbei, dass die Strafrechtsordnung heute eine Vielzahl von Auffangtatbeständen zur Schließung von Strafbarkeitslücken vorsieht. Für eine weite Auslegung der §§ 253, 263 StGB besteht daher kein Bedarf. Sie steht in Widerspruch zum Gebot der engen Auslegung des fragmentarischen Strafrechts nach dem ultima-ratio-Prinzip.
26
c) Das Argument, aus der Möglichkeit von Einziehung oder Verfall sei kein Grund zu der Annahme abzuleiten, dass der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln nicht durch die §§ 253, 263 StGB geschützt werden müsse, geht ebenfalls fehl.
27
Strafbar ist unter anderem, wer Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt , veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG). Auch Geld, das zur Bezahlung von Betäubungsmitteln verwendet wird, ist Tatmittel des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, solange der Austausch von Leistung und Gegenleistung nicht zur Ruhe gekommen ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 1997 – 1 StR 791/96, BGHSt 43, 158, 162); anschließend ist es Objekt der Geldwäsche (§ 261 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 Buchst. b StGB). Betäubungsmittel und Drogengeld unterliegen deshalb der Konfiskation durch Ein- ziehung (§ 33 Abs. 2 BtMG, § 74, § 261 Abs. 7 StGB) oder Verfall (§ 73 StGB). Auf die Vermögensdelikte kommt es insoweit nicht an (vgl. Fischer, StGB § 263 Rn. 108).
28
Das Strafrecht trachtet danach, den Betäubungsmitteln und dem bei Betäubungsmittelgeschäften eingesetzten Geld die Verkehrsfähigkeit abzuerkennen , indem nahezu jeder Umgang damit bei Strafe verboten wird (§§ 29 ff. BtMG, § 261 Abs. 1 und 2 StGB). Das Argument, der Straftäter dürfe „nicht friedlos gestellt“ werden, wird dadurch ebenfalls entwertet.
29
d) Die Besitzschutzregeln der §§ 858 ff. BGB, die bisweilen als Grund für die Forderung nach einem flankierenden strafrechtlichen Schutz des Besitzes angeführt werden, dienen nicht dem Schutz des Vermögensbestands (vgl. NK/Kindhäuser, StGB, 4. Aufl., § 263 Rn. 239) und besagen nichts über die Legitimität des Besitzes. Sie ändern deshalb nichts an der strafrechtlichen Bewertung des Vermögens (vgl. Cramer, Vermögensbegriff und Vermögensschaden im Strafrecht, 1969, S. 226 ff.; Gallas aaO S. 426). Ein Anspruch auf Einräumung des – strafbaren – Besitzes an Betäubungsmitteln kann daraus nicht hergeleitet werden (vgl. Dehne-Niemann NStZ 2009, 37 f.; Hillenkamp aaO S. 205; Zieschang aaO S. 837 ff.).
30
3. Drogen haben zwar auf dem Schwarzmarkt gerade wegen ihrer Illegalität hohen Wert, auf dem legalen Markt hingegen – solange keine Ausnahmegenehmigung vorliegt – gar keinen Wert. Auch mit Hinweis darauf wird in der Literatur angenommen, dass der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln nicht zum strafrechtlich geschützten Vermögen zählt (vgl. Maier in Matt/Renzikowski, StGB, 2013, § 253 Rn. 23; Wittig in BeckOKStGB, 30. Edition, § 253 Rn. 9.1). Das ist zur Vermeidung einer faktischen Anerkennung des illegalen Markts und seiner in den Handelsstufen progressiven Wertsetzungen geboten. Schließlich erkennt die Rechtsordnung demjenigen, der unerlaubten Drogenbesitz durch ein Vermögensdelikt verliert, nicht nur keinen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch zu, sondern auch keinen solchen nach dem Wertgefüge des illegalen Markts.
31
4. Die Anwendung der Vermögensdelikte auf die Entziehung des Drogenbesitzes ist schließlich nicht deshalb geboten, weil in angrenzenden Fällen , in denen dem Opfer die Betäubungsmittel weggenommen werden, ein Eigentumsdelikt vorläge.
32
a) Divergenzen zwischen dem Schutz von Eigentum und Vermögen werden auch an anderer Stelle hingenommen und zwingen nicht dazu, die Auslegung des Merkmals „Vermögen“ auf illegal erworbene Rechtspositionen zu erstrecken (vgl. Kudlich JA 2006, 335, 336).
33
b) Der Schutz des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln gegen Wegnahme durch Eigentumsdelikte erscheint zudem seinerseits nicht zwingend (abl. etwa Engel NStZ 1991, 520 ff.; MünchKomm/Schmitz, StGB, 2. Aufl., § 242 Rn. 17 f.; Wolters in Festschrift für Samson, 2010, S. 495 ff.; s.a. Fischer, StGB § 242 Rn. 5a; dafür aber BGH, Beschluss vom 20. September 2005 – 3 StR 295/05, ZIS 2006, 36 f. mit Anm. Hauck; Marcelli NStZ 1992, 220 ff.; Vitt NStZ 1992, 221 ff.).
34
Werden Betäubungsmittel entgegen einem strafrechtlichen Verbot hergestellt , entsteht kraft bürgerlichen Rechts (§§ 950, 953 BGB) jedenfalls kein vollwertiges Eigentum. Die Eigentumsposition des Herstellers besteht praktisch nur aus Pflichten zur Ablieferung an die Behörden oder Vernichtung der Drogen, während seine Rechte gemäß §§ 903, 985 ff. BGB durch die Verbote nach § 29 BtMG ausgeschlossen werden. Das „Recht“ auf Eigentumsaufgabe oder Vernichtung (BGH aaO; Schramm JuS 2008, 678, 680) wird durch das Betäubungsmittelgesetz (§ 16 BtMG) zur Pflicht (vgl. MünchKomm/Schmitz, StGB § 242 Rn. 18). Nach allem kann das Strafrecht auch mit der Strafdrohung der §§ 242, 249 StGB gegen Wegnahme des – unerlaubten – Besitzes von Betäubungsmitteln keinen sinnvollen Rechtsgüterschutz darbieten (vgl. Otto in Festschrift für Beulke, 2015, S. 507, 520). Dies spricht vielmehr für eine teleologische Reduktion der Eigentumsdelikte.
35
Der Hersteller kann das kraft Gesetzes formal erworbene Eigentum an Drogen ohne behördliche Ausnahmegenehmigung nicht durch Rechtsgeschäft wirksam übertragen (§ 134 BGB, §§ 29 ff. BtMG). Er gibt es bei der Veräußerung der Drogen im illegalen Betäubungsmittelhandel preis und glaubt danach regelmäßig als Laie selbst an dessen Verlust (vgl. dazu Hauck ZIS 2006, 37, 39). Darin liegt zwar keine Dereliktion (§ 959 BGB). Jedoch erlangt der Erwerber nur einen Gewahrsam ohne eigenes Eigentum; sein Verwertungsinteresse an einem Eigenkonsum ist nicht derart schutzwürdig, dass deshalb das Straf- recht als „ultima ratio“ des Staates zu seiner Gewahrsamssicherung ange- wendet werden müsste. Beim formalen Eigentümer verbleibt eine Rechtsposition ohne Substanz; dieser kann insbesondere die Herausgabe (§ 985 BGB) nicht verlangen, weil ihr das Erwerbsverbot des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG entgegensteht; auch zum Schutz des Eigentümers ist der Einsatz der staatlichen „ultima ratio“ daher nicht geboten.
36
Ausländisches Sachenrecht, das gegebenenfalls für die dingliche Rechtslage an einem ausländischen Herstellungsort bestimmend ist (Art. 43 Abs. 1 EGBGB), wird im Inland nur in den Grenzen der deutschen öffentlichen Ordnung anerkannt (Art. 6 Satz 1, 43 Abs. 2 EGBGB). Daraus können keine weiter gehenden Eigentümerrechte im Inland hergleitet werden.
37
5. Rechtsvergleichend ist darauf hinzuweisen, dass auch das Schweizerische Bundesgericht die Zuordnung des unerlaubten Betäubungsmittelbesitzes zum Vermögen als Rechtsgut im Sinne des Betrugstatbestands verneint hat (Kassationshof, Urteil vom 17. Mai 1991, BGE 117 IV, S. 139, 148). Mangels Verkehrsfähigkeit bestehe darüber hinaus kein fremdes Eigentum im Sinne des Diebstahlstatbestands (Kassationshof, Urteil vom 5. Juni 1996, BGE 122 IV, S. 179, 183 f.; bestätigt durch Urteil vom 3. April 1998, BGE 124 IV, S. 102, 104). Dies führe nicht zu einer Strafbarkeitslücke, weil jedenfalls eine Strafbarkeit nach dem Betäubungsmittelrecht verbleibe und ausreichend sei. Der Täter, der einem anderen den unerlaubten Besitz an Betäubungsmitteln entziehe, greife nicht in eine schutzwürdige Rechtsposition im Sinne des Diebstahlstatbestands ein, sondern schaffe „den von der Rechtsordnung ge- wünschten Zustand“ (Kassationshof aaO, BGE 122 IV S. 179, 184). Fischer RiBGH Prof. Dr. Krehl Eschelbach ist an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer Zeng Bartel

