Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juni 2018 - 3 StR 206/18

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:140618B3STR206.18.0
bei uns veröffentlicht am14.06.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 206/18
vom
14. Juni 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
ECLI:DE:BGH:2018:140618B3STR206.18.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführerin und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 14. Juni 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 4. Januar 2018 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Ihre auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit einer Verfahrensbeanstandung den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt und gewertet:
3
a) Zu einem nicht genauer feststellbaren Zeitpunkt am 30. oder 31. Dezember 2016 erstickte die Angeklagte, die seit 2015 in Deutschland gelebt hatte, ihre am geborene Tochter. Sie wollte in Frankreich ein neues unabhängiges Leben beginnen; daran sah sie sich durch ihre Tochter gehindert. Zudem wollte sie sich am Vater des Kindes (dem Nebenkläger) rächen, der mit dem gemeinsamen Kind seinen Aufenthaltsstatus verbessern wollte, dennoch aber die Angeklagte und seine Tochter verließ. Nach Auffassung der Angeklagten hatte der Nebenkläger ihr Leben "kaputtgemacht", indem er sie geschwängert hatte und sie dann mit dem Kind allein ließ. Die Tochter wollte die Angeklagte dem Nebenkläger nicht überlassen.
4
b) Das Landgericht hat das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe vor allem durch die "rücksichtslose Gier" der Angeklagten nach einem selbstbestimmten Leben ohne Einschränkungen als verwirklicht angesehen; daneben hat es auf das Motiv der Rache der Angeklagten abgestellt, dem Nebenkläger seine Tochter sowie die aus seiner Vaterschaft vermeintlich erwachsenen ausländerrechtlichen Vorteile zu nehmen.
5
2. Die Revision der Angeklagten hat mit der Verfahrensrüge der Verletzung des § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO nF überwiegend Erfolg.
6
a) Der Rüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
7
Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage vom 13. September 2017 begründete die niedrigen Beweggründe damit, die Angeklagte habe sich am Nebenkläger rächen und ihn dafür bestrafen wollen, "dass er während des Zusammenlebens ihr gegenüber gewalttätig gewesen war". Auf die von ihm in Abweichung hiervon nach den Urteilsgründen festgestellten Beweggründe der Angeklagten für ihre Tat hat das Landgericht diese in der Hauptverhandlung nicht förmlich hingewiesen.
8
b) Die Verfahrensrüge ist zulässig und begründet. Die Verfahrensweise des Landgerichts ist mit § 265 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Abs. 1 StPO in der Fassung des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3202, 3210), in Kraft getreten zum 24. August 2017, nicht vereinbar. Der Angeklagten hätte ein förmlicher Hinweis darauf erteilt werden müssen, dass das Landgericht die Annahme des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe auf eine Motivlage der Angeklagten zu stützten gedachte, die von der ihr in der Anklageschrift angelasteten deutlich abwich. Im Einzelnen:
9
aa) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist dem Angeklagten gemäß § 265 Abs. 1 StPO ein förmlicher Hinweis zu erteilen, wenn seine Verurteilung wegen Mordes auf ein anderes Mordmerkmal gegründet werden soll, als es ihm in der Anklageschrift vorgeworfen worden war (siehe nur BGH, Urteile vom 30. Juli 1969 - 4 StR 237/69, BGHSt 23, 95, 96; vom 20. Februar 1974 - 2 StR 448/73, BGHSt 25, 287 ff.; Beschluss vom 23. März 2011 - 2 StR 584/10, BGHR StPO § 265 Abs. 1 Hinweispflicht 19). Aber auch dann, wenn die Verurteilung auf das schon in der Anklageschrift angenommene Mordmerkmal gestützt werden soll, sich indes die Tatsachengrundlage , die dieses nach Auffassung des Gerichts ausfüllt, gegenüber derjenigen ändert, von der die Anklage ausgegangen ist, war schon nach der alten Rechtslage anerkannt, dass der Angeklagte auf diese Änderung der Sachlage in entsprechender Anwendung von § 265 Abs. 1 und Abs. 4 StPO aF hinzuweisen gewesen ist. So erfordert beim Mordmerkmal der Absicht, eine andere Straftat zu verdecken, der Austausch der Bezugstat einen gerichtlichen Hinweis, um den Angeklagten vor einer Überraschungsentscheidung zu schützen und ihm Gelegenheit zu geben, sich gegenüber dem Tatvorwurf sachgerecht zu verteidigen (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2011 - 1 StR 582/10, BGHSt 56, 121, 122 ff.: Verdeckung einer Körperverletzung statt einer Unterschlagung ; dort ist lediglich offen gelassen, ob ein ausdrücklicher Hinweis entbehrlich sein kann, wenn dem Angeklagten die erforderliche Kenntnis schon durch den Gang der Hauptverhandlung vermittelt worden ist). Nichts anderes kann für das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe gelten; auch insoweit ist der Angeklagte nicht nur davon in Kenntnis zu setzen, durch welche bestimmten Tatsachen das Gericht das Mordmerkmal als erfüllt ansieht (siehe nur BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober 2016 - 2 StR 84/16, BGHR StPO § 265 Abs. 1 Hinweispflicht 22; vom 23. März 2011 - 2 StR 584/10, NStZ 2011, 475; vom 21. April 2004 - 2 StR 363/03, NStZ 2005, 111, 112), vielmehr ist er auch darüber zu informieren, dass sich diese Tatsachen aus Sicht des Gerichts gegenüber der Anklageschrift oder aber auch einem früher erteilten Hinweis geändert haben könnten.
10
bb) Nach diesen Maßstäben war hier ein Hinweis geboten; denn die Tatsachengrundlage , auf welche das Landgericht das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe stützt, weicht in zweifacher Hinsicht wesentlich von derjenigen der Anklage ab:
11
Das Motiv, ein neues selbstbestimmtes und vom Kind unabhängiges Leben in Frankreich zu beginnen, kann zwar als besonders "krasse Selbstsucht" bewertet und damit das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe als erfüllt angesehen werden (vgl. BGH, Urteil vom 30. Oktober 2008 - 4 StR 352/08, NStZ 2009, 210). Indes benennt die Anklage ein solches Motiv nicht und stützt das Mordmerkmal allein auf ein Rachemotiv der Angeklagten. Diese beiden Beweggründe unterscheiden sich deutlich voneinander. Das Tatmotiv der Selbstsucht nach einem unabhängigen Leben kann - entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts - auch nicht dem wesentlichen Ermittlungsergebnis der Anklageschrift entnommen werden: Die dort mitgeteilte Einschätzung einer Zeugin, der Angeklagten fehle der "natürliche Mutterinstinkt", ist nichtssagend und gibt daher keinen Anhalt für eine selbstsüchtige Entscheidung der Angeklagten, nach dem endgültigen Scheitern der Beziehung mit dem Nebenkläger das Kind durch dessen Tötung "hinter sich zu lassen" und in Frankreich ein neues Leben zu beginnen.
12
Das Urteil geht im Übrigen zwar wie die Anklage auch von einem Rachemotiv aus. Indes weichen die hierfür maßgeblichen Tatsachen ebenfalls deutlich voneinander ab: Der Zorn über das Im-Stich-lassen hat mit Gewalttätigkeiten nichts zu tun. Auch insoweit hat eine Hinweispflicht bestanden.
13
cc) Den danach erforderlichen Hinweis auf die in zweifacher Hinsicht geänderte Tatsachengrundlage hätte der Vorsitzende förmlich erteilen müssen. Er ist als wesentliche Förmlichkeit des Verfahrens in das Hauptverhandlungsprotokoll aufzunehmen gewesen (§ 273 Abs. 1 Satz 1 StPO) und kann nur durch dieses belegt werden (§ 274 Satz 1 StPO).
14
Dies folgt aus dem in § 265 Abs. 2 StPO enthaltenen Verweis ("ebenso ist zu verfahren") auf die in § 265 Abs. 1 StPO normierte Hinweispflicht. Mit der Neuregelung des § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO wollte der Gesetzgeber die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelte Hinweispflicht umsetzen, wonach auch unterhalb der Schwelle des § 265 Abs. 4 StPO in entsprechender Anwendung des § 265 Abs. 1 StPO ein Hinweis auf die Veränderung eines tatsächlichen Umstands erforderlich war, wenn dieser in seinem Gewicht der Veränderung eines rechtlichen Gesichtspunkts gleichstand (BT-Drucks. 18/11277, S. 37 unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 20. November 2014 - 4 StR 234/14, NStZ 2015, 233, 234 mwN). Damit soll das Recht des Angeklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) gewährleistet und er nach dem rechtsstaatlichen Grundsatz des fairen Verfahrens vor Überraschungsentscheidungen geschützt werden (BT-Drucks. aaO; BGH aaO mwN).
15
Mit dem Verweis auf § 265 Abs. 1 StPO, wonach der Angeklagte "besonders" auf eine veränderte Sachlage hinzuweisen ist, ist die zu der alten Rechtslage vertretene Auffassung, es genüge, wenn der Angeklagte die Änderung eines wesentlichen sachlichen Umstandes dem Gang der Hauptverhandlung entnehmen könne (offengelassen, wie ausgeführt, in BGH, Beschluss vom 12. Januar 2011 - 1 StR 582/10, BGHSt 56, 121, 125; vgl. im Übrigen etwa BGH, Urteil vom 20. November 2014 - 4 StR 234/14, NStZ 2015, 233, 234 mwN), überholt. Zwar ist den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber sich mit diesem Gesichtspunkt auseinandergesetzt hat (siehe insbesondere den Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 22. Februar 2018, BT-Drucks. 18/11277, S. 36 f.). Indes folgt dieses Ergebnis, wie dargelegt, aus dem Verweis auf die in § 265 Abs. 1 StPO normierte Hinweispflicht (im Ergebnis ebenso Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl. § 265 Rn. 22; BeckOK StPO/Eschelbach, § 265 Rn. 51).
16
dd) Das Urteil beruht auf dem dargestellten Verfahrensfehler (§ 337 Abs. 1 StPO); denn der Senat kann nicht ausschließen, dass sich die Angeklagte zu ihrer Tatmotivation anders als geschehen hätte verteidigen können, wenn ihr der gebotene förmliche Hinweis erteilt worden wäre. Sie hätte ihre Entscheidung , zum Tatvorwurf zu schweigen, überdenken oder aber Beweisanträge zu den Beweggründen und Umständen ihrer Reise nach Frankreich stellen können.
17
3. Der Rechtsfehler erfasst die Feststellungen zu den Voraussetzungen der Mordmerkmale und der Strafe. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können indes aufrechterhalten bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO; dazu BGH, Beschluss vom 23. März 2011 - 2 StR 584/10, NStZ 2011, 475, 476); ergänzende Feststellungen sind möglich, sofern sie dazu nicht im Widerspruch stehen.
18
4. Der Beschluss des 5. Strafsenats vom 8. Mai 2018 (5 StR 65/18, juris Rn. 2 ff.) steht vorliegender Entscheidung nicht entgegen.
19
a) Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Anforderungen, die dort an den Revisionsvortrag einer Rüge der Verletzung des § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO im Hinblick auf § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gestellt werden. Zwar hätte der Senat Bedenken, dem 5. Strafsenat insoweit in sämtlichen Punkten für alle denkbaren Sachverhaltsgestaltungen zu folgen. Auf diese Bedenken kommt es hier indes nicht an; denn auch unter Beachtung der vom 5. Strafsenat formulierten Maßstäbe bestehen gegen die Zulässigkeit der Rüge der Angeklagten keine Bedenken : Soweit der 5. Strafsenat Revisionsvortrag dazu verlangt, ob der Revisionsführer durch den Gang der Hauptverhandlung über die Veränderung der Sachlage bereits zuverlässig unterrichtet war und deshalb ein ausdrücklicher Hin- weis unterbleiben konnte, ist dem hier schon durch den Hinweis darauf hinreichend Genüge getan, dass selbst die Staatsanwaltschaft auf eine Verurteilung der Angeklagten nur wegen Totschlags plädiert hat. Auch war kein Revisionsvortrag dazu erforderlich, inwieweit der Hinweis für die genügende Verteidigung der Angeklagten erforderlich war, warum die Angeklagte durch dessen Unterlassen in ihrer Verteidigung beschränkt wurde und wie sie ihr Verteidigungsverhalten nach erteiltem Hinweis anders hätte einrichten können; denn all das versteht sich hier von selbst (vgl. auch oben 2. dd]). Für diesen Fall verlangt aber auch der 5. Strafsenat kein entsprechendes Revisionsvorbringen (BGH, aaO Rn. 6).
20
b) Im Übrigen unterscheidet sich der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt auch wesentlich von der Fallgestaltung, die der Entscheidung des 5. Strafsenats zugrunde lag. Während es dort um die Frage ging, ob der Tatrichter einen Hinweis darauf erteilen muss, welche Folgerungen für seine Überzeugungsbildung er aus dem Ergebnis einer einzelnen Beweiserhebung (Zeugenvernehmung) zu ziehen gedenkt, geht es hier um eine Änderung der Tatsachenbasis, auf die der Tatrichter in Abweichung von der Anklage das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe, mithin einer für den Schuldspruch unmittelbar relevanten Haupttatsache, stützen will.
Becker Spaniol Berg RiBGH Hoch befindet Leplow sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 584/10
vom
23. März 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers gemäß § 349 Abs. 2 und 4
StPO am 23. März 2011 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 13. April 2010 aufgehoben
a) im Schuld- und Strafausspruch im Fall 2 der Urteilsgründe (Tötung des N. ) mit den Feststellungen zu den Voraussetzungen der Mordmerkmale;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes und wegen Totschlags zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Seine auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat im Fall 2 mit einer Verfahrensrüge den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Erfolg ; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
Am Tattag begab sich der Angeklagte zur Wohnung der später getöteten Ni. , mit der er seit einiger Zeit eine sexuelle Beziehung hatte. In einem Rucksack führte er eine geladene Pistole mit sich. In der Wohnung traf er auf das weitere Tatopfer N. , mit dem Ni. ebenfalls ein Verhältnis hatte und zusammenlebte. Der Angeklagte forderte von Ni. eine Entscheidung zwischen ihm und N. , die sie jedoch nicht traf. Im Laufe der Diskussion verließ N. die Wohnung. Zum weiteren Geschehen konnte lediglich festgestellt werden, dass Ni. gegen 18.30 Uhr mit ihrem Pkw, dessen Dach und Fenster geschlossen waren, die Tiefgarage verlassen wollte. Als sie an dem nach draußen führenden Rolltor stand, wurde sie von dem Angeklagten von der geöffneten Beifahrertür aus mit vier bis fünf Schüssen getötet. Ungefähr um 18.45 Uhr erschien N. in der Tiefgarage und trat auf der Fahrerseite an das Fahrzeug heran. Der Angeklagte gab mit direktem Tötungsvorsatz zwei bis drei Schüsse auf ihn ab. Dabei stand er rechts unmittelbar neben dem Fahrzeug ungefähr auf Höhe der Beifahrertür und schoss über das Dach des Pkw hinweg. N. wurde von zwei der Schüsse getroffen ; einer durchschlug den linken Ellenbogen, ein weiterer traf ihn in den Oberbauch. Er wandte sich in Richtung Treppenhaus, um zu fliehen. Der Angeklagte holte ihn ein und versetzte ihm mit dem Griff der Pistole von hinten einen Schlag auf den Kopf. N. ging zu Boden und blieb auf dem Bauch liegen. Der Angeklagte gab nunmehr aus einer Entfernung von 40-60 cm mit direktem Tötungsvorsatz drei Schüsse in den Rücken von N. ab, an denen dieser verstarb.
4
Das Landgericht hat die erste Tat zum Nachteil von Ni. ohne Rechtsfehler als Totschlag gewertet und hierfür eine Freiheitsstrafe von neun Jahren für tat- und schuldangemessen gehalten. Hinsichtlich der Tötung des N. (Fall 2) ist die Kammer davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte wegen Mordes schuldig gemacht hat. Die bei der Tatausführung für ihn bestimmenden Gefühle der Wut auf N. , der nach seiner Ansicht für die Entwicklung der Beziehung zu Ni. mitursächlich gewesen sei, seien niedrige Beweggründe. Heimtücke sei nicht gegeben, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass das Tatopfer N. nicht arglos gewesen sei, als er an das Fahrzeug herantrat. Dass Verdeckungsabsicht neben der Wut als Tatmotiv für den Angeklagten handlungsleitend gewesen sei, sei nicht sicher feststellbar gewesen.
5
2. Die Revision des Angeklagten hat im Fall 2 mit einer Verfahrensrüge - Verletzung des § 265 Abs. 1 StPO - Erfolg.
6
a) Der Rüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
7
Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage vom 10. November 2009 legte dem Angeklagten im Fall 2 zur Last, N. heimtückisch und zur Verdeckung einer Straftat getötet zu haben. Am 9. Verhandlungstag (19. März 2010) erteilte das Landgericht folgenden rechtlichen Hinweis: "In der Strafsache gegen K. werden der Angeklagte und seine Verteidiger darauf hingewiesen, dass statt des angeklagten zweifachen Mordes auch eine Bestrafung wegen zweifachen Totschlags, § 212 StGB, wie auch im zweiten Fall eine Bestrafung wegen einer heimtückischen Tötung zur Verdeckung einer Straftat und aus niedrigen Beweggründen in Betracht kommt."
8
Weitere Hinweise oder Erläuterungen erfolgten in der Hauptverhandlung nicht. Am 22. März 2010 fragte einer der Verteidiger des Angeklagten telefonisch bei der Berichterstatterin und stellvertretenden Vorsitzenden an, welchen niedrigen Beweggrund die Kammer in Betracht ziehe. Er erhielt sinngemäß die Antwort, dass an einen Beweggrund im Zusammenhang mit der Geschichte der Dreiecksbeziehung im Vorfeld gedacht werden könne. Auf weiteres konkretes Nachfragen entgegnete die Richterin, dass sie nicht mehr sagen könne, sie habe sich ohnehin schon "zu weit aus dem Fenster gelehnt".
9
b) Diese Verfahrensweise ist mit § 265 Abs. 1 StPO nicht zu vereinbaren. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass es eines förmlichen rechtlichen Hinweises auf das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe bedurfte. Ein solcher Hinweis muss nicht nur erteilt werden, wenn ein anderes Strafgesetz als das im Eröffnungsbeschluss genannte angewandt, sondern auch dann, wenn der Angeklagte wegen einer andersartigen Begehungsform desselben Strafgesetzes verurteilt werden soll (BGHSt 23, 95, 96). Das Schwurgericht muss deshalb regelmäßig darauf hinweisen, wenn es abweichend vom Anklagevorwurf wegen eines anderen Mordmerkmals verurteilen will (vgl. BGHSt 23, 95; 25, 287; Urteil vom 14. April 1953 - 1 StR 152/53). Mit Rücksicht auf den Regelungszweck des § 265 Abs. 1 StPO ist dies jedenfalls dann anzunehmen, wenn die in Betracht kommenden Begehungsformen sich in ihren objektiven und subjektiven Voraussetzungen so stark voneinander unterscheiden , dass eine umfassende Verteidigung des Angeklagten nur durch eine förmliche Unterrichtung gesichert werden kann. Das ist der Fall, wenn das Schwurgericht den Angeklagten wie hier abweichend vom Anklagevorwurf nicht aus dem Gesichtspunkt der Heimtücke, sondern dem der niedrigen Beweggründe wegen Mordes verurteilen will; dasselbe gilt beim Übergang vom Vorwurf des Tötens in Verdeckungsabsicht zum Vorwurf des Tötens aus Wut als niedrigem Beweggrund (BGHSt 25, 287, 289 f.).
10
Die Revision macht zu Recht geltend, dass der rechtliche Hinweis nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprach. Der Hinweis muss - allein oder in Verbindung mit der zugelassenen Anklage - dem Angeklagten hinreichend erkennbar machen, durch welche Tatsachen das Gericht die gesetzlichen Merkmale als erfüllt ansieht (BGH NStZ 1993, 200 mwN). Das gilt auch für das Mordmerkmal der sonstigen niedrigen Beweggründe (Senat BGH NStZ 2005, 111). Nur so kann er seine Funktion erfüllen, den Angeklagten vor Überraschungsentscheidungen zu schützen und ihm die Gelegenheit zu geben, sich gegenüber dem neuen Vorwurf zu verteidigen.
11
Der bloße, zudem als solcher wegen der kumulativen Aufzählung der in Betracht kommenden Mordmerkmalen schon nicht unmissverständliche Hinweis war hier nicht geeignet, den Angeklagten ausreichend darüber zu informieren , welche Umstände nach Auffassung des Gerichts Grundlage der neuen rechtlichen Bewertung sein konnten. Erläuternde Angaben waren auch nicht entbehrlich. Weder der Anklage noch der in der Revisionsschrift wiedergegebenen und als Anlage zum Hauptverhandlungsprotokoll genommenen Erklärung des Angeklagten lassen sich Tatsachen entnehmen, aus denen auf das Vorliegen niedriger Beweggründe, insbesondere auf die vom Landgericht im Urteil angenommene "Wut", geschlossen werden konnte. Die von der stellvertretenden Vorsitzenden am Telefon abgegebene Erklärung war - abgesehen davon, dass sie in formeller Hinsicht nicht die Anforderungen an einen Hinweis nach § 265 Abs. 1 StPO erfüllte - ersichtlich ebenfalls nicht geeignet, den Verteidiger über die tatsächliche Grundlage des abweichenden rechtlichen Gesichtspunktes zu informieren und den Angeklagten vor einer Überraschungsentscheidung zu bewahren.
12
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem unzureichenden Hinweis beruht. Insoweit hat die Verteidigung in der Revisionsschrift im Einzelnen dargelegt, was sie bei einem ordnungsgemäßen Hinweis gegen den - im Übrigen auch nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht nahe liegenden Vorwurf niedriger Beweggründe - noch vorgebracht hätte.
13
3. Der Rechtsfehler erfasst lediglich die Feststellungen zu den Voraussetzungen der Mordmerkmale im Fall 2 sowie den Ausspruch über die Gesamtstrafe. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können aufrechterhalten bleiben; ergänzende Feststellungen sind möglich, so weit sie dazu nicht im Widerspruch stehen.
14
4. Im Übrigen weist der Senat auf Folgendes hin:
15
Der neue Tatrichter wird sich - ohne dass dem das Verschlechterungsverbot entgegensteht (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) - erneut mit dem Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht zu befassen haben. Die Ausführungen hierzu im angefochtenen Urteil sind nicht frei von Widersprüchen. Das Landgericht legt seiner rechtlichen Bewertung zugrunde, dass bei der Tötung von N. eine Absicht des Angeklagten, die vorangegangene Tötung von Ni. zu verdecken, nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen sei (UA 28). Hiermit lassen sich jedoch die Erwägungen bei der Beweiswürdigung nicht ohne Weiteres in Einklang bringen. Dort heißt es u.a., dass sich Gründe, warum dem Angeklagten zur Zeit der Begehung der Tat nicht bewusst gewesen sein solle, dass er mit der Tötung von N. einen Zeugen tötete, ohne den die Ermittlung seiner Person als Täter wesentlich erschwert werden würde, "nicht ergeben" hätten (UA 110). Darüber hinaus zählt das Urteil Umstände auf, "die darauf hindeuten, dass die Verdeckung seiner Täterschaft eine der Haupttriebfedern für die Begehung der Tat gewesen sein kann" (UA 110-113). Gesichtspunkte, die gegen eine Verdeckungsabsicht sprechen könnten, werden dagegen nicht erörtert.

