Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Aug. 2019 - 3 StR 325/19

bei uns veröffentlicht am21.08.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 325/19
vom
21. August 2019
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2019:210819B3STR325.19.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 21. August 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 8. April 2019 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und die Vollstreckung dieser Maßnahme zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision des Beschuldigten erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts beging der Beschuldigte im Zeitraum vom 20. August 2017 bis zum 1. September 2017 fünf - teils versuch- te, teils gefährliche, teils in Tateinheit mit Begleitdelikten (§ 114 Abs. 1, § 241 StGB) stehende - Körperverletzungen.
3
Zur Schuldfähigkeit des Beschuldigten hat das Landgericht ausgeführt, dass er an einem akuten Schub einer manischen Episode mit psychotischen Symptomen als Ausprägung einer bipolaren affektiven Störung gelitten habe. Zu den jeweiligen Tatzeitpunkten sei seine Einsichtsfähigkeit krankheitsbedingt nicht ausschließbar aufgehoben, jedenfalls aber erheblich vermindert gewesen.

II.


4
1. Die Anordnung der Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Denn das Landgericht hat zum subjektiven Tatgeschehen keine hinreichenden Feststellungen getroffen und damit die Voraussetzungen der §§ 20, 21, 63 StGB nicht belegt.
5
Dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen folgend hat die Strafkammer angenommen, dass die manische Episode als Ausprägung der bipolaren Störung ursächlich für die Tatbegehungen gewesen sei. Aufgrund der psychotisch bedingten Krankheitssymptome sei die Fähigkeit des Beschuldigten , das Unrecht seiner Taten einzusehen, sicher erheblich vermindert und nicht ausschließbar aufgehoben gewesen. Er habe die Taten deshalb "im Zustand der erheblich verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangen" (UA S. 12).
6
2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine verminderte Einsichtsfähigkeit strafrechtlich jedoch erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Unrechtseinsicht zur Folge hat. Ein Täter, der trotz verminderter Einsichtsfähigkeit im konkreten Fall die Einsicht in das Unrecht der Tat besitzt, ist, sofern nicht seine Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt ist, voll schuldfähig. Die Feststellung einer verminderten Einsichtsfähigkeit allein kann deshalb eine Unterbringung nach § 63 StGB nicht rechtfertigen. Nimmt das Tatgericht eine erheblich verminderte Einsichtsfähigkeit des Täters an, so muss es darüber befinden, ob diese das Fehlen der Unrechtseinsicht bei der Tat zur Folge hatte oder nicht (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 25. Juli 2012 - 1 StR 332/12, juris; vom 20. November 2012 - 1 StR 504/12, NJW 2013, 246 f.; vom 30. Juni 2015 - 3 StR 181/15, NStZ-RR 2015, 273 f.; vom 9. Januar 2019 - 5 StR 466/18, juris, jeweils mwN).
7
Vorliegend lässt sich den Urteilsgründen jedoch nicht einmal sicher entnehmen , dass die durch den Sachverständigen diagnostizierte psychische Erkrankung bei der Tat überhaupt relevante Auswirkungen auf die Unrechtseinsicht des Beschuldigten besaß. Feststellungen zu seinen inneren Vorgängen hat das Tatgericht nicht getroffen. Der Beschuldigte hat sich bezüglich der Mehrzahl der Taten dahin eingelassen, dass er sich nicht mehr erinnere. Den ersten Fall hat er eingeräumt und ausgeführt, er wisse nicht, warum er dies getan habe. Damit ist ein subjektives Geschehen, innerhalb dessen der Beschuldigte sein Verhalten wahnhaft als erlaubt oder gerechtfertigt einstufte und deshalb ohne Unrechtseinsicht handelte, nicht belegt. Der Umstand, dass der Sachverständige sich das irrationale Verhalten des Beschuldigten bei seinen Taten nicht anders als mit einer psychotischen Realitätsverzerrung hat erklären können (UA S. 10), reicht in diesem Zusammenhang als Beleg nicht aus.
8
Im Übrigen legen die vom Landgericht festgestellten unvermittelten Gewaltausbrüche des Beschuldigten (auch) die Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit nahe. Mit der Frage einer Verminderung oder Aufhebung der Steue- rungsfähigkeit hat sich die Strafkammer aber nicht befasst. Eine eigenständige Beurteilung ist dem Revisionsgericht insoweit verwehrt.
9
3. Die Sache bedarf deshalb neuer Verhandlung und Entscheidung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines anderen psychiatrischen Sachverständigen. Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können deshalb bestehen bleiben. Neue Feststellungen sind möglich, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.
VRiBGH Dr. Schäfer ist Gericke Wimmer wegen Urlaubs gehindert zu unterschreiben. Gericke Hoch Erbguth

