Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 332/12
vom
25. Juli 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Juli 2012 beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21. Februar 2012 in der Entscheidungsformel dahin ergänzt, dass der Angeklagte freigesprochen wird (§ 349 Abs. 4 StPO). Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: 1. Das Landgericht hat die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet (§ 63 StGB). Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Allerdings erwecken die dieser Anordnung zugrunde liegenden Ausführungen in den Urteilsgründen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten den Eindruck , dass das Landgericht die Auffassung vertritt, bereits mit der Feststellung einer erheblichen verminderten Einsichtsfähigkeit seien die Voraussetzungen des § 21 StGB erfüllt und damit auch die Grundlage für die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB gegeben. Dies ist indes nicht der Fall. Eine verminderte Einsichtsfähigkeit ist strafrechtlich erst dann von Bedeutung , wenn sie das Fehlen der Einsicht zur Folge hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2007 - 4 StR 64/07; BGH, Beschluss vom 12. Juli 2006 - 5 StR 215/06; BGH, Beschluss vom 22. November 2006 - 2 StR 430/06). Der Täter, der trotz erheblich verminderter Einsichtsfähigkeit im konkreten Fall die Einsicht in das Unrecht seiner Tat gehabt hat, ist - sofern nicht seine Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war - voll schuldfähig. In einem solchen Fall ist auch die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht zulässig (BGHSt 21, 27, 28; 34, 22, 26 f.).
Hier lässt sich den Urteilsgründen in ihrer Gesamtheit hinreichend deutlich entnehmen, dass dem Angeklagten bei der Tatbegehung die Unrechtseinsicht vollständig gefehlt hat. Das Landgericht hat nämlich ausdrücklich festgestellt , dass der Angeklagte aufgrund seiner chronifizierten paranoiden Schizophrenie die von Verfolgungswahn geprägte, irrige Überzeugung gewonnen hatte, der Zeuge S. wolle ihn mit dem Blumenstrauß angreifen (UA S. 7). Er hielt deshalb sein eigenes Verhalten für „zulässiges Not- wehrverhalten“ (UA S. 11). Das Landgericht ist demnach im Ergebnis- trag- fähig - davon ausgegangen, dass der Angeklagte aufgrund seines Zustands bei der Tatbegehung keine Einsicht in das Unrecht seines Handelns gehabt hat.
2. Wegen des Zustands des Angeklagten bei der Tatbegehung hat sich das Landgericht auch gehindert gesehen, den Angeklagten wegen der zwei ihm zur Last liegenden Taten der gefährlichen Körperverletzung, jeweils in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, zu verurteilen. Bei dieser Sachlage, zumal die Feststellungen die Aufhebung der Unrechtseinsicht und damit die Schuldunfähigkeit bei Tatbegehung sicher belegen (s.o.), hätte das Landgericht den Angeklagten in der Urteilsformel vom Anklagevorwurf ausdrücklich freisprechen müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juni 2002 - 3 StR 158/02). Da das Landgericht dies unterlassen hat, ergänzt der Senat die Urteilsformel entsprechend.
Der lediglich in der Ergänzung der Urteilsformel liegende Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten teilweise von Gebühren oder Auslagen des Rechtsmittels freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Nack Rothfuß Hebenstreit Jäger Cirener

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Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Juli 2012 - 1 StR 332/12 zitiert 4 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 64/07
vom
3. April 2007
in dem Sicherungsverfahren
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 3. April 2007 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal vom 8. November 2006 im Ausspruch über die gegen ihn verhängte Maßregel mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung und versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Gleichzeitig hat es gemäß § 63 StGB seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge zum Maßregelausspruch Erfolg; im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Das Landgericht hat – sachverständig beraten – die Überzeugung gewonnen , dass der Angeklagte an einer paranoiden Persönlichkeitsstörung in Kombination mit dissozialen Persönlichkeitszügen leidet. Davon ausgehend hat es – auch darin der Sachverständigen folgend – angenommen, dass die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der beiden Straftaten erheblich vermindert gewesen sei. Zur Begründung der Anordnung der Maßregel hat die Strafkammer schließlich ausgeführt, die Erkrankung des Angeklagten sei – wie auch frühere Vorfälle zeigten – dauerhaft angelegt. Sie begründe die Gefahr, dass es auch in Zukunft zu aggressiven und gewalttätigen Reaktionen gegenüber anderen Personen komme.
3
2. a) Die Ausführungen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie lassen besorgen, dass das Landgericht die Auffassung vertritt, mit der Feststellung einer erheblichen verminderten Einsichtsfähigkeit sei bereits § 21 StGB erfüllt und damit auch die Grundlage für die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB gegeben. Eine verminderte Einsichtsfähigkeit ist strafrechtlich indes erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Einsicht zur Folge hat (st. Rspr.; vgl. nur die Nachweise bei Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 21 Rdn. 3). Der Täter, der trotz erheblich verminderter Einsichtsfähigkeit im konkreten Fall die Einsicht in das Unrecht seiner Tat gehabt hat, ist – sofern nicht seine Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war – voll schuldfähig. In einem solchen Fall ist auch die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht zulässig (BGHSt 21, 27, 28; 34, 22, 26 f.).
4
b) Der aufgezeigte Mangel zwingt zur Aufhebung des Maßregelausspruchs. Der Senat kann dem Urteil – auch wenn einige Formulierungen darauf hindeuten könnten - nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen, dass der Tatrichter in Wirklichkeit nicht eine Beeinträchtigung der Einsichtsfähigkeit, sondern eine hier möglicherweise näher liegende erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit im Blick gehabt hat. Der Schuld- und der Strafausspruch können hingegen bestehen bleiben, da Anhaltspunkte für einen (vollständigen) Schuldausschluss (§ 20 StGB) nicht vorliegen und die Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit den Angeklagten insoweit nicht beschwert.
Tepperwien Kuckein Solin-Stojanović
Ernemann Sost-Scheible
5 StR 215/06

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 12. Juli 2006
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Brandstiftung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Juli 2006

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 4. Mai 2005 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Hiervon sind ausgenommen
a) der Freispruch des Angeklagten und
b) die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen, insoweit wird die weitergehende Revision des Angeklagten nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der schweren Brandstiftung freigesprochen, seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und die Maßregel zur Bewährung ausgesetzt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge überwiegend Erfolg.
2
Die Unterbringungsentscheidung entbehrt einer tragfähigen Begründung. Soweit der Angeklagte darüber hinaus das Urteil angreift, bleibt seine Revision aus den von der Bundesanwaltschaft in ihrer Zuschrift benannten Gründen erfolglos.
3
1. Die Anordnung der Unterbringung kann keinen Bestand haben , weil die Voraussetzungen des § 20 oder § 21 StGB nicht, wie für die Maßregel nach § 63 StGB erforderlich (vgl. BGHSt 34, 22, 26 f.), zweifelsfrei festgestellt sind. Entsprechend dem Antrag der Bundesanwaltschaft ist deshalb der Maßregelausspruch aufzuheben.
4
Zu dem Freispruch des Angeklagten und zur Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus hat sich die Strafkammer veranlasst gesehen, weil die „Unrechtseinsichtsfähigkeit“ des Angeklagten bei Tatbegehung jedenfalls erheblich vermindert und nicht ausschließbar sogar aufgehoben gewesen sei. Mit dieser Wertung folgt sie den Gutachten des psychiatrischen und des psychologischen Sachverständigen. Während der Psychiater eine Schizophrenia simplex (ICD 10: F 20.6) bei fortschreitender hirnorganischer Beeinträchtigung mit der Möglichkeit einer paranoiden Persönlichkeitsstörung (ICD 10: F 60.0) diagnostiziert hat, liegt nach Auffassung des Psychologen eine schwerwiegende Persönlichkeitsstörung mit paranoiden Verarbeitungsweisen und manisch-schicksalshaft verzerrenden Denkgewohnheiten nahe.
5
Danach ist nicht festgestellt, dass die Unrechtseinsichtsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat sicher aufgehoben war. Dass diese Fähigkeit – wie sich den Urteilsgründen entnehmen lässt – jedenfalls erheblich vermindert war, genügt für die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB nicht, weil damit die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht sicher festgestellt sind. Diese Vorschrift ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht anwendbar, wenn der Täter trotz erheblicher Verminderung der Einsichtsfähigkeit das Unerlaubte seiner Tat erkennt (BGHSt 21, 27; 34, 22, 25). Für § 21 StGB ist in den Fällen verminderter Einsichtsfähigkeit nur Raum, wenn die Einsicht gefehlt hat und dem Täter dies vorzuwerfen ist (vgl. BGH NStZ 1985, 309; BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 6; BGHR StGB § 63 Tat 4, jeweils m.w.N.). Solange die Verminderung der Einsichtsfähigkeit nicht das Fehlen der Einsicht ausgelöst und dadurch zu Straftaten geführt hat, ist auch die Sicherung der Allgemeinheit durch Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht veranlasst (BGHSt 34, 22, 26 f.). Dass bei etwa noch vorhandener Unrechtseinsicht jedenfalls eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten vorgelegen hat, versteht sich nach den Urteilsgründen, die sich hierzu nicht verhalten, nicht etwa von selbst.
6
2. Auch die Gefährlichkeitsprognose ist nicht tragfähig belegt. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus beschwert die hiervon Betroffenen außerordentlich. Sie darf deshalb nur angeordnet werden , wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind (BGHR StGB § 63 Schuldunfähigkeit 1). Es muss wahrscheinlich sein, dass der Rechtsfrieden durch neue Taten schwer gestört wird (BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 8, 11, 15, 19). Bei seinen Erwägungen zur Gefährlichkeitsprognose hat das Landgericht nicht erkennbar bedacht, dass der Angeklagte außer wegen einer körperlichen Auseinandersetzung mit seinem Nachbarn – dieser gab als Zeuge zudem zu, dass der Angeklagte womöglich im Recht gewesen und man gegenseitig tätlich geworden sei – bislang nicht durch rechtswidrige Taten zum Nachteil anderer aufgefallen ist und dass es sich bei der Brandstiftung um eine Tat aus einer außergewöhnlichen und einmaligen Konfliktsituation heraus gehandelt hat (Enterbung und drohende Räumung des von ihm seit 28 Jahren bewohnten Hauses).
7
Hinsichtlich der vom Angeklagten begangenen rechtswidrigen Tat belegen die Feststellungen zudem nur, dass der Tatbestand des § 306 Nr. 1 StGB erfüllt ist. Denn dass die Inbrandsetzung der vom Angeklagten alleine bewohnten Doppelhaushälfte nach der Entwidmung durch den einzigen Bewohner die vom Landgericht angenommenen Voraussetzungen des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt, erschließt sich aus den Urteilsgründen nicht; es ist weder belegt, dass die Doppelhaushälfte mit derjenigen der Nachbarn ein einheitlich zusammenhängendes Gebäude bildete (vgl. BGHR StGB § 306a Abs. 1 Nr. 1 Wohnung 2), noch, dass der Nachbarteil schon für sich in Brand gesetzt war (vgl. UA S. 9). Diese Änderung der rechtlichen Bewertung der Anlasstat gibt zwar für sich gesehen noch keinen Anlass zur Aufhebung der Unterbringungsanordnung (vgl. BGHR StGB § 63 Tat 6), ist aber im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose zu berücksichtigen.
8
3. Der neue Tatrichter wird – möglichst unter Hinzuziehung eines anderen, geriatrisch erfahrenen Sachverständigen (vgl. zu Mindeststandards der Schuldfähigkeitsbegutachtung Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß NStZ 2005, 57) – auf der Grundlage der bisherigen, rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum objektiven Tathergang einschließlich der Vor- und Nachgeschichte des Angeklagten zu prüfen haben, ob die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten im Tatzeitpunkt sicher ausgeschlossen oder zumindest seine Steuerungsfähigkeit sicher erheblich eingeschränkt war und ob die weiteren Voraussetzungen des § 63 StGB, insbesondere die Gefährlichkeit des Angeklagten für die Allgemeinheit, vorliegen. In diesem Fall wird wiederum die – für sich nicht beanstandenswerte – Aussetzung der Maßregel zur Bewährung zu erwägen sein. Neben den neu zu treffenden Feststellungen zur psychischen Verfassung des Angeklagten bei der Tatbegehung kann der neue Tatrichter allenfalls solche zusätzliche Feststellungen treffen, die den nunmehr rechtskräftigen Feststellungen zum Tatgeschehen nicht widersprechen.
9
Sollte sich in der neuen Verhandlung herausstellen, dass die Voraussetzungen des § 63 StGB bei dem Angeklagten nicht vorliegen, hätte die gebotene Aufhebung des Urteils zur Folge, dass seine Tat wegen des Verbots der Schlechterstellung (§ 358 Abs. 2 StPO) ohne strafrechtliche Sanktion bleiben müsste. Im Hinblick auf diese Konsequenz kann für die Staatsanwaltschaften in vergleichbaren Verfahrenskonstellationen regelmäßig Anlass bestehen, ihrerseits die Einlegung eines Rechtsmittels (zu Un- gunsten des Untergebrachten) in Erwägung zu ziehen (vgl. BGH, Beschl. vom 24. Juli 2001 – 4 StR 268/01).
Basdorf Häger Gerhardt Brause Schaal

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.