Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Okt. 2016 - 3 StR 254/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 20. Oktober 2016 gemäß § 349 Abs. 4, § 357 StPO einstimmig beschlossen:
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln "in nicht geringer Menge unter Mitführung von Waffen" in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt und eine Verfallsentscheidung getroffen. Gegen den Angeklagten M. hat es wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln auf eine Freiheitsstrafe von drei Jahren erkannt und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die nicht revidierenden Mitangeklagten K. und Si. hat es jeweils der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln schuldig gesprochen und gegen sie eine Bewährungsstrafe verhängt. Die Revisionen der Angeklagten S. und M. haben mit der Sachrüge Erfolg; auf die von dem Angeklagten S. erhobenen Beanstandungen des Verfahrens kommt es deshalb nicht an. Die Aufhebung des Urteils ist auf die Mitangeklagten K. und Si. zu erstrecken.
- 2
- 1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen erwarb der Angeklagte S. in drei Fällen jeweils ein Kilogramm Marihuana in der Weise, dass bei Entgegennahme der weiteren Teilmenge die zuvor erhaltene Lieferung gezahlt wurde. Der Angeklagte M. unterstützte den Angeklagten S. sodann bei dem Weiterverkauf des Rauschgifts. So lieferten die beiden Angeklagten unter anderem an den gesondert Verfolgten G. zwischen September 2013 und Februar 2014 in sieben Fällen jeweils 200 Gramm Marihuana. An den gesondert Verfolgten Sa. lieferten sie Anfang 2014, im Dezember 2014 und im Januar 2015 mehrfach Marihuana und Kokain. Die Mitangeklagten K. und Si. stellten ihre Wohnungen zur Aufbewahrung der Betäubungsmittel zur Verfügung. Im Januar 2015 wurde der Angeklagte S. in einem Pkw angehalten und vorläufig festgenommen. Dabei führte er eine Plastiktüte mit etwa 676 Gramm Marihuana und im Hosenbund ein Einhandklappmesser mit sich. Außerdem befand sich neben dem Fahrersitz des PKW ein Teleskopmetallschlagstock.
- 3
- Das Landgericht hat hinsichtlich aller drei Lieferungen und Weiterverkäufe ein einheitliches Handeltreiben mit Betäubungsmitteln angenommen.
- 4
- 2. Das Urteil hält materiellrechtlicher Prüfung nicht stand; denn die Feststellungen werden in einem für den Schuldspruch wesentlichen Punkt von der Beweiswürdigung nicht belegt. Das Landgericht hat festgestellt, dass die drei Einkäufe von jeweils einem Kilogramm Marihuana im September 2013, Februar 2014 und Oktober oder November 2014 stattfanden. Grundlage hierfür ist aus- schließlich die Einlassung des Angeklagten S. . Dieser hat nach den Urteilsgründen jedoch angegeben, drei Lieferungen Anfang 2013, im Sommer 2013 und Ende 2013 erhalten zu haben. Diese drei Zeitpunkte weichen von den Feststellungen in erheblicher Weise ab. Die Urteilsgründe können auch nicht dahin verstanden werden, dass insoweit nur ein reines Schreibversehen oder ein sonstiger rein redaktioneller Fehler vorliegt; vielmehr wird die bestehende Diskrepanz an keiner Stelle aufgelöst. Hinzu kommt Folgendes: Legt man für die Lieferzeitpunkte die Einlassung des Angeklagten zu Grunde, so versteht es sich jedenfalls nicht von selbst, dass die nach den Feststellungen teilweise erheblich später verkauften Betäubungsmittel noch Teile der Erwerbsmengen waren. Auf der Grundlage der festgestellten Daten bleibt andererseits unklar, wieso die Angeklagten bis Februar 2014 allein an den gesondert Verfolgten G. insgesamt 1,4 Kilogramm Marihuana veräußern konnten , obwohl sie bis dahin nur eine Lieferung von einem Kilogramm Marihuana erhielten.
- 5
- 3. Der dargelegte sachlichrechtliche Fehler betrifft auch die Mitangeklagten K. und Si. . Aufgrund des Wegfalls der Haupttat ist über deren Beteiligung neu zu befinden (§ 357 Satz 1 StPO).
- 6
- 4. Über die Sache ist deshalb neu zu verhandeln und zu entscheiden. Der Senat hebt dabei auch diejenigen Teile der Feststellungen auf, die - wie etwa das Mitsichführen des Messers und des Teleskopschlagstocks - für sich genommen rechtsfehlerfrei getroffen worden sind, um dem neuen Tatgericht zu ermöglichen, insgesamt einheitliche Feststellungen zu treffen.
- 7
- 5. Mit Blick auf die konkurrenzrechtliche Bewertung des bisher festgestellten Geschehens weist der Senat darauf hin, dass insoweit derzeit zwischen den Senaten des Bundesgerichtshofs keine einheitliche Auffassung besteht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. September 2015 - 3 StR 236/15, NStZ 2016, 415; vom 2. März 2016 - 5 ARs 60/15; vom 31. Mai 2016 - 2 ARs 403/15, NStZRR 2016, 313; vom 1. September 2016 - 4 ARs 21/15).
Tiemann Hoch
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.