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Betäubungsmittel im Sinne dieses Gesetzes sind die in den Anlagen I bis III aufgeführten Stoffe und Zubereitungen.

(2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung von Sachverständigen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Anlagen I bis III zu ändern oder zu ergänzen, wenn dies

1.
nach wissenschaftlicher Erkenntnis wegen der Wirkungsweise eines Stoffes, vor allem im Hinblick auf das Hervorrufen einer Abhängigkeit,
2.
wegen der Möglichkeit, aus einem Stoff oder unter Verwendung eines Stoffes Betäubungsmittel herstellen zu können, oder
3.
zur Sicherheit oder zur Kontrolle des Verkehrs mit Betäubungsmitteln oder anderen Stoffen oder Zubereitungen wegen des Ausmaßes der mißbräuchlichen Verwendung und wegen der unmittelbaren oder mittelbaren Gefährdung der Gesundheit
erforderlich ist. In der Rechtsverordnung nach Satz 1 können einzelne Stoffe oder Zubereitungen ganz oder teilweise von der Anwendung dieses Gesetzes oder einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung ausgenommen werden, soweit die Sicherheit und die Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs gewährleistet bleiben.

(3) Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt in dringenden Fällen zur Sicherheit oder zur Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Stoffe und Zubereitungen, die nicht Arzneimittel oder Tierarzneimittel sind, in die Anlagen I bis III aufzunehmen, wenn dies wegen des Ausmaßes der mißbräuchlichen Verwendung und wegen der unmittelbaren oder mittelbaren Gefährdung der Gesundheit erforderlich ist. Eine auf der Grundlage dieser Vorschrift erlassene Verordnung tritt nach Ablauf eines Jahres außer Kraft.

(4) Das Bundesministerium für Gesundheit (Bundesministerium) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Anlagen I bis III oder die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen zu ändern, soweit das auf Grund von Änderungen der Anhänge zu dem Einheits-Übereinkommen von 1961 über Suchtstoffe in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. Februar 1977 (BGBl. II S. 111) und dem Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe (BGBl. 1976 II S. 1477) (Internationale Suchtstoffübereinkommen) oder auf Grund von Änderungen des Anhangs des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (ABl. L 335 vom 11.11.2004, S. 8), der durch die Richtlinie (EU) 2017/2103 (ABl. L 305 vom 21.11.2017, S. 12) geändert worden ist, erforderlich ist.

(1) Einer Erlaubnis des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte bedarf, wer

1.
Betäubungsmittel anbauen, herstellen, mit ihnen Handel treiben, sie, ohne mit ihnen Handel zu treiben, einführen, ausführen, abgeben, veräußern, sonst in den Verkehr bringen, erwerben oder
2.
ausgenommene Zubereitungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) herstellen
will.

(2) Eine Erlaubnis für die in Anlage I bezeichneten Betäubungsmittel kann das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nur ausnahmsweise zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken erteilen.

(1) Einer Erlaubnis nach § 3 bedarf nicht, wer

1.
im Rahmen des Betriebs einer öffentlichen Apotheke oder einer Krankenhausapotheke (Apotheke)
a)
in Anlage II oder III bezeichnete Betäubungsmittel oder dort ausgenommene Zubereitungen herstellt,
b)
in Anlage II oder III bezeichnete Betäubungsmittel erwirbt,
c)
in Anlage III bezeichnete Betäubungsmittel auf Grund ärztlicher, zahnärztlicher oder tierärztlicher Verschreibung abgibt,
d)
in Anlage II oder III bezeichnete Betäubungsmittel an Inhaber einer Erlaubnis zum Erwerb dieser Betäubungsmittel zurückgibt oder an den Nachfolger im Betrieb der Apotheke abgibt,
e)
in Anlage I, II oder III bezeichnete Betäubungsmittel zur Untersuchung, zur Weiterleitung an eine zur Untersuchung von Betäubungsmitteln berechtigte Stelle oder zur Vernichtung entgegennimmt oder
f)
in Anlage III bezeichnete Opioide in Form von Fertigarzneimitteln in transdermaler oder in transmucosaler Darreichungsform an eine Apotheke zur Deckung des nicht aufschiebbaren Betäubungsmittelbedarfs eines ambulant versorgten Palliativpatienten abgibt, wenn die empfangende Apotheke die Betäubungsmittel nicht vorrätig hat,
2.
im Rahmen des Betriebs einer tierärztlichen Hausapotheke in Anlage III bezeichnete Betäubungsmittel in Form von Tierarzneimitteln
a)
für ein von ihm behandeltes Tier miteinander, mit anderen Tierarzneimitteln oder arzneilich nicht wirksamen Bestandteilen zum Zwecke der Anwendung durch ihn oder für die Immobilisation eines von ihm behandelten Zoo-, Wild- und Gehegetieres mischt,
b)
erwirbt,
c)
für ein von ihm behandeltes Tier oder Mischungen nach Buchstabe a für die Immobilisation eines von ihm behandelten Zoo-, Wild- und Gehegetieres abgibt oder
d)
an Inhaber der Erlaubnis zum Erwerb dieser Betäubungsmittel zurückgibt oder an den Nachfolger im Betrieb der tierärztlichen Hausapotheke abgibt,
3.
in Anlage III bezeichnete Betäubungsmittel
a)
auf Grund ärztlicher, zahnärztlicher oder tierärztlicher Verschreibung,
b)
zur Anwendung an einem Tier von einer Person, die dieses Tier behandelt und eine tierärztliche Hausapotheke betreibt, oder
c)
von einem Arzt nach § 13 Absatz 1a Satz 1
erwirbt,
4.
in Anlage III bezeichnete Betäubungsmittel
a)
als Arzt, Zahnarzt oder Tierarzt im Rahmen des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs oder
b)
auf Grund ärztlicher, zahnärztlicher oder tierärztlicher Verschreibung erworben hat und sie als Reisebedarf
ausführt oder einführt,
5.
gewerbsmäßig
a)
an der Beförderung von Betäubungsmitteln zwischen befugten Teilnehmern am Betäubungsmittelverkehr beteiligt ist oder die Lagerung und Aufbewahrung von Betäubungsmitteln im Zusammenhang mit einer solchen Beförderung oder für einen befugten Teilnehmer am Betäubungsmittelverkehr übernimmt oder
b)
die Versendung von Betäubungsmitteln zwischen befugten Teilnehmern am Betäubungsmittelverkehr durch andere besorgt oder vermittelt oder
6.
in Anlage I, II oder III bezeichnete Betäubungsmittel als Proband oder Patient im Rahmen einer klinischen Prüfung oder in Härtefällen nach § 21 Absatz 2 Nummer 3 des Arzneimittelgesetzes in Verbindung mit Artikel 83 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung der Verfahren der Union für die Genehmigung und Überwachung von Humanarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl. L 136 vom 30.4.2004, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/5 (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 24) geändert worden ist, erwirbt.

