Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Nov. 2011 - 3 StR 378/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte des gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in zwölf Fällen schuldig ist,
b) aufgehoben im gesamten Strafausspruch und im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz; die jeweiligen Feststellungen werden jedoch aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Einschleusens von Ausländern" in zwölf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 39.000 € angeordnet. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
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- 1. Der Senat fasst den Schuldspruch neu, wie aus der Beschlussformel ersichtlich. Das gewerbsmäßige Einschleusen von Ausländern (§ 96 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG) ist ein Qualifikationstatbestand und als solcher im Schuldspruch kenntlich zu machen (BGH, Beschluss vom 6. Juli 2007 - 2 StR 207/07, Rn. 10; vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 260 Rn. 25a).
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- 2. Der Strafausspruch hat insgesamt keinen Bestand.
- 4
- a) Das Landgericht hat bei der konkreten Strafzumessung in allen Fällen die "gesamten persönlichen Verhältnisse" des Angeklagten, so seine "Lebensgeschichte , Familienverhältnisse und gesundheitlichen Beeinträchtigungen", nicht "schuldmindernd" berücksichtigt, da "insbesondere" weder eine "wirtschaftliche Notlage noch psychische Defekte" des Angeklagten "tatmitursächlich" gewesen seien. Es hat lediglich "strafmindernd" eine "erhöhte Strafvollzugsempfindlichkeit" in Rechnung gestellt. Zu seinen Lasten hat es gewertet, dass er "ein beträchtliches Gewinnstreben gezeigt" habe.
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- b) Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
- 6
- aa) Eine an den anerkannten Strafzwecken ausgerichtete Strafzumessung ist jedenfalls bei Straftaten von einigem Gewicht ohne Würdigung der persönlichen Verhältnisse des Täters in der Regel nicht möglich. Es bedeutet daher einen Sachmangel, wenn der Tatrichter bei der Strafzumessung die persönlichen Verhältnisse des Täters außer Acht lässt (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1990 - 3 StR 289/90, BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 1 Strafzumessung 10 mwN). Sie sind unabhängig von ihren Auswirkungen auf die Tatbegehung bei der Beurteilung der Frage heranzuziehen, welche Wirkungen die Strafe voraussichtlich haben wird (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 46 Rn. 42). Entsprechend ist es rechtsfehlerhaft, wenn der Tatrichter sie mangels Mitursächlichkeit für die Tatverwirklichung bei der Strafzumessung ausklammert. Der pauschale Verweis auf eine strafmildernde Berücksichtigung einer erhöhten Strafvollzugsempfindlichkeit gleicht diesen Mangel nicht aus.
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- bb) Das Streben nach wirtschaftlichen Vorteilen gehört zur Tatbestandsverwirklichung des gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern. Die strafschärfende Verwertung dieses Umstandes verstößt daher gegen das Verbot der Doppelverwertung von Tatbestandsmerkmalen (§ 46 Abs. 3 StGB). Dass das Gewinnstreben des Angeklagten das bereits tatbestandlich erforderliche Maß deutlich überstieg, daher in besonderer Weise verwerflich war und ausnahmsweise zum Nachteil des Angeklagten gewertet werden konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 24. September 2009 - 3 StR 294/09, NStZ-RR 2010, 24, 25 mwN), ist nicht belegt.
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- c) Der Senat vermag nicht sicher auszuschließen, dass das Landgericht ohne die rechtsfehlerhaften Erwägungen auf niedrigere Einzelstrafen und eine mildere Gesamtstrafe erkannt hätte, und hebt daher den gesamten Strafausspruch auf.
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- 3. Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 39.000 € unterliegt ebenfalls der Aufhebung, da das Landgericht die Ermessensvorschrift des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB nicht erörtert hat, obwohl dazu Anlass bestanden hätte.
- 10
- Der Angeklagte ist nach den getroffenen Feststellungen seit Ende 2006 arbeitslos und lebt von Sozialleistungen und Einkünften aus gelegentlichen Nebenbeschäftigungen. Seine zweite Ehefrau, die mit ihm und einem gemeinsamen Kind zusammenlebt, verdient 160 € monatlich. Es liegt daher nicht fern, dass der Angeklagte die für die Taten erlangten Beträge zumindest teilweise verbraucht hat. Das Landgericht hätte deshalb Veranlassung zu der Prüfung gehabt, ob der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden war und sie deshalb ganz oder teilweise zu unterbleiben hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2008 - 3 StR 136/08, StV 2008, 576, 577).
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- 4. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen sind von den Gesetzesverletzungen nicht betroffen und können daher bestehen bleiben. Neue Feststellungen dürfen ihnen nicht widersprechen. Becker Pfister Hubert Mayer Menges
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung
- 1.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a zu begehen und - a)
dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt oder - b)
wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt oder
- 2.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b oder Nr. 2 zu begehen und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt.
(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1
- 1.
gewerbsmäßig handelt, - 2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt, - 3.
eine Schusswaffe bei sich führt, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, - 4.
eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, oder - 5.
den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn
- 1.
sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlungen entsprechen und - 2.
der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.
(5) § 74a des Strafgesetzbuchs ist anzuwenden.
(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.
(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.
(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.
(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.
(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.
(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.