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


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Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Strafgesetzbuch - StGB | § 241 Bedrohung


(1) Wer einen Menschen mit der Begehung einer gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutend

Strafgesetzbuch - StGB | § 114 Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte


(1) Wer einen Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei einer Diensthandlung tätlich angreift, wird mit Freiheitsstrafe von drei Mo

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer einen Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei einer Diensthandlung tätlich angreift, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) § 113 Absatz 2 gilt entsprechend.

(3) § 113 Absatz 3 und 4 gilt entsprechend, wenn die Diensthandlung eine Vollstreckungshandlung im Sinne des § 113 Absatz 1 ist.

(1) Wer einen Menschen mit der Begehung einer gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Ebenso wird bestraft, wer wider besseres Wissen einem Menschen vortäuscht, daß die Verwirklichung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bevorstehe.

(4) Wird die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen, ist in den Fällen des Absatzes 1 auf Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder auf Geldstrafe und in den Fällen der Absätze 2 und 3 auf Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder auf Geldstrafe zu erkennen.

(5) Die für die angedrohte Tat geltenden Vorschriften über den Strafantrag sind entsprechend anzuwenden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 332/12
vom
25. Juli 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Juli 2012 beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21. Februar 2012 in der Entscheidungsformel dahin ergänzt, dass der Angeklagte freigesprochen wird (§ 349 Abs. 4 StPO). Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: 1. Das Landgericht hat die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet (§ 63 StGB). Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Allerdings erwecken die dieser Anordnung zugrunde liegenden Ausführungen in den Urteilsgründen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten den Eindruck , dass das Landgericht die Auffassung vertritt, bereits mit der Feststellung einer erheblichen verminderten Einsichtsfähigkeit seien die Voraussetzungen des § 21 StGB erfüllt und damit auch die Grundlage für die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB gegeben. Dies ist indes nicht der Fall. Eine verminderte Einsichtsfähigkeit ist strafrechtlich erst dann von Bedeutung , wenn sie das Fehlen der Einsicht zur Folge hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2007 - 4 StR 64/07; BGH, Beschluss vom 12. Juli 2006 - 5 StR 215/06; BGH, Beschluss vom 22. November 2006 - 2 StR 430/06). Der Täter, der trotz erheblich verminderter Einsichtsfähigkeit im konkreten Fall die Einsicht in das Unrecht seiner Tat gehabt hat, ist - sofern nicht seine Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war - voll schuldfähig. In einem solchen Fall ist auch die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht zulässig (BGHSt 21, 27, 28; 34, 22, 26 f.).
Hier lässt sich den Urteilsgründen in ihrer Gesamtheit hinreichend deutlich entnehmen, dass dem Angeklagten bei der Tatbegehung die Unrechtseinsicht vollständig gefehlt hat. Das Landgericht hat nämlich ausdrücklich festgestellt , dass der Angeklagte aufgrund seiner chronifizierten paranoiden Schizophrenie die von Verfolgungswahn geprägte, irrige Überzeugung gewonnen hatte, der Zeuge S. wolle ihn mit dem Blumenstrauß angreifen (UA S. 7). Er hielt deshalb sein eigenes Verhalten für „zulässiges Not- wehrverhalten“ (UA S. 11). Das Landgericht ist demnach im Ergebnis- trag- fähig - davon ausgegangen, dass der Angeklagte aufgrund seines Zustands bei der Tatbegehung keine Einsicht in das Unrecht seines Handelns gehabt hat.
2. Wegen des Zustands des Angeklagten bei der Tatbegehung hat sich das Landgericht auch gehindert gesehen, den Angeklagten wegen der zwei ihm zur Last liegenden Taten der gefährlichen Körperverletzung, jeweils in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, zu verurteilen. Bei dieser Sachlage, zumal die Feststellungen die Aufhebung der Unrechtseinsicht und damit die Schuldunfähigkeit bei Tatbegehung sicher belegen (s.o.), hätte das Landgericht den Angeklagten in der Urteilsformel vom Anklagevorwurf ausdrücklich freisprechen müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juni 2002 - 3 StR 158/02). Da das Landgericht dies unterlassen hat, ergänzt der Senat die Urteilsformel entsprechend.
Der lediglich in der Ergänzung der Urteilsformel liegende Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten teilweise von Gebühren oder Auslagen des Rechtsmittels freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Nack Rothfuß Hebenstreit Jäger Cirener

