Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Jan. 2009 - 3 StR 458/08

bei uns veröffentlicht am07.01.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 458/08
vom
7. Januar 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
7. Januar 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 12. Juni 2008 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung zur Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung unter Einbeziehung von Strafen aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren sowie wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs in sieben Fällen, davon in fünf Fällen jeweils in Tateinheit mit banden- und gewerbsmäßiger Urkundenfälschung, sowie wegen Urkundenfälschung zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die auf sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
Zum Schuld- und Strafausspruch hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3
Das Urteil kann jedoch keinen Bestand haben, soweit eine Entscheidung zur Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Nach den Feststellungen des Landgerichts nahm der Angeklagte seit 2003 bis zu seiner Festnahme im November 2007 Kokain zu sich und benötigte zuletzt pro Woche ca. vier bis fünf Gramm des Betäubungsmittels. Die abgeurteilten Straftaten beging der Angeklagte, um sich Drogen zu beschaffen und seine finanzielle Notlage zu verbessern. Dies drängte zu der Prüfung, ob die Voraussetzungen einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gegeben sind.
4
Über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss nach alledem - unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246 a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte nicht gefährlich im Sinne dieser Vorschrift ist oder keine hinreichend konkrete Aussicht besteht, ihn durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt von seinem Hang zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren (§ 64 Satz 2 StGB), sind nicht ersichtlich.
5
Der Generalbundesanwalt hat die Verwerfung der Revision des Angeklagten beantragt und im Hinblick auf die fehlende Entscheidung zu § 64 StGB ausgeführt, der Beschwerdeführer sei durch die Nichtanordnung der Maßregel nicht beschwert. Insoweit gilt Folgendes:
6
Die Nichtanordnung der Maßregel nach § 64 StGB beschwert den Angeklagten nach bisheriger Rechtsprechung nicht. Dies führt zur Unzulässigkeit eines Rechtsmittels des Angeklagten, mit dem dieser allein die Nichtanordnung der Maßregel beanstandet (st. Rspr.; BGHSt 28, 327, 330; 37, 5, 7; 38, 4, 7; 38, 362, 363; BGH NStZ-RR 2008, 142). Dies hindert das Revisionsgericht indes nicht, auf eine zulässig erhobene - und die Nichtanwendung des § 64 StGB nicht ausdrücklich vom Angriff ausnehmende (vgl. BGHSt 38, 362 f.) - Revision des Angeklagten das Urteil aufzuheben, wenn eine Prüfung der Maßregel unterblieben ist, obwohl die tatrichterlichen Feststellungen dazu gedrängt haben (st. Rspr.; BGHSt 37, 5; BGH, Beschl. vom 5. Februar 2002 - 1 StR 9/02; Beschl. vom 20. Februar 2008 - 2 StR 37/08; Beschl. vom 3. März 2008 - 3 StR 51/08; Beschl. vom 7. Oktober 2008 - 4 StR 257/08; Beschl. vom 13. November 2008 - 5 StR 507/08). Aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit ist das Revisionsgericht nicht gezwungen, auch bei solchen Rechtsfehlern einzugreifen, die den Angeklagten nicht beschweren. Die Berechtigung zu einem Eingriff ist dadurch nicht berührt. "Durch das Verschlechterungsverbot ist der Angeklagte nur davor geschützt, dass das Urteil in Art und Höhe der Strafe zu seinem Nachteil geändert wird. Eine Verschärfung im Schuldspruch muss er dagegen mit der Einlegung des Rechtsmittels in Kauf nehmen (BGHSt 21, 256, 260; BGH JZ 1978, 245). Ebenso wenig ist er davor bewahrt, dass in der Rechtsmittelinstanz oder nach Zurückverweisung die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet wird (§ 331 Abs. 2, § 358 Abs. 2 Satz 2 [jetzt: Satz 3] StPO). Auch diese Folge nimmt er mit der Einlegung des Rechtsmittels in Kauf. Deshalb kann das Revisionsgericht, ohne dass es auf eine Beschwer des Angeklagten ankommt, auf die Sachrüge in den Rechtsfolgenausspruch eingreifen, sofern dieser keine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt enthält" (BGHSt 37,

5).


