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Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 174/16
vom
20. September 2016
in der Strafsache
gegen
1.
alias:
2.
wegen zu 1.: gefährlicher Körperverletzung u.a.
zu 2.: räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:200916B3STR174.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts am 20. September 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aurich vom 21. Januar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten und den Angeklagten N. wegen Beihilfe zur räuberischen Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung sowie versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt. Die dagegen gerichteten Revisionen der Angeklagten haben jeweils mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
2
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen verbrachten die Angeklagten die frühen Morgenstunden des 28. Juni 2015 gemeinsam mit den Zeugen de V. und Sch. sowie den Zeuginnen de B. und G. auf dem Schrebergartengrundstück von de V. . Nachdem die Angeklagten sich eine Zeitlang von dem Grundstück entfernt hatten, wurden sie bei ihrer Rückkehr auf eine verbale Auseinandersetzung zwischen de V. und G. aufmerksam, die sich während ihrer Abwesenheit entwickelt hatte. Der Angeklagte N. "ging" nun "auf de V. los und schlug ihm mehrfach mit der flachen Hand ins Gesicht". Währenddessen schlug der Angeklagte S. Sch. in gleicher Weise. Anschließend schlug N. auch Sch. , während S. seinerseits de V. Schläge versetzte; die Strafkammer vermochte sich insoweit nicht davon zu überzeugen, dass die Angeklagten in dieser Situation zeitgleich auf einen der beiden Zeugen einwirkten.
3
Anschließend wiesen die Angeklagten die Zeugen de V. und Sch. an, sich auf eine Bank zu setzen, und bedrängten sie, wegen des Vorfalls nicht die Polizei einzuschalten. N. setzte sich sodann zwischen de V. und Sch. , legte seine Arme um sie und drohte ihnen sinngemäß an, dass "man ihnen ihre Beine abschneiden würde, wenn sie zur Polizei gehen würden". S. hatte einen Schraubendreher und einen Rechen an sich genommen , hielt de V. und Sch. die Gegenstände vor das Gesicht und drohte ihnen, dass "man die beiden auch an Ort und Stelle 'wegmachen' könne".
4
"Relativ am Anfang des ganzen Geschehens" forderten die Angeklagten die Zeugen de V. und Sch. , die durch die Schläge Nasenbluten davongetragen hatten, auf, sich das Blut abzuwaschen, woraufhin diese nacheinander zu einem Wasserhahn gingen. Dabei versuchte S. noch einmal, Sch. zu schlagen, der jedoch ausweichen konnte. Daraufhin trat N. hinzu und versetzte Sch. einen heftigen Tritt gegen den rechten Oberschenkel.
5
S. "entschloss sich nunmehr", de V. "um sein Geld zu erleichtern". Er forderte ihn auf, ihm sein Geld auszuhändigen, worauf de V. ihm "unter dem Eindruck der zuvor geäußerten Drohungen und Schläge" insgesamt 100 € aushändigte.
6
Nachdem S. anschließend die Gartenlaube von de V. erfolglos nach Wertgegenständen durchsucht hatte, redeten die Angeklagten erneut auf de V. und Sch. ein, um sie davon abzuhalten, die Polizei zu verständigen. Zu diesem Zweck drohten sie ihnen nochmals, dass "man sie sonst 'fertig' machen" werde und dass sich ihre Familie sowie Freunde um die Zeugen "kümmern" würden, falls sie ins Gefängnis kämen. N. nahm dabei "billigend in Kauf, dass er durch die weitere Bekräftigung seiner Drohungen auch die vorherige Entwendung des Geldes durch S. unterstützte".
7
2. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten S. wegen räuberischer Erpressung nicht. Das Landgericht hat dazu ausgeführt :
8
Es sei zwar nicht nachzuweisen, dass S. im Zeitpunkt der Geldforderung zur Erreichung seines Zieles unmittelbar Gewalt angewendet oder de V. konkret bedroht habe. Dies sei aber auch nicht erforderlich, da ihm bewusst gewesen sei, dass de V. ihm das Geld nur wegen der bereits vorangegangenen Schläge und Drohungen aushändigen werde, die er selbst sowie N. ausgesprochen hätten. De V. habe wegen des zeitlich-räumlichen Zusammenhangs noch unter dem Eindruck der Gewaltanwendung bzw. Drohungen gestanden, die mithin fortgewirkt hätten. S. habe die Furcht von de V. vor weiteren Schlägen erkannt und diesen Umstand bewusst zur Tatbegehung ausgenutzt.