(2) Einer Erlaubnis nach § 3 bedürfen nicht Bundes- und Landesbehörden für den Bereich ihrer dienstlichen Tätigkeit sowie die von ihnen mit der Untersuchung von Betäubungsmitteln beauftragten Behörden.

(3) Wer nach Absatz 1 Nr. 1 und 2 keiner Erlaubnis bedarf und am Betäubungsmittelverkehr teilnehmen will, hat dies dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zuvor anzuzeigen. Die Anzeige muß enthalten:

1.
den Namen und die Anschriften des Anzeigenden sowie der Apotheke oder der tierärztlichen Hausapotheke,
2.
das Ausstellungsdatum und die ausstellende Behörde der apothekenrechtlichen Erlaubnis oder der Approbation als Tierarzt und
3.
das Datum des Beginns der Teilnahme am Betäubungsmittelverkehr.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte unterrichtet die zuständige oberste Landesbehörde unverzüglich über den Inhalt der Anzeigen, soweit sie tierärztliche Hausapotheken betreffen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 502/10
vom
27. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Körperverletzung mit Todesfolge u.a. zu Ziff. 1
wegen Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge u.a. zu Ziff. 2
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. Januar
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
die Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten A. ,
Rechtsanwälte
als Nebenkläger-Vertreter für Roswitha und Gerhard O. ,
Rechtsanwalt
als Nebenkläger-Vertreterin für Ronja A. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 4. Mai 2010 bezüglich des Angeklagten A. dahin abgeändert, dass die von diesem in Portugal erlittene Auslieferungshaft im Maßstab 1:1 auf die gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe anzurechnen ist. 2. Die weiter gehende Revision der Staatsanwaltschaft bezüglich des Angeklagten A. , ihr Rechtsmittel bezüglich des Angeklagten S. sowie die Revisionen der Nebenkläger und der Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen. 3. Die Kosten der Revisionen der Staatsanwaltschaft sowie die den Angeklagten hierdurch und durch die Rechtsmittel der Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Die Nebenkläger tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel. Die im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen die Staatskasse und die Nebenkläger je zur Hälfte. Die Angeklagten haben die Kosten ihrer Rechtsmittel und die den Nebenklägern hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten A. wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Nötigung und mit Beteiligung an einer Schlägerei zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten S. hat es wegen Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Beihilfe zur Beteiligung an einer Schlägerei und mit Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Zudem hat es gegen beide Angeklagte Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB angeordnet und bestimmt, dass die vom Angeklagten A. in dieser Sache in Portugal erlittene Freiheitsentziehung auf die verhängte Freiheitsstrafe in der Weise angerechnet wird, dass ein Tag Auslieferungshaft zwei Tagen inländischer Haft entspricht.
2
Gegen das Urteil richten sich die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, der Nebenkläger und der Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger beanstanden das Verfahren und erheben die Sachrüge. Die Staatsanwaltschaft wendet sich insbesondere gegen die Feststellungen und die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite; zudem bemängelt sie die fehlende Prüfung der Unterbringung des Angeklagten A. in der Sicherungsverwahrung. Die Nebenkläger begehren unter anderem eine Verurteilung der Angeklagten auch wegen (schweren) Raubes mit Todesfolge. Die Angeklagten rügen ebenfalls die Anwendung des sachlichen Rechts. Der Angeklagte A. beanstandet insbesondere den Schuldspruch wegen Körperverletzung mit Todesfolge sowie die Bewertung der Nötigung als besonders schweren Fall. Der Angeklagte S. meint, der Tatbestand des § 231 StGB sei nicht gegeben, weil es sich nicht um eine Schlägerei im Sinne dieser Vorschrift gehandelt habe; ferner beanstandet auch er die Annahme eines besonders schweren Falls der Nötigung.
3
Erfolg hat in geringem - aus dem Tenor ersichtlichem - Umfang lediglich das zum Nachteil des Angeklagten A. eingelegte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft. Im Übrigen sind die Revisionen unbegründet.

I.


4
Das Schwurgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
5
Die beiden Angeklagten waren Mitglieder der "Hells Angels", der Angeklagte A. als Vollmitglied ("full member"), der Angeklagte S. als Unterstützer ("supporter"). Dirk O. - das Tatopfer - war Vollmitglied der "Outlaws" und Präsident des "Chapters" Donnersbergkreis.
6
Am 24. Juni 2009 hatte der Angeklagte S. in Bad Kreuznach aus ungeklärten Gründen eine körperliche Auseinandersetzung mit Tobias L. , einem Mitglied des dortigen neu gegründeten Outlaws-Chapters, an deren Ende er von Tobias L. darauf hingewiesen wurde, dass Bad Kreuznach "OutlawGebiet" sei.
7
Am Nachmittag des 26. Juni 2009 trafen sich die Angeklagten in Landstuhl unter anderem mit Björn Sch. , der ebenfalls - als Anwärter ("prospect") - den Hells Angels angehörte. Sie beschlossen, nach Bad Kreuznach zu fahren, um dort "Präsenz zu zeigen"; gegebenenfalls wollten sie auch einem Mitglied der Outlaws wegen des Vorfalls vom 24. Juni 2009 eine "Abreibung verpassen". Gegen 20.00 Uhr brachen die Angeklagten und Björn Sch. in einem angemieteten Pkw nach Bad Kreuznach auf. Dort sahen sie zwar einen Motorradfahrer in "Rockerkluft", konnten ihm aber nicht folgen. Sie beschlossen daher, nach Marnheim zur Gaststätte "I. " zu fahren, dem Treffpunkt der Outlaws in deren neu gegründetem Chapter im Donnersbergkreis , um diese auszukundschaften und - so das Vorhaben des Angeklagten A. und von Björn Sch. - eine nicht näher bestimmte "Aktion" gegen dieses Chapter durchzuführen.
8
Etwa um 23.00 Uhr verließen mehrere Mitglieder der Outlaws, unter anderem Dirk O. , das "I. " und fuhren nach Kirchheimbolanden. Die Angeklagten und Björn Sch. folgten ihnen. Während sich die Mitglieder der Outlaws in einer Gaststätte aufhielten, fassten der Angeklagte A. und Björn Sch. den Entschluss, dem - von ihnen als solchem erkannten - Vollmitglied der Outlaws bei sich bietender Gelegenheit die "Kutte", also die mit Aufnähern versehene Lederweste, abzunehmen, um hierdurch "ein Zeichen gegen die Outlaws zu setzen" sowie "Präsenz zu zeigen" und den Outlaws deutlich zu machen, dass deren Gebietsanspruch nicht akzeptiert werde. Den Angeklagten und Björn Sch. war dabei klar, dass es zu einer "harten körperlichen Auseinandersetzung" auch mit Waffen und Werkzeugen kommen kann. Ihnen war bewusst, dass ihr Handeln "auch den Tod des anzugreifenden Rockers nach sich ziehen könnte", sie vertrauten aber darauf, dass insbesondere wegen ihrer körperlichen und zahlenmäßigen Überlegenheit "ein lebensgefährliches Ausmaß der Gewaltanwendung nicht notwendig sein werde". Ein solcher tödlicher Ausgang war den Angeklagten unerwünscht; der Angeklagte A. fürchtete bei einem "tödlichen Zwischenfall" clubinterne Sanktionen, der Angeklagte S. , der als einziges Mitglied der Hells Angels im Donnersbergkreis wohnte, befürchtete eine "Retourkutsche" der Outlaws.
9
Nachdem die Outlaws die Gaststätte verlassen hatten, folgten die Angeklagten - der Angeklagte S. als Fahrer - und Björn Sch. mit ihrem Pkw zwei Motorrädern der Outlaws, wobei sie die Stellung deren Fahrer als "full member" bzw. "prospect" erkannten, das Vollmitglied aber nicht als Dirk O. und den dortigen Chapter-Präsidenten identifizierten. Nachdem der zweite Motorradfahrer abgebogen war, fuhren Dirk O. und hinter ihm die Angeklagten und Björn Sch. gegen 23.50 Uhr auf der Landstraße 386 in Richtung Stetten. Der Angeklagte A. und Björn Sch. beschlossen nunmehr, Dirk O. zu überholen und zum Anhalten zu bringen, um ihm die Kutte abnehmen zu können. Auf Weisung des Angeklagten A. überholte der Angeklagte S. das Motorrad und bremste den Pkw anschließend bis zum Stillstand stark ab, wobei er darauf achtete und darauf vertraute, dass es nicht zu einer Kollision kam und Dirk O. nicht stürzte. Dirk O. gelang es wenige Meter hinter dem Pkw anzuhalten, wobei die Strafkammer ungeachtet einer Blockierspur von 13,3 Metern Länge nicht festzustellen vermochte, dass dabei tatsächlich die Gefahr bestand, er werde mit dem Pkw kollidieren oder stürzen.
10
Während der Angeklagte S. - auch in der Folgezeit - in dem Pkw verblieb, sprangen der Angeklagte A. und Björn Sch. aus dem Fahrzeug , liefen auf Dirk O. zu und zogen diesen von seinem Motorrad herunter. Sodann schnitten sie mit einem Messer die rechte Hosentasche des Dirk O. auf, in der er - erkennbar - ein Messer mitführte, und warfen dieses Messer weg. Nachdem ein entgegenkommender Pkw vorbeigefahren war und Dirk O. das umgefallene Motorrad aufgerichtet hatte, um mit diesem zu fliehen, versetzte Björn Sch. Dirk O. sechs Stiche kurz unterhalb des Arms in die rechte Seite. Er handelte dabei aus Verärgerung darüber, dass "das gesamte Vorhaben" durch das zufällige Erscheinen des Pkws zu scheitern gedroht hatte, und wollte der "Aktion" endgültig und sicher zum Erfolg verhelfen. "Dass der Dirk O. dabei sterben könnte, war ihm klar, jedoch auch egal". Der Angeklagte A. sah diese nicht abgesprochene Messerattacke, konnte allerdings nicht mehr eingreifen; er ging - wie auch der Angeklagte S. - davon aus, dass das Opfer bereits tödlich verletzt sei und jede, auch eine sofort herbeigerufene Hilfe zu spät kommen werde. Er und Björn Sch. zogen Dirk O. die Kutte aus, um diese mitzunehmen. Welche Motivation dieser Wegnahme zugrunde lag, vermochte die Strafkammer nicht festzustellen, insbesondere konnte sie nicht ausschließen, dass der Tatplan von vorneherein vorsah, die Kutte "zu vernichten" bzw. "verschwinden" zu lassen, damit sie nicht in die Hände der Outlaws gelangt. Sodann versetzte Björn Sch. ebenfalls ohne Absprache mit dem Angeklagten A. Dirk O. einen weiteren Messerstich in den Rücken, der zu einer Querschnittlähmung führte.
11
Infolge der Stiche in die Seite und des dadurch eingetretenen Blutverlustes verstarb Dirk O. am 27. Juni 2009 um 2.17 Uhr.

