Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Jan. 2004 - 4 StR 464/03

bei uns veröffentlicht am20.01.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 464/03
vom
20. Januar 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 20. Januar 2004 einstimmig beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Neubrandenburg vom 24. April 2003 mit
Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Sachverhalt
aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt; eine Unterbringung nach § 64 StGB hat es abgelehnt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Sachverhalt; eines Eingehens auf die Verfahrensrügen, die die Nichtanordnung der Unterbringung betreffen, bedarf es deshalb nicht.
1. Nach den Feststellungen nahm der Angeklagte seit Jahren regelmäßig alkoholische Getränke im Übermaß zu sich. Auch am Tattag trank er mit
dem später Geschädigten Manfred W. und weiteren Personen erhebliche Mengen Alkohol, bevor er sich am späten Nachmittag schlafen legte. Etwa zwei Stunden später wurde er von dem ebenfalls hochgradig alkoholisierten Manfred W. geweckt, der lautstark weiteren Alkohol forderte. Um ihn zur Ruhe zu bringen, wollte der Angeklagte, wie er es schon öfter getan hatte, Manfred W. in dessen Wohnung einschließen; er stieß ihn hinein und schlug ihn mehrfach mit der Faust. Es entwickelte sich eine Rangelei, in deren Verlauf Manfred W. ein Messer mit feststehender Klinge zog und dem Angeklagten vor das Gesicht hielt. Der Angeklagte, der eine BAK von 3,72 ‰ hatte, nahm ihm das Messer ab, wie er dies in der Vergangenheit bereits mehrfach problemlos getan hatte. Aus Wut über das Verhalten des Geschädigten und um dafür zu sorgen , daß dieser ihn künftig nicht nochmals so bedrohen werde, stach der Angeklagte das Messer dreimal mit erheblicher Intensität in den Rücken beziehungweise die Flanke des Geschädigten. Einer der Stiche verursachte eine Lungenverletzung, die zum alsbaldigen Tod des Opfers führte. Der Angeklagte begab sich in seine eigene Wohnung und teilte der Polizei telefonisch mit, er sei von Manfred W. angegriffen worden und befürchte eine weitere Bedrohung.
2. Der Schuldspruch wegen Totschlags hat keinen Bestand, weil der Tötungsvorsatz nicht ausreichend festgestellt ist. Das Landgericht hat das Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsatzes allein aus der besonders gefährlichen Gewaltanwendung gefolgert. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen der Schluß auf einen zumindest bedingten Tötungsvorsatz nahe liegt, doch ist dieser nur dann rechtsfehlerfrei , wenn der Tatrichter alle nach Sachlage in Betracht kommenden Tatumstände in seine Erwägungen einbezogen hat, die dieses Ergebnis in Frage
stellen können (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 50 m.w.N.). Hier fehlt es an einer Auseinandersetzung mit der erheblichen Alkoholisierung des Angeklagten, der zur Tatzeit eine BAK von 3,72 ‰ aufwies. Wegen dieser Alkohol-intoxikation hat das Landgericht - den Ausführungen des zur Schuldfähigkeitsbeurteilung gehörten Sachverständigen folgend - eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB angenommen. Bei dieser Sachlage versteht es sich nicht von selbst, daß der über das Verhalten des Manfred W. in Wut geratene Angeklagte trotz seiner erheblichen Alkoholisierung erkannt hat, daß seine Gewalthandlungen zum Tode des Opfers führen könnten, und diese Folge auch billigend in Kauf genommen hat (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 26, 55). Wenn ein Täter durch Alkohol oder andere Rauschmittel in seiner Wahrnehmungsfähigkeit beeinträchtigt war, bedarf es besonderer Begründung, wenn der Tatrichter das Wissenselement des bedingten Vorsatzes aus der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung herleiten will. Eine solche Begründung läßt das angefochtene Urteil vermissen: Das Landgericht hat sich mit der erheblichen Alkoholisierung nur bei der Schuldfähigkeitsprüfung, nicht aber bei der Erörterung des Vorsatzes auseinandergesetzt. Das Urteil ist deswegen aufzuheben.
Da die Feststellungen zum äußeren Geschehensablauf, insbesondere zum Fehlen einer Notwehrlage, von diesem Rechtsfehler nicht betroffen sind, können sie aufrechterhalten bleiben.
3. Der neu entscheidende Tatrichter wird auch über die Frage einer Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB zu befinden haben, und zwar, wie § 246 a StPO vorschreibt, unter Hinzuziehung eines Sachverständigen. Eine Unterbringungsentscheidung ist - wie die Revision zu Recht gerügt hat -
rechtsfehlerhaft, wenn das Gericht es unterläßt, in der Hauptverhandlung einen Sachverständigen über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen (vgl. BGHR StPO § 246 a Satz 1 Sachverständiger 1). Sowohl bei der Feststellung eines Hanges als auch bei der erforderlichen Gefährlichkeitsprognose ist das Gericht gehalten, sich sachverständiger Hilfe zu bedienen. Dieses Verfahrenserfordernis kann nicht etwa durch die in anderen Verfahren erworbenen und andere Angeklagte betreffende "eigene Sachkunde" des Gerichts ersetzt werden (BGH, Beschluß vom 15. Juli 1999 - 4 StR 231/99; vgl. auch Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. § 246 a Rdn. 1).
Bezüglich der Frage, ob bei dem bisher nicht bestraften Angeklagten infolge seines Hanges die Gefahr künftiger erheblicher Straftaten besteht, wird der neu entscheidende Tatrichter zu bedenken haben, daß die von § 64 Abs. 1 StGB geforderte Gefahr allein durch die Anlaßtat begründet werden kann (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Gefährlichkeit 2; BGH, Beschluß vom 18. Juli 2000 - 5 StR 289/00; vgl. auch Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 64 Rdn. 11 m.w.N.).
Tepperwien Kuckein Athing

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Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafgesetzbuch - StGB | § 212 Totschlag


(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Strafprozeßordnung - StPO | § 246 Ablehnung von Beweisanträgen wegen Verspätung


(1) Eine Beweiserhebung darf nicht deshalb abgelehnt werden, weil das Beweismittel oder die zu beweisende Tatsache zu spät vorgebracht worden sei. (2) Ist jedoch ein zu vernehmender Zeuge oder Sachverständiger dem Gegner des Antragstellers so spä

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Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Eine Beweiserhebung darf nicht deshalb abgelehnt werden, weil das Beweismittel oder die zu beweisende Tatsache zu spät vorgebracht worden sei.

(2) Ist jedoch ein zu vernehmender Zeuge oder Sachverständiger dem Gegner des Antragstellers so spät namhaft gemacht oder eine zu beweisende Tatsache so spät vorgebracht worden, daß es dem Gegner an der zur Einziehung von Erkundigungen erforderlichen Zeit gefehlt hat, so kann er bis zum Schluß der Beweisaufnahme die Aussetzung der Hauptverhandlung zum Zweck der Erkundigung beantragen.

(3) Dieselbe Befugnis haben die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte bei den auf Anordnung des Vorsitzenden oder des Gerichts geladenen Zeugen oder Sachverständigen.

(4) Über die Anträge entscheidet das Gericht nach freiem Ermessen.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

5 StR 289/00

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 18. Juli 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Juli 2000

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 7. März 2000 nach § 349 Abs. 4 StPO im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten ist, soweit sie den Schuldspruch betrifft, unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Beweiswürdigung, auf deren Grundlage das Schwurgericht eine Notwehrlage des Angeklagten bei Beginn der gewalttätigen Einwirkung auf sein Opfer ausgeschlossen und eine alkoholbedingte erhebliche Verminderung, nicht indes einen Ausschluß der Schuldfähigkeit des Angeklagten angenommen hat, hält nach dem Gesamtzusam- menhang der Urteilsgründe sachlichrechtlicher Prüfung stand. Anders verhält es sich mit dem Rechtsfolgenausspruch.
Die Begründung, mit welcher das Landgericht die Anordnung einer Maßregel der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgelehnt hat, erweist sich als rechtsfehlerhaft. Der – wie vom psychiatrischen Sachverständigen zweifelsfrei festgestellt – alkoholkranke Angeklagte hat ohne jeden verständlichen Anlaß im Zustand alkoholbedingter erheblicher Enthemmung im Sinne von § 21 StGB eine besonders schwere Gewalttat begangen. Danach ist die vom Schwurgericht gebilligte Wertung des Sachverständigen, es fehle an einer Gefahr künftiger erheblicher Straftaten des Angeklagten infolge seines Hanges, nicht verständlich. Die von § 64 Abs. 1 StGB geforderte Gefahr kann allein durch die Anlaßtat begründet werden (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 – Gefährlichkeit 2; BGH, Beschluß vom 11. März 1997 – 5 StR 29/97 – ; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 64 Rdn. 6); durch eine hangbedingte schwere Gewalttat als Anlaßtat wird sie regelmäßig hinreichend belegt. In Ermangelung jeglichen nachvollziehbaren Tatmotivs war hier auch aus dem eher unauffälligen Vorleben des Angeklagten nichts anderes herzuleiten. Der weitere Hinweis des Sachverständigen, der Angeklagte biete “noch keine nachvollziehbare innere Motivation” für eine Entziehungskur, ist – auch im Blick auf zu erwägende Möglichkeiten einer maßgeblichen Motivationsstärkung im Rahmen der Behandlung – zu vage, um das Fehlen der für eine Unterbringung gemäß § 64 StGB erforderlichen hinreichend konkreten Aussicht eines Behandlungserfolges (BVerfGE 91, 1) ausreichend zu belegen und die Nichtanordnung der Maßregel allein zu tragen.
Der Senat kann nicht ausschließen, daß die Strafe bei Anordnung einer Unterbringung nach § 64 StGB niedriger hätte ausfallen können. Das gilt insbesondere angesichts dessen, daß der Strafausspruch – trotz des gravierenden Tatbildes – seiner Begründung wegen nicht unbedenklich ist.
Einem Täter wie dem Angeklagten, dem eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) zugute zu halten ist, darf die bei Begehung der Tat bewiesene Handlungsintensität, die auf diesen Zustand zurückgeht, nur eingeschränkt angelastet werden (vgl. BGHR StGB § 21 – Strafzumessung 17; Tröndle/Fischer aaO § 46 Rdn. 19 und 22; jeweils m.w.N.). Eine wesentliche Strafschärfung wegen besonderen Leidens des Opfers setzt – wenn nicht etwa entsprechend gezieltes Verhalten des Täters in Frage steht – regelmäßig voraus, daß das Opfer dabei mindestens teilweise bei Bewußtsein gewesen ist, was sich hier ohne näheren Beleg nicht von selbst versteht.
Bei dieser Sachlage muß über Strafhöhe und Maßregel – wiederum unter Zuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StGB) – erneut tatrichterlich verhandelt werden.
Harms Basdorf Tepperwien Gerhardt Brause