7
An dieser Möglichkeit des Revisionsgerichts hat die Novellierung der §§ 64, 67 StGB durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl I 1327) nichts geändert. Gegenteiliges kann auch dem Beschluss vom 22. Januar 2008 - 1 StR 607/07 - (juris - bei dem in NStZ 2008, 353 abgedruckten Beschluss vom selben Tag unter demselben Aktenzeichen handelt es sich um eine Parallelsache) nicht entnommen werden. Der 1. Strafsenat hat in dieser Sache der Revision des Angeklagten, mit der neben anderen Beanstandungen auch die Nichtanwendung des § 64 StGB gerügt worden war, den Erfolg versagt, weil "die Strafkammer bei der Prüfung und Verneinung der Notwendigkeit einer Unterbringung von zutreffenden Maßstäben ausgegangen ist" (BGH aaO). Auf eine Beschwer des Angeklagten kam es, nachdem die Prüfung einen Rechtsfehler gerade nicht erbracht hatte, nicht an.
8
Der Senat kann ausschließen, dass der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte. Der Strafausspruch kann deshalb bestehen bleiben.
9
Der neue Tatrichter wird im Falle der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 5 Satz 1 StGB über die Reihenfolge der Vollstreckung von Strafe und Maßregel zu befinden haben (vgl. BGH NStZ 2008, 28; NStZ-RR 2008, 74). Die Dreijahresgrenze des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB ist auch überschritten, wenn - wie hier - zwei Gesamtstrafen gebildet worden sind, die nur zusammen mehr als drei Jah- re betragen. Bei Vorwegvollzug eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe wird es für dessen Berechnung notwendig sein, die für den Angeklagten voraussichtlich erforderliche Therapiedauer zu bestimmen. Becker Miebach Pfister Sost-Scheible Hubert

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafgesetzbuch - StGB | § 67 Reihenfolge der Vollstreckung


(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen. (2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vol

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 9/02
vom
5. Februar 2002
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Februar 2002 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Ingolstadt vom 26. September 2001, soweit es ihn betrifft,
mit den Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung
über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt
unterblieben ist.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1. Der Angeklagte wurde wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt; seine Fahrerlaubnis wurde entzogen und eine Sperrfrist für deren Neuerteilung festgesetzt. Seine auf die Sachrüge gestützte Revision bleibt überwiegend erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO). Revision und Generalbundesanwalt machen jedoch zutreffend geltend, daß die Jugendkammer eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) nicht geprüft hat (§ 349 Abs. 4 StPO, vgl. BGHSt 37, 5).
2. Der Angeklagte ist heroinabhängig. Er ist wiederholt wegen Verstößen gegen das BtMG verurteilt worden, zuletzt im Januar 2001 zu einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe. Die jetzt abgeurteilten Taten, bewaffnete Überfälle auf Tankstellen, hat er wenige Wochen nach dieser Verurteilung "aufgrund seiner Betäubungsmittelabhängigkeit begangen". Sie wurden durch Entzugserscheinungen ausgelöst ; von der Beute erwarb der Angeklagte alsbald Heroin zum Eigenverbrauch. Unter diesen Umständen liegt, wie auch der Generalbundesanwalt im einzelnen zutreffend ausgeführt hat, die Notwendigkeit einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nahe. Es ist typisch für eine hangbedingte Gefährlichkeit, wenn der Täter straffällig wird, um in den Besitz von Rauschmitteln oder - wie hier - in den Besitz des für ihre Beschaffung notwendigen Geldes zu kommen (vgl. nur BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 - 1 StR 693/96; Hanack in LK 11. Aufl. § 64 Rdn. 37 m.w.N.). Erwägungen zu einer Anordnung gemäß § 64 StGB waren auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Jugendkammer nach sachverständiger Beratung von uneingeschränkter Schuldfähigkeit des Angeklagten ausgegangen ist. Eine suchtbedingte Abhängigkeit kann auch dann die Annahme eines Hanges im Sinne des § 64 StGB begründen, wenn sie nicht den Schweregrad einer seelischen Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB erreicht (vgl. Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 64 Rdn. 3 m.w.N.). Der Angeklagte hat sich allerdings bereits einmal einer Therapie unterzogen und ist rückfällig geworden. Dies steht der erforderlichen hinreichend konkreten Aussicht auf einen Behandlungserfolg (BVerfGE 91, 1 ff.) jedoch nicht notwendig entgegen (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 131 f.).
3. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt nur dazu, daû über die Notwendigkeit einer Unterbringung neu verhandelt werden muû, im übrigen bleibt der Rechtsfolgenausspruch unberührt. Es ist ausgeschlossen, daû die Jugendkammer , die die Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten strafmildernd berücksichtigt hat, bei Anordnung der Unterbringung geringere Einzelstrafen oder eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte. 4. Da sich das Verfahren nur noch gegen einen Erwachsenen richtet, verweist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer zurück (BGHSt 35, 267). Schäfer Wahl Schluckebier Kolz Hebenstreit