II.


12
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger haben keinen (Rechtsmittel der Nebenkläger) bzw. nur in geringem Umfang Erfolg (Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft).
13
1. Die von Staatsanwaltschaft und den Nebenklägern erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.
14
Die Rügen, das Landgericht habe seine Aufklärungspflicht dadurch verletzt , dass es keinen "in so genannten Motorradclubs … szenekundigen, erfahrenen Ermittlungsbeamten eines Landeskriminalamts oder einer sonst überörtlich zuständigen Polizeidienststelle oder einen Kriminalwissenschaftler" zu deren "Herrschaftsgefüge, Befehlsstrukturen, Riten und Verhaltenskodizes" ange- hört hat, sind unzulässig. Denn die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger teilen nicht in einer § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise mit, warum sich eine solche Beweiserhebung entgegen und trotz der Ausführungen des Schwurgerichts zu einem nicht zu erwartenden weiteren Erkenntnisgewinn durch eine solche Beweisaufnahme (UA 80) aufgedrängt haben soll, nachdem das Gericht - neben einer Vielzahl weiterer Polizeibeamter sowie mehrerer Zeugen aus "Rockerkreisen" - auch die dem Polizeipräsidium Mainz angehörende Sachbearbeiterin vernommen und diese über die Informationen berichtet hat, die ihr "im Bereich der organisierten Kriminalität erfahrene Kollegen" unter anderem zum "Trophäenkult mit Kutten" gegeben hatten. So wird insbesondere die in den Revisionsbegründungen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger angesprochene polizeiliche Vernehmung des Angeklagten S. nicht vollständig mitgeteilt; die Staatsanwaltschaft hat es zudem unterlassen , den von ihr zitierten polizeilichen Abschlussbericht vollständig vorzutragen.
15
Soweit die Staatsanwaltschaft ferner einen Verstoß gegen § 261 StPO beanstandet und geltend macht, das Gericht habe in Zusammenhang mit dem Fluchtversuch des Dirk O. Feststellungen zu "inneren Vorgängen (Überlegungen )" beim Tatopfer getroffen, ohne hierfür über eine "äußere Grundlage" zu verfügen, fehlt es jedenfalls am Beruhen des Urteils auf einer etwaigen Gesetzesverletzung.
16
Erfolglos ist auch die von zwei Nebenklägern in Zusammenhang mit der Zurückweisung einer Frage an den Zeugen G. erhobene Aufklärungsrüge. Insofern verweist der Generalbundesanwalt zutreffend darauf, dass dem Zeugen G. das von ihm geltend gemachte Auskunftsverweigerungsrecht zustand.
17
2. Auch die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin hat - abgesehen von der Entscheidung bezüglich des Angeklagten A. nach § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 StGB aufgrund des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft - keinen Rechtsfehler zum Vorteil der Angeklagten ergeben.
18
a) Das Schwurgericht hat die Angeklagten auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen zu Recht nicht wegen besonders schweren Raubes (mit Todesfolge) oder besonders schwerer räuberischer Erpressung (mit Todesfolge) verurteilt.
19
aa) Ein besonders schwerer Raub (mit Todesfolge) liegt - wie ersichtlich auch der Generalbundesanwalt meint - nicht vor.
20
(1) Täter - auch Mittäter - kann beim Raub nur sein, wer bei der Wegnahme die Absicht hat, sich oder einem Dritten die fremde Sache rechtswidrig zuzueignen. Hierfür genügt, dass der Täter die fremde Sache unter Ausschließung des Eigentümers oder bisherigen Gewahrsamsinhabers körperlich oder wirtschaftlich für sich oder den Dritten haben und sie der Substanz oder dem Sachwert nach seinem Vermögen oder dem des Dritten “einverleiben” oder zuführen will. Dagegen ist nicht erforderlich, dass der Täter oder der Dritte die Sache auf Dauer behalten soll oder will (BGH, Urteil vom 26. September 1984 - 3 StR 367/84, NJW 1985, 812 mwN).
21
An der Voraussetzung, dass der Wille des Täters auf eine Änderung des Bestandes seines Vermögens oder das des Dritten gerichtet sein muss, fehlt es in Fällen, in denen er die fremde Sache nur wegnimmt, um sie „zu zerstören”, „zu vernichten”, „preiszugeben”, „wegzuwerfen”, „beiseitezuschaffen” oder „zu beschädigen” (BGH, Urteile vom 10. Mai 1977 - 1 StR 167/77, NJW 1977, 1460; vom 26. September 1984 - 3 StR 367/84, NJW 1985, 812 jeweils mwN). Der etwa auf Hass- und Rachegefühlen beruhende Schädigungswille ist zur Begründung der Zueignungsabsicht ebenso wenig geeignet wie der Wille, den Eigentümer durch bloßen Sachentzug zu ärgern (BGH, Urteil vom 26. September 1984 - 3 StR 367/84, NJW 1985, 812, 813 mwN; Beschluss vom 15. Juli 2010 - 4 StR 164/10). In solchen Fällen genügt es auch nicht, dass der Täter - was grundsätzlich ausreichen könnte (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 1980 - 2 StR 224/80, NStZ 1981, 63) - für eine kurze Zeit den Besitz an der Sache erlangt.
22
(2) Hiervon ausgehend handelten die Angeklagten und Björn Sch. nach den vom Schwurgericht getroffenen Feststellungen in Bezug sowohl auf die Kutte von Dirk O. als auch dessen Messer ohne die für eine Verurteilung wegen Raubes erforderliche Zueignungsabsicht.
23
Zwar diente die Wegnahme der Kutte nach dem Tatplan "dem Ziel, diesem Outlaw im speziellen und den sich neuangesiedelten Outlaws im Allgemeinen gegenüber 'Präsenz zu zeigen' und ihnen klarzumachen, dass mit den in der Nähe angesiedelten Hells Angels stets zu rechnen ist". Eine über die Enteignung hinausgehende Zueignungsabsicht konnte die Strafkammer jedoch nicht feststellen (UA 17: "Ein weiteres Interesse an der zu erlangenden Kutte, etwa als Tauschobjekt, Arbeitsnachweis oder zum 'Angeben', war nicht feststellbar" ). Vielmehr vermochte sie nicht auszuschließen, "dass der Tatplan von vornherein vorsah, die Kutte zu vernichten." (UA 79). Entsprechendes gilt für das Dirk O. abgenommene Messer, das der Angeklagte A. und Björn Sch. sofort nach der Entwaffnung ihres Opfers wegwarfen (UA 20, 55).
24
Die diesen Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung ist - wie auch im Übrigen - aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Aufgabe, sich auf der Grundlage der vorhandenen Beweismittel eine Überzeugung vom tatsächlichen Geschehen zu verschaffen, obliegt grundsätzlich allein dem Tatrichter. Seine Beweiswürdigung hat das Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen, es ist ihm verwehrt, sie durch eine eigene zu ersetzen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 20. Juni 2007 - 2 StR 161/07). Nach der durch § 261 und § 337 StPO vorgegebenen Aufgabenverteilung zwischen Tat- und Revisionsgericht kommt es nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn vom Tatrichter getroffene Feststellungen „lebensfremd“ erscheinen mögen (BGH, Urteile vom 27. Oktober 2010 - 5 StR 319/10; vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 285/10 mwN). Denn der vom Gesetz verwendete "Begriff der Überzeugung schließt die Möglichkeit eines anderen, auch gegenteiligen Sachverhalts nicht aus; vielmehr gehört es gerade zu ihrem Wesen, dass sie sehr häufig dem objektiv möglichen Zweifel ausgesetzt bleibt. Denn im Bereich der vom Tatrichter zu würdigenden Tatsachen ist der menschlichen Erkenntnis bei ihrer Unvollkommenheit ein absolut sicheres Wissen über den Tathergang, demgegenüber andere Möglichkeiten seines Ablaufs unter allen Umständen ausscheiden müssten, verschlossen. Es ist also die für die Schuldfrage entscheidende , ihm allein übertragene Aufgabe des Tatrichters, ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen verantwortlich zu prüfen, ob er die an sich möglichen Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt überzeugen kann oder nicht“ (so bereits BGH, Urteil vom 9. Februar 1957 - 2 StR 508/56, BGHSt 10, 208, 209; zuletzt BGH, Urteil vom 9. November 2010 - 5 StR 297/10). Ist das Tatgericht – wie vorliegend – ausgehend von einer lückenlosen Tatsachengrundlage im Rahmen einer Bewertung der erhobenen Beweise im Einzelnen (UA 79 ff.) sowie in einer Gesamtschau (UA 82) zu der möglichen - hier sogar plausiblen - Schlussfolgerung gelangt, die erhobenen Beweise seien mangels nachgewiesener Zueignungsabsicht nicht geeignet, eine Verurteilung der Angeklagten wegen (schweren) Raubes mit Todesfolge zu tragen, hat dies – nicht anders als in gegenteiligen Verurteilungsfällen – als möglicher Schluss des Tatgerichts in der Revisionsinstanz Bestand. Die vom Revisionsgericht nicht mehr hinzunehmende, einen Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten begründende Grenze der Denkfehlerhaftigkeit wird vom Schwurgericht nirgendwo überschritten (zu diesen Maßstäben: BGH, Urteil vom 27. Oktober 2010 - 5 StR 319/10).
25