9
Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die räuberische Erpressung (§§ 253, 255 StGB) erfordert ebenso wie der Raub (§ 249 StGB) einen finalen Zusammenhang zwischen dem Nötigungsmittel und der von dem Opfer vorzunehmenden vermögensschädigenden Handlung. Eine konkludente Drohung genügt; sie kann sich grundsätzlich auch daraus ergeben, dass der Täter dem Opfer durch sein Verhalten zu verstehen gibt, er werde zuvor zu anderen Zwecken angewendete Gewalt nunmehr zur Erzwingung der jetzt erstrebten vermögensschädigenden Handlung des Opfers bzw. dessen Duldung der beabsichtigten Wegnahme fortsetzen oder wiederholen. Das bloße Ausnutzen der Angst des Opfers vor erneuter Gewaltanwendung enthält dagegen für sich genommen noch keine Drohung. Erforderlich hierfür ist vielmehr, dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht stellt, sie also durch ein bestimmtes Verhalten genügend erkennbar macht. Es reicht nicht aus, wenn das Opfer nur erwartet, der Täter werde es an Leib oder Leben schädigen. Das bloße Ausnutzen der Angst eines der Einwirkung des Täters schutzlos ausgelieferten Opfers mag sich als das Ausnutzen einer hilflosen Lage darstellen , die vom Gesetzgeber indes ausschließlich in § 177 Abs. 1 StGB neben Gewalt oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zu einem selbständigen tatbestandlichen Nötigungsmittel erhoben worden ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 31. Juli 2012 - 3 StR 232/12, juris Rn. 4; vom 13. November 2012 - 3 StR 400/12, juris Rn. 5; vom 26. November 2013 - 3 StR 261/13, NStZ-RR 2014, 110; vom 25. Februar 2014 - 4 StR 544/13, StV 2014, 545, 546). Entgegen der vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vertretenen Auffassung ist die Aktualisierung der Nötigungslage durch ein im Urteil gesondert festzustellendes Verhalten des Täters mit Rücksicht darauf , dass eine dem § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB entsprechende Vorschrift im Bereich von Raub und Erpressung fehlt, nicht entbehrlich.
10
Hier hat der Angeklagte S. den Urteilsgründen zufolge indes lediglich die Furcht des Zeugen de V. vor weiteren Schlägen ausgenutzt, ohne ihm zumindest konkludent mit erneuter Gewaltanwendung zu drohen.
11
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen räuberischer Erpressung führt auch zur Aufhebung der Verurteilung wegen der tateinheitlich verwirklichten Körperverletzung und versuchten Nötigung. Entsprechendes gilt im Hinblick auf die Verurteilung des Angeklagten N. .
12
4. Im Hinblick auf die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
13
a) Soweit das Landgericht die Hilfeleistung des Angeklagten N. zu der von dem Angeklagten S. begangenen räuberischen Erpressung darin gesehen hat, dass er de V. und Sch. erneut drohte, um sie davon abzuhalten, die Polizei zu rufen, bevor er das Grundstück gemeinsam mit S. verließ, würden entsprechende Feststellungen - falls sie auch aufgrund der neuen Hauptverhandlung getroffen werden - eine Verurteilung des Angeklagten N. wegen (sukzessiver) Beihilfe zur räuberischen Erpressung (vor deren Beendigung) tragen. Die ergänzenden Ausführungen des Landgerichts , dass N. aufgrund der früheren Schläge und Drohungen außerdem eine Garantenstellung aus Ingerenz innegehabt habe und deshalb verpflichtet gewesen sei, die Verwirklichung der räuberischen Erpressung durch S. zu verhindern, gehen demgegenüber fehl. Aus der bloßen Ursächlichkeit eines Verhaltens für einen späteren Erfolgseintritt kann sich eine Garantenstellung aus vorangegangenem gefährdenden Tun nicht ergeben; erforderlich ist vielmehr , dass das Vorverhalten die nahe Gefahr des Eintritts gerade des tatbestandsmäßigen Erfolges herbeigeführt hat (BGH, Beschluss vom 15. April 1997 - 4 StR 116/97, NStZ-RR 1997, 292 f.). Davon wird hier im Hinblick auf das nach den vorherigen Drohungen und Körperverletzungshandlungen begangene Vermögensdelikt kaum die Rede sein können.