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 51/08
vom
3. März 2008
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter sexueller Nötigung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 3. März
2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 31. August 2007 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung zur Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat gegen den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter sexueller Nötigung eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verhängt. Mit seiner Revision rügt er die Verletzung materiellen Rechts.
2
Das Rechtsmittel ist im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet, soweit es sich gegen den Schuld- und Strafausspruch richtet.
3
Das Urteil kann jedoch keinen Bestand haben, soweit eine Entscheidung zur Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Nach den Feststellungen konsumierte der Angeklagte seit seiner Jugend in erheblichem und zunehmendem Maße Alkohol und Drogen. Die beiden verfahrensgegenständlichen Taten beging er jeweils nach vorangegangenem starken Alkoholgenuss (Tatzeit-BAK im Fall 2: maximal 1,99 %o). Dies führte zwar nicht zu einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB, hatte aber jeweils enthemmende Wirkung (UA S. 20). Auch wenn der Angeklagte im Tatzeitraum nicht mehr täglich Alkohol trank, liegt es danach nahe, dass die Taten auf einen Hang des Angeklagten zurückgehen, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Dies drängte zu der Prüfung , ob die Voraussetzungen einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gegeben sind. Der Tatrichter hatte selbst den Eindruck (UA S. 21), dass der Angeklagte psychologische Unterstützung benötigt, auch bezüglich seines massiven schädlichen Gebrauchs von Alkohol. Er hat es als begrüßenswert bezeichnet, wenn der Angeklagte während der Verbüßung der Haft die Gelegenheit bekommen und auch nutzen würde, entsprechende Therapieangebote in Anspruch zu nehmen.
4
Die vom Landgericht unterlassene Prüfung erweist sich auch nicht deshalb als entbehrlich, weil nach § 64 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBI I 1327) die Maßregel nicht mehr zwingend angeordnet worden ist. Denn das Gericht muss das ihm nunmehr eingeräumte Ermessen auch tatsächlich ausüben und dies in den Urteilsgründen kenntlich machen (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 73 f.). Im Übrigen sind nach den bisherigen Feststellungen keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass hier einer der Ausnahmefälle vorliegt, in denen der Tatrichter nach seinem Ermessen von der Unterbringung absehen könnte.
5
Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (BGHSt 37, 5). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen. Becker Miebach von Lienen Hubert Schäfer

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BESCHLUSS
4 StR 257/08
vom
7. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 7. Oktober 2008 gemäß
§§ 154 Abs. 2, 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Das Verfahren wird gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt , soweit der Angeklagte im Fall II. 14 der Urteilsgründe wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln verurteilt worden ist. Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 27. Februar 2008, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass er des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen, des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in fünf Fällen schuldig ist,
b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, aa) im Ausspruch über die Gesamtstrafe, bb) soweit eine Entscheidung über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die übrigen Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen, unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln sowie unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Senat stellt das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, soweit der Angeklagte im Fall II. 14 der Urteilsgründe wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln verurteilt worden ist. Dies führt zum Wegfall der wegen dieser Tat verhängten Einzelfreiheitsstrafe von neun Monaten.
3
2. Das Urteil kann ferner nicht bestehen bleiben, soweit eine Entscheidung zur Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterblieben ist. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt: "Durchgreifende Bedenken bestehen jedoch, soweit es das Landgericht unterlassen hat, die Voraussetzungen der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) zu prüfen. Nach den Feststellungen kam der Angeklagte bereits frühzeitig mit Drogen in Kontakt. Vorrangig konsumierte er Haschisch, kam jedoch während seiner Strafhaft in anderer Sache vor einigen Jahren mit Kokain in Berührung. Nach seiner Entlassung konsumierte er regelmäßig, zunächst in einem mäßigen Umfang, Kokain. Der Konsum steigerte sich jedoch zunehmend. Etwa ab Juni 2007 nahm der Angeklagte nahezu täglich größere Mengen zu sich, zuletzt teilweise bis zu 5 Gramm (UA S. 5). Der Angeklagte beging einen Großteil der verurteilten Taten, um auf diese Weise den eigenen beträchtlichen Kokainkonsum zu finanzieren (UA S. 10, 20). Im Zeitpunkt seiner Festnahme in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu der Tat II 13 (unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge) wies sein Blutwert von 548,0 ng/ml Benzoylecgonin auf einen erheblichen Kokainkonsum hin (UA S. 17). Aufgrund dieser rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen liegt es nahe, dass die abgeurteilten Taten auf einen Hang des Angeklagten zurückgehen, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. November 2007 - 3 StR 452/07; Senat, Beschluss vom 19. Februar 2008 - 4 StR 36/08; Senat, Beschluss vom 1. April 2008 - 4 StR 56/08). Anhaltspunkte dafür, dass eine stationäre Therapie bei dem vergleichsweise jungen und bislang noch nicht behandelten Angeklagten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 64 Satz 2 StGB), oder dass andere Voraussetzungen der Maßregelanordnung offensichtlich nicht vorliegen, geben die bisherigen Feststellungen nicht. Erwägungen zu einer Anordnung nach § 64 StGB konnten auch nicht vor dem Hintergrund unterbleiben, dass die Strafkammer - rechtsfehlerfrei - von der uneingeschränkten Schuldfähigkeit des Angeklagten ausgegangen ist. Eine suchtbedingte Abhängigkeit kann auch dann die Annahme eines Hanges im Sinne des § 64 StGB begründen , wenn sie nicht den Schweregrad einer seelischen Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB erreicht (vgl. Senat, Be- schluss vom 22. Februar 2007 - 4 StR 26/07; Fischer, StGB, 55. Auflage, § 64 Rdnr. 7 m.w.N.). Die vom Landgericht unterlassene Prüfung erweist sich auch nicht deshalb als entbehrlich - was auch der Teilaufhebung nicht entgegensteht -, weil nach § 64 Satz 1 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl I 1327) die Maßregel nicht mehr zwingend angeordnet werden muss. Denn das Gericht 'soll' die Unterbringung anordnen, wenn die Voraussetzungen des § 64 StGB vorliegen. Lediglich in besonderen Ausnahmefällen darf es von der Unterbringungsanordnung absehen (vgl. BGH und Senat a.a.O.). Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (BGH a.a.O. m.w.N.). Der Revisionsführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch die Strafkammer nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen. Die Frage nach der Anordnung der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB bedarf mithin unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) der Prüfung und Entscheidung durch ein neues Tatgericht. Dieses wird gegebenenfalls § 67 Abs. 2 StGB zu beachten haben".
4
Dem schließt sich der Senat an.
5
3. Der Senat hebt auch den Ausspruch über die Gesamtstrafe auf, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Landgericht ohne die im Fall II. 14 verhängte Einzelstrafe und bei Anordnung der Unterbringung nach § 64 StGB auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte. Maatz Kuckein Athing Ernemann Mutzbauer