bb) Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts liegt nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen aber auch eine besonders schwere räuberische Erpressung (mit Todesfolge) nicht vor.
26
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine (besonders schwere) räuberische Erpressung zwar auch derjenige begehen, der das Opfer mit Gewalt dazu zwingt, die Wegnahme einer Sache zu dulden (BGH, Urteil vom 30. August 1973 - 4 StR 410/73, BGHSt 25, 224, 228 mwN), eine Verurteilung wegen Raubes aber daran scheitert, dass die dafür erforderliche Zueignungsabsicht nicht vorliegt bzw. nicht nachweisbar ist (BGH, Urteile vom 5. Juli 1960 - 5 StR 80/60, BGHSt 14, 386, 388, 390 f.; vom 6. August 1991 - 1 StR 430/91, BGHR StGB § 255 Konkurrenzen 2; Beschluss vom 12. Januar 1999 - 4 StR 685/98, NStZ-RR 1999, 103).
27
Eine Verurteilung wegen räuberischer Erpressung erfordert jedoch die Absicht, sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern. Diese Tatbestandsvoraussetzung des § 253 StGB deckt sich inhaltlich mit der beim Betrug vorausgesetzten Bereicherungsabsicht (BGH, Urteile vom 3. Mai 1988 - 1 StR 148/88, NJW 1988, 2623; vom 3. März 1999 - 2 StR 598/99, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 9). Sie setzt nach dem in der höchstrichterlichen Rechtsprechung vertretenen wirtschaftlichen Vermögensbegriff deshalb voraus, dass der erstrebte Vorteil zu einer objektiv günstigeren Gestaltung der Vermögenslage für den Täter oder den Dritten führen soll (BGH, Urteil vom 3. März 1999 - 2 StR 598/99, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 9 mwN; ähnlich: BGH, Urteil vom 4. April 1995 - 1 StR 772/94, NStZ 1996, 39; Beschluss vom 2. Mai 2001 - 2 StR 128/01, NStZ 2001, 534), also eine Erhöhung des wirtschaftlichen Wertes des Vermögens angestrebt wird (BGH, Urteile vom 3. Mai 1988 - 1 StR 148/88, NJW 1988, 2623; vom 3. März 1999 - 2 StR 598/99, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 9 mwN).
28
Als ein solcher Vermögenszuwachs kann auch die Erlangung des Besitzes an einer Sache bewertet werden und zwar selbst bei einem nur vorübergehenden Besitzwechsel (BGH, Urteil vom 5. Juli 1960 - 5 StR 80/60, BGHSt 14, 386, 388 f.). Jedoch ist der bloße Besitz in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur in den Fällen als Vermögensvorteil anerkannt, in denen ihm ein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zukommt (BGH, Urteil vom 17. August 2001 - 2 StR 159/01, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögenswert 2), was regelmäßig lediglich dann zu bejahen ist, wenn mit dem Besitz wirtschaftlich messbare Gebrauchsvorteile verbunden sind, die der Täter oder der Dritte nutzen will (vgl. BGH, Urteil vom 16. August 1995 - 2 StR 303/95, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögenswert 1 mwN; SSW-StGB/Satzger, § 263 Rdn. 98; zum Besitz an einem Kraftfahrzeug: BGH, Urteil vom 5. Juli 1960 - 5 StR 80/60, BGHSt 14, 386, 388 f.; Beschluss vom 24. April 1990 - 5 StR 111/90, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögensschaden 7; Urteil vom 4. April 1995 - 1 StR 772/94, NStZ 1996, 39; Beschluss vom 12. Januar 1999 - 4 StR 685/98, NStZ-RR 1999, 103; ähnlich für den Betrug: BGH, Beschluss vom 27. Mai 2008 - 4 StR 58/08, NStZ 2008, 627).
29
Dagegen genügt - wie beim Raub - nicht, wenn der Täter zwar kurzzeitigen Besitz begründen will, die Sache aber unmittelbar nach der Erlangung vernichtet werden soll (BGH, Beschluss vom 27. Juli 2004 - 3 StR 71/04, NStZ 2005, 155 mwN; Vogel in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 253 Rn. 29; Eser/Bosch in Schönke/Schröder, 28. Aufl., § 253 Rn. 17). Ebenso wenig reicht es aus, wenn der Täter den mit seiner Tat verbundenen Vermögensvorteil nur als notwendige oder mögliche Folge seines ausschließlich auf einen anderen Zweck gerichteten Verhaltens hinnimmt (BGH, Urteil vom 3. Mai 1988 - 1 StR 148/88, NJW 1988, 2623; ähnlich BGH, Beschluss vom 19. August 1987 - 2 StR 394/87, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 1) und allein einen anderen als einen wirtschaftlichen Vorteil erstrebt (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 1971 - 4 StR 397/71).
30
Auf dieser Grundlage fehlt es an einer Bereicherungsabsicht der Angeklagten bzw. des Björn Sch. in Bezug auf die Kutte des Dirk O. und dessen Messer. Denn das Landgericht vermochte - wie oben ausgeführt - nicht auszuschließen, dass der Tatplan von vornherein vorsah, die Kutte zu vernichten und das Messer sofort wegzuwerfen.
31
b) Da die Angeklagten sowie Björn Sch. weder einen Raub noch eine räuberische Erpressung beabsichtigt haben, kommt auch eine Verurteilung wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer gemäß § 316a StGB nicht in Betracht.
32
c) Das Schwurgericht hat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen die Angeklagten zu Recht nicht wegen Täterschaft oder Teilnahme an der vorsätzlichen Tötung des Dirk O. verurteilt.
33
aa) Einen Tötungsvorsatz der Angeklagten hat es rechtsfehlerfrei als nicht erwiesen erachtet.
34
(1) Das Willenselement des bedingten Vorsatzes ist bei Tötungsdelikten nur gegeben, wenn der Täter den von ihm als möglich erkannten Eintritt des Todes billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen damit abfindet. Bewusste Fahrlässigkeit liegt hingegen dann vor, wenn er mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft - nicht nur vage - darauf vertraut, der Tod werde nicht eintreten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2007 - 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 mwN). Dabei genügt für eine vorsätzliche Tatbegehung, dass der Täter den konkreten Erfolgseintritt akzeptiert und er sich innerlich mit ihm abgefunden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 5. März 2008 - 2 StR 50/08, NStZ 2008, 451 mwN), mag er auch seinen Wünschen nicht entsprochen haben (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372, 373; ähnlich zum unerwünschten Erfolg bereits BGH, Urteil vom 22. April 1955 - 5 StR 35/55, BGHSt 7, 363, 369). Hatte der Täter dagegen begründeten Anlass darauf zu vertrauen und vertraute er darauf, es werde nicht zum Erfolgseintritt kommen, kann bedingter Vorsatz nicht angenommen werden (BGH, Beschluss vom 5. März 2008 - 2 StR 50/08, NStZ 2008, 451).
35
Da beide Schuldformen im Grenzbereich eng beieinander liegen, ist bei der Prüfung, ob der Täter vorsätzlich gehandelt hat, eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände geboten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2007 - 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 mwN); sowohl das Wissens - als auch das Willenselement muss grundsätzlich in jedem Einzelfall geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2006 - 2 StR 340/06, NStZ 2007, 150, 151; Beschluss vom 8. Mai 2008 - 3 StR 142/08, NStZ 2009, 91 jeweils mwN). Insbesondere bei der Würdigung des voluntativen Vorsatzelements ist es regelmäßig erforderlich, dass sich der Tatrichter mit der Persönlichkeit des Täters auseinandersetzt und seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung sowie seine Motivation und die zum Tatgeschehen bedeutsamen Umstände - insbesondere die konkrete Angriffsweise - mit in Betracht zieht (BGH, Beschluss vom 1. Juni 2007 - 2 StR 133/07, NStZ-RR 2007, 267; Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 246/09, NStZRR 2009, 372 jeweils mwN). Dabei liegt zwar die Annahme einer Billigung des Todes des Opfers nahe, wenn der Täter sein Vorhaben trotz erkannter Lebensgefährlichkeit durchführt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 18. Oktober 2006 - 2 StR 340/06, NStZ 2007, 150, 151; vom 18. Oktober 2007 - 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 f.; vom 27. August 2009 - 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372 jeweils mwN). Allein aus dem Wissen um den möglichen Erfolgseintritt oder die Gefährlichkeit des Verhaltens kann aber nicht ohne Berücksichtigung etwaiger sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebender Besonderheiten geschlossen werden, dass auch das Willenselement des Vorsatzes gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Mai 2008 - 3 StR 142/08, NStZ 2009, 91 mwN).
36
(2) Den sich hieraus ergebenden Anforderungen wird das landgerichtliche Urteil gerecht. Die Strafkammer hat die rechtlichen Grundlagen für die Ab- grenzung des bedingten Tötungsvorsatzes von bewusster Fahrlässigkeit zutreffend gesehen und beachtet. Ihre Bewertung, Tötungsvorsatz bei den Angeklagten sei nicht erwiesen, weist keinen Rechtsfehler auf.
37