14
b) Die Annahme des Landgerichts, dass sich der Angeklagte N. unter dem Gesichtspunkt des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB wegen gefährlicher Körperverletzung strafbar gemacht habe, indem er den Zeugen Sch. trat, nachdem der Angeklagte S. zuvor erfolglos versucht hatte, Sch. zu schlagen, während eine Strafbarkeit von S. unter diesem Gesichtspunkt ausscheide, begegnet rechtlichen Bedenken. § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB setzt voraus, dass der Täter die Körperverletzung mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begeht. Ausreichend, aber auch erforderlich ist, dass mindestens zwei Beteiligte (Täter oder Teilnehmer, § 28 Abs. 2 StGB) am Tatort bewusst zusammenwirken; es genügt, wenn eine am Tatort anwesende Person den unmittelbar Tatausführenden aktiv physisch oder psychisch unterstützt (BGH, Urteil vom 22. Dezember 2005 - 4 StR 347/05, NStZ 2006, 572, 573). Eine rein passive Anwesenheit am Tatort reicht dagegen nicht aus, und zwar selbst dann nicht, wenn der Anwesende die Körperverletzungstat des anderen innerlich billigt oder befürwortet (KG, Beschluss vom 12. März 2013 - (4) 121 Ss 30/13 (49/13), StV 2014, 349).
15
c) Soweit das Landgericht die Anwendbarkeit des § 46a Nr. 1 StGB mit der Begründung abgelehnt hat, dass der Angeklagte S. dem Zeugen de V. kein Schmerzensgeld gezahlt habe, wird Folgendes zu bedenken sein: Die Vorschrift setzt einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Tat verursachten Folgen gerichtet sein muss; das Verhalten des Täters muss Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 - 1 StR 405/02, BGHSt 48, 134, 139 ff.). Erforderlich ist, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat "ganz oder zum überwiegenden Teil" wiedergutmacht, wobei es auch ausreichend sein kann, dass er dieses Ziel ernsthaft erstrebt (BGH, Urteil vom 23. Mai 2013 - 4 StR 109/13, juris Rn. 11). Den Urteilsgründen zufolge hat der geständige Angeklagte S. sich hier bei dem Zeugen de V. entschuldigt und dessen materiellen Schaden ersetzt; de V. hat die Entschuldigung akzeptiert und ausdrücklich erklärt, dass die Sache für ihn mit der Rückzahlung des Geldes "erledigt" sei. In Anbetracht dessen schließt allein die unterbliebene - von de V. indes auch nicht beanspruchte - Zahlung von Schmerzensgeld eine Strafmilderung gemäß § 46a Nr. 1 StGB nicht unbedingt aus.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

4
Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen versuchten (richtig : "besonders", vgl. BGH, Beschluss vom 5. Mai 2011 - 3 StR 57/11, NStZ 2011, 702) schweren Raubes nicht. Nach ständiger Rechtsprechung muss zwischen der Drohung mit oder dem Einsatz von Gewalt und der Wegnahme beim Raub eine finale Verknüpfung bestehen; Gewalt oder Drohung müssen das Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 249 Rn. 6 mwN). An einer solchen Verknüpfung fehlt es, wenn eine Nötigungshandlung nicht zum Zwecke der Wegnahme vorgenommen wird, der Täter den Entschluss zur Wegnahme vielmehr erst nach Abschluss dieser Handlung fasst (BGH, Beschluss vom 21. März 2006 - 3 StR 3/06, NStZ 2006, 508 mwN). Vorliegend ergeben die Feststellungen weder, dass sich der Angeklagte im Moment des Schlages bereits zur Wegnahme entschlossen hatte, noch, dass er dem Zeugen nach dem geführten Schlag - gegebenenfalls durch schlüssiges Verhalten - mit weiteren Gewalthandlungen drohte, um die Wegnahme zu ermöglichen.
5
Für den Zeitpunkt der erst nach Abschluss der Gewalthandlungen geäußerten Forderungen an den Geschädigten auf Vornahme vermögensschädigender Handlungen ist nicht festgestellt, dass der Angeklagte für den Fall deren Nichterfüllung zumindest konkludent mit weiterer Gewalt drohte. Zwar hatte der Geschädigte weiterhin Angst vor dem Angeklagten und dem gesondert Verfolgten S. , das bloße Ausnutzen einer vorangegangenen Nötigung reicht indes nicht aus, wenn nicht die Nötigungslage bei Hinzutreten der Bereicherungsabsicht wenigstens aktualisiert aufrechterhalten wird (Fischer, aaO, § 253 Rn. 18a).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 261/13
vom
26. November 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
hier: Revisionen der Angeklagten W. , R. und B.
wegen schweren Raubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 26. November

beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 18. März 2013,
a) soweit es die Angeklagten und den Mitangeklagten K. betrifft, im Schuldspruch dahin abgeändert, dass die Angeklagten im Fall II. 3. der Urteilsgründe des Diebstahls in Tateinheit mit Nötigung schuldig sind;
b) mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben aa) soweit es die Angeklagten und den Mitangeklagten K. betrifft in den den Fall II. 3. der Urteilsgründe betreffenden (Einzel-)Strafaussprüchen; bb) soweit es die Angeklagten betrifft, im jeweiligen Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe sowie
c) soweit es die Angeklagten W. und R. sowie den Mitangeklagten K. betrifft, im Ausspruch über den Vollzug von Strafe vor der Vollstreckung der Maßregel; insoweit bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten und den Mitangeklagten K. im Fall II. 3. der Urteilsgründe jeweils des schweren Raubes in Tateinheit mit Nötigung "im besonders schweren Fall" schuldig gesprochen. Den Angeklagten W. hat es deswegen und wegen weiterer Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass ein Jahr der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Vollstreckung der Maßregel zu vollziehen ist. Gegen den Angeklagten R. hat es wegen der genannten und weiterer Taten auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren erkannt, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass sechs Monate der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Vollstreckung der Maßregel zu vollziehen sind. Den Angeklagten B. hat es neben der genannten Tat weiterer Taten schuldig gesprochen und ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen den Mitangeklagten K. hat es wegen der genannten Tat auf eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren erkannt, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass sechs Monate der Freiheitstrafe vor der Vollstreckung der Maßregel zu vollziehen sind. Die Angeklagten rügen mit ihren Revi- sionen die Verletzung sachlichen Rechts. Ihre Rechtsmittel führen zur Änderung des Schuldspruchs im Fall II. 3. der Urteilsgründe, der Aufhebung des jeweiligen Strafausspruchs in diesem Fall sowie der Gesamtfreiheitsstrafen. Diese Rechtsfolgen sind auf den nicht revidierenden Mitangeklagten K. zu erstrecken. Danach kann die bei den Angeklagten W. und R. sowie dem Mitangeklagten K. getroffene Anordnung über den Vorwegvollzug ebenfalls keinen Bestand haben. Im Übrigen sind die Revisionen gemäß den Erwägungen in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Feststellungen tragen nicht die Verurteilung wegen schweren Raubes gemäß §§ 249, 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB, denn sie belegen weder die erforderliche Finalität zwischen den eingesetzten Nötigungsmitteln und der Wegnahme noch das Beisichführen einer Waffe.
3
a) § 249 StGB setzt voraus, dass die eingesetzte Gewalt oder Drohung Mittel gerade zur Ermöglichung der Wegnahme ist. Folgt die Wegnahme der Anwendung der Nötigungsmittel zu anderen Zwecken nur zeitlich nach, ohne dass diese finale Verknüpfung besteht, so scheidet ein Schuldspruch wegen Raubes aus. Zwar genügt es, wenn die zunächst zu anderen Zwecken begonnene Gewaltanwendung beim Fassen des Wegnahmevorsatzes fortgesetzt wird. Jedoch enthält das bloße Ausnutzen der Angst des Opfers vor erneuter Gewaltanwendung für sich genommen noch keine Drohung. Erforderlich hierfür ist, dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht stellt, sie also durch ein bestimmtes Verhalten genügend erkennbar macht. Es reicht nicht aus, wenn das Opfer nur erwartet, der Täter werde es an Leib oder Leben schädigen. Das bloße Ausnutzen der Angst eines der Einwirkung des Täters schutzlos ausgelieferten Opfers mag sich als das Ausnutzen einer hilflosen La- ge darstellen, die vom Gesetzgeber indes ausschließlich in § 177 Abs. 1 StGB neben Gewalt oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zu einem selbstständigen tatbestandlichen Nötigungsmittel erhoben wurde (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 8. Mai 2013 – 2 StR 558/12, NStZ 2013, 648 mwN).
4
Nach diesen Maßstäben kommt ein Raub hier nicht in Betracht. Nach den Feststellungen des Landgerichts dienten die von den Angeklagten ausgeübte Gewalt und die ausgesprochenen Drohungen ausschließlich dazu, die Nebenklägerin in erheblicher Weise zu demütigen und zu quälen, nicht aber der Ermöglichung der Wegnahme der Gegenstände aus deren Wohnung. Den dahin gehenden Entschluss fassten die Angeklagten erst im Verlauf des sich lange hinziehenden Tatgeschehens. Die Nebenklägerin duldete schließlich das Wegschaffen ihres Eigentums zwar aus Angst vor weiteren Übergriffen. In diesem Zusammenhang ist jedoch lediglich festgestellt, dass den Angeklagten dieser Umstand bewusst war. Dies allein reicht jedoch nicht aus. Der erneute Einsatz von - nunmehr final auf die Wegnahme gerichteter – Gewalt lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Ausreichende Feststellungen dahin, dass die Angeklagten, und sei es nur durch schlüssiges Verhalten, zum Zwecke der Wegnahme der Gegenstände auf den Willen der Nebenklägerin einwirkten, indem sie dieser weitere Erniedrigungen deutlich in Aussicht stellten, enthält das Urteil ebenfalls nicht. Damit scheidet die Annahme aus, die zuvor ausgeübte Gewalt habe als aktuelle Drohung erneuter Gewaltanwendung weitergewirkt.
5
b) Eine Waffe führt im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB bei sich, wer sie in irgendeinem Zeitpunkt vom Ansetzen zur Tat bis zu deren Beendigung bei sich hat. Nicht vorausgesetzt ist, dass der Täter oder Teilnehmer den Gegenstand in der Hand hält oder am Körper trägt; es genügt, wenn dieser sich in Griffweite befindet oder der Beteiligte sich seiner jederzeit ohne nennenswerten Zeitaufwand bedienen kann. Erforderlich ist weiter, dass der Beteiligte die Waffe bewusst gebrauchsbereit bei sich hat, d.h. mit dem allgemeinen, noch auf keinen bestimmten Zweck gerichteten Bewusstsein, ein funktionsbereites Werkzeug zur Verfügung zu haben, das dazu bestimmt ist, erhebliche Verletzungen zu verursachen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 12. Juli 2005 – 4 StR 170/05, NStZ-RR 2005, 340; vom 27. September 2002 – 5 StR 117/02, NStZ-RR 2003, 12,13).
6
Dass dies hier der Fall war, ergibt sich aus den Feststellungen nicht. Danach drohte der Mitangeklagte K. der Nebenklägerin zu Beginn des Tatgeschehens und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem die Angeklagten den Wegnahmevorsatz noch nicht gefasst hatten, mit einem in deren Küche vorgefundenen kleinen Messer, ihr die Finger abzuschneiden, und forderte sie auf, hierzu ihre Hand auf einen kleinen Küchenschrank zu legen. Nachdem die Nebenklägerin hierauf nicht eingegangen war, verfolgte er dieses Ansinnen nicht weiter und legte das Messer an einem nicht zu klärenden Ort in der Küche ab. Den Feststellungen lässt sich nicht entnehmen, dass einer der Beteiligten zu irgendeinem späteren Zeitpunkt dem danach irgendwo in der Küche befindlichen Messer auch nur die geringste Beachtung schenkte. Damit ist ein bewusst gebrauchsbereites Beisichführen nicht belegt. Da sich in der Küche einer Wohnung typischerweise Messer befinden, wäre andernfalls praktisch jeder Diebstahl bzw. Raub von Gegenständen aus einer Wohnung nach § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a bzw. § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB qualifiziert. Damit wäre der Anwendungsbereich der genannten Vorschriften in einer Weise unangemessen ausgedehnt, die ihrem Sinn und Zweck widerspräche.
7
2. Der Senat schließt es mit Blick auf die besonderen Umstände des vorliegenden Falles aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden könnten, welche die Voraussetzungen eines schweren Raubes belegen. Er stellt deshalb in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch auf Diebstahl in Tateinheit mit Nötigung (§ 242 Abs. 1, § 240 Abs. 1, 2, § 52 StGB) um. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, denn die Angeklagten hätten sich gegen diesen Tatvorwurf nicht wirksamer als geschehen verteidigen können.
8
3. Die Strafkammer hat zwar zu Recht die Voraussetzungen des § 240 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 StGB bejaht. Die Aufnahme dieser Strafzumessungsregelung in den Urteilstenor ist jedoch nicht veranlasst (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 260 Rn. 25 mwN).
9
4. Die Änderung des Schuldspruchs bedingt die Aufhebung der Aussprüche über die in Fall II. 3. der Urteilsgründe verhängten Strafen sowie über die Gesamtstrafe. Damit können auch die Anordnungen über die Dauer des Vorwegvollzugs von Strafe vor der Vollziehung der Maßregel keinen Bestand haben ; die insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können allerdings bestehen bleiben. Das neue Tatgericht wird innerhalb des nunmehr anzuwendenden Strafrahmens u.a. die Art der Tatausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat angemessen zu berücksichtigen haben (§ 46 Abs. 2 StGB).
10
5. Die Entscheidung war gemäß § 357 StPO auf den Mitangeklagten K. zu erstrecken, der keine Revision eingelegt hat, indes von den sachlichrechtlichen Fehlern im Fall II. 3. der Urteilsgründe in gleicher Weise betroffen ist wie die Angeklagten.
Becker Pfister Schäfer
Mayer Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR544/13
vom
25. Februar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 25. Februar 2014 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten und Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 15. August 2013 mit den Feststellungen aufgehoben, jedoch bleiben die im Fall II.1. der Urteilsgründe zum äußeren Tathergang getroffenen Feststellungen aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten, gegen den wegen gefährlicher Körperverletzung Anklage und wegen einer weiteren Straftat eine Antragsschrift im Sicherungsverfahren erhoben worden war, vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich seine auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision. Sie hat Erfolg.
2
1. Die rechtliche Bewertung der dem Beschuldigten im Sicherungsverfahren zur Last gelegten Tat (Fall II.2. der Urteilsgründe) begegnet - teilweise - durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
3
a) Nach den insofern getroffenen Feststellungen überraschte der Beschuldigte am Morgen des 26. März 2013 seine geschiedene Ehefrau, als diese auf dem Weg zu ihrem Pkw den Keller ihres Wohnhauses durchquerte. Er sagte ihr, dass er ein Messer habe, und die Zeugin sah, wie er dieses in die Hosentasche steckte. Im Verlauf des sich anschließenden Gesprächs, in dem er unter anderem die Zahlung von Geld zum Ausgleich seiner Schulden forderte, ergriff der Beschuldigte das von der Zeugin in der Hand gehaltene Mobiltelefon und riss es ihr aus der Hand, um es für sich zu behalten. "Verängstigt über das plötzliche Erscheinen des Angeklagten und dessen Äußerung, ein Messer bei sich zu haben, leistete die Zeugin keinerlei Widerstand" (UA S. 13). Ferner entwand er der Zeugin einen Schlüsselbund. In der Folge forderte der Beschuldigte die Zeugin auf, mit ihm zu ihrem Pkw zu gehen und sich in das Fahrzeug zu setzen. Dem kam die Zeugin "unter dem Eindruck des Vorgeschehens" nach, zumal sie auf dem Weg zum Pkw bzw. in diesem auf eine Möglichkeit zur Flucht hoffte. Versuche der Zeugin, dem Beschuldigten den Schlüsselbund wieder abzunehmen, gab die Zeugin auf, nachdem er gedroht hatte, ihr das Gesicht zu zerschneiden. Zudem beleidigte er sie und schlug ihr schließlich mit dem Schlüsselbund gegen den Kopf. Einen in dem Pkw während des sich anschließenden Gesprächs von der Zeugin unternommenen Fluchtversuch vereitelte der Beschuldigte, indem er sie an den Haaren wieder in das Fahrzeug zog. Schließlich erklärte er, dass er sie zur Arbeit fahren und sie später wieder abholen werde. Hierauf ging die Zeugin zum Schein ein. An ihrer Arbeitsstelle angekommen bat die Zeugin den Beschuldigten, ihr die Schlüssel ihrer Firma zu geben. Diese sowie die Wohnungsschlüssel übergab der Beschuldigte ihr daraufhin. Sodann "fragte" er sie, "ob sie Geld habe, weil er einen Kaffee trinken wolle. Unter dem Eindruck des Vorgeschehens, verängstigt durch seine Drohungen und dadurch, dass er das Messer nach wie vor bei sich hatte, übergab sie ihm ihr einziges Bargeld in Form von fünf Euro". Sodann stieg sie aus dem Pkw aus. "Insgesamt erstreckte sich das Geschehen … über einen Zeit- raum von etwa einer Stunde" (UA S. 15).
4
Die Strafkammer bewertete dieses Geschehen als (besonders) schweren Raub (hinsichtlich des Mobiltelefons), gefährliche Körperverletzung (Schlag mit dem Schlüsselbund), vorsätzliche Körperverletzung (Ziehen an den Haaren) und schwere räuberische Erpressung (hinsichtlich der 5 €). Alle diese Tatbestände stünden - so das Landgericht - in Tateinheit.
5
b) Die rechtliche Würdigung begegnet - teilweise - durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Insbesondere belegen die Feststellungen das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen einer schweren räuberischen Erpressung gemäß §§ 253, 255, 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB nicht.
6
aa) Diese erfordert eine finale Verknüpfung zwischen dem Nötigungsmittel und der von dem Opfer vorzunehmenden vermögensschädigenden Handlung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. November 2012 - 3 StR 400/12 [juris Rn. 4], und vom 5. November 2013 - 2 StR 388/13 [juris Rn. 11], jeweils mwN). Nicht anders als beim Raub genügt es daher nicht, wenn der Einsatz des Nötigungsmittels nicht zum Zwecke der - hier erfolgten - Herausgabe des Geldes vorgenommen wird, sondern der Täter den Entschluss, dem Opfer eine Handlung abzunötigen, erst nach der Gewaltanwendung oder Drohung fasst (vgl. Beschluss vom 31. Juli 2012 - 3 StR 232/12, NStZ-RR 2012, 342).
7
Die Strafkammer hat jedoch nicht festgestellt, dass der Beschuldigte bereits im Zeitpunkt der Körperverletzungen oder Drohungen vorhatte, die Geschädigte zur Herausgabe des Geldes für einen Kaffee zu bewegen. Nach den Feststellungen der Strafkammer forderte der Beschuldigte vielmehr zunächst wegen angeblich durch die Zeugin verursachter Schulden mindestens 25.000 €, bevor er - erhebliche Zeit später, insbesondere nach der Wegnahme des Mobiltelefons und des Schlüsselbundes sowie der Fahrt zur Arbeitsstelle der Zeugin - diese nach dem Geld für einen Kaffee "fragte".
8
bb) Die Feststellungen der Strafkammer belegen auch nicht, dass der Beschuldigte für den Fall der Nichterfüllung seiner "Frage" zumindest konkludent mit weiterer Gewalt gedroht hat.
9
Zwar hatte die Geschädigte weiterhin Angst vor dem Beschuldigten. Dies ist auch