Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Nov. 2011 - 3 StR 358/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hatte den Angeklagten durch Urteil vom 21. Oktober 2010 wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Der Senat hatte dieses Urteil mit Beschluss vom 1. März 2011 auf die Revision des Angeklagten im Strafausspruch aufgehoben, die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten , die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen und das weitergehende Rechtsmittel verworfen.
- 2
- Das Landgericht hat den Angeklagten nunmehr zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Dessen auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision hat erneut Erfolg.
- 3
- 1. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt : "Das angegriffene Urteil ist insoweit rechtsfehlerhaft, als es sich nicht zu den Auswirkungen eines nach der ersten tatgerichtlichen Entscheidung, am 15. November 2010, ergangenen rechtskräftigen Strafbefehls (Geldstrafe von 20 Tagessätzen á 10,-- € wegen Betruges - UA S. 8) verhält. Bei dem Strafbefehl handelt es sich im Verhältnis zu dem vorliegend angegriffenen Urteil um eine frühere Verurteilung im Sinne des § 55 Abs. 1 StGB. Eine Gesamtstrafenfähigkeit ist grundsätzlich gegeben , da die vorliegend abzuurteilende Tat vor dieser früheren Verurteilung begangen wurde. Ob die Strafe aus der früheren Verurteilung bereits erledigt ist, teilt die Strafkammer nicht mit. Das Revisionsgericht kann daher nicht beurteilen, ob eine nachträgliche Gesamtstrafe zu bilden oder - im Falle der Erledigung der Strafe aus der früheren Verurteilung - ein Härteausgleich vorzunehmen gewesen (vgl. Fischer StGB 58. Aufl. § 55 Rdnr. 21 mwN) wäre."
- 4
- Dem stimmt der Senat zu.
- 5
- 2. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt - worauf der Generalbundesanwalt ebenfalls zu Recht hingewiesen hat - zur nochmaligen Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht (§ 354 Abs. 2 StPO). Die neu zu treffende Entscheidung über den Strafausspruch konnte nicht gemäß § 354 Abs. 1b StPO dem Beschlussverfahren nach §§ 460, 462 StPO überlassen werden. Voraussetzung hierfür ist, dass es im weiteren Verfahren ausschließlich um die Bildung einer erstmals festzusetzenden oder neu zu bestimmenden Gesamtstrafe geht, mithin die Voraussetzungen einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB an sich vorliegen (KK- Kuckein, 6. Aufl., § 354 Rn. 26i; KK-Appl, 6. Aufl., § 460 Rn. 4). Dies ist aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht abschließend zu beurteilen; denn die Urteilsgründe verhalten sich nicht dazu, ob die Geldstrafe aus dem Strafbefehl vom 15. November 2010 bereits vollständig vollstreckt wurde. In diesem Fall wäre keine nachträgliche Gesamtstrafe zu bilden, sondern ein Härteausgleich vorzunehmen. Diese Entscheidung fällt nicht in den Regelungsbereich der §§ 460 ff. StPO; sie ist vielmehr dem Tatgericht nach Durchführung einer Hauptverhandlung vorbehalten.
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- 3. Die auf die allgemeine Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils hat im Übrigen keinen durchgreifenden Rechtsfehler ergeben. Das Landgericht hat sich allerdings rechtsfehlerhaft lediglich an die Feststellungen zur Sache aus dem ersten tatgerichtlichen Urteil gebunden gesehen und zu den persönlichen Verhältnissen sowie der Schuldfähigkeit des Angeklagten insgesamt auf einer neuen Beweisaufnahme beruhende Feststellungen getroffen. Der Senat hatte jedoch trotz Aufhebung des Strafausspruchs die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten; auch sie waren deshalb für die neu zur Verhandlung und Entscheidung berufene Strafkammer bindend. Der Angeklagte ist durch diesen Rechtsfehler indessen nicht beschwert; denn das Landgericht hat keine neuen ihm nachteiligen Feststellungen getroffen, die denjenigen des Ersturteils widersprechen.
- 7
- 4. Der Senat hält die Feststellungen erneut aufrecht, da sie durch den zur Aufhebung und Zurückverweisung führenden Rechtsfehler im Zusammenhang mit der Anwendung des § 55 StGB nicht betroffen werden. Er weist - ebenfalls erneut - darauf hin, dass dem neuen Tatgericht deshalb lediglich ergänzende Feststellungen - etwa zu der Vollstreckung der Geldstrafe aus dem Strafbefehl vom 15. November 2010 - erlaubt sind, die den bisherigen nicht widersprechen dürfen.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.
(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).
(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.
(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.
(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.