Nach den Feststellungen des Schwurgerichts wussten die Angeklagten, "dass es zur Erlangung der symbolträchtigen Kutte zu einer möglicherweise auch harten körperlichen Auseinandersetzung mit dem gegnerischen Rocker" und "auch zum Einsatz von Waffen und Werkzeugen - wie etwa Schlaghölzern, Reizgas, Schlagstöcken, Motocrosshandschuhen und evtl. auch Messern - kommen könnte". Ihnen war "bewusst …, dass derartige Aktionen … ein hohes, unter Umständen auch tödliches, Gewaltpotential in sich tragen" und ihr Handeln "aufgrund der Art der ggf. einzusetzenden Tatmittel auch den Tod des anzugreifenden Rockers nach sich ziehen könnte". Gleichwohl vermochte sich das Landgericht - rechtsfehlerfrei - nicht davon zu überzeugen, dass das Willenselement des bedingten Tötungsvorsatzes gegeben ist. Denn die Angeklagten vertrauten - wie das Schwurgericht ausführlich belegt - "im Hinblick auf ihre körperliche und auch zahlenmäßige Überlegenheit … darauf, dass ein lebensgefährliches Ausmaß der Gewaltanwendung nicht notwendig sein werde"; auch war ihnen aus unterschiedlichen Gründen ein tödlicher Ausgang unerwünscht.
38
bb) Der Generalbundesanwalt meint auf der Grundlage seiner rechtlichen Bewertung des Tatgeschehens als besonders schwere räuberische Erpressung mit Todesfolge unter Hinweis auf das Urteil des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 18. Dezember 2007 (1 StR 301/07, NStZ 2008, 280, 281 und Walter, NStZ 2008, 548), der Angeklagte A. sei Gehilfe des vorsätzlichen Tötungsdelikts, weil sich "durch das gemeinsame Ausziehen und Ansichnehmen der Kutte des dann zurückgelassenen tödlich Verletzten … sein Vorsatz sukzessive auf die zum Tod führende Gewalthandlung des Mittäters Sch. erstreckt" habe. Der Senat lässt offen, ob dem bei Vorliegen einer räuberischen Erpressung zu folgen wäre. Ein solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben, da weder der Angeklagte A. noch Björn Sch. den Tatbestand des Raubes bzw. der räuberischen Erpressung (mit Todesfolge) verwirklicht haben. Kann bei mehreren nacheinander aktiv werdenden Tätern der Hinzutretende die weitere Tatausführung nicht mehr fördern, weil für die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolges schon alles getan ist und bleibt deshalb sein eigenes Handeln ohne Einfluss auf den späteren Tod des Geschädigten, kommt eine Zurechnung nach den Grundsätzen der (sukzessiven) Mittäterschaft trotz Kenntnis, Billigung und Ausnutzung der durch einen anderen geschaffenen Lage nicht in Betracht (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 - 4 StR 164/09, NStZ 2009, 631, 632). Allein eine nachträgliche Billigung der tödlichen Gewalt kann deshalb jedenfalls im vorliegenden Fall eine strafbare Verantwortlichkeit des Angeklagten A. für die bereits abgeschlossene Tötungshandlung nicht begründen (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 1984 - 4 StR 526/84 mwN). Dies gilt auch für die vom Generalbundesanwalt bejahte Beihilfe zum Mord und bezieht sich in gleicher Weise auf den Angeklagten S. .
39
d) Nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist den Angeklagten auch der zur Querschnittlähmung des Opfers führende (letzte) Messerstich des Björn Sch. nicht zuzurechnen.
40
Eine solche Zurechnung scheidet aus, wenn der unmittelbare Täter dem Opfer den weiteren Stich nicht mehr im Rahmen verabredeter Gewaltanwendung beibrachte, der Dritte die (weitere) Gewaltanwendung weder gebilligt noch zu ihr gefahrerhöhend beigetragen hat und er deren Folgen auch nicht dazu ausnutzen wollte, den Besitz von durch die Tat erlangten Vermögenswerten zu erhalten (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 2009 - 2 StR 259/09, NStZ 2010, 33, 34). So verhält es sich hier. Der Messerstich erfolgte nach der Wegnahme der Kutte, er entsprach nicht dem Tatplan, sondern wurde "ohne weitere Absprache" mit dem Angeklagten A. von Björn Sch. ausgeführt, um (nicht ausschließbar) "ganz sicher zu gehen, dass dieser [also Dirk O. ] versterbe" (UA 63).
41
e) Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts haben sich die Angeklagten auch nicht der Täterschaft oder Teilnahme an einem versuchten vorsätzlichen Tötungsverbrechen durch Unterlassen schuldig gemacht.
42
Denn eine Handlungspflicht des Garanten für das Leben eines anderen entfällt, wenn die gebotenen Rettungsbemühungen sicher erfolglos geblieben wären (BGH, Urteil vom 16. Februar 2000 - 2 StR 582/99, NStZ 2000, 414, 415; Weigend in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 13 Rdn. 63). Das ist nach den von der Strafkammer rechtsfehlerfrei getroffenen und tragfähig begründeten Feststellungen der Fall. Danach ging der Angeklagte A. - der objektiven Lage entsprechend (UA 78 f.) - nach der ersten Messerattacke des Björn Sch. davon aus, "dass der Outlaw durch die Messerstiche bereits tödlich verletzt sei" und selbst "bei sofort herbeigerufener Hilfe sterben" werde. Dasselbe hat das Landgericht bezüglich des Angeklagten S. festgestellt.
43
Da es durch das Sichentfernen der Angeklagten nicht zu einer Steigerung der für Dirk O. bestehenden Gefahr kam, haben sich die Angeklagten auch nicht nach § 221 StGB strafbar gemacht (vgl. SSW-StGB/Momsen, § 221 Rn. 10, 11).
44
f) Nach den getroffenen Feststellungen hat das Schwurgericht die Angeklagten zu Recht auch nicht des (versuchten) gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b StGB schuldig gesprochen.
45
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats erfasst § 315b StGB ein vorschriftswidriges Verkehrsverhalten eines Fahrzeugführers nur dann, wenn dieser das von ihm gesteuerte Kraftfahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig einsetzt, er mithin in der Absicht handelt, den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den Straßenverkehr zu "pervertieren" und er dabei mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz handelt (Beschluss vom 16. März 2010 - 4 StR 82/10 mwN; vgl. auch SSW-StGB/Ernemann, § 315b StGB Rn. 18). Einen solchen, mit dem Eingriff in den Straßenverkehr verbundenen Schädigungsvorsatz vermochte das Landgericht jedoch nicht festzustellen. Es kam vielmehr - rechtsfehlerfrei - zu der Erkenntnis, dass der Angeklagte S. darauf vertraute, dass Dirk O. weder zu Fall kommt, noch auf den Pkw auffährt und dass eine solche Gefahr auch objektiv nicht bestand. Eine versuchte Anstiftung durch den Angeklagten A. (§ 30 Abs. 1, § 315b Abs. 1, 3, § 315 Abs. 3 StGB) liegt nach den getroffenen Feststellungen nicht vor.
46
g) Soweit eine Verurteilung der Angeklagten nach § 323c StGB in Betracht kam (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 2000 - 2 StR 582/99, NStZ 2000, 414, 415; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 323c Rn. 18), hat der Senat das Verfahren in der Hauptverhandlung gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.
47
h) Auch die Rechtsfolgenaussprüche weisen - abgesehen von der den Angeklagten A. betreffenden Entscheidung nach § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 StGB - keinen die Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler auf.
48
aa) Dies gilt auch, soweit der Generalbundesanwalt und die revisionsführende Staatsanwaltschaft beim Angeklagten A. die Prüfung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vermissen.
49
Denn es fehlt nach der vom Senat gemäß Art. 316e Abs. 2 EGStGB, § 354a StPO zu beachtenden, am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Neufassung des § 66 StGB an Vorstrafen, die die dort geforderten Voraussetzungen erfüllen (vgl. BT-Drucks. 17/3403 S. 50). Insbesondere die im Jahr 2005 erfolgte Verurteilung wegen Wohnungseinbruchdiebstahls und anderem ist nicht mehr geeignet, die Anordnung der Sicherungsverwahrung zu begründen.
50
bb) Die Revision der Staatsanwaltschaft führt jedoch zur Abänderung des Maßstabs für die Anrechung der in Portugal beim Angeklagten A. vollzogenen Auslieferungshaft, den das Landgericht mit 2:1 bestimmt hat.
51
Besondere Erschwernisse, die diesen Anrechnungsmaßstab rechtfertigen könnten, hat die Strafkammer - ersichtlich aufgrund des Schweigens des Angeklagten A. zur Person und zur Sache (UA 25) - nicht festgestellt. Im Hinblick darauf, dass in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union - auch in Portugal (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juli 2010 - 5 StR 251/10) - grundsätzlich Anhaltspunkte für eine andere Anrechnung als im Verhältnis 1:1 nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen sind, hat der Senat gemäß § 354 Abs. 1 StPO den Anrechnungsmaßstab selbst entsprechend bestimmt (BGH, Beschlüsse vom 4. Juni 2003 - 5 StR 124/03, BGHR StGB § 51 Abs. 4 Anrechnung 3; vom 4. Juli 2007 - 1 StR 298/07; vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 2005 - 2 BvR 1593/03).