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 1 8 1 / 1 5
vom
30. Juni 2015
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 30. Juni 2015 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Verden vom 25. Februar 2015 aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zu den Taten Ziffer III. der Urteilsgründe aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) angeordnet. Die auf die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision des Beschuldigten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Die Feststellungen des Landgerichts zu den Taten des Beschuldigten beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.
3
2. Die Anordnung der Unterbringung muss aufgehoben werden, da das Landgericht die Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht rechtsfehlerfrei entschieden hat.
4
a) Nach den Darlegungen des Landgerichts war die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten bei den Taten III. 1. c) aa) und bb), III. 1 b) bb), III. 3. b) aa) der Urteilsgründe (Nr. 1 bis 4, 7 der Antragsschrift) aufgrund seiner paranoiden Schizophrenie höchstwahrscheinlich ausgeschlossen, sicher aber erheblich beeinträchtigt, die Steuerungsfähigkeit hingegen vollständig erhalten geblieben.
5
Damit ist die gesetzliche Voraussetzung (vgl. § 63 StGB), dass der Beschuldigte diese fünf Taten im Zustand sicher festgestellter zumindest eingeschränkter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB begangen hat, nicht belegt. Nimmt der Tatrichter eine erheblich verminderte Einsichtsfähigkeit des Täters an, so muss er darüber befinden, ob diese sodann zum Fehlen der Unrechtseinsicht geführt oder ob der Täter gleichwohl das Unrecht der Tat eingesehen hat (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 13. November 1990 - 1 StR 514/90, BGHR StGB § 20 Einsichtsfähigkeit 3; vom 25. Januar 1995 - 3 StR 535/94, BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 6; Beschluss vom 5. August 2014 - 3 StR 271/14, juris Rn. 7). Hat ihm die Einsicht gefehlt, so ist weiter zu prüfen, ob ihm dies zum Vorwurf gemacht werden kann. Ist ihm das Fehlen nicht vorwerfbar, so ist auch bei nur verminderter Einsichtsfähigkeit nicht § 21 StGB, sondern § 20 StGB anwendbar. Nur wenn dem Täter die Einsicht gefehlt hat, dies ihm aber zum Vorwurf gemacht werden kann, lägen die Voraussetzungen des § 21 StGB in den Fällen verminderter Einsichtsfähigkeit vor. Hat dagegen der Angeklagte ungeachtet seiner erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit das Unrecht seines Tuns zum Tatzeitpunkt tatsächlich eingesehen, so ist seine Schuld nicht gemindert und § 21 StGB im Hinblick auf die verminderte Einsichtsfähigkeit nicht anwendbar (BGH, Beschluss vom 30. September 2014 - 3 StR 261/14, juris Rn. 3).
6
b) Gleiches gilt im Ergebnis für die übrigen drei Taten, bei denen das Landgericht neben der erheblichen Verminderung der Einsichtsfähigkeit auch eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten festgestellt hat. Die Anwendung des § 21 StGB kann nicht auf beide Alternativen - erheblich verminderte Einsichts- und Steuerungsfähigkeit - zugleich gestützt werden. Wie dargelegt ist eine verminderte Einsichtsfähigkeit strafrechtlich erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Einsicht zur Folge hat, während die Schuld des Angeklagten nicht gemindert wird, wenn er ungeachtet seiner erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit das Unrecht seines Tuns zum Tatzeitpunkt tatsächlich eingesehen hat. Im Gegensatz dazu führt erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit ohne Weiteres zur Anwendung des § 21 StGB. Wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen hat der Tatrichter sich deshalb Klarheit darüber zu verschaffen, welche Alternative des § 21 StGB vorliegt (BGH, Urteil vom 25. Januar 1995 - 3 StR 535/94, BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 6 mwN). Ein Fall, in dem das Revisionsgericht ausnahmsweise aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe sicher entnehmen kann, dass das Landgericht von erhalten gebliebener Einsicht des Beschuldigten in das Tatunrecht ausgegangen ist, liegt nicht vor.
7
c) Über die psychische Befindlichkeit des Beschuldigten bei den Taten, deren Einfluss auf die Schuldfähigkeit und ggf. über die weiteren Voraussetzungen der Unterbringung nach § 63 StGB muss deshalb erneut befunden werden.
8
3. Für das weitere Verfahren sieht der Senat Anlass zu folgenden Bemerkungen :
9
a) Sollte die erneute Überprüfung ergeben, dass eine verminderte Schuldfähigkeit bei einzelnen oder allen Taten nicht allein auf einer Schizophrenie des Beschuldigten beruht, sondern auf dessen Alkoholabhängigkeit und Polytoxikomanie, so wäre auf die in solchen Fällen geltenden besonderen Voraussetzungen der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2009 - 3 StR 376/09, NStZ-RR 2010, 42) Bedacht zu nehmen. Den bisherigen Wertungen zur Schuldfähigkeit bei den Taten 5, 6 und 8 der Antragsschrift (UA S. 42 f.) lässt sich allerdings entnehmen , dass die Annahme eingeschränkter Schuldfähigkeit bereits allein auf die Psychose gestützt werden sollte und der Alkoholisierung lediglich noch eine verstärkende Wirkung zugemessen wurde.
10
b) Die Taten III. 1. b) bb) sowie III. 2. a) aa) der Urteilsgründe (Nr. 3, 4 und 5 der Antragsschrift) scheiden entgegen der Auffassung im angefochtenen Urteil nicht deshalb als Anlasstaten für eine Unterbringung aus, weil der Beschuldigte krankheitsbedingt den subjektiven Tatbestand nicht erfüllt hat. Es berührt den natürlichen Tatvorsatz nicht, wenn der Täter infolge seines Zustands Tatsachen verkennt, die jeder geistig Gesunde richtig erkannt hätte (BGH, Beschluss vom 24. Juni 2008 - 3 StR 222/08, NStZ-RR 2008, 334; Beschluss vom 18. Juni 2014 - 5 StR 189/14, juris mwN). Diese Taten können deshalb grundsätzlich zum Anlass für eine neuerliche Unterbringung gemacht werden (vgl. § 358 Abs. 2 Satz 3 StPO).
Becker Pfister Mayer Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 466/18
vom
9. Januar 2019
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2019:090119U5STR466.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Januar 2019, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer,
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Berger, Prof. Dr. Mosbacher
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof S. , Staatsanwältin als Gruppenleiterin K.
als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 14. Mai 2018 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt. Das hiergegen gerichtete Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der seit mindestens 2011 an einer paranoiden Psychose leidende Beschuldigte im September 2017 nach einem misslungenen Selbsttötungsversuch für die Dauer von zwei Wochen gemäß § 12 HmbPsychKG in einer geschlossenen Station für psychisch Kranke in H. untergebracht.
3
a) Fünf Tage nach seiner Aufnahme trank er ca. eine Flasche Korn, die von einem Mitpatienten eingeschmuggelt worden war. Er geriet in Streit mit einer Mitpatientin. Als eine Pflegerin schlichtend eingriff und den Beschuldigten aufforderte, auf sein Zimmer zu gehen, stritt er sich mit dieser, sagte: „Ich stech‘ dich ab“, lachte sie aus und kündigte an, ihr ins Gesicht zu spucken. Eine weite- re Pflegerin kam dazu, um beide voneinander zu trennen. Dabei entwickelte sich ein Gerangel. Der Beschuldigte ging schließlich hinter der einen Pflegerin her. Als diese sich zu ihm umdrehte, spuckte er ihr ins Gesicht und schlug ihr zunächst mit der flachen Hand, dann mit der Faust ins Gesicht. Länger anhaltende Schmerzen erlitt sie hierdurch nicht.
4
Wegen des Übergriffs wurde die Fixierung des Beschuldigten angeordnet. Ihm gelang es, zuvor aus seinem Zimmer ein Einhandmesser mit einer ca. zehn Zentimeter langen Klinge sowie eine Dose mit Reizgas zu nehmen und in seinen Hosenbund zu stecken. Nach dem Fixieren von Händen und Füßen äußerte er, er werde die zuvor verletzte Pflegerin und eine anwesende weitere Pflegerin abstechen. Er befreite seine linke Hand aus der Fixierung, ergriff sein Messer, schnitt die Fixiergurte für die rechte Hand und die Füße auf und wollte die Station verlassen. Dabei hielt er das Messer und das Reizgasspray sichtbar in den Händen. Einen Pfleger forderte er auf, die Tür zu öffnen, was dieser aus Angst vor einer Eskalation tat.
5
b) Von herbeigerufenen Polizeibeamten wurde der Beschuldigte in einem nahegelegenen Wohngebiet angetroffen. Er stand mittig auf der Fahrbahn und hielt Messer und Spray weiterhin in der Hand. Als er der Polizisten gewahr wur- de, die „Stehen bleiben, Polizei“ gerufen hatten, betätigte er einmal das Pfeffer- spray in Richtung von zwei Beamtinnen. Diese mussten zu seiner Verfolgung durch den Sprühnebel laufen, wodurch eine von ihnen einen eineinhalb Stun- den andauernden Hustenanfall erlitt. Der Beschuldigte sprühte ein zweites Mal in Richtung der anderen Polizistin, die hierdurch Schmerzen in den Augen verspürte , ließ dann Messer und Spray fallen und sich festnehmen. Er wurde zurück auf seine Station gebracht und dort erneut fixiert. Auf ihn wirkte im Tatzeitpunkt eine Blutalkoholkonzentration von etwa 2,6 g/l ein.
6
c) Nach diesem Vorfall blieb der Beschuldigte weiterhin in der Klinik in einer geschlossenen Station. Nach ca. zwei Monaten Aufenthalt erhielt er erstmals Ausgang in den Hof der Klinik. Dort konsumierte er Alkohol, den er auf die Station geschmuggelt hatte. Absprachewidrig begab er sich in einen nahegelegenen Supermarkt, kaufte dort ein Küchenmesser mit ca. zehn Zentimeter langer Klinge und wollte mit einem vor dem Krankenhaus haltenden Taxi zu einer Bank fahren. Ein hinzugekommener Pfleger überredete ihn, wieder zurück ins Krankenhaus zu gehen. Als sie dieses erreichten, zog der Beschuldigte das noch verpackte Messer aus seiner Jacke und öffnete die Verpackung, wobei er sich an der Hand verletzte. Er hielt die Klinge nun in Richtung des Pflegers und eines Wachmanns und sagte: „Bleibt alle weg!“ Damit wolle er sie daran hindern , seine Flucht zu unterbinden. Als er wieder Richtung Parkplatz ging, redete der Pfleger auf ihn ein, was ihn schließlich dazu veranlasste, das Messer wegzuwerfen. Die Blutalkoholkonzentration betrug dabei 1,5 Promille.
7
2. Das Landgericht hat angenommen, die drei festgestellten Taten seien „im Zustand der verminderten Schuldfähigkeit nach § 21 StGB“ begangen wor- den. Der Beschuldigte leide seit mindestens 2011 an einer paranoiden Psychose , die auch Grund für seine Alkoholabhängigkeit sei. In allen drei Fällen sei es zu einer „erheblichen Einschränkung der Einsichtsfähigkeitin das Unrecht der Tat“ gekommen. An einer Unterbringung nach § 63 StGB hat sich die Straf- kammer gehindert gesehen, weil es sich bei den Anlasstaten nicht um erhebli- che Taten im Sinne von § 63 Satz 1 StGB handele und keine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehe, dass der Beschuldigte schwerwiegendere Taten begehen werde.

II.


8
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet.
9
1. Das Landgericht hat zu Unrecht die Voraussetzungen des § 21 StGB bejaht.
10
a) Eine erheblich verminderte Einsichtsfähigkeit ist strafrechtlich erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Einsicht zur Folge hat, während die Schuld des Angeklagten nicht gemindert wird, wenn er ungeachtet seiner erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit das Unrecht seines Tuns zum Tatzeitpunkt tatsächlich eingesehen hat. Die Voraussetzungen des § 21 StGB sind in den Fällen der verminderten Einsichtsfähigkeit nur dann zu bejahen, wenn die Einsicht gefehlt hat und dies dem Täter vorzuwerfen ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 26. Mai 2015 – 3 StR 143/15 mwN).
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b) Dies hat das Landgericht ersichtlich nicht bedacht, denn es stellt wiederholt allein darauf ab, dass bereits die bloße Verminderung der Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten zur Anwendung von § 21 StGB führe. Dieser unzutreffende Ausgangspunkt der Schuldfähigkeitsbestimmung hat auch Auswirkungen auf die Prüfung der Voraussetzungen des § 63 StGB, nämlich des für die Anordnung erforderlichen Zustands bei Tatbegehung und der Gefährlichkeitsprognose.
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2. Die an sich rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Tatgeschehen können nicht bestehen bleiben, weil sie den Beschuldigten belasten und er sie mangels Beschwer nicht mit einem Rechtsmittel angreifen konnte (vgl. auch BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 – 1 StR 542/11, NStZ-RR 2012, 355, 357).
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3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
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a) Bei sicherem Ausschluss von Schuldunfähigkeit ist das Sicherungsverfahren nach § 416 StPO in das Strafverfahren überzuleiten. Das Sicherungsverfahren ist nach Wortlaut und Sinn des § 413 StPO für lediglich vermindert Schuldfähige nicht vorgesehen (BGH, Urteil vom 28. Oktober 1982 – 4 StR 472/82, BGHSt 31, 132, 136).
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b) Bezüglich der Gefährlichkeitsprognose wird zu bedenken sein, dass der Einsatz eines Pfeffersprays gegenüber Menschen in aller Regel eine erhebliche Tat im Sinne von § 63 Satz 1 StGB darstellt (vgl. näher BGH, Urteil vom 26. Juli 2018 – 3 StR 174/18). Dies wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass sich ein solcher Angriff – wie nach den bisher getroffenen Feststellungen – gegen Polizeibeamte im öffentlichen Straßenraum richtet. Bei geringfügigeren Übergriffen innerhalb einer Betreuungseinrichtung stellt der Bundesgerichtshof zwar darauf ab, dass im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose aggressives Verhalten gegenüber damit erfahrenem Personal nicht ohne weiteres dem Verhalten in Freiheit gleichgestellt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202 mwN). Auch bei der Gewichtung von Bedrohungen und einfachen körperlichen Attacken gegen Polizeibeamte ist in den Blick zu nehmen, dass Angriffe gegen Personen, die professionell mit derartigen Konfliktsituationen umgehen, dafür entsprechend geschult sind und in der konkreten Situation über besondere Hilfs- und Schutzmittel verfügen, möglicherweise weniger gefährlich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Februar 2017 – 4 StR 565/16, NStZ-RR 2017, 308, 309 mwN). Nach den bisherigen Feststellungen ist allerdings nicht ersichtlich, dass sich die betroffenen Polizeibeamtinnen wirksam gegen die Pfeffersprayattacken hätten wehren können.
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Schließlich ist zu beachten, dass die vom Sachverständigen und der Strafkammer als eher für wahrscheinlich gehaltene Eigengefährdung durchaus auch mit einer erheblichen Fremdgefährdung einhergehen kann, selbst wenn ein nicht schuldfähig Handelnder mögliche Folgen für Dritte ausblendet (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 – 4 StR 435/09, NStZ-RR 2010, 105). Nach den bisherigen Feststellungen wollte sich der Beschuldigte Anfang September 2017 in einem Kellerraum des Klinikums H. durch Entzünden eines Einweggrills – und damit auch unter möglicher Gefährdung Dritter – selbst töten.
Mutzbauer Sander Schneider
Berger Mosbacher