Fischer Schmitt Berger Krehl Eschelbach

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 582/10
vom
12. Januar 2011
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________
Der Austausch der Bezugstat bei Verdeckungsmord erfordert einen gerichtlichen
Hinweis.
BGH, Beschluss vom 12. Januar 2011 - 1 StR 582/10 - Landgericht München II
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Januar 2011 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
München II vom 12. Mai 2010 mit den Feststellungen aufgehoben
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Hiergegen richtet sich seine Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Sein Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.

2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen: Der Angeklagte war Hausmeister in einer Wohnanlage, in der auch das spätere Opfer, Frau K., wohnte. Er kümmerte sich um die 87-jährige Dame. Am 28. Oktober 2008 kam es in der Wohnung des Opfers zu einer streitigen Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Angeklagte Frau K. mit einem stumpfen Gegenstand zweimal von hinten auf den Kopf schlug oder sie mit dem Kopf gegen einen Gegenstand stieß. Aus Angst vor weiteren Konsequenzen entschloss er sich, das vorangegangene Geschehen zu verdecken, indem er sie tötete und dies als Unfall durch einen Sturz in die Badewanne erscheinen ließ. Er verbrachte Frau K. in die Badewanne, ließ Wasser einlaufen und drückte ihren Kopf so lange unter Wasser, bis sie ertrunken war.
3
Das Landgericht hat das Mordmerkmal "zur Verdeckung einer [anderen] Straftat" bejaht, weil es dem Angeklagten darauf angekommen sei, die vorangegangene Körperverletzung, bei der er Frau K. zwei Hämatome am Kopf beigebracht hatte, durch ein vorgetäuschtes Unfallgeschehen zu verdecken. Er habe damit vermeiden wollen, dass Frau K. wegen der vorangegangenen Körperverletzung Anzeige erstatten und er strafrechtlich verfolgt würde. Das Vorliegen des Mordmerkmals Heimtücke wurde verneint. Das Mordmerkmal Habgier wurde nicht erörtert.

II.

4
Der Beschwerdeführer rügt, das Gericht habe die Verurteilung auf eine - gegenüber der Anklage - jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht veränderte Grundlage gestützt, ohne dass ihm zuvor ein entsprechender Hinweis erteilt worden sei (vgl. § 265 StPO). Die Rüge dringt durch.
5
1. Der Verurteilung wegen Verdeckungsmord liegt nach den Feststellungen ein Tatbild zugrunde, das von demjenigen der Anklage wesentlich abweicht , wenn auch die Nämlichkeit der Tat (§ 264 StPO) gewahrt ist. Die - trotz der Formulierung "wegen Totschlags" im Eröffnungsbeschluss (vgl. Strafakten EA 2 I Bl. 436) - unverändert zugelassene Anklage hatte dem Angeklagten folgendes zur Last gelegt:
6
Der Angeklagte, der Vollmacht für die Konten der Frau K. hatte, habe über 50.000 € von einem Konto des Opfers abgehoben und zu einem überwiegenden Teil vereinnahmt. Darüber hinaus habe er Schmuck und zwei Pelzmäntel erhalten oder an sich genommen. Am 23. Oktober 2008 habe er aus einer Geldkassette des Opfers einen Betrag von 8.000 € entnommen und zur Begleichung eigener Schulden verwendet. Am 28. Oktober 2008 habe Frau K. den Fehlbetrag festgestellt und den Angeklagten deswegen beschuldigt. Es habe sich ein Streit entwickelt, in dessen Verlauf sich der Angeklagte entschlossen habe, Frau K. zu töten, um die erhaltenen Gegenstände behalten zu können und um die unberechtigte Einnahme von Bargeld zu vertuschen. Zu diesem Zweck habe er seinem Opfer, das sich zu diesem Zeitpunkt keines Angriffs versah und sich deswegen eines solchen auch nicht erwehren konnte, in Ausnutzung dieser Situation mit einem stumpfen Gegenstand zweimal von hinten auf den Kopf geschlagen. Frau K. habe diesen Angriff zwar überlebt, aber erhebliche Kopfverletzungen erlitten. Der Angeklagte habe dann überlegt, ob er Frau K. retten und ein Sturzgeschehen vortäuschen sollte, habe sich dann aber dafür entschieden, in Fortführung seines ursprünglichen Plans Frau K. zu töten. Er habe sie ins Badezimmer verbracht, in die Badewanne gelegt, Wasser in die Badewanne eingelassen und sie so lange unter die Wasseroberfläche gedrückt, bis sie schließlich ertrunken sei.
7
Der Schuldvorwurf der Anklage lautet, der Angeklagte habe eine fremde bewegliche Sache, die ihm anvertraut war, sich oder einem Dritten rechtswidrig zugeeignet und durch eine weitere Handlung aus Habgier, heimtückisch einen anderen Menschen getötet, um eine [andere] Straftat zu verdecken; strafbar als veruntreuende Unterschlagung in Tatmehrheit mit Mord (mit den drei angeführten Mordmerkmalen). Auf Seite 75 der Anklageschrift wird (unter VI. Rechtliches 2; vgl. EA 2 I Bl. 416) ausgeführt: Es liegt ferner der Tatbestand "des Verdeckens einer Straftat" vor. Dem Angeklagten kam es darauf an, zu verhindern, dass er wegen der von ihm vorangegangenen Unterschlagung von 8.000 € strafrechtlich belangt wird. Aus diesem Grund tarnte der Angeschuldigte sein Tötungsdelikt als Unfall, damit keine Nachforschungen nach dem Verbleib des Vermögens von Frau K. angestellt werden.
8
Das angefochtene Urteil dagegen gründet den Schuldvorwurf darauf, dass der Angeklagte eine vorausgegangene Körperverletzung verdecken wollte. Das Landgericht hat damit die "andere Straftat" (Bezugstat) in § 211 Abs. 2 StGB bei der Verdeckungsabsicht ausgetauscht. Dies hätte eines Hinweises nach § 265 StPO bedurft. Das Gericht, das den Schuldspruch innerhalb des Rahmens der angeklagten Tat (§ 264 StPO) auf einen gegenüber der Anklage im Tatsächlichen wesentlich veränderten Sachverhalt stützt, muss dem Angeklagten , um ihn vor einer Überraschungsentscheidung zu schützen, zuvor grundsätzlich einen entsprechenden Hinweis erteilen, das ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 12. Februar 1991 - 4 StR 506/90, StV 1991, 502 mwN; zur Entwicklung dieser Rechtsprechung vor 1988 vgl. Niemöller, Die Hinweispflicht des Tatrichters, 1988, S. 23 ff., 26 ff. mwN). Diese Hinweispflicht dient dem schutzwürdigen Verteidigungsinteresse des Angeklagten. Sie gilt auch und gerade für wesentliche Veränderungen des dem gesetzlichen Straftatbestand zugeordneten Tatverhaltens (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 3. Juli 1991 - 2 StR 132/91 mwN).
9
Die Abweichung in der Beschreibung des Tatverhaltens, das zur Ausfüllung des gesetzlichen Straftatbestandes gedient hat, war bei der vorliegenden Fallgestaltung wesentlich. Das Verhalten des Angeklagten, in dem die "andere Straftat" i.S.d. § 211 Abs. 2 StGB gesehen wurde, unterschied sich schon zeitlich erheblich von demjenigen, das die Anklage für tatbestandsmäßig hielt, und inhaltlich wurde ein Vermögensdelikt durch ein Körperverletzungsdelikt ersetzt.
10
Während frühere Rechtsprechung vereinzelt die Hinweispflicht nach § 265 StPO noch restriktiv annahm (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 28. April 1955 - 3 StR 13/55; auch BGH, Urteil vom 24. Februar 1976 - 1 StR 764/75), wurde bald erkannt, dass der gebotene Schutz des Angeklagten vor Überraschungsentscheidungen eine umfassende Hinweispflicht erfordert. Soweit der 5. Strafsenat (Beschluss vom 13. Dezember 1977 - 5 StR 728/77) einen Verstoß gegen § 265 Abs. 1 StPO verneint hat, wenn die Verurteilung bei gleich bleibendem Strafgesetz nur auf zum Teil andere Tatsachen gegründet wird, hat er einen Verfahrensfehler nur deshalb verneint, "da der Angeklagte durch den Gang der Hauptverhandlung über die Veränderung der Sachlage unterrichtet worden ist".
11
Der erkennende Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 17. Juli 1962 - 1 StR 266/62 bei einem Hinweis auf das Mordmerkmal zur Verdeckung einer anderen Straftat die Klarstellung gefordert, "welche andere Straftat der Angeklagte nach der Meinung des Gerichts hätte verdecken können". Zutreffend hat der 5. Strafsenat schon in seinem Urteil vom 24. Mai 1955 (5 StR 143/55) im Fall der Verurteilung wegen Vollrausches einen Hinweis nach § 265 StPO selbst dann gefordert, wenn die Rauschtat als ledigliche Bedingung der Strafbarkeit rechtlich anders beurteilt werden soll. Dies legt nahe, dass ein Hinweis erst recht geboten ist, wenn die Rauschtat vollständig ausgetauscht wird. Der 3. Strafsenat hat zu Recht bei einer Verurteilung wegen Vereitelns der Zwangsvollstreckung einen Verstoß gegen § 265 (Abs. 4) StPO darin gesehen, dass der Angeklagte nicht darauf hingewiesen wurde, dass eine andere Forderung bei § 288 StGB zugrunde gelegt wurde; der Austausch einer Forderung, deren Durchsetzung der Angeklagte vereitelt haben soll, erfordert einen gerichtlichen Hinweis (BGH, Beschluss vom 2. Februar 1990 - 3 StR 480/89, BGHR StPO § 265 Abs. 4 Hinweispflicht 8 und StV 1990, 249, 250). Gerade wenn es ständiger Rechtsprechung entspricht, dass ein richterlicher Hinweis nach § 265 StPO gewissen Mindestanforderungen entsprechen muss, wozu auch die Angabe gehört, durch welche Tatsachen das Gericht die gesetzlichen Merkmale als erfüllt ansieht (vgl. hierzu u.a. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2007 - 2 StR 555/06; BGH, Beschluss vom 17. Oktober 2006 - 4 StR 335/06 Rn. 10; BGH, Beschluss vom 21. April 2004 - 2 StR 363/03 mwN; BGH, Urteil vom 24. November 1992 - 1 StR 368/92 mwN), liegt es nahe, überhaupt einen entsprechenden Hinweis zu verlangen, wenn - wie hier - das Tatverhalten, das zur Ausfüllung des gesetzlichen Straftatbestandes dient, wesentlich von dem Anklagevorwurf abweicht. Denn Zweck des § 265 StPO ist es, dem Angeklagten Gelegenheit zu geben, sich gegenüber dem neuen Vorwurf zu verteidigen, und ihn vor Überraschungen zu schützen (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 4. April 1995 - 1 StR 772/94).
12
Der Austausch der Bezugstat bei Verdeckungsmord erfordert daher einen gerichtlichen Hinweis.
13
2. Dieser Hinweis ist dem Angeklagten - wie er mit Recht rügt - nicht gegeben worden. Dabei kann hier dahingestellt bleiben, ob es statt eines besonderen Hinweises genügt, dass dem Angeklagten durch den Gang der Hauptverhandlung die Kenntnis vermittelt wird, welches Verhalten das Gericht als tatbestandsmäßig werten und zur Grundlage des Schuldvorwurfs machen will. Denn im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass dem Angeklagten diese Kenntnis vom Gericht auch nicht durch den Gang der Verhandlung vermittelt worden ist.
14
Unerheblich ist insoweit, dass der Staatsanwalt in seinem Schlussvortrag der Verdeckungsabsicht als neue Bezugstat eine Körperverletzung zugeordnet hat (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 10. August 2005 - 2 StR 206/05). Maßgeblich ist nämlich, dass eine andere Betrachtung nach Auffassungdes Gerichts in Betracht kommt (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 8. Oktober 1963 - 1 StR 553/62, BGHSt 19, 141 ff.; BGH, Urteil vom 15. November 1978 - 2 StR 456/78, BGHSt 28, 196, 198; BGH, Urteil vom 8. März 1988 - 1 StR 14/88, StV 1988, 329; BGH, Urteil vom 17. Oktober 2006 - 4 StR 335/06 Rn. 11 mwN). Allerdings war vor dem Plädoyer in der Hauptverhandlung folgender Gerichtsbeschluss ergangen: Das Verfahren wird gemäß § 154 II StPO auf Antrag des Staatsanwalts insoweit eingestellt, als gegen den Angeklagten der Vorwurf "veruntreuter" Unterschlagung erhoben worden ist, weil eine deshalb zu verhängende Strafe im Falle des Schuldspruchs wegen des weiteren Anklagegegenstandes nicht ins "Gericht" fiele.
15
Diesem Beschluss lässt sich schon nicht entnehmen, dass das Landgericht den Vorwurf der Verdeckungsabsicht wegen eines Vermögensdeliktes gänzlich fallen lassen wollte. Es hat damit zwar die - in Tatmehrheit stehende - mitangeklagte veruntreuende Unterschlagung der 8.000 € vorläufig eingestellt, auf die sich - wie die rechtlichen Ausführungen auf S. 75 der Anklageschrift belegen - die Verdeckungsabsicht beziehen sollte, es hat sich aber nicht dazu verhalten , ob die nach der Anklageschrift einbehaltenen weiteren Gelder, Schmuckstücke oder Pelzmäntel als Bezugstat für den Verdeckungsmord in Betracht kamen. Der Revisionsführer hat in seiner sehr sorgfältig begründeten Revision dargelegt, dass er sich hiergegen auch nach dem Beschluss gemäß § 154 Abs. 2 StPO zur Wehr gesetzt hat. Vor allem jedoch wurde durch diesen Beschluss nicht ersichtlich, dass das Gericht als neue Bezugstat die Körperverletzung zugrunde legen wollte. In der Anklageschrift wurden zwar die beiden Schläge angeführt, aber nicht in dem Sinne, dass sie mit Körperverletzungsvorsatz geführt wurden, sondern vielmehr bereits in Tötungsabsicht. Danach lag als "andere Straftat" eine Körperverletzung nicht nahe. Der Annahme eines Verdeckungsmordes steht zwar nicht entgegen, wenn sich bereits die zu verdeckende Vortat gegen Leib und Leben des Opfers richtet und unmittelbar in die Tötung zur Verdeckung des vorausgegangenen Geschehens übergeht. Um eine andere - zu verdeckende - Straftat i.S.d. § 211 Abs. 2 StGB handelt es sich jedoch dann nicht, wenn der Täter nur diejenige Tat verdecken will, die er gerade begeht. Dies ist dann der Fall, wenn während einer einheitlichen Tötungshandlung die Verdeckungsabsicht nur noch als weiteres Motiv für die Tötung hinzutritt (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 12. Juni 2001 - 5 StR 432/00, NStZ 2002, 253, 254; BGH, Beschluss vom 10. Mai 2000 - 1 StR 617/99, NStZ 2000, 498, 499). Der Angeklagte musste nach den getroffenen Feststellungen nicht damit rechnen, das Landgericht würde als "andere Straftat" die beiden Schläge heranziehen. Das Landgericht ist in seiner rechtlichen Würdigung (UA S. 61) im Übrigen selbst davon ausgegangen, die vorsätzliche Körperverletzung sei gegenüber dem Mord "subsidiär", was eher nicht auf eine "andere Straftat" hinweist.
16
Da weder die Revisionsgegenerklärung noch dienstliche Äußerungen das Gegenteil bekunden (vgl. auch BGH, Urteil vom 15. November 1978 - 2 StR 456/78, BGHSt 28, 196, 199), ist davon auszugehen, dass das Gericht den erforderlichen Hinweis nicht - auch nicht durch den Gang der Hauptverhandlung - erteilt hat.
17
3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht. Die Revision begründet überzeugend, dass der Angeklagte, wenn er vom Gericht den entsprechenden Hinweis erhalten hätte, sich anders und wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Es kann insbesondere nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte, der in der Hauptverhandlung lediglich angegeben hat, Frau K. nicht umgebracht und keinerlei Gelder oder Gegenstände unterschlagen zu haben (UA S. 13), seine Verteidigungsstrategie dahin geändert hätte, sich nunmehr umfänglich in der Sache einzulassen, sei es um weiterhin einen Freispruch zu erreichen, sei es auch z.B. um einen Schuldspruch "nur" wegen Totschlags statt wegen Mordes zu erstreben, indem er - wie oben ausgeführt - Umstände vorgetragen hätte, die eine zu verdeckende "andere Straftat" entfallen lassen.
18
Der Hinweis richtet sich im Übrigen auch an den Verteidiger (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 1992 - 1 StR 368/92 mwN); dieser hat hier im Einzelnen dargelegt, was er bei einem ordnungsgemäßen Hinweis noch vorgebracht hätte. Nack Wahl Rothfuß Elf Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 84/16
vom
25. Oktober 2016
in der Strafsache
gegen
wegen des Verdachts des Mordes
ECLI:DE:BGH:2016:251016B2STR84.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 25. Oktober 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 14. Juli 2015 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern insoweit entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Seine Revision hat mit einer Verfahrensrüge und der Sachrüge Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Der Angeklagte lernte im Februar 2014 H. L. , das spätere Tatopfer , kennen und ging mit ihr eine Beziehung ein. Dabei spiegelte der über ein geringes Selbstwertgefühl verfügende Angeklagte ihr vor, erfolgreich als Vermögensberater tätig zu sein, erhebliche Einkünfte zu erzielen und ihr ein Leben ohne finanzielle Sorgen ermöglichen zu können. Tatsächlich erwirtschaftete der Angeklagte jedoch nur geringe Einkünfte, lebte noch im Haushalt seinerEltern und war nicht in der Lage, teure Urlaube oder eine eigene Wohnung zu finanzieren. Obwohl H. L. durch gemeinsame Freunde darauf aufmerksam gemacht worden war, dass der Angeklagte gelegentlich „aufschneide“, glaubte sie daran, dass er ihr und ihrer Tochter ein Leben in Wohlstand ermöglichen könne. Nachdem beide zunächst in einer Wohnung lebten, die H. L. angemietet hatte, nachdem sie sich von ihrem Ehemann getrennt hatte, zogen sie nach einer Auseinandersetzung mit dem Vater des Tatopfers gemeinsam zu den Eltern des Angeklagten. In der Folge kam es zunehmend zu Spannungen, weil H. L. nicht länger bei den Eltern des Angeklagten leben, sondern entweder in ihre Wohnung zurückkehren oder gemeinsam mit dem Angeklagten eine eigene Wohnung beziehen wollte. Der Angeklagte war aus Furcht vor dem Vater von H. L. nicht bereit, gemeinsam mit ihr in ihrer Wohnung zu leben, konnte jedoch eine gemeinsame Wohnung nicht finanzieren. Gleichwohl spiegelte er H. L. Anfang Juli 2014 vor, eine Wohnung gefunden zu haben. Nach einem Streit, dessen Ursache nicht aufzuklären war, teilte der Angeklagte H. L. mit, den Schlüssel zu dieser Wohnung zurückgegeben zu haben, weil er Zweifel an einer gemeinsamen Zukunft hege. Nach einer Versöhnung spiegelte er H. L. am 7. Juli 2014 – erneut – vor, eine Woh- nung gefunden zu haben und behauptete, dass diese am 9. Juli 2014 bezogen werden könne. H. L. bat am Vorabend des 8. Juli 2014 den Vater ihrer Tochter darum, das Kind zu beaufsichtigen; in Erwartung des unmittelbar bevorstehenden Umzugs in die gemeinsame Wohnung räumte sie den Kleiderschrank im Schlafzimmer ihrer Wohnung aus.
4
Am 9. Juli 2014 um die Mittagszeit fuhren der Angeklagte und H. L. gemeinsam in die Wohnung der Geschädigten und trafen dort kurz nach 12.30 Uhr ein. Der Angeklagte gestand H. L. , dass es an diesem Tag nicht zu einem Umzug in eine neue Wohnung kommen werde. Ungeklärt blieb, ob er ihr außerdem offenbarte, dass er sie bisher angelogen hatte oder ob er eine neue Lüge erfand, um zu erklären, dass entgegen seiner Ankündigung an diesem Tag kein Umzug stattfinden werde. Im Verlaufe der sich daraufhin entwickelnden verbalen Auseinandersetzung erkannte der Angeklagte, dass H. L. sich nunmehr endgültig von ihm trennen werde.
5
Der Angeklagte befürchtete, dass er durch Äußerungen der Geschädigten im „gemeinsamen Freundeskreis oder sogar vor seiner Familie als Lügner und Versager“ erscheine und beschloss daher, die Geschädigte zu töten.
6
In Umsetzung dieses Tatentschlusses wirkte er zunächst mit einem unbekannten Gegenstand oder mit der Faust auf H. L. ein, so dass sie zu Boden stürzte und dort liegen blieb. Anschließend schlug er mit einem Hammer oder mit einem ähnlich geformten, schweren Gegenstand mindestens neun Mal wuchtig auf den Kopf seines Tatopfers ein, wodurch dessen Schädeldecke zweifach zerbrach. Anschließend ergriff der Angeklagte ein Messer oder einen ähnlich scharfen Gegenstand und brachte der Geschädigten insgesamt vier Schnittverletzungen am Hals bei, die zu einer Eröffnung des Kehlkopfs führten. Die Geschädigte verstarb infolge Verblutens, einer durch die Eröffnung des Kehlkopfs herbeigeführten Blutaspiration sowie an den Folgen eines Schädelhirntraumas.
7
Anschließend nahm der Angeklagte das Mobiltelefon der Getöteten an sich, verließ die Wohnung und fuhr mit einem Taxi zurück zur Wohnung seiner Eltern. In den folgenden Tagen versandte der Angeklagte mehrfach mit dem Mobiltelefon der Getöteten Kurznachrichten an sein eigenes Mobiltelefon, um den Eindruck zu erwecken, dass die Geschädigte noch lebe. Nachdem sie schließlich in ihrer Wohnung tot aufgefunden worden war, versuchte er, einen Tatverdacht auf den Vater der Getöteten zu lenken.
8
Das Landgericht hat ausgeführt, der Angeklagte habe H. L. getötet , um sie „davon abzuhalten, in seinem Freundeskreis und der Familie zu äußern, dass der Angeklagte ein Angeber und Lügner sei. Damit drohte seine Scheinwelt zusammenzubrechen, die er sich über mehrere Jahre aufgebaut hatte“ (UA S. 69).Er habe dem Tatopfer, das seine Lügen durchschaut habe, „ein Lebensrecht allein aus dem Grunde“ abgesprochen, „dass er seinen vorge- spielten Status als erfolgreicher Vermögensberater aufrechterhalten und nicht als Lügner überführt werden konnte“ und damit „seine eigenen Interessen an der Aufrechterhaltung seiner gelebten Scheinwelt über das Recht auf Leben der Geschädigten“ gestellt (UA S. 79).

II.

9
1. Die Rüge einer Verletzung des § 265 Abs. 1 StPO ist begründet.
10
a) Die unverändert zugelassene Anklage legte dem Angeklagten zur Last, H. L. getötet zu haben, um die zuvor zu ihrem Nachteil begangene gefährliche Körperverletzung zu verdecken (§ 211 Abs. 2, 3. Gruppe, Var. 2 StGB). Im Eröffnungsbeschluss wurde der Angeklagte zwar darauf hingewiesen , dass auch eine Verurteilung wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen in Betracht komme, wenn „der Angeklagte seine Lebensgefährtin tötete, weil diese sich von ihm trennen und er dies nicht akzeptieren wollte“. Ein Hinweis darauf, dass die Annahme niedriger Beweggründe – wie in den Urteilsgründen geschehen – auch darauf gestützt werden konnte, dass der Angeklagte sie tötete , um zu verhindern, dass sie gegenüber Freunden und der Familie offenbaren könnte, dass er „ein Angeber und Lügner sei“, er mit der Tat habe verhindern wollen, dass die von ihm errichtete „Scheinwelt“ zusammenbreche, ist dem An- geklagten nicht erteilt worden. Dies ist mit § 265 Abs. 1 StPO nicht zu vereinbaren.
11
aa) Ein rechtlicher Hinweis ist zu erteilen, wenn der Angeklagte wegen einer andersartigen Begehungsform des in der zugelassenen Anklageschrift aufgeführten Strafgesetzes verurteilt werden soll. Dies gilt insbesondere beim Übergang vom Vorwurf des Verdeckungsmordes zu dem des Mordes aus niedrigen Beweggründen (vgl. Senat, Urteil vom 20. Februar 1974 – 2 StR 448/73, BGHSt 25, 287, 288 f.). Der rechtliche Hinweis dient dazu, den Angeklagten vor Überraschungen zu schützen und ihm Gelegenheit zu geben, sich gegenüber einem neuen Vorwurf sachgerecht zu verteidigen. Ob es sich um eine andersartige Begehungsform oder um eine gleichartige Erscheinungsform desselben Tatbestands handelt, ist nicht nach den äußeren Merkmalen, sondern nach dem Inhalt der Begehungsform zu entscheiden (Senat aaO).
12
bb) Der im Eröffnungsbeschluss erteilte und vom Vorsitzenden in der Hauptverhandlung ergänzend erläuterte Hinweis genügte – worauf der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zu Recht hingewiesen hat – nicht den insoweit geltenden inhaltlichen Anforderungen. Der rechtliche Hinweis muss so abgefasst sein, dass der Angeklagte erkennt, durch welche konkreten Tatsachen das Gericht das Mordmerkmal als erfüllt ansieht. Nur solchermaßen präzise abgefasst kann der Hinweis die ihm zugedachte Funktion erfüllen, den Angeklagten vor Überraschungsentscheidungen zu schützen und ihm Gelegenheit zu geben, sich gegenüber dem Tatvorwurf sachgerecht zu verteidigen (vgl. Senat , Beschluss vom 21. April 2004 – 2 StR 363/03, NStZ 2005, 111, 112; Beschluss vom 23. März 2011 – 2 StR 584/10, NStZ 2011, 475).
13
cc) Das Gericht wäre bei der hier gegebenen Sachlage verpflichtet gewesen , neben dem Hinweis auf das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe auch diejenigen Tatsachen und Umstände konkret zu benennen, die dieses Mordmerkmal ausfüllen könnten. Der bloße Hinweis darauf, dass das Mordmerkmal erfüllt sein könne, wenn und soweit die Motivation zur Tat darin zu sehen sein sollte, dass der Angeklagte „die Trennung nicht habe akzeptieren wol- len“, genügte insoweit nicht. Insbesondere war diesem Hinweis nicht zu ent- nehmen, dass die Kammer in Erwägung ziehen könnte, anzunehmen, dass der Angeklagte seine Freundin getötet haben könne, um zu verhindern, dass sie Freunden gegenüber seine tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse aufdecke und die von ihm aufgebaute Scheinwelt einstürzen könne.
14
c) Der Senat vermag nicht mit Sicherheit auszuschließen, dass der Angeklagte sich anders als geschehen verteidigt hätte, wenn der Hinweis erteilt worden wäre.
2. Auch die Sachrüge hat Erfolg. Die Beweiswürdigung hält rechtlicher
15
Überprüfung nicht stand.
16
a) Dem Tatrichter obliegt es, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist auf die Frage beschränkt, ob ihm dabei ein Rechtsfehler unterlaufen ist. Dies ist unter anderem der Fall, wenn die Beweiserwägungen unklar oder lückenhaft sind oder der Tatrichter nicht sämtliche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Dabei dürfen die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert voneinander bewertet, sondern sie müssen in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt werden. Die zur richterlichen Überzeugung erforderliche persönliche Gewissheit setzt zudem ausreichende objektive Grundlagen voraus. Deshalb müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer nachvollziehbaren Tatsachengrundlage beruht, und dass sich die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht als bloße Vermutung erweist (Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2015 – 2 StR 4/15, NStZ-RR 2016, 144).
17
b) Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe hinsichtlich des Tatmotivs nicht gerecht. Die vom Schwurgericht angestellten Beweiserwägungen zum Tatmotiv des Angeklagten sind lückenhaft und unklar. Die vom Schwurgericht gezogenen Schlussfolgerungen erweisen sich auf dieser Grundlage als bloße Spekulation.
18
Soweit das Landgericht davon ausgegangen ist, dass die unmittelbar vor der Tat ausgesprochene Trennungsabsicht des Tatopfers vom Angeklagten „lediglich der Auslöser und nicht der Hintergrund der Tötung“ gewesen sei, hat es seine Überzeugung auf den Umstand gestützt, dass der Angeklagte die wenige Tage zuvor ausgesprochene Trennung akzeptiert und sich „ruhig“ verhalten habe. Die insoweit getroffenen Feststellungen sind jedoch zumindest unklar. Zwar hat das Schwurgericht festgestellt, dass die Geschädigte wegen einer „kurzzeitigen Trennung von dem Angeklagten“die Nacht vom 3. auf den 4. Juli 2014 in ihrer eigenen Wohnung in F. und nicht gemeinsam mit dem Angeklagten in der Wohnung seiner Eltern verbracht habe (vgl. UA S. 12). Zugleich ist jedoch festgestellt, dass sie ihm über einen Kurznachrichtendienst am 3. Juli 2014 mitgeteilt hat, dass sie ihn heiraten und mit ihm und nicht mit seiner Familie zusammenleben wolle (UA S. 13). Damit bleibt of- fen, ob die wenige Tage vor der Tat erfolgte „kurzzeitige Trennung“ nicht vom Angeklagten ausging. Er hatte H. L. am 4. Juli 2014 durch eine Kurznachricht mitgeteilt, dass er den Schlüssel zu einer vermeintlich von ihm besichtigten Wohnung zurückgegeben habe, weil er „davon ausgegangen“ sei, dass die Beziehung beendet sei (UA S. 14); die Geschädigte hatte in ihrer Antwort eine Trennung in Abrede gestellt. Diese gegen eine Trennung wenige Tage vor der Tat sprechenden Umstände hätte das Schwurgericht in seine Erwägungen einbeziehen und erörtern müssen; sie konnten Zweifel daran wecken, dass es wenige Tage vor der Tat zu einer Trennung von Seiten des Tatopfers gekommen war, die der Angeklagte klaglos akzeptiert habe.
19
Damit fehlt der vom Schwurgericht angestellten Prüfung der Motivlage die Grundlage. Ausgangspunkt seiner – eher spekulativ anmutenden – Erwägungen zum Tötungsmotiv des Angeklagten ist die Überzeugung, dass er eine erste, wenige Tage zuvor erfolgte Trennung seitens der Geschädigten „klaglos“ hingenommen habe. Deshalb, so das Schwurgericht, sei die Trennung und die darin begründete Verlustangst nicht als ausreichend anzusehen, um den Angeklagten zur Tötung der Geschädigten zu motivieren. Weil die Art der Verletzungen im Kopf-, Hals- und Gesichtsbereich „einen gewissen Bestrafungscharak- ter“habe und darauf hindeute, dass der Angeklagte „die Schönheit der Geschädigten angegriffen“ habe, stehe fest, dass „die Motivation zur Tötung der Geschädigten darin liege, diese davon abzuhalten, in seinem Freundeskreis und der Familie zu äußern, dass der Angeklagte ein Angeber und Lügner sei.“ Diesen Erwägungen fehlt es an einer tragfähigen Grundlage.

III.


20
Bei dieser Sachlage bedarf die Sache insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
21
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
22
Das vom Angeklagten abgelegte polizeiliche Geständnis vom 23. Juli 2014 ist unter Verstoß gegen § 136a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 StPO zustande gekommen und daher unverwertbar. Der Vernehmungsbeamte hatte den Angeklagten in seiner ersten Beschuldigtenvernehmung mehrfach darauf hingewiesen , dass er ihn zwar nicht für einen „Mörder“ halte, dass die Tat aber angesichts der gravierenden Verletzungsfolgen und des Nachtatverhaltens wie ein „richtiger, klassischer Mord“ erscheine, wenn er – der Beschuldigte – dies nicht richtigstelle und sich zur Sache einlasse. Daraufhin äußerte sich der Beschuldigte zur Sache und räumte den äußeren Tatablauf weitgehend ein.
23
Diese Verfahrensweise war mit § 136a Abs. 1 StPO, der nach § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO auch für Polizeibeamte gilt, nicht zu vereinbaren. Zwar schließt § 136a Abs. 1 Satz 1 StPO nicht die Anwendung jeder List bei einer Vernehmung aus. Die Vorschrift verbietet aber eine Lüge, durch die der Beschuldigte bewusst irregeführt und in seiner Aussagefreiheit beeinträchtigt wird. Weiß der Vernehmende, dass aufgrund der bisherigen Ermittlungen kein dringender Tatverdacht bezüglich eines Mordes besteht, erklärt aber trotzdem, die vorliegenden Beweise ließen dem Beschuldigten keine Chance, er könne seine Lage nur durch ein Geständnis verbessern, so täuscht er ihn über dieBeweisund Verfahrenslage (BGH, Urteil vom 24. August 1988 – 3 StR 129/88, BGHSt 35, 328). So liegt es hier. Ausweislich des den Verwertungswiderspruch zurückweisenden Beschlusses des Schwurgerichts hatte der Vernehmungsbeamte in seiner Vernehmung glaubhaft erklärt, dass die Polizeibeamten „selbst damals zunächst nicht von Mordmerkmalen ausgegangen seien, sondern von einer spontanen Tat, einer Affekttat oder einer Beziehungstat. Mordmerkmale hätten sich für sie erst nach dem Geständnis des Angeklagten offenbart.“ Damit steht fest, dass der Angeklagte bewusst darüber getäuscht worden ist, dass zureichende Anhaltspunkte für den Tatvorwurf des Mordes bestünden.
24
Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird zu beachten haben, dass die strafschärfende Erwägung, der Angeklagte habe „einem Kind die Mutter genommen“, im Einzelfall rechtlich bedenklich sein kann (zuletzt BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 – 1 StR 574/14, BGHR StGB § 213 Strafzumessung 3). Fischer Krehl RinBGH Dr. Ott ist aus rechtlichen Gründen an der Unterschrift gehindert. Fischer Zeng Bartel

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 584/10
vom
23. März 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers gemäß § 349 Abs. 2 und 4
StPO am 23. März 2011 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 13. April 2010 aufgehoben
a) im Schuld- und Strafausspruch im Fall 2 der Urteilsgründe (Tötung des N. ) mit den Feststellungen zu den Voraussetzungen der Mordmerkmale;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes und wegen Totschlags zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Seine auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat im Fall 2 mit einer Verfahrensrüge den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Erfolg ; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
Am Tattag begab sich der Angeklagte zur Wohnung der später getöteten Ni. , mit der er seit einiger Zeit eine sexuelle Beziehung hatte. In einem Rucksack führte er eine geladene Pistole mit sich. In der Wohnung traf er auf das weitere Tatopfer N. , mit dem Ni. ebenfalls ein Verhältnis hatte und zusammenlebte. Der Angeklagte forderte von Ni. eine Entscheidung zwischen ihm und N. , die sie jedoch nicht traf. Im Laufe der Diskussion verließ N. die Wohnung. Zum weiteren Geschehen konnte lediglich festgestellt werden, dass Ni. gegen 18.30 Uhr mit ihrem Pkw, dessen Dach und Fenster geschlossen waren, die Tiefgarage verlassen wollte. Als sie an dem nach draußen führenden Rolltor stand, wurde sie von dem Angeklagten von der geöffneten Beifahrertür aus mit vier bis fünf Schüssen getötet. Ungefähr um 18.45 Uhr erschien N. in der Tiefgarage und trat auf der Fahrerseite an das Fahrzeug heran. Der Angeklagte gab mit direktem Tötungsvorsatz zwei bis drei Schüsse auf ihn ab. Dabei stand er rechts unmittelbar neben dem Fahrzeug ungefähr auf Höhe der Beifahrertür und schoss über das Dach des Pkw hinweg. N. wurde von zwei der Schüsse getroffen ; einer durchschlug den linken Ellenbogen, ein weiterer traf ihn in den Oberbauch. Er wandte sich in Richtung Treppenhaus, um zu fliehen. Der Angeklagte holte ihn ein und versetzte ihm mit dem Griff der Pistole von hinten einen Schlag auf den Kopf. N. ging zu Boden und blieb auf dem Bauch liegen. Der Angeklagte gab nunmehr aus einer Entfernung von 40-60 cm mit direktem Tötungsvorsatz drei Schüsse in den Rücken von N. ab, an denen dieser verstarb.
4
Das Landgericht hat die erste Tat zum Nachteil von Ni. ohne Rechtsfehler als Totschlag gewertet und hierfür eine Freiheitsstrafe von neun Jahren für tat- und schuldangemessen gehalten. Hinsichtlich der Tötung des N. (Fall 2) ist die Kammer davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte wegen Mordes schuldig gemacht hat. Die bei der Tatausführung für ihn bestimmenden Gefühle der Wut auf N. , der nach seiner Ansicht für die Entwicklung der Beziehung zu Ni. mitursächlich gewesen sei, seien niedrige Beweggründe. Heimtücke sei nicht gegeben, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass das Tatopfer N. nicht arglos gewesen sei, als er an das Fahrzeug herantrat. Dass Verdeckungsabsicht neben der Wut als Tatmotiv für den Angeklagten handlungsleitend gewesen sei, sei nicht sicher feststellbar gewesen.
5
2. Die Revision des Angeklagten hat im Fall 2 mit einer Verfahrensrüge - Verletzung des § 265 Abs. 1 StPO - Erfolg.
6
a) Der Rüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
7
Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage vom 10. November 2009 legte dem Angeklagten im Fall 2 zur Last, N. heimtückisch und zur Verdeckung einer Straftat getötet zu haben. Am 9. Verhandlungstag (19. März 2010) erteilte das Landgericht folgenden rechtlichen Hinweis: "In der Strafsache gegen K. werden der Angeklagte und seine Verteidiger darauf hingewiesen, dass statt des angeklagten zweifachen Mordes auch eine Bestrafung wegen zweifachen Totschlags, § 212 StGB, wie auch im zweiten Fall eine Bestrafung wegen einer heimtückischen Tötung zur Verdeckung einer Straftat und aus niedrigen Beweggründen in Betracht kommt."
8
Weitere Hinweise oder Erläuterungen erfolgten in der Hauptverhandlung nicht. Am 22. März 2010 fragte einer der Verteidiger des Angeklagten telefonisch bei der Berichterstatterin und stellvertretenden Vorsitzenden an, welchen niedrigen Beweggrund die Kammer in Betracht ziehe. Er erhielt sinngemäß die Antwort, dass an einen Beweggrund im Zusammenhang mit der Geschichte der Dreiecksbeziehung im Vorfeld gedacht werden könne. Auf weiteres konkretes Nachfragen entgegnete die Richterin, dass sie nicht mehr sagen könne, sie habe sich ohnehin schon "zu weit aus dem Fenster gelehnt".
9
b) Diese Verfahrensweise ist mit § 265 Abs. 1 StPO nicht zu vereinbaren. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass es eines förmlichen rechtlichen Hinweises auf das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe bedurfte. Ein solcher Hinweis muss nicht nur erteilt werden, wenn ein anderes Strafgesetz als das im Eröffnungsbeschluss genannte angewandt, sondern auch dann, wenn der Angeklagte wegen einer andersartigen Begehungsform desselben Strafgesetzes verurteilt werden soll (BGHSt 23, 95, 96). Das Schwurgericht muss deshalb regelmäßig darauf hinweisen, wenn es abweichend vom Anklagevorwurf wegen eines anderen Mordmerkmals verurteilen will (vgl. BGHSt 23, 95; 25, 287; Urteil vom 14. April 1953 - 1 StR 152/53). Mit Rücksicht auf den Regelungszweck des § 265 Abs. 1 StPO ist dies jedenfalls dann anzunehmen, wenn die in Betracht kommenden Begehungsformen sich in ihren objektiven und subjektiven Voraussetzungen so stark voneinander unterscheiden , dass eine umfassende Verteidigung des Angeklagten nur durch eine förmliche Unterrichtung gesichert werden kann. Das ist der Fall, wenn das Schwurgericht den Angeklagten wie hier abweichend vom Anklagevorwurf nicht aus dem Gesichtspunkt der Heimtücke, sondern dem der niedrigen Beweggründe wegen Mordes verurteilen will; dasselbe gilt beim Übergang vom Vorwurf des Tötens in Verdeckungsabsicht zum Vorwurf des Tötens aus Wut als niedrigem Beweggrund (BGHSt 25, 287, 289 f.).
10
Die Revision macht zu Recht geltend, dass der rechtliche Hinweis nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprach. Der Hinweis muss - allein oder in Verbindung mit der zugelassenen Anklage - dem Angeklagten hinreichend erkennbar machen, durch welche Tatsachen das Gericht die gesetzlichen Merkmale als erfüllt ansieht (BGH NStZ 1993, 200 mwN). Das gilt auch für das Mordmerkmal der sonstigen niedrigen Beweggründe (Senat BGH NStZ 2005, 111). Nur so kann er seine Funktion erfüllen, den Angeklagten vor Überraschungsentscheidungen zu schützen und ihm die Gelegenheit zu geben, sich gegenüber dem neuen Vorwurf zu verteidigen.
11
Der bloße, zudem als solcher wegen der kumulativen Aufzählung der in Betracht kommenden Mordmerkmalen schon nicht unmissverständliche Hinweis war hier nicht geeignet, den Angeklagten ausreichend darüber zu informieren , welche Umstände nach Auffassung des Gerichts Grundlage der neuen rechtlichen Bewertung sein konnten. Erläuternde Angaben waren auch nicht entbehrlich. Weder der Anklage noch der in der Revisionsschrift wiedergegebenen und als Anlage zum Hauptverhandlungsprotokoll genommenen Erklärung des Angeklagten lassen sich Tatsachen entnehmen, aus denen auf das Vorliegen niedriger Beweggründe, insbesondere auf die vom Landgericht im Urteil angenommene "Wut", geschlossen werden konnte. Die von der stellvertretenden Vorsitzenden am Telefon abgegebene Erklärung war - abgesehen davon, dass sie in formeller Hinsicht nicht die Anforderungen an einen Hinweis nach § 265 Abs. 1 StPO erfüllte - ersichtlich ebenfalls nicht geeignet, den Verteidiger über die tatsächliche Grundlage des abweichenden rechtlichen Gesichtspunktes zu informieren und den Angeklagten vor einer Überraschungsentscheidung zu bewahren.
12
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem unzureichenden Hinweis beruht. Insoweit hat die Verteidigung in der Revisionsschrift im Einzelnen dargelegt, was sie bei einem ordnungsgemäßen Hinweis gegen den - im Übrigen auch nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht nahe liegenden Vorwurf niedriger Beweggründe - noch vorgebracht hätte.
13
3. Der Rechtsfehler erfasst lediglich die Feststellungen zu den Voraussetzungen der Mordmerkmale im Fall 2 sowie den Ausspruch über die Gesamtstrafe. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können aufrechterhalten bleiben; ergänzende Feststellungen sind möglich, so weit sie dazu nicht im Widerspruch stehen.
14
4. Im Übrigen weist der Senat auf Folgendes hin:
15
Der neue Tatrichter wird sich - ohne dass dem das Verschlechterungsverbot entgegensteht (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) - erneut mit dem Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht zu befassen haben. Die Ausführungen hierzu im angefochtenen Urteil sind nicht frei von Widersprüchen. Das Landgericht legt seiner rechtlichen Bewertung zugrunde, dass bei der Tötung von N. eine Absicht des Angeklagten, die vorangegangene Tötung von Ni. zu verdecken, nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen sei (UA 28). Hiermit lassen sich jedoch die Erwägungen bei der Beweiswürdigung nicht ohne Weiteres in Einklang bringen. Dort heißt es u.a., dass sich Gründe, warum dem Angeklagten zur Zeit der Begehung der Tat nicht bewusst gewesen sein solle, dass er mit der Tötung von N. einen Zeugen tötete, ohne den die Ermittlung seiner Person als Täter wesentlich erschwert werden würde, "nicht ergeben" hätten (UA 110). Darüber hinaus zählt das Urteil Umstände auf, "die darauf hindeuten, dass die Verdeckung seiner Täterschaft eine der Haupttriebfedern für die Begehung der Tat gewesen sein kann" (UA 110-113). Gesichtspunkte, die gegen eine Verdeckungsabsicht sprechen könnten, werden dagegen nicht erörtert.

Fischer Schmitt Berger Krehl Eschelbach

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 363/03
vom
21. April 2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen Mordes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 21. April 2004 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30. Januar 2003 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Mordes schuldig gesprochen und gegen die Angeklagten C. und A. jeweils lebenslange Freiheitsstrafen - bei dem Angeklagten A. unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 16. April 2002 als Gesamtstrafe - verhängt. Den Angeklagten T. hat es zu acht Jahren und sechs Monaten Jugendstrafe, den Angeklagten Ci. zu acht Jahren Jugendstrafe und den Angeklagten G. unter Einbeziehung weiterer Verurteilungen zu einer Einheitsjugendstrafe von neun Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren auf die Sachrüge und Verfahrensrügen gestützten Revisionen.

I.


Nach den Feststellungen des Landgerichts hielten die Ang eklagten A. C. , , T. , Ci. und G. am frühen Morgen des 20. Oktober 2001 nach 3.30 Uhr Uhr in Frankfurt ein Taxi an, um nach dem Besuch eines Lokals nach Hause zu fahren. Der Fahrer des Taxis, das spätere Opfer E. , weigerte sich jedoch, den erkennbar angetrunkenen Angeklagten G. zu befördern und veranlaßte diesen und den ebenfalls bereits eingestiegenen AngeklagtenA. wieder auszusteigen. Diese waren über die Beförderungsverweigerung verärgert, knallten die Türen des Taxis zu und einer von ihnen trat gegen das Fahrzeug. Der Taxifahrer stieg aus, um die Angeklagten zur Rede zu stellen und seinen Wagen auf Beschädigungen zu untersuchen. Dies erregte den Angeklagten Ci. , der sich auf den Taxifahrer stürzte. Die weiteren Angeklagten folgten dem Angeklagten Ci. . E. flüchtete mit einem Sprung in seinen Wagen, konnte allerdings die Tür nicht mehr schließen. Der Angeklagte A. versuchte ihn herauszuziehen und hielt ihn fest, während die neben ihm an der geöffneten Fahrertür stehenden Angeklagten T. und C. mehrfach auf das Opfer einstachen. Ein von dem AngeklagtenC. versetzter Stich traf die rechte Herzkammer und die Herzscheidewand des Opfers. Die AngeklagtenCi. und G. standen unmittelbar hinter den anderen Angeklagten und versuchten ebenfalls auf das Opfer einzudringen. Sie billigten das Handeln der anderen Angeklagten und schlugen und traten auf E. ein, nachdem dieser aus dem Taxi gezerrt worden war. Nachdem das Tatopfer zusammengebrochen war, verließen alle Angeklagten den Tatort. E. verstarb noch in der Nacht trotz einer Notoperation.
Das Landgericht hat das Tatgeschehen für alle Angeklagte n als gemeinschaftlichen Mord aus niedrigen Beweggründen gewertet. Die niedrigen Beweggründe hat es im wesentlichen in einem krassen Missverhältnis zwischen Anlaß und Tat gesehen.

II.


Die Revisionen führen zur Aufhebung des Urteils. Zwar b egegnet weder die Beweiswürdigung noch die rechtliche Würdigung der Jugendkammer sachlichrechtlichen Bedenken. Die Rechtsmittel der Angeklagten haben jedoch mit einer Verfahrensrüge - Verletzung des § 265 Abs. 1 StPO - Erfolg.

a) Der Rüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage legte den Angeklagten A. , C. , Ci. undT. gemeinschaftlichen Totschlag in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei, dem Angeklagten G. versuchte Körperverletzung in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei zur Last.
Am 3. Hauptverhandlungstag (16. Juli 2002) erteilte d er Vorsitzende der Jugendkammer - nachdem sich zuvor lediglich die Angeklagten T. und A. zur Sache eingelassen hatten - folgenden rechtlichen Hinweis:
"An den Angeklagten T. erfolgte der rechtliche Hinweis, daß möglicherweise eine Verurteilung wegen Mordes nach § 211 StGB unter dem Gesichtspunkt des niedrigen Beweggrundes, auch in Verbindung
mit Versuch, wie auch in Verbindung mit § 28 StGB in Betracht kommt, unter Hinweis auf Heft 2 NStZ aus 2002. Soweit die Anklage gegen A. , Ci. und C. gemeinsamen Totschlag umfaßt, könnte auch gemeinsam begangener Mord vorliegen, je nach Feststellbarkeit niedriger Beweggründe (§ 28 StGB)." Der Angeklagte G. wurde am 8. Hauptverhandlungstag (1. August 2002) darauf hingewiesen,
"daß der bereits erteilte rechtliche Hinweis, daß auch eine Verurteilung nach § 211 StGB wegen Mordes in Betracht kommen kann, auch für ihn gilt." Weitere Hinweise oder eine Erläuterung erfolgten nicht. Die Angeklagten C. , Ci. und G. ließen sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache ein.
b) Zu Recht beanstanden die Angeklagten, daß der Hinweis den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprach. Nach § 265 Abs. 1 StPO darf ein Angeklagter nicht aufgrund eines anderen Strafgesetzes als in der zugelassenen Anklage aufgeführt verurteilt werden , ohne auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes hingewiesen worden zu sein. Der Inhalt des Hinweises richtet sich nach dem konkreten Einzelfall (Engelhardt in KK 5. Aufl. § 265 Rdn. 17). Er genügt nur dann den gesetzlichen Anforderungen, wenn er es dem Angeklagten ermöglicht, die Verteidigung auf den neuen Gesichtspunkt einzurichten. Erfolgt der Hinweis, es komme in Abweichung zur zugelassenen Anklage Mord in Betracht, muß für den Angeklagten auch erkennbar sein, welches Mordmerkmal gemeint ist (BGH StV 1998, 583). Ob bei dem Mordmerkmal der sonstigen niedrigen Beweg-
gründe dabei auch regelmäßig die Einordnung in eine der von der Rechtsprechung und Literatur erarbeiteten Fallgruppen oder jedenfalls die Angabe der rechtlichen Anknüpfungspunkte für die Bewertung des Beweggrunds als niedrig zu fordern ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn jedenfalls muß der Hinweis erkennen lassen, durch welche Tatsachen das Gericht die gesetzlichen Merkmale der Tat als erfüllt ansieht (BGH NStZ 1993, 200 = BGHR StPO § 265 Abs. 1 Hinweis 3; NStZ 1998, 529, 530 = StV 1998, 582, 583). Dem wird der den Angeklagten unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Senats vom 19. Oktober 2001 - 2 StR 259/01 (BGHSt 47, 128 = NStZ 2002, 84) erteilte Hinweis nicht gerecht.
aa) Die Strafkammer hat zwar auf den Mordtatbestand und auf das Mordmerkmal des niedrigen Beweggrunds hingewiesen. Zweifelhaft erscheint aber schon, ob die per se nicht sehr präzise Bezugnahme auf die in Heft 2 NStZ 2002 (= NStZ 2002, 84) veröffentliche Senatsentscheidung nur für den Angeklagten T. oder auch für die anderen Angeklagten gelten sollte. Selbst wenn man dies dem Zusammenhang der allen Angeklagten erteilten Hinweise noch entnehmen könnte, wäre der Hinweis sowohl im Hinblick auf die rechtlichen Bewertungskriterien zur Annahme dieses Mordmerkmals als auch im Hinblick auf die dieser Bewertung zugrunde liegenden Tatsachen irreführend. Denn in der angesprochenen Senatsentscheidung ging es um die Annahme niedriger Beweggründe bei einer Tötung in dem Bewußtsein, keinen Grund dafür zu haben oder zu brauchen oder bei einem bewußten Abreagieren von frustrationsbedingten Aggressionen an einem unbeteiligten Opfer. Nach den Feststellungen haben sich die Angeklagten jedoch auf den Taxifahrer gestürzt und seine Tötung jedenfalls in Kauf genommen, weil dieser sich erdreistete , auszusteigen und gegen ihre Handlungen - Treten gegen das Fahrzeug -
aufzubegehren. Dieser Grund war bei objektiver Betrachtung allerdings geringfügig und rechtfertigt die Annahme eines krassen Mißverhältnisses von Anlaß und Tat, von dem die Kammer ausgegangen ist. Demgegenüber läßt sich den Feststellungen mindestens nicht eindeutig entnehmen, daß die Angeklagten - entsprechend dem Sachverhalt in der angeführten Senatsentscheidung - subjektiv davon ausgegangen sind, für eine Tötung keinen Anlaß zu haben oder zu brauchen.
bb) Erst recht war dieser Hinweis nicht geeignet, die Angeklagten ausreichend darüber zu informieren, welche Tatsachen nach Auffassung des Gerichts Grundlage einer solchen Bewertung sein könnten. Diese Angabe war hier auch nicht entbehrlich. Von einer ausdrücklichen Bezeichnung der Tatsachen darf nur dann abgesehen werden, wenn nach dem Inbegriff der bis dahin durchgeführten Hauptverhandlung kein Zweifel bestehen kann, an welche tatsächlichen Umstände der Hinweis anknüpft (BGHSt 13, 320, 325; 18, 56, 57; BGHR StPO § 265 Abs. 1 Hinweis 3; BGH StV 1984, 190, 191; NStZ 1993, 200; 1998, 529, 530 = StV 1998, 582).
Weder der Anklageschrift noch den im Urteil wiedergegebenen Einlassungen der Angeklagten lassen sich Tatsachen entnehmen, die einer der angeführten Senatsentscheidung (BGHSt 47, 128 f.) zugrunde liegenden Fallgestaltung entsprechen. Nach der zugelassenen Anklage war Anlaß der - für den Taxifahrer tödlich endenden - Auseinandersetzung ein Wortgefecht zwischen den Angeklagten und dem Opfer nach dessen Weigerung, den betrunkenen Angeklagten G. zu befördern. Der Angeklagte A. hatte in seiner - von der Kammer als widerlegt angesehenen - Einlassung von einem Angriff des Taxifahrers auf den Angeklagten Ci. berichtet und von seinen eigenen
Bemühungen, die Auseinandersetzung zu schlichten. Der Angeklagte T. ließ sich dahin ein, Ausgangspunkt der Tat sei gewesen, daß der Taxifahrer den AngeklagtenCi. getreten habe, woraufhin sich dieser mit ihm geschlagen habe. Soweit er weiter angegeben hat, er wisse nicht, warum er dann auf den Taxifahrer eingestochen habe, und denke seit Monaten darüber nach, läßt sich dieser Einlassung nur entnehmen, daß der Angeklagte seine Verhaltensweise nachträglich als unverständlich empfindet.
Danach blieben - abweichend von der von der Kammer im Urteil zu Grunde gelegten Fallgestaltung, nach der alle Angeklagten, die Absicht des Tatopfers, sie zur Rede stellen zu wollen, mit Gewalt ahnden wollten - weitere Sachverhaltsvarianten, etwa Reaktion auf vorangegangenes Wortgefecht oder tätliche Auseinandersetzung, möglich.

c) Der von der Strafkammer erteilte Hinweis war danach rechtsfehlerhaft. Auf diesem Rechtsfehler kann das Urteil auch beruhen. Der Senat vermag nicht auszuschließen, daß die Angeklagten bei Erteilung eines rechtsfehlerfreien Hinweises weitere bzw. die in der Hauptverhandlung bisher schweigenden Angeklagten überhaupt Angaben gemacht hätten, die zu einer abweichenden rechtlichen Würdigung geführt hätten. Dem steht nicht entgegen, daß die Verteidigung keine Erläuterung des Hinweises bzw. keine Unterbrechung der Hauptverhandlung beantragt hatte. Nach dem Hinweis mußten die Angeklagten A. , C. , Ci. und G. nicht davon ausgehen, daß die Kammer die Mordmerkmale bereits als erfüllt ansah, da der Hinweis ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Feststellbarkeit der niedrigen Beweggründe erteilt worden war und auch die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer nur eine Verurteilung wegen Totschlags beantragt hatte.

III.


Die sofortige Beschwerde des Nebenklägers gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils ist damit gegenstandslos.
VRi'inBGH Dr. Rissing-van Saan Bode Otten ist durch Urlaubsabwesenheit an der Unterschrift gehindert. Bode Rothfuß Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 352/08
vom
30. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. Oktober
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 28. März 2008 wird verworfen.
2. Die Angeklagte trägt die Kosten ihres Rechtsmittels.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Sie beanstandet insbesondere die Annahme des mordqualifizierenden Merkmals der Tötung aus niedrigen Beweggründen. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


2
Im Januar 2007 wurde die Angeklagte nach einem intimen Kontakt mit einer Diskothekenbekanntschaft schwanger. Dies wollte sie jedoch nicht wahrhaben. Vielmehr hielt sie ihre Schwangerschaft selbst gegenüber ihrer engsten Umgebung - so auch gegenüber ihrem heutigen Verlobten, der bereits seinerzeit mit ihr zusammen im Haus ihrer Eltern lebte - geheim. Als sie in der ersten Oktoberwoche Kindsbewegungen in ihrem Körper feststellte, beschloss sie für sich, dass sie dieses Kind "nicht haben wollte". Alternative Möglichkeiten wie die Freigabe zur Adoption oder die Abgabe in einer Babyklappe verwarf sie. Dass sie bereits in diesem Zeitpunkt vorhatte, das Kind zu töten, vermochte das Landgericht nicht festzustellen. In der Nacht zum 18. Oktober 2007 brachte sie im Badezimmer - ohne dass ihr heutiger Verlobter davon etwas mitbekam - einen männlichen Säugling zur Welt. Spätestens in diesem Augenblick entschloss sie sich, das Kind zu töten. "Sie befürchtete, ihr bisheriges Leben, das sich im Wesentlichen dadurch auszeichnete, dass sie keinerlei Verantwortung für sich oder andere trug, in den Tag hinein lebte und von ihren Eltern unterstützt wurde , nicht fortsetzen zu können. Sie fühlte sich zu jung für ein Kind und wollte 'noch etwas erleben' ... . Daneben spielte auch die untergeordnete und diffuse Angst davor eine Rolle, dass ihr heutiger Verlobter die Beziehung zu ihr beenden würde. Dies wollte die Angeklagte verhindern". Sie nahm das Kind und warf es über einen hölzernen Sichtschutz hinweg in den hinter dem elterlichen Anwesen entlang führenden Mühlgraben. In diesem Zeitpunkt war das Kind nicht ausschließbar infolge Einatmens von zu viel Fruchtwasser bereits verstorben. Die Angeklagte selbst ging jedoch bis zum Schluss davon aus, dass das Kind noch lebe.

II.


3
1. Die Annahme des Landgerichts, die Angeklagte habe aus niedrigen Beweggründen im Sinne des Mordtatbestandes des § 211 Abs. 2 StGB gehandelt , begegnet entgegen der Auffassung der Revision, der der Generalbundesanwalt beigetreten ist, keinen rechtlichen Bedenken.
4
a) Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat "niedrig" sind und - in deutlich weiterreichendem Maße als ein Totschlag - verachtenswert erscheinen , hat auf Grund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Umstände der Tat, der Lebensverhältnisse des Täters und seiner Persönlichkeit zu erfolgen (st. Rspr.; vgl. BGHSt 47, 128, 130 m.w.N.). Bei den insoweit zu treffenden Wertungen steht dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum zu, den das Revisionsgericht nicht durch eigene Erwägungen ausfüllen kann (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 47; Senatsurteil vom 19. Juni 2008 - 4 StR 105/08). Danach ist die Annahme niedriger Beweggründe hier aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
5
Die Angeklagte wollte, als sie sich zur Tötung des Kindes entschloss, nach ihren eigenen Angaben "noch etwas erleben" und jetzt noch nicht die Verantwortung für ein Kind übernehmen. Demgegenüber war - wie das Landgericht mit tragfähiger Begründung ausgeführt hat - die diffuse Angst der Angeklagten, ihr heutiger Verlobter könne sich wegen des Kindes womöglich von ihr trennen, nur von untergeordneter Bedeutung. Vielmehr wollte die Angeklagte nach der rechtsfehlerfrei gewonnenen Überzeugung des Landgerichts "entscheidungslenkend" das Kind als "Störfaktor" beseitigen, um ihr bisheriges Leben in gewohnter Form fortsetzten zu können. Dass der Täter auch eigene Interessen verfolgt, ist zwar der Regelfall der vorsätzlichen Tötung eines Anderen und rechtfertigt deshalb noch nicht ohne Weiteres die Qualifikation der Tat als Mord. Deshalb wird auch nach Aufhebung des § 217 StGB a.F. durch das 6. StrRG (vgl. dazu BTDrucks 13/8587 S. 34) in den Fällen der Kindstötung die Annahme von Mord nur ausnahmsweise in Betracht kommen (vgl. Senatsurteil vom 19. Juni 2008 – 4 StR 105/08). Anders verhält es sich jedoch, wenn die Tat von besonders krasser Selbstsucht geprägt ist. So liegt es hier.
6
b) Ein durchgreifender Rechtsfehler ergibt sich auch nicht daraus, dass das Landgericht nicht ausdrücklich erörtert hat, dass die Angeklagte die Umstände , die die Niedrigkeit ihrer Beweggründe ausmachen, im Tatzeitpunkt in ihrer Bedeutung für die Tatausführung in ihr Bewusstsein aufgenommen und erkannt hat. Näherer Ausführungen hierzu bedurfte es vorliegend nicht. Die An- geklagte war im Tatzeitpunkt trotz der Belastung durch die Geburt nach den Ausführungen des gehörten psychiatrischen Sachverständigen, denen die Kammer gefolgt ist und gegen die auch die Revision nichts einwendet, uneingeschränkt schuldfähig. Sie hat sich zudem im Laufe des Verfahrens mehrfach ausdrücklich zu dem festgestellten, von Eigensucht geprägten Motiv bekannt. Mag manches - wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift an den Senat zu bedenken gegeben hat - in dem Verhalten und in den Äußerungen der Angeklagten auch für eine gewisse Naivität und Unreife sprechen, vermag dies gleichwohl die subjektive Tatseite nicht ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Denn die Angeklagte hat sich auch im Nachhinein nicht etwa von ihren sie bei der Tat beherrschenden Beweggründen distanziert, sondern hat noch in der Hauptverhandlung "schnippisch und zumeist genervt" auf ihrem Standpunkt beharrt. Unter diesen Umständen hat der Umstand, dass die Angeklagte nach den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen eine hohe Impulsivität und eine Neigung zum Blockieren aufweist, für die innere Tatseite ersichtlich keine Bedeutung. Hinzu kommt, dass auch die Art und Weise der Tatausführung selbst (der Wurf des Kindes über die Holzbarriere hinweg in den Mühlgraben) eine erschreckende „Wegwerfmentalität“ offenbart.
7
2. Der in Anbetracht der Tatumstände vergleichsweise milde Strafausspruch weist ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf.
8
Damit hat es bei dem angefochtenen Urteil sein Bewenden.
Tepperwien Maatz Kuckein
Athing Mutzbauer

(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesung nach § 249 Abs. 2 abgesehen worden ist, sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die ergangenen Entscheidungen und die Urteilsformel enthalten. In das Protokoll muss auch der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Erörterung nach § 257b aufgenommen werden.

(1a) Das Protokoll muss auch den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung nach § 257c wiedergeben. Gleiches gilt für die Beachtung der in § 243 Absatz 4, § 257c Absatz 4 Satz 4 und Absatz 5 vorgeschriebenen Mitteilungen und Belehrungen. Hat eine Verständigung nicht stattgefunden, ist auch dies im Protokoll zu vermerken.

(2) Aus der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht sind außerdem die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in das Protokoll aufzunehmen; dies gilt nicht, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel verzichten oder innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt wird. Der Vorsitzende kann anordnen, dass anstelle der Aufnahme der wesentlichen Vernehmungsergebnisse in das Protokoll einzelne Vernehmungen im Zusammenhang als Tonaufzeichnung zur Akte genommen werden. § 58a Abs. 2 Satz 1 und 3 bis 6 gilt entsprechend.

(3) Kommt es auf die Feststellung eines Vorgangs in der Hauptverhandlung oder des Wortlauts einer Aussage oder einer Äußerung an, so hat der Vorsitzende von Amts wegen oder auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person die vollständige Protokollierung und Verlesung anzuordnen. Lehnt der Vorsitzende die Anordnung ab, so entscheidet auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person das Gericht. In dem Protokoll ist zu vermerken, daß die Verlesung geschehen und die Genehmigung erfolgt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind.

(4) Bevor das Protokoll fertiggestellt ist, darf das Urteil nicht zugestellt werden.

Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 234/14
vom
20. November 2014
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. November
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
– in der Verhandlung –,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
– bei der Verkündung –
als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
– in der Verhandlung –
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 15. Januar 2014 wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 19 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf mehrere Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision hat keinen Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen fuhr die gesondert verfolgte Zeugin K. in der Zeit von Anfang November 2011 bis zum 2. August 2012 auf Veranlassung des Angeklagten, ihres Ehemannes, in einem zweiwöchigen Rhythmus in die Niederlande, um dort zuvor von ihm bestellte Betäubungsmittel (Heroin und Kokain) abzuholen und anschließend versteckt in ihrem Pkw nach Deutschland zu verbringen. Das so beschaffte Kokain und jeweils 100 Gramm des Heroins behielten der Angeklagte und die Zeugin K. zum Eigenverbrauch zurück. Das restliche Heroin wurde von dem Angeklagten gestreckt und anschließend in Teilmengen verkauft. Die daraus erzielten Gewinne verwendete der Angeklagte zur Bezahlung der jeweils nachfolgend von ihm bestellten Drogenmenge und für den Lebensunterhalt. In der Zeit von November 2011 bis Mitte April 2012 verbrachte die Zeugin K. bei 10 Fahrten jeweils 300 Gramm Heroin und 75 Gramm Kokain auf das Bundesgebiet (Fälle 1 bis 10 der Urteilsgründe). Am 30. April, 8. und 22. Mai, 3., 14. und 28. Juni, sowie am 9. und 21. Juli 2012 kam es zu acht weiteren Fahrten, bei denen einmal 300 Gramm Heroin und 50 Gramm Kokain (Fahrt vom 28. Juni 2012) und im Übrigen jeweils 300 Gramm Heroin und 75 Gramm Kokain beschafft wurden (Fälle 11 bis 18 der Urteilsgründe). Das Heroin hatte jeweils einen Heroinhydrochlorid-Anteil von mindestens 20 %. Das Kokain wies in allen Fällen einen Kokainhydrochlorid -Anteil von mindestens 30 % auf. Am 2. August 2012 wurde die Zeugin K. bei ihrer Rückkehr von einer weiteren Beschaffungsfahrt festgenommen. Dabei konnten versteckt in ihrem Pkw 300,8 Gramm Heroin (62,5 Gramm Heroinhydrochlorid) und 74,9 Gramm Kokain (25,5 Gramm Kokainhydrochlorid) sichergestellt werden (Fall 19 der Urteilsgründe).

II.


3
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers besteht kein Verfahrenshindernis.
4
Die vom Landgericht unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 16. April 2013 erfüllt die Anforderungen, die nach § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO bei Serientaten an die Umgrenzungsfunktion zu stellen sind (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2013 – 5 StR 297/13, NStZ 2014, 49; Urteil vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 154 f.). Der Verfahrensgegenstand wird im Anklagesatz durch die An- gabe des Tatzeitraumes, der Tatfrequenz, die Nennung der Mindestzahl der innerhalb dieses Rahmens begangenen Taten und die Schilderung des Tatablaufes (Mindestmenge, Einkaufs- und Verkaufspreise, Transportmodalitäten, Streckung des Heroins vor dem Verkauf etc.) hinreichend bezeichnet.
5
Der anhand des in Bezug genommenen Antrages der Staatsanwaltschaft auszulegende Beschluss des Landgerichts vom 15. Januar 2014, mit dem das Verfahren teilweise nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist, bezieht sich auf den Zeitraum bis einschließlich Oktober 2011 und stand daher der Aburteilung der verfahrensgegenständlichen Taten nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2014 – 4 StR 69/14).
6
Der Umstand, dass das Landgericht in den Fällen 1 bis 10 von einer Übergabe der Betäubungsmittel in D. oder H. ausgegangen ist, während in der zugelassenen Anklage nur D. als Übergabeort benannt wird, hebt die Identität zwischen den angeklagten und den abgeurteilten Taten nicht auf. Die in der Anklage beschriebenen Taten sind durch weitere – von der Angabe des Übergabeortes unabhängige – Merkmale individualisiert. Die Hinzufügung eines zweiten lediglich alternativ in Betracht kommenden Übergabeortes stellt die „Nämlichkeit“ der Tat daher nicht in Frage (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2010 – 4 StR 407/09, NStZ 2010, 346, 347 mwN).

III.


7
Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
8
1. Die Rüge, das Landgericht habe gegen § 265 StPO verstoßen, weil der Angeklagte nicht darauf hingewiesen worden sei, dass in den Fällen 1 bis 10 der Urteilsgründe als Übergabeort für die Betäubungsmittel in den Niederlanden neben dem in der Anklageschrift genannten D. auch H. in Betracht komme und sich hinsichtlich der Fälle 11 bis 18 der Urteilsgründe in der Hauptverhandlung eine Konkretisierung der Tatzeiten ergeben habe, bleibt ohne Erfolg.
9
a) Die Rüge entspricht nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, weil sie sich nicht dazu verhält, ob der Angeklagte von den angeführten Veränderungen der Sachlage durch den Gang der Hauptverhandlung zuverlässig unterrichtet worden ist.
10
aa) Wird – wie hier – die verletzte Hinweispflicht aus einer entsprechenden Anwendung des § 265 Abs. 1 StPO hergeleitet, weil es in der Hauptverhandlung zu einer Veränderung der tatsächlichen Urteilsgrundlage oder zu einer Konkretisierung eines allgemein gefassten Anklagesatzes gekommen ist, muss die Revision auch zum Verlauf der die veränderten Punkte betreffenden Beweisaufnahme vortragen. Andernfalls vermag das Revisionsgericht nicht zu beurteilen, ob der Angeklagte bereits aus dem Gang der Verhandlung erfahren hat, dass das Gericht die Verurteilung auf eine andere tatsächliche Grundlage stellen will und der vermisste konkrete Hinweis deshalb nicht mehr erforderlich war (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 1995 – 4 StR 60/95, S. 4 f.; Urteil vom 15. Januar 1991 – 1 StR 603/90, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Hinweispflicht 2; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 265 Rn. 118).
11
bb) Diesen Anforderungen wird das Revisionsvorbringen nicht gerecht. Es beschränkt sich auf die Behauptung, zu keinem Zeitpunkt konkret darauf hingewiesen worden zu sein, dass die Strafkammer in den Fällen 1 bis 10 H. als weiteren Übergabeort in Betracht zieht und in den Fällen 11 bis 18 konkrete Tatzeitpunkte für feststellbar hält (S. 4 f. der Revisionsbegründung). Mit der die veränderten Umstände betreffenden Beweisaufnahme, wie der Verlesung der Protokolle der die Fälle 11 bis 18 betreffenden Telefongespräche sowie von Ziffer 3.8 des polizeilichen Abschlussberichts vom 25. Januar 2013, der eine genaue Angabe der konkreten Tatzeiten enthielt (Bl. 50 f. des Protokollbandes , Bl. 321 ff. d.A.), setzt sich die Revision nicht auseinander. Danach können sowohl der zusätzliche Übergabeort, als auch die konkreten Tatzeiten mit ausreichender Deutlichkeit zur Sprache gekommen sein. Die Lücken im Vortrag werden auch nicht durch die Ausführungen der Strafkammer im angefochtenen Urteil geschlossen.
12
b) Dessen ungeachtet wäre die Rüge auch unbegründet. Weder hinsichtlich des weiteren Übergabeortes in den Niederlanden bei den Fällen 1 bis 10 der Urteilsgründe, noch in Bezug auf die Konkretisierung der Tatzeiten in den Fällen 11 bis 18 der Urteilsgründe war ein Hinweis geboten.
13
aa) Ob die Veränderung eines tatsächlichen Umstandes zu einer Hinweispflicht in entsprechender Anwendung des § 265 Abs. 1 StPO führt, hängt davon ab, ob sie in ihrem Gewicht der Veränderung eines rechtlichen Gesichtspunktes gleichsteht, auf die sich § 265 Abs. 1 StPO unmittelbar bezieht (BGH, Urteil vom 3. September 1963 – 5 StR 306/63, BGHSt 19, 88, 89). Dabei kommt es auf den Einzelfall an (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2011 – 1 StR 582/10, BGHSt 56, 121, wesentliche Veränderung des dem gesetzlichen Straftatbestand zugeordneten Tatverhaltens durch Austausch der Bezugstat beim Verdeckungsmord; Beschluss vom 8. November 2005 – 2 StR 296/05, NStZ-RR 2006, 213, 214, Tatzeitveränderung bei Alibibehauptung für die in der Anklage bezeichnete Tatzeit; Urteil vom 15. November 1978 – 2 StR 456/78, BGHSt 28, 196, 197 f., Annahme einer anderen schuldhaften Handlung als Ursache für den tatbestandsmäßigen Erfolg). Bei einer im Tatsächlichen ungenauen Fassung der Anklageschrift ist ein Hinweis entsprechend § 265 StPO grundsätzlich nicht vorgeschrieben, wenn im Laufe der Hauptverhandlung nähere Konkretisierungen von Einzelfällen durch die genauere Beschreibung von Tatmodalitäten oder Begleitumständen ergeben. Ein Hinweis kann nur ausnahmsweise geboten sein, etwa um das Recht des Angeklagten auf rechtliches Gehör oder den Schutz vor Überraschungsentscheidungen zu gewährleisten (BGH, Urteil vom 20. Februar 2003 – 3 StR 222/02, BGHSt 48, 221, 224 ff.; weiter gehend – aber nicht tragend entschieden – BGH, Urteil vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 157; Urteil vom 4. November 1997 – 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293, 299; Urteil vom 11. Januar 1994 – 5 StR 682/93, BGHSt 40, 44; weitere Nachweise bei LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 265 Rn. 78).
14
bb) Daran gemessen kam dem Umstand, dass sich in der Hauptverhandlung in den Fällen 1 bis 10 der Urteilsgründe ein weiterer Übergabeort ergeben hat, kein eine Hinweispflicht auslösendes Gewicht zu. Die den gesetzlichen Straftatbeständen zugeordneten Tathandlungen des Angeklagten und der Zeugin K. sind von der Veränderung nicht betroffen. Auch wurde die Tatrichtung dadurch in keiner Weise verändert. Dass die bestellten Betäubungsmittel von der ZeuginK. bei ihren regelmäßigen Beschaffungsfahrten nicht nur in D. , sondern auch in H. übernommen wurden, liegt innerhalb der möglichen Variationsbreite des Geschehensbildes der Tat im weiteren Sinne und konnte den Angeklagten daher nicht überraschen (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 1999 – 2 StR 530/98, BGHR StPO § 265 Abs. 4 Hinweispflicht

15).


15
Auch in den Fällen 11 bis 18 der Urteilsgründe bestand keine Hinweispflicht. Die unverändert zugelassene Anklageschrift ging davon aus, dass die Zeugin K. im Einvernehmen mit dem Angeklagten in einem „14-Tage- Rhythmus“ in die Niederlande gefahren ist, um dort Heroin für den gemein- samen Eigenkonsum und den gewinnbringenden Weiterverkauf durch den Angeklagten zu beschaffen. Das Landgericht hat in den Fällen 11 bis 18 konkrete Tatzeiten festgestellt. Die sich dabei ergebenden Intervalle zwischen den einzelnen Fahrten weichen von dem in der Anklageschrift angeführten „14-Tage- Rhythmus“ nur unwesentlich ab. Die hierzu von der Strafkammer als Be- weisgrundlage herangezogenen Ergebnisse der Telefonüberwachung und der GPS-Ortung des Fahrzeugs der Zeugin K. wurden bereits in der Anklageschrift als Beweismittel für die Anzahl der Fahrten angeführt. Der Angeklagte und die Verteidigung konnten von den Urteilsfeststellungen mithin auch nicht überrascht sein. Soweit der Senat in seinem Beschluss vom 19. Dezember 1995 (4 StR 691/95, NStZ 1996, 295 f.) bei einer nachträglichen Konkretisierung einer nur ungenau gefassten Anklage einen Hinweis entsprechend § 265 StPO für erforderlich gehalten hat, betraf dies einen anderen Fall.
16
2. Die Rüge, das Landgericht habe bei der Ablehnung des in der Hauptverhandlung vom 15. Januar 2014 gestellten Antrages auf Vernehmung des Zeugen POK R. zu belastenden Angaben des Zeugen Kr. im Rahmen eines neuen gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens gegen Verfahrensrecht verstoßen, hat weder als Beweisantragsrüge (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO), noch als Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) Erfolg.
17
a) Soweit ein Verstoß gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO geltend gemacht wird, ist die Rüge nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil sich die Revision in der Begründung (S. 5 bis 15 der Revisionsrechtfertigung) nicht dazu verhält, dass der Zeuge POK R. bereits in der Hauptverhandlung vom 13. November 2013 (Bl. 33 des Protokollbandes) vernommen wurde. Der Senat kann daher nicht prüfen, ob der Zeuge bei dieser Gelegenheit zu demselben Beweisthema gehört wurde und deshalb in dem Beweisverlangen vom 15. Januar 2014 kein Beweisantrag sondern nur eine Beweisanregung liegt, der das Gericht ohne Bindung an die Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 StPO lediglich im Rahmen seiner Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) nachzukommen hatte (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 1999 – 1 StR 590/98, NStZ 1999, 312; Urteil vom 21. Juni 1995 – 2 StR 67/95, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 32 mwN). Soweit an anderer Stelle (S. 52 der Revisionsrechtfertigung ) zu der Vernehmung des Zeugen POK R. am 13. November 2013 vorgetragen wird, ergibt sich daraus, dass die neuen Ermittlungen gegen den Zeugen Kr. bereits Gegenstand seiner Anhörung waren.
18
b) Die Rüge, das Landgericht habe bei der Ablehnung des Antrages gegen seine Aufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 StPO verstoßen, ist ebenfalls nicht zulässig ausgeführt. Es fehlt an der Angabe hinreichend bestimmter Beweistatsachen , die mit dem bezeichneten Beweismittel hätten bewiesen werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2007 – 5 StR 344/07, NStZ-RR 2008, 5 bei Sander/Cirener; Urteil vom 12. Mai 2005 – 5 StR 283/04, NJW 2005, 2242, 2243). Die Revision teilt dazu lediglich mit, die Vernehmung des Zeugen POK R. hätte zu dem Ergebnis geführt, dass der Zeuge Kr. anlässlich der gegen ihn geführten Ermittlungen die Zeugin B. weiterer Einfuhrfahrten bezichtigt hat und sich diese Anschuldigungen durch die weiteren Ermittlungen nicht bestätigen ließen (S. 15 der Revisionsrechtfertigung). Aus welchen Tatsachen sich die Schlussfolgerung ergeben soll, die Angaben des Zeugen Kr. hätten keine Bestätigung gefunden, lässt sich dem Vorbringen nicht entnehmen und wäre an dieser Stelle vorzutragen gewesen (vgl.
BGH, Urteil vom 25. August 1987 – 4 StR 210/87, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 4).
19
3. Die Rügen, das Landgericht habe gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen und bei der Ablehnung der Anträge auf Einholung eines Sachverständigengutachtens und Einvernahme der Zeugin M. gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO verstoßen, bleiben aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts angeführten Gründen ohne Erfolg.

IV.


20
Die auf die Sachrüge hin erfolgte Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 582/10
vom
12. Januar 2011
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________
Der Austausch der Bezugstat bei Verdeckungsmord erfordert einen gerichtlichen
Hinweis.
BGH, Beschluss vom 12. Januar 2011 - 1 StR 582/10 - Landgericht München II
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Januar 2011 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
München II vom 12. Mai 2010 mit den Feststellungen aufgehoben
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Hiergegen richtet sich seine Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Sein Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.

2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen: Der Angeklagte war Hausmeister in einer Wohnanlage, in der auch das spätere Opfer, Frau K., wohnte. Er kümmerte sich um die 87-jährige Dame. Am 28. Oktober 2008 kam es in der Wohnung des Opfers zu einer streitigen Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Angeklagte Frau K. mit einem stumpfen Gegenstand zweimal von hinten auf den Kopf schlug oder sie mit dem Kopf gegen einen Gegenstand stieß. Aus Angst vor weiteren Konsequenzen entschloss er sich, das vorangegangene Geschehen zu verdecken, indem er sie tötete und dies als Unfall durch einen Sturz in die Badewanne erscheinen ließ. Er verbrachte Frau K. in die Badewanne, ließ Wasser einlaufen und drückte ihren Kopf so lange unter Wasser, bis sie ertrunken war.
3
Das Landgericht hat das Mordmerkmal "zur Verdeckung einer [anderen] Straftat" bejaht, weil es dem Angeklagten darauf angekommen sei, die vorangegangene Körperverletzung, bei der er Frau K. zwei Hämatome am Kopf beigebracht hatte, durch ein vorgetäuschtes Unfallgeschehen zu verdecken. Er habe damit vermeiden wollen, dass Frau K. wegen der vorangegangenen Körperverletzung Anzeige erstatten und er strafrechtlich verfolgt würde. Das Vorliegen des Mordmerkmals Heimtücke wurde verneint. Das Mordmerkmal Habgier wurde nicht erörtert.

II.

4
Der Beschwerdeführer rügt, das Gericht habe die Verurteilung auf eine - gegenüber der Anklage - jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht veränderte Grundlage gestützt, ohne dass ihm zuvor ein entsprechender Hinweis erteilt worden sei (vgl. § 265 StPO). Die Rüge dringt durch.
5
1. Der Verurteilung wegen Verdeckungsmord liegt nach den Feststellungen ein Tatbild zugrunde, das von demjenigen der Anklage wesentlich abweicht , wenn auch die Nämlichkeit der Tat (§ 264 StPO) gewahrt ist. Die - trotz der Formulierung "wegen Totschlags" im Eröffnungsbeschluss (vgl. Strafakten EA 2 I Bl. 436) - unverändert zugelassene Anklage hatte dem Angeklagten folgendes zur Last gelegt:
6
Der Angeklagte, der Vollmacht für die Konten der Frau K. hatte, habe über 50.000 € von einem Konto des Opfers abgehoben und zu einem überwiegenden Teil vereinnahmt. Darüber hinaus habe er Schmuck und zwei Pelzmäntel erhalten oder an sich genommen. Am 23. Oktober 2008 habe er aus einer Geldkassette des Opfers einen Betrag von 8.000 € entnommen und zur Begleichung eigener Schulden verwendet. Am 28. Oktober 2008 habe Frau K. den Fehlbetrag festgestellt und den Angeklagten deswegen beschuldigt. Es habe sich ein Streit entwickelt, in dessen Verlauf sich der Angeklagte entschlossen habe, Frau K. zu töten, um die erhaltenen Gegenstände behalten zu können und um die unberechtigte Einnahme von Bargeld zu vertuschen. Zu diesem Zweck habe er seinem Opfer, das sich zu diesem Zeitpunkt keines Angriffs versah und sich deswegen eines solchen auch nicht erwehren konnte, in Ausnutzung dieser Situation mit einem stumpfen Gegenstand zweimal von hinten auf den Kopf geschlagen. Frau K. habe diesen Angriff zwar überlebt, aber erhebliche Kopfverletzungen erlitten. Der Angeklagte habe dann überlegt, ob er Frau K. retten und ein Sturzgeschehen vortäuschen sollte, habe sich dann aber dafür entschieden, in Fortführung seines ursprünglichen Plans Frau K. zu töten. Er habe sie ins Badezimmer verbracht, in die Badewanne gelegt, Wasser in die Badewanne eingelassen und sie so lange unter die Wasseroberfläche gedrückt, bis sie schließlich ertrunken sei.
7
Der Schuldvorwurf der Anklage lautet, der Angeklagte habe eine fremde bewegliche Sache, die ihm anvertraut war, sich oder einem Dritten rechtswidrig zugeeignet und durch eine weitere Handlung aus Habgier, heimtückisch einen anderen Menschen getötet, um eine [andere] Straftat zu verdecken; strafbar als veruntreuende Unterschlagung in Tatmehrheit mit Mord (mit den drei angeführten Mordmerkmalen). Auf Seite 75 der Anklageschrift wird (unter VI. Rechtliches 2; vgl. EA 2 I Bl. 416) ausgeführt: Es liegt ferner der Tatbestand "des Verdeckens einer Straftat" vor. Dem Angeklagten kam es darauf an, zu verhindern, dass er wegen der von ihm vorangegangenen Unterschlagung von 8.000 € strafrechtlich belangt wird. Aus diesem Grund tarnte der Angeschuldigte sein Tötungsdelikt als Unfall, damit keine Nachforschungen nach dem Verbleib des Vermögens von Frau K. angestellt werden.
8
Das angefochtene Urteil dagegen gründet den Schuldvorwurf darauf, dass der Angeklagte eine vorausgegangene Körperverletzung verdecken wollte. Das Landgericht hat damit die "andere Straftat" (Bezugstat) in § 211 Abs. 2 StGB bei der Verdeckungsabsicht ausgetauscht. Dies hätte eines Hinweises nach § 265 StPO bedurft. Das Gericht, das den Schuldspruch innerhalb des Rahmens der angeklagten Tat (§ 264 StPO) auf einen gegenüber der Anklage im Tatsächlichen wesentlich veränderten Sachverhalt stützt, muss dem Angeklagten , um ihn vor einer Überraschungsentscheidung zu schützen, zuvor grundsätzlich einen entsprechenden Hinweis erteilen, das ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 12. Februar 1991 - 4 StR 506/90, StV 1991, 502 mwN; zur Entwicklung dieser Rechtsprechung vor 1988 vgl. Niemöller, Die Hinweispflicht des Tatrichters, 1988, S. 23 ff., 26 ff. mwN). Diese Hinweispflicht dient dem schutzwürdigen Verteidigungsinteresse des Angeklagten. Sie gilt auch und gerade für wesentliche Veränderungen des dem gesetzlichen Straftatbestand zugeordneten Tatverhaltens (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 3. Juli 1991 - 2 StR 132/91 mwN).
9
Die Abweichung in der Beschreibung des Tatverhaltens, das zur Ausfüllung des gesetzlichen Straftatbestandes gedient hat, war bei der vorliegenden Fallgestaltung wesentlich. Das Verhalten des Angeklagten, in dem die "andere Straftat" i.S.d. § 211 Abs. 2 StGB gesehen wurde, unterschied sich schon zeitlich erheblich von demjenigen, das die Anklage für tatbestandsmäßig hielt, und inhaltlich wurde ein Vermögensdelikt durch ein Körperverletzungsdelikt ersetzt.
10
Während frühere Rechtsprechung vereinzelt die Hinweispflicht nach § 265 StPO noch restriktiv annahm (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 28. April 1955 - 3 StR 13/55; auch BGH, Urteil vom 24. Februar 1976 - 1 StR 764/75), wurde bald erkannt, dass der gebotene Schutz des Angeklagten vor Überraschungsentscheidungen eine umfassende Hinweispflicht erfordert. Soweit der 5. Strafsenat (Beschluss vom 13. Dezember 1977 - 5 StR 728/77) einen Verstoß gegen § 265 Abs. 1 StPO verneint hat, wenn die Verurteilung bei gleich bleibendem Strafgesetz nur auf zum Teil andere Tatsachen gegründet wird, hat er einen Verfahrensfehler nur deshalb verneint, "da der Angeklagte durch den Gang der Hauptverhandlung über die Veränderung der Sachlage unterrichtet worden ist".
11
Der erkennende Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 17. Juli 1962 - 1 StR 266/62 bei einem Hinweis auf das Mordmerkmal zur Verdeckung einer anderen Straftat die Klarstellung gefordert, "welche andere Straftat der Angeklagte nach der Meinung des Gerichts hätte verdecken können". Zutreffend hat der 5. Strafsenat schon in seinem Urteil vom 24. Mai 1955 (5 StR 143/55) im Fall der Verurteilung wegen Vollrausches einen Hinweis nach § 265 StPO selbst dann gefordert, wenn die Rauschtat als ledigliche Bedingung der Strafbarkeit rechtlich anders beurteilt werden soll. Dies legt nahe, dass ein Hinweis erst recht geboten ist, wenn die Rauschtat vollständig ausgetauscht wird. Der 3. Strafsenat hat zu Recht bei einer Verurteilung wegen Vereitelns der Zwangsvollstreckung einen Verstoß gegen § 265 (Abs. 4) StPO darin gesehen, dass der Angeklagte nicht darauf hingewiesen wurde, dass eine andere Forderung bei § 288 StGB zugrunde gelegt wurde; der Austausch einer Forderung, deren Durchsetzung der Angeklagte vereitelt haben soll, erfordert einen gerichtlichen Hinweis (BGH, Beschluss vom 2. Februar 1990 - 3 StR 480/89, BGHR StPO § 265 Abs. 4 Hinweispflicht 8 und StV 1990, 249, 250). Gerade wenn es ständiger Rechtsprechung entspricht, dass ein richterlicher Hinweis nach § 265 StPO gewissen Mindestanforderungen entsprechen muss, wozu auch die Angabe gehört, durch welche Tatsachen das Gericht die gesetzlichen Merkmale als erfüllt ansieht (vgl. hierzu u.a. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2007 - 2 StR 555/06; BGH, Beschluss vom 17. Oktober 2006 - 4 StR 335/06 Rn. 10; BGH, Beschluss vom 21. April 2004 - 2 StR 363/03 mwN; BGH, Urteil vom 24. November 1992 - 1 StR 368/92 mwN), liegt es nahe, überhaupt einen entsprechenden Hinweis zu verlangen, wenn - wie hier - das Tatverhalten, das zur Ausfüllung des gesetzlichen Straftatbestandes dient, wesentlich von dem Anklagevorwurf abweicht. Denn Zweck des § 265 StPO ist es, dem Angeklagten Gelegenheit zu geben, sich gegenüber dem neuen Vorwurf zu verteidigen, und ihn vor Überraschungen zu schützen (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 4. April 1995 - 1 StR 772/94).
12
Der Austausch der Bezugstat bei Verdeckungsmord erfordert daher einen gerichtlichen Hinweis.
13
2. Dieser Hinweis ist dem Angeklagten - wie er mit Recht rügt - nicht gegeben worden. Dabei kann hier dahingestellt bleiben, ob es statt eines besonderen Hinweises genügt, dass dem Angeklagten durch den Gang der Hauptverhandlung die Kenntnis vermittelt wird, welches Verhalten das Gericht als tatbestandsmäßig werten und zur Grundlage des Schuldvorwurfs machen will. Denn im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass dem Angeklagten diese Kenntnis vom Gericht auch nicht durch den Gang der Verhandlung vermittelt worden ist.
14
Unerheblich ist insoweit, dass der Staatsanwalt in seinem Schlussvortrag der Verdeckungsabsicht als neue Bezugstat eine Körperverletzung zugeordnet hat (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 10. August 2005 - 2 StR 206/05). Maßgeblich ist nämlich, dass eine andere Betrachtung nach Auffassungdes Gerichts in Betracht kommt (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 8. Oktober 1963 - 1 StR 553/62, BGHSt 19, 141 ff.; BGH, Urteil vom 15. November 1978 - 2 StR 456/78, BGHSt 28, 196, 198; BGH, Urteil vom 8. März 1988 - 1 StR 14/88, StV 1988, 329; BGH, Urteil vom 17. Oktober 2006 - 4 StR 335/06 Rn. 11 mwN). Allerdings war vor dem Plädoyer in der Hauptverhandlung folgender Gerichtsbeschluss ergangen: Das Verfahren wird gemäß § 154 II StPO auf Antrag des Staatsanwalts insoweit eingestellt, als gegen den Angeklagten der Vorwurf "veruntreuter" Unterschlagung erhoben worden ist, weil eine deshalb zu verhängende Strafe im Falle des Schuldspruchs wegen des weiteren Anklagegegenstandes nicht ins "Gericht" fiele.
15
Diesem Beschluss lässt sich schon nicht entnehmen, dass das Landgericht den Vorwurf der Verdeckungsabsicht wegen eines Vermögensdeliktes gänzlich fallen lassen wollte. Es hat damit zwar die - in Tatmehrheit stehende - mitangeklagte veruntreuende Unterschlagung der 8.000 € vorläufig eingestellt, auf die sich - wie die rechtlichen Ausführungen auf S. 75 der Anklageschrift belegen - die Verdeckungsabsicht beziehen sollte, es hat sich aber nicht dazu verhalten , ob die nach der Anklageschrift einbehaltenen weiteren Gelder, Schmuckstücke oder Pelzmäntel als Bezugstat für den Verdeckungsmord in Betracht kamen. Der Revisionsführer hat in seiner sehr sorgfältig begründeten Revision dargelegt, dass er sich hiergegen auch nach dem Beschluss gemäß § 154 Abs. 2 StPO zur Wehr gesetzt hat. Vor allem jedoch wurde durch diesen Beschluss nicht ersichtlich, dass das Gericht als neue Bezugstat die Körperverletzung zugrunde legen wollte. In der Anklageschrift wurden zwar die beiden Schläge angeführt, aber nicht in dem Sinne, dass sie mit Körperverletzungsvorsatz geführt wurden, sondern vielmehr bereits in Tötungsabsicht. Danach lag als "andere Straftat" eine Körperverletzung nicht nahe. Der Annahme eines Verdeckungsmordes steht zwar nicht entgegen, wenn sich bereits die zu verdeckende Vortat gegen Leib und Leben des Opfers richtet und unmittelbar in die Tötung zur Verdeckung des vorausgegangenen Geschehens übergeht. Um eine andere - zu verdeckende - Straftat i.S.d. § 211 Abs. 2 StGB handelt es sich jedoch dann nicht, wenn der Täter nur diejenige Tat verdecken will, die er gerade begeht. Dies ist dann der Fall, wenn während einer einheitlichen Tötungshandlung die Verdeckungsabsicht nur noch als weiteres Motiv für die Tötung hinzutritt (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 12. Juni 2001 - 5 StR 432/00, NStZ 2002, 253, 254; BGH, Beschluss vom 10. Mai 2000 - 1 StR 617/99, NStZ 2000, 498, 499). Der Angeklagte musste nach den getroffenen Feststellungen nicht damit rechnen, das Landgericht würde als "andere Straftat" die beiden Schläge heranziehen. Das Landgericht ist in seiner rechtlichen Würdigung (UA S. 61) im Übrigen selbst davon ausgegangen, die vorsätzliche Körperverletzung sei gegenüber dem Mord "subsidiär", was eher nicht auf eine "andere Straftat" hinweist.
16
Da weder die Revisionsgegenerklärung noch dienstliche Äußerungen das Gegenteil bekunden (vgl. auch BGH, Urteil vom 15. November 1978 - 2 StR 456/78, BGHSt 28, 196, 199), ist davon auszugehen, dass das Gericht den erforderlichen Hinweis nicht - auch nicht durch den Gang der Hauptverhandlung - erteilt hat.
17
3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht. Die Revision begründet überzeugend, dass der Angeklagte, wenn er vom Gericht den entsprechenden Hinweis erhalten hätte, sich anders und wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Es kann insbesondere nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte, der in der Hauptverhandlung lediglich angegeben hat, Frau K. nicht umgebracht und keinerlei Gelder oder Gegenstände unterschlagen zu haben (UA S. 13), seine Verteidigungsstrategie dahin geändert hätte, sich nunmehr umfänglich in der Sache einzulassen, sei es um weiterhin einen Freispruch zu erreichen, sei es auch z.B. um einen Schuldspruch "nur" wegen Totschlags statt wegen Mordes zu erstreben, indem er - wie oben ausgeführt - Umstände vorgetragen hätte, die eine zu verdeckende "andere Straftat" entfallen lassen.
18
Der Hinweis richtet sich im Übrigen auch an den Verteidiger (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 1992 - 1 StR 368/92 mwN); dieser hat hier im Einzelnen dargelegt, was er bei einem ordnungsgemäßen Hinweis noch vorgebracht hätte. Nack Wahl Rothfuß Elf Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 234/14
vom
20. November 2014
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. November
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
– in der Verhandlung –,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
– bei der Verkündung –
als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
– in der Verhandlung –
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 15. Januar 2014 wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 19 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf mehrere Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision hat keinen Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen fuhr die gesondert verfolgte Zeugin K. in der Zeit von Anfang November 2011 bis zum 2. August 2012 auf Veranlassung des Angeklagten, ihres Ehemannes, in einem zweiwöchigen Rhythmus in die Niederlande, um dort zuvor von ihm bestellte Betäubungsmittel (Heroin und Kokain) abzuholen und anschließend versteckt in ihrem Pkw nach Deutschland zu verbringen. Das so beschaffte Kokain und jeweils 100 Gramm des Heroins behielten der Angeklagte und die Zeugin K. zum Eigenverbrauch zurück. Das restliche Heroin wurde von dem Angeklagten gestreckt und anschließend in Teilmengen verkauft. Die daraus erzielten Gewinne verwendete der Angeklagte zur Bezahlung der jeweils nachfolgend von ihm bestellten Drogenmenge und für den Lebensunterhalt. In der Zeit von November 2011 bis Mitte April 2012 verbrachte die Zeugin K. bei 10 Fahrten jeweils 300 Gramm Heroin und 75 Gramm Kokain auf das Bundesgebiet (Fälle 1 bis 10 der Urteilsgründe). Am 30. April, 8. und 22. Mai, 3., 14. und 28. Juni, sowie am 9. und 21. Juli 2012 kam es zu acht weiteren Fahrten, bei denen einmal 300 Gramm Heroin und 50 Gramm Kokain (Fahrt vom 28. Juni 2012) und im Übrigen jeweils 300 Gramm Heroin und 75 Gramm Kokain beschafft wurden (Fälle 11 bis 18 der Urteilsgründe). Das Heroin hatte jeweils einen Heroinhydrochlorid-Anteil von mindestens 20 %. Das Kokain wies in allen Fällen einen Kokainhydrochlorid -Anteil von mindestens 30 % auf. Am 2. August 2012 wurde die Zeugin K. bei ihrer Rückkehr von einer weiteren Beschaffungsfahrt festgenommen. Dabei konnten versteckt in ihrem Pkw 300,8 Gramm Heroin (62,5 Gramm Heroinhydrochlorid) und 74,9 Gramm Kokain (25,5 Gramm Kokainhydrochlorid) sichergestellt werden (Fall 19 der Urteilsgründe).

II.


3
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers besteht kein Verfahrenshindernis.
4
Die vom Landgericht unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 16. April 2013 erfüllt die Anforderungen, die nach § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO bei Serientaten an die Umgrenzungsfunktion zu stellen sind (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2013 – 5 StR 297/13, NStZ 2014, 49; Urteil vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 154 f.). Der Verfahrensgegenstand wird im Anklagesatz durch die An- gabe des Tatzeitraumes, der Tatfrequenz, die Nennung der Mindestzahl der innerhalb dieses Rahmens begangenen Taten und die Schilderung des Tatablaufes (Mindestmenge, Einkaufs- und Verkaufspreise, Transportmodalitäten, Streckung des Heroins vor dem Verkauf etc.) hinreichend bezeichnet.
5
Der anhand des in Bezug genommenen Antrages der Staatsanwaltschaft auszulegende Beschluss des Landgerichts vom 15. Januar 2014, mit dem das Verfahren teilweise nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist, bezieht sich auf den Zeitraum bis einschließlich Oktober 2011 und stand daher der Aburteilung der verfahrensgegenständlichen Taten nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2014 – 4 StR 69/14).
6
Der Umstand, dass das Landgericht in den Fällen 1 bis 10 von einer Übergabe der Betäubungsmittel in D. oder H. ausgegangen ist, während in der zugelassenen Anklage nur D. als Übergabeort benannt wird, hebt die Identität zwischen den angeklagten und den abgeurteilten Taten nicht auf. Die in der Anklage beschriebenen Taten sind durch weitere – von der Angabe des Übergabeortes unabhängige – Merkmale individualisiert. Die Hinzufügung eines zweiten lediglich alternativ in Betracht kommenden Übergabeortes stellt die „Nämlichkeit“ der Tat daher nicht in Frage (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2010 – 4 StR 407/09, NStZ 2010, 346, 347 mwN).

III.


7
Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
8
1. Die Rüge, das Landgericht habe gegen § 265 StPO verstoßen, weil der Angeklagte nicht darauf hingewiesen worden sei, dass in den Fällen 1 bis 10 der Urteilsgründe als Übergabeort für die Betäubungsmittel in den Niederlanden neben dem in der Anklageschrift genannten D. auch H. in Betracht komme und sich hinsichtlich der Fälle 11 bis 18 der Urteilsgründe in der Hauptverhandlung eine Konkretisierung der Tatzeiten ergeben habe, bleibt ohne Erfolg.
9
a) Die Rüge entspricht nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, weil sie sich nicht dazu verhält, ob der Angeklagte von den angeführten Veränderungen der Sachlage durch den Gang der Hauptverhandlung zuverlässig unterrichtet worden ist.
10
aa) Wird – wie hier – die verletzte Hinweispflicht aus einer entsprechenden Anwendung des § 265 Abs. 1 StPO hergeleitet, weil es in der Hauptverhandlung zu einer Veränderung der tatsächlichen Urteilsgrundlage oder zu einer Konkretisierung eines allgemein gefassten Anklagesatzes gekommen ist, muss die Revision auch zum Verlauf der die veränderten Punkte betreffenden Beweisaufnahme vortragen. Andernfalls vermag das Revisionsgericht nicht zu beurteilen, ob der Angeklagte bereits aus dem Gang der Verhandlung erfahren hat, dass das Gericht die Verurteilung auf eine andere tatsächliche Grundlage stellen will und der vermisste konkrete Hinweis deshalb nicht mehr erforderlich war (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 1995 – 4 StR 60/95, S. 4 f.; Urteil vom 15. Januar 1991 – 1 StR 603/90, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Hinweispflicht 2; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 265 Rn. 118).
11
bb) Diesen Anforderungen wird das Revisionsvorbringen nicht gerecht. Es beschränkt sich auf die Behauptung, zu keinem Zeitpunkt konkret darauf hingewiesen worden zu sein, dass die Strafkammer in den Fällen 1 bis 10 H. als weiteren Übergabeort in Betracht zieht und in den Fällen 11 bis 18 konkrete Tatzeitpunkte für feststellbar hält (S. 4 f. der Revisionsbegründung). Mit der die veränderten Umstände betreffenden Beweisaufnahme, wie der Verlesung der Protokolle der die Fälle 11 bis 18 betreffenden Telefongespräche sowie von Ziffer 3.8 des polizeilichen Abschlussberichts vom 25. Januar 2013, der eine genaue Angabe der konkreten Tatzeiten enthielt (Bl. 50 f. des Protokollbandes , Bl. 321 ff. d.A.), setzt sich die Revision nicht auseinander. Danach können sowohl der zusätzliche Übergabeort, als auch die konkreten Tatzeiten mit ausreichender Deutlichkeit zur Sprache gekommen sein. Die Lücken im Vortrag werden auch nicht durch die Ausführungen der Strafkammer im angefochtenen Urteil geschlossen.
12
b) Dessen ungeachtet wäre die Rüge auch unbegründet. Weder hinsichtlich des weiteren Übergabeortes in den Niederlanden bei den Fällen 1 bis 10 der Urteilsgründe, noch in Bezug auf die Konkretisierung der Tatzeiten in den Fällen 11 bis 18 der Urteilsgründe war ein Hinweis geboten.
13
aa) Ob die Veränderung eines tatsächlichen Umstandes zu einer Hinweispflicht in entsprechender Anwendung des § 265 Abs. 1 StPO führt, hängt davon ab, ob sie in ihrem Gewicht der Veränderung eines rechtlichen Gesichtspunktes gleichsteht, auf die sich § 265 Abs. 1 StPO unmittelbar bezieht (BGH, Urteil vom 3. September 1963 – 5 StR 306/63, BGHSt 19, 88, 89). Dabei kommt es auf den Einzelfall an (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2011 – 1 StR 582/10, BGHSt 56, 121, wesentliche Veränderung des dem gesetzlichen Straftatbestand zugeordneten Tatverhaltens durch Austausch der Bezugstat beim Verdeckungsmord; Beschluss vom 8. November 2005 – 2 StR 296/05, NStZ-RR 2006, 213, 214, Tatzeitveränderung bei Alibibehauptung für die in der Anklage bezeichnete Tatzeit; Urteil vom 15. November 1978 – 2 StR 456/78, BGHSt 28, 196, 197 f., Annahme einer anderen schuldhaften Handlung als Ursache für den tatbestandsmäßigen Erfolg). Bei einer im Tatsächlichen ungenauen Fassung der Anklageschrift ist ein Hinweis entsprechend § 265 StPO grundsätzlich nicht vorgeschrieben, wenn im Laufe der Hauptverhandlung nähere Konkretisierungen von Einzelfällen durch die genauere Beschreibung von Tatmodalitäten oder Begleitumständen ergeben. Ein Hinweis kann nur ausnahmsweise geboten sein, etwa um das Recht des Angeklagten auf rechtliches Gehör oder den Schutz vor Überraschungsentscheidungen zu gewährleisten (BGH, Urteil vom 20. Februar 2003 – 3 StR 222/02, BGHSt 48, 221, 224 ff.; weiter gehend – aber nicht tragend entschieden – BGH, Urteil vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 157; Urteil vom 4. November 1997 – 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293, 299; Urteil vom 11. Januar 1994 – 5 StR 682/93, BGHSt 40, 44; weitere Nachweise bei LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 265 Rn. 78).
14
bb) Daran gemessen kam dem Umstand, dass sich in der Hauptverhandlung in den Fällen 1 bis 10 der Urteilsgründe ein weiterer Übergabeort ergeben hat, kein eine Hinweispflicht auslösendes Gewicht zu. Die den gesetzlichen Straftatbeständen zugeordneten Tathandlungen des Angeklagten und der Zeugin K. sind von der Veränderung nicht betroffen. Auch wurde die Tatrichtung dadurch in keiner Weise verändert. Dass die bestellten Betäubungsmittel von der ZeuginK. bei ihren regelmäßigen Beschaffungsfahrten nicht nur in D. , sondern auch in H. übernommen wurden, liegt innerhalb der möglichen Variationsbreite des Geschehensbildes der Tat im weiteren Sinne und konnte den Angeklagten daher nicht überraschen (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 1999 – 2 StR 530/98, BGHR StPO § 265 Abs. 4 Hinweispflicht

15).


15
Auch in den Fällen 11 bis 18 der Urteilsgründe bestand keine Hinweispflicht. Die unverändert zugelassene Anklageschrift ging davon aus, dass die Zeugin K. im Einvernehmen mit dem Angeklagten in einem „14-Tage- Rhythmus“ in die Niederlande gefahren ist, um dort Heroin für den gemein- samen Eigenkonsum und den gewinnbringenden Weiterverkauf durch den Angeklagten zu beschaffen. Das Landgericht hat in den Fällen 11 bis 18 konkrete Tatzeiten festgestellt. Die sich dabei ergebenden Intervalle zwischen den einzelnen Fahrten weichen von dem in der Anklageschrift angeführten „14-Tage- Rhythmus“ nur unwesentlich ab. Die hierzu von der Strafkammer als Be- weisgrundlage herangezogenen Ergebnisse der Telefonüberwachung und der GPS-Ortung des Fahrzeugs der Zeugin K. wurden bereits in der Anklageschrift als Beweismittel für die Anzahl der Fahrten angeführt. Der Angeklagte und die Verteidigung konnten von den Urteilsfeststellungen mithin auch nicht überrascht sein. Soweit der Senat in seinem Beschluss vom 19. Dezember 1995 (4 StR 691/95, NStZ 1996, 295 f.) bei einer nachträglichen Konkretisierung einer nur ungenau gefassten Anklage einen Hinweis entsprechend § 265 StPO für erforderlich gehalten hat, betraf dies einen anderen Fall.
16
2. Die Rüge, das Landgericht habe bei der Ablehnung des in der Hauptverhandlung vom 15. Januar 2014 gestellten Antrages auf Vernehmung des Zeugen POK R. zu belastenden Angaben des Zeugen Kr. im Rahmen eines neuen gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens gegen Verfahrensrecht verstoßen, hat weder als Beweisantragsrüge (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO), noch als Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) Erfolg.
17
a) Soweit ein Verstoß gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO geltend gemacht wird, ist die Rüge nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil sich die Revision in der Begründung (S. 5 bis 15 der Revisionsrechtfertigung) nicht dazu verhält, dass der Zeuge POK R. bereits in der Hauptverhandlung vom 13. November 2013 (Bl. 33 des Protokollbandes) vernommen wurde. Der Senat kann daher nicht prüfen, ob der Zeuge bei dieser Gelegenheit zu demselben Beweisthema gehört wurde und deshalb in dem Beweisverlangen vom 15. Januar 2014 kein Beweisantrag sondern nur eine Beweisanregung liegt, der das Gericht ohne Bindung an die Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 StPO lediglich im Rahmen seiner Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) nachzukommen hatte (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 1999 – 1 StR 590/98, NStZ 1999, 312; Urteil vom 21. Juni 1995 – 2 StR 67/95, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 32 mwN). Soweit an anderer Stelle (S. 52 der Revisionsrechtfertigung ) zu der Vernehmung des Zeugen POK R. am 13. November 2013 vorgetragen wird, ergibt sich daraus, dass die neuen Ermittlungen gegen den Zeugen Kr. bereits Gegenstand seiner Anhörung waren.
18
b) Die Rüge, das Landgericht habe bei der Ablehnung des Antrages gegen seine Aufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 StPO verstoßen, ist ebenfalls nicht zulässig ausgeführt. Es fehlt an der Angabe hinreichend bestimmter Beweistatsachen , die mit dem bezeichneten Beweismittel hätten bewiesen werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2007 – 5 StR 344/07, NStZ-RR 2008, 5 bei Sander/Cirener; Urteil vom 12. Mai 2005 – 5 StR 283/04, NJW 2005, 2242, 2243). Die Revision teilt dazu lediglich mit, die Vernehmung des Zeugen POK R. hätte zu dem Ergebnis geführt, dass der Zeuge Kr. anlässlich der gegen ihn geführten Ermittlungen die Zeugin B. weiterer Einfuhrfahrten bezichtigt hat und sich diese Anschuldigungen durch die weiteren Ermittlungen nicht bestätigen ließen (S. 15 der Revisionsrechtfertigung). Aus welchen Tatsachen sich die Schlussfolgerung ergeben soll, die Angaben des Zeugen Kr. hätten keine Bestätigung gefunden, lässt sich dem Vorbringen nicht entnehmen und wäre an dieser Stelle vorzutragen gewesen (vgl.
BGH, Urteil vom 25. August 1987 – 4 StR 210/87, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 4).
19
3. Die Rügen, das Landgericht habe gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen und bei der Ablehnung der Anträge auf Einholung eines Sachverständigengutachtens und Einvernahme der Zeugin M. gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO verstoßen, bleiben aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts angeführten Gründen ohne Erfolg.

IV.


20
Die auf die Sachrüge hin erfolgte Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 584/10
vom
23. März 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers gemäß § 349 Abs. 2 und 4
StPO am 23. März 2011 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 13. April 2010 aufgehoben
a) im Schuld- und Strafausspruch im Fall 2 der Urteilsgründe (Tötung des N. ) mit den Feststellungen zu den Voraussetzungen der Mordmerkmale;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes und wegen Totschlags zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Seine auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat im Fall 2 mit einer Verfahrensrüge den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Erfolg ; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
Am Tattag begab sich der Angeklagte zur Wohnung der später getöteten Ni. , mit der er seit einiger Zeit eine sexuelle Beziehung hatte. In einem Rucksack führte er eine geladene Pistole mit sich. In der Wohnung traf er auf das weitere Tatopfer N. , mit dem Ni. ebenfalls ein Verhältnis hatte und zusammenlebte. Der Angeklagte forderte von Ni. eine Entscheidung zwischen ihm und N. , die sie jedoch nicht traf. Im Laufe der Diskussion verließ N. die Wohnung. Zum weiteren Geschehen konnte lediglich festgestellt werden, dass Ni. gegen 18.30 Uhr mit ihrem Pkw, dessen Dach und Fenster geschlossen waren, die Tiefgarage verlassen wollte. Als sie an dem nach draußen führenden Rolltor stand, wurde sie von dem Angeklagten von der geöffneten Beifahrertür aus mit vier bis fünf Schüssen getötet. Ungefähr um 18.45 Uhr erschien N. in der Tiefgarage und trat auf der Fahrerseite an das Fahrzeug heran. Der Angeklagte gab mit direktem Tötungsvorsatz zwei bis drei Schüsse auf ihn ab. Dabei stand er rechts unmittelbar neben dem Fahrzeug ungefähr auf Höhe der Beifahrertür und schoss über das Dach des Pkw hinweg. N. wurde von zwei der Schüsse getroffen ; einer durchschlug den linken Ellenbogen, ein weiterer traf ihn in den Oberbauch. Er wandte sich in Richtung Treppenhaus, um zu fliehen. Der Angeklagte holte ihn ein und versetzte ihm mit dem Griff der Pistole von hinten einen Schlag auf den Kopf. N. ging zu Boden und blieb auf dem Bauch liegen. Der Angeklagte gab nunmehr aus einer Entfernung von 40-60 cm mit direktem Tötungsvorsatz drei Schüsse in den Rücken von N. ab, an denen dieser verstarb.
4
Das Landgericht hat die erste Tat zum Nachteil von Ni. ohne Rechtsfehler als Totschlag gewertet und hierfür eine Freiheitsstrafe von neun Jahren für tat- und schuldangemessen gehalten. Hinsichtlich der Tötung des N. (Fall 2) ist die Kammer davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte wegen Mordes schuldig gemacht hat. Die bei der Tatausführung für ihn bestimmenden Gefühle der Wut auf N. , der nach seiner Ansicht für die Entwicklung der Beziehung zu Ni. mitursächlich gewesen sei, seien niedrige Beweggründe. Heimtücke sei nicht gegeben, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass das Tatopfer N. nicht arglos gewesen sei, als er an das Fahrzeug herantrat. Dass Verdeckungsabsicht neben der Wut als Tatmotiv für den Angeklagten handlungsleitend gewesen sei, sei nicht sicher feststellbar gewesen.
5
2. Die Revision des Angeklagten hat im Fall 2 mit einer Verfahrensrüge - Verletzung des § 265 Abs. 1 StPO - Erfolg.
6
a) Der Rüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
7
Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage vom 10. November 2009 legte dem Angeklagten im Fall 2 zur Last, N. heimtückisch und zur Verdeckung einer Straftat getötet zu haben. Am 9. Verhandlungstag (19. März 2010) erteilte das Landgericht folgenden rechtlichen Hinweis: "In der Strafsache gegen K. werden der Angeklagte und seine Verteidiger darauf hingewiesen, dass statt des angeklagten zweifachen Mordes auch eine Bestrafung wegen zweifachen Totschlags, § 212 StGB, wie auch im zweiten Fall eine Bestrafung wegen einer heimtückischen Tötung zur Verdeckung einer Straftat und aus niedrigen Beweggründen in Betracht kommt."
8
Weitere Hinweise oder Erläuterungen erfolgten in der Hauptverhandlung nicht. Am 22. März 2010 fragte einer der Verteidiger des Angeklagten telefonisch bei der Berichterstatterin und stellvertretenden Vorsitzenden an, welchen niedrigen Beweggrund die Kammer in Betracht ziehe. Er erhielt sinngemäß die Antwort, dass an einen Beweggrund im Zusammenhang mit der Geschichte der Dreiecksbeziehung im Vorfeld gedacht werden könne. Auf weiteres konkretes Nachfragen entgegnete die Richterin, dass sie nicht mehr sagen könne, sie habe sich ohnehin schon "zu weit aus dem Fenster gelehnt".
9
b) Diese Verfahrensweise ist mit § 265 Abs. 1 StPO nicht zu vereinbaren. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass es eines förmlichen rechtlichen Hinweises auf das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe bedurfte. Ein solcher Hinweis muss nicht nur erteilt werden, wenn ein anderes Strafgesetz als das im Eröffnungsbeschluss genannte angewandt, sondern auch dann, wenn der Angeklagte wegen einer andersartigen Begehungsform desselben Strafgesetzes verurteilt werden soll (BGHSt 23, 95, 96). Das Schwurgericht muss deshalb regelmäßig darauf hinweisen, wenn es abweichend vom Anklagevorwurf wegen eines anderen Mordmerkmals verurteilen will (vgl. BGHSt 23, 95; 25, 287; Urteil vom 14. April 1953 - 1 StR 152/53). Mit Rücksicht auf den Regelungszweck des § 265 Abs. 1 StPO ist dies jedenfalls dann anzunehmen, wenn die in Betracht kommenden Begehungsformen sich in ihren objektiven und subjektiven Voraussetzungen so stark voneinander unterscheiden , dass eine umfassende Verteidigung des Angeklagten nur durch eine förmliche Unterrichtung gesichert werden kann. Das ist der Fall, wenn das Schwurgericht den Angeklagten wie hier abweichend vom Anklagevorwurf nicht aus dem Gesichtspunkt der Heimtücke, sondern dem der niedrigen Beweggründe wegen Mordes verurteilen will; dasselbe gilt beim Übergang vom Vorwurf des Tötens in Verdeckungsabsicht zum Vorwurf des Tötens aus Wut als niedrigem Beweggrund (BGHSt 25, 287, 289 f.).
10
Die Revision macht zu Recht geltend, dass der rechtliche Hinweis nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprach. Der Hinweis muss - allein oder in Verbindung mit der zugelassenen Anklage - dem Angeklagten hinreichend erkennbar machen, durch welche Tatsachen das Gericht die gesetzlichen Merkmale als erfüllt ansieht (BGH NStZ 1993, 200 mwN). Das gilt auch für das Mordmerkmal der sonstigen niedrigen Beweggründe (Senat BGH NStZ 2005, 111). Nur so kann er seine Funktion erfüllen, den Angeklagten vor Überraschungsentscheidungen zu schützen und ihm die Gelegenheit zu geben, sich gegenüber dem neuen Vorwurf zu verteidigen.
11
Der bloße, zudem als solcher wegen der kumulativen Aufzählung der in Betracht kommenden Mordmerkmalen schon nicht unmissverständliche Hinweis war hier nicht geeignet, den Angeklagten ausreichend darüber zu informieren , welche Umstände nach Auffassung des Gerichts Grundlage der neuen rechtlichen Bewertung sein konnten. Erläuternde Angaben waren auch nicht entbehrlich. Weder der Anklage noch der in der Revisionsschrift wiedergegebenen und als Anlage zum Hauptverhandlungsprotokoll genommenen Erklärung des Angeklagten lassen sich Tatsachen entnehmen, aus denen auf das Vorliegen niedriger Beweggründe, insbesondere auf die vom Landgericht im Urteil angenommene "Wut", geschlossen werden konnte. Die von der stellvertretenden Vorsitzenden am Telefon abgegebene Erklärung war - abgesehen davon, dass sie in formeller Hinsicht nicht die Anforderungen an einen Hinweis nach § 265 Abs. 1 StPO erfüllte - ersichtlich ebenfalls nicht geeignet, den Verteidiger über die tatsächliche Grundlage des abweichenden rechtlichen Gesichtspunktes zu informieren und den Angeklagten vor einer Überraschungsentscheidung zu bewahren.
12
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem unzureichenden Hinweis beruht. Insoweit hat die Verteidigung in der Revisionsschrift im Einzelnen dargelegt, was sie bei einem ordnungsgemäßen Hinweis gegen den - im Übrigen auch nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht nahe liegenden Vorwurf niedriger Beweggründe - noch vorgebracht hätte.
13
3. Der Rechtsfehler erfasst lediglich die Feststellungen zu den Voraussetzungen der Mordmerkmale im Fall 2 sowie den Ausspruch über die Gesamtstrafe. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können aufrechterhalten bleiben; ergänzende Feststellungen sind möglich, so weit sie dazu nicht im Widerspruch stehen.
14
4. Im Übrigen weist der Senat auf Folgendes hin:
15
Der neue Tatrichter wird sich - ohne dass dem das Verschlechterungsverbot entgegensteht (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) - erneut mit dem Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht zu befassen haben. Die Ausführungen hierzu im angefochtenen Urteil sind nicht frei von Widersprüchen. Das Landgericht legt seiner rechtlichen Bewertung zugrunde, dass bei der Tötung von N. eine Absicht des Angeklagten, die vorangegangene Tötung von Ni. zu verdecken, nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen sei (UA 28). Hiermit lassen sich jedoch die Erwägungen bei der Beweiswürdigung nicht ohne Weiteres in Einklang bringen. Dort heißt es u.a., dass sich Gründe, warum dem Angeklagten zur Zeit der Begehung der Tat nicht bewusst gewesen sein solle, dass er mit der Tötung von N. einen Zeugen tötete, ohne den die Ermittlung seiner Person als Täter wesentlich erschwert werden würde, "nicht ergeben" hätten (UA 110). Darüber hinaus zählt das Urteil Umstände auf, "die darauf hindeuten, dass die Verdeckung seiner Täterschaft eine der Haupttriebfedern für die Begehung der Tat gewesen sein kann" (UA 110-113). Gesichtspunkte, die gegen eine Verdeckungsabsicht sprechen könnten, werden dagegen nicht erörtert.

Fischer Schmitt Berger Krehl Eschelbach
2
1. Die Rüge einer Verletzung von § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO bleibt ohne Erfolg. Sie bezieht sich auf eine unterbliebene Unterrichtung des Angeklagten darüber, dass die Jugendschutzkammer nach Erhebung eines Entlastungsbeweises zu Abwesenheitszeiten der Mutter der Nebenklägerin lediglich von einer geringeren Anzahl an Taten, nicht aber von einer Erschütterung der Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin ausgehen werde.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.