III.


52
Die Revisionen der Angeklagten haben keinen Erfolg.
53
1. Das Rechtsmittel des Angeklagten A. ist unbegründet.
54
a) Seine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
55
Zwar kann einem Mittäter das Handeln eines anderen Mittäters, das über das gemeinsam Gewollte hinausgeht, grundsätzlich nicht zugerechnet werden (BGH, Urteil vom 5. August 2010 - 3 StR 210/10 Rn. 15 mwN). Handelt ein Mittäter aber mit zumindest bedingtem Tötungsvorsatz, ein anderer dagegen nur mit Verletzungsvorsatz, so ist letzterer - wenn er den tödlichen Ausgang für das Opfer vorhersehen konnte - zwar nicht wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts , aber wegen Körperverletzung mit Todesfolge strafbar (BGH, Urteil vom 19. August 2004 - 5 StR 218/04, NStZ 2005, 93 m. Anm. Heinrich). Wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung kann für deren Todesfolge, die ein anderer unmittelbar herbeigeführt hat, mithin auch derjenige bestraft werden, der die Verletzung nicht mit eigener Hand ausgeführt, jedoch aufgrund eines gemeinschaftlichen Tatentschlusses mit dem Willen zur Tatherrschaft zum Verletzungserfolg beigetragen hat, sofern die Handlung des anderen im Rahmen des beiderseitigen ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnisses lag und dem Täter hinsichtlich des Erfolges Fahrlässigkeit zur Last fällt (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 - 4 StR 164/09, NStZ 2009, 631, 632). Dies gilt jedenfalls dann, wenn bei dem Mittäter das Wissenselement des Tötungsvorsatzes vorlag und dieser allein deshalb fehlte, weil es am Willenselement mangelte (vgl. auch BGH, Urteile vom 15. September 2004 - 2 StR 242/04, NStZ 2005, 261, 262; vom 5. August 2010 - 3 StR 210/10 mwN).
56
So verhält es sich hier. Beide Angeklagten rechneten - wie ausgeführt - mit Körperverletzungen unter Einsatz von Waffen und Werkzeugen, auch eines Messers, und billigten diese. Ihnen war ferner bewusst, dass "die Aktion aufgrund der Art der ggf. einzusetzenden Tatmittel auch den Tod des anzugreifenden Rockers nach sich ziehen könnte". Die damit gegebene Vorhersehbarkeit des Todes von Dirk O. reicht für die Erfüllung der subjektiven Fahrlässigkeitskomponente des § 227 StGB aus; einer Voraussehbarkeit aller Einzelheiten des zum Tode führenden Geschehensablaufs bedarf es nicht (BGH, Urteil vom 10. Juni 2009 - 2 StR 103/09, NStZ-RR 2009, 309, 310 mwN).
57
b) Auch die Verurteilung des Angeklagten A. wegen mit der Körperverletzung mit Todesfolge und der Nötigung in Tateinheit stehenden Beteiligung an einer Schlägerei begegnet keinen Bedenken. Sie entspricht sowohl hinsichtlich der Bejahung des Tatbestandes des § 231 StGB als auch bezüglich der Konkurrenzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2008 - 3 StR 236/08; Urteil vom 10. Juni 2009 - 2 StR 103/09, NStZ-RR 2009, 309, 310 mwN)
58
c) Entsprechendes gilt für den Schuldspruch wegen Nötigung. Diese wird hinsichtlich des Ausbremsens vom Verteidiger des Angeklagten A. nicht in Frage gestellt. Sie liegt aber auch hinsichtlich der Wegnahme der Kutte vor, bezüglich derer der Einsatz des Messers von Anfang an vom Vorsatz des Angeklagten A. umfasst war (vgl. auch UA 79).
59
d) Die Strafzumessung weist ebenfalls keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Dies gilt insbesondere für die Bewertung des Schwurgerichts, bei der vom Angeklagten A. begangenen Nötigung handle es sich um einen (unbenannten) besonders schweren Fall im Sinne des § 240 Abs. 4 Satz 1 StGB. Sie wird vom Tatgericht zutreffend auf das "besonders grobe" Missverhältnis zwischen Mittel und Zweck gestützt.
60
e) Auch der Maßregelausspruch hält der Überprüfung stand. Zwar war der Angeklagte A. "nur" Beifahrer in dem vom Angeklagten S. gesteuerten Pkw. Indes hat der Angeklagte A. an der ihm zu Recht angelasteten Nötigung des Dirk O. durch das Ausbremsen nicht nur dadurch mitgewirkt, dass er den Angeklagten S. hierzu "verbal gedrängt" hat, sondern auch dadurch, dass er die "Weisung" für den Beginn des Überholmanövers gab. Dies rechtfertigt die Maßregel nach §§ 69, 69a StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2004 - 4 StR 585/03, NStZ 2004, 617; Tepperwien in Festschrift Nehm, 2006, S. 427, 430).
61
2. Die Revision des Angeklagten S. ist ebenfalls unbegründet.
62
a) Die Verurteilung wegen Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge und zur Beteiligung an einer Schlägerei sowie wegen Nötigung ist nicht zu beanstanden. Rechtsfehlerfrei ist - wie ausgeführt - auch die Annahme von Tateinheit zwischen diesen Straftatbeständen.
63
b) Der Strafausspruch hält im Ergebnis ebenfalls der Überprüfung stand.
64
Zwar hat es das Schwurgericht unterlassen, beim Angeklagten S. trotz Vorliegens zweier vertypter Milderungsgründe (§ 27 Abs. 2, § 46b StGB) zu prüfen, ob ein minder schwerer Fall der Körperverletzung mit Todesfolge vorliegt. Der Senat schließt aufgrund der Besonderheiten des Falles jedoch aus, dass der Strafausspruch hierauf beruht. Denn es lag im Hinblick auf die vom Landgericht zutreffend dargelegten Strafschärfungsgründe (u.a. Bewährungsversagen ) fern, einen minder schweren Fall gemäß § 227 Abs. 2 StGB ohne "Verbrauch" mindestens eines der vertypten Milderungsgründe anzunehmen. Wäre aber der Strafrahmen des § 227 Abs. 2 StGB einmal nach § 49 Abs. 1 StGB gemindert worden, so wäre - bei nur geringfügig niedrigerer Strafrahmenobergrenze - die Strafrahmenuntergrenze höher gewesen als nach der vom Schwurgericht vorgenommenen doppelten Minderung des Strafrahmens des § 227 Abs. 1 StGB.
65
Die Annahme eines besonders schweren Falls der Nötigung begegnet beim Angeklagten S. auch angesichts der nur eingeschränkten Überprüfbarkeit dieser Bewertung in der Revision (vgl. Fischer aaO § 46 Rn. 85 mwN) keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