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 607/07
vom
22. Januar 2008
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Januar 2008 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Augsburg vom 25. Mai 2007 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Der Angeklagte wurde wegen mehrerer Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt.
2
Die Revision macht das Fehlen eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses geltend und erhebt eine Verfahrensrüge sowie die nicht näher ausgeführte Sachrüge. Sie bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
1. Die Anklage wurde unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen. Entgegen der Auffassung der Revision liegt damit ein wirksamer Eröffnungsbeschluss vor.
4
a) Im (als rechtlich eine Tat gewerteten) Fall II 1 der Anklageschrift soll ein Mitangeklagter von 3 kg Heroin, die ein unbekannter Kurier am 28. November 2005 nach Deutschland geliefert hatte, fünf Mal jeweils eine Teilmenge von 500 g in eine näher bezeichnete "Bunkerwohnung" verbracht haben. Bei den Fahrten zu dieser Wohnung wurde er, so die Anklage, entweder von einem weiteren Mitangeklagten oder dem Angeklagten begleitet. Die Revision hält es daher jedenfalls nicht für ausgeschlossen, dass dem Angeklagten eine Strafbarkeit durch Beteiligung an diesen Fahrten zur Last gelegt wurde, obwohl die Anklage es selbst für möglich hielt, dass er nie an einer solchen Fahrt beteiligt war. Der Senat neigt nicht zu einer solchen, vom Generalbundesanwalt als "gekünstelt" bezeichneten Auslegung der Anklageschrift; gleichwohl ist diese - insoweit teilt der Senat die Auffassung der Revision - hinsichtlich der Zahl der Fahrten, an denen der Angeklagte beteiligt gewesen sein soll, nicht sehr klar abgefasst.
5
Letztlich kann dies aber auf sich beruhen bleiben. In der Anklageschrift ist nämlich unter der Überschrift "Handel im Rahmen der Bandenstruktur" in Abschnitt II vor Ziffer 1 generell dargelegt, dass der Angeklagte nicht nur an Transportfahrten beteiligt war, sondern auch Geldmittel für Kuriere bereitstellte. Im Hinblick auf den Vorwurf des Bereitstellens von Geldmitteln für Kuriere ist daher die ihm zur Last gelegte Tatbeteiligung auch im Fall II 1 der Anklage mit genügender Klarheit umschrieben. Lag dem Angeklagten aber eine Beteiligung am Handel mit den gesamten 3 kg Heroin durch Bereitstellen von Geld zur Last, können Unklarheiten darüber, (ob und gegebenenfalls) in welchem Umfang er später auch noch am Handel mit diesem Heroin durch Teilnahme am Transport von Teilmengen mitgewirkt hat, die Wirksamkeit des Eröffnungsbeschlusses nicht mehr berühren. Dementsprechend konnten die aufgezeigten Unklarheiten hinsichtlich der Zahl der Fahrten durch den in der Hauptverhandlung erteilten Hinweis gemäß § 265 StPO, der auf einem entsprechenden Geständnis des Angeklagten basierte, wirksam beseitigt werden.
6
b) Soweit die Revision der Auffassung ist, auch hinsichtlich weiterer Tatvorwürfe fehle es an einem wirksamen Eröffnungsbeschluss, verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts.
7
2. Hinsichtlich des Geständnisses des Angeklagten (vgl. oben 1 a am Ende) ist in der Revisionsbegründung ausgeführt, es sei "aus der Sicht des Angeklagten … auf erheblichen Druck seitens des Gerichts" abgelegt worden. Im weiteren Verlauf des Revisionsverfahrens hat der Verteidiger dies wie folgt erläutert : "In der Revisionsbegründung wird keineswegs auf der Grundlage von Kenntnissen des Unterzeichners behauptet, dass auf den Angeklagten Druck ausgeübt wurde, um zu einem Geständnis zu gelangen. Dort wird lediglich die 'Sicht des Angeklagten' wiedergegeben".
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Der Senat braucht all dem unter keinem Gesichtspunkt näher nachzugehen. An der gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erforderlichen bestimmten Behauptung eines Verfahrensmangels fehlt es (auch) dann, wenn, wie hier, der Verteidiger die Verantwortung für die für einen Verfahrensmangel gegebene Begründung nicht übernimmt (vgl. BGHSt 25, 272, 274 m.w.N.; Kuckein in KK 5. Aufl. § 344 Rdn. 33).
9
3. Die auf Grund der Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils hat ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Nack Wahl Kolz Elf Graf

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.