IV.


66
Das nur geringfügige Obsiegen der Staatsanwaltschaft rechtfertigt keine Kostenteilung. Da mithin sowohl die Revisionen der Staatsanwaltschaft als auch die der Nebenkläger erfolglos geblieben bzw. entsprechend zu behandeln sind, haben die Nebenkläger außer der Revisionsgebühr auch die Hälfte der gerichtlichen Auslagen zu tragen. Die durch diese Revisionen verursachten notwendigen Auslagen des Angeklagten hat allein die Staatskasse zu tragen (§ 473 Abs. 2 Satz 1 StPO); eine Auferlegung der notwendigen Auslagen des Angeklagten auf den Nebenkläger erfolgt nur dann, wenn dieser allein erfolglos Revision eingelegt hat, nicht dagegen, wenn auch die Staatsanwaltschaft Rechtsmittelführe- rin ist (§ 473 Abs. 1 Satz 3 StPO; vgl. aber BGH, Urteil vom 9. Dezember 2010 - 5 StR 405/10). Die Kosten- und Auslagenentscheidung hinsichtlich der Revisionen der Angeklagten beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO. Zwar sind auch die Revision der Nebenkläger erfolglos geblieben, dies rechtfertigt es jedoch nicht, von einer Auslagenerstattung zu ihren Gunsten abzusehen (§ 473 Abs. 1 Satz 2 StPO; zum Ganzen: BGH, Urteil vom 30. November 2005 - 2 StR 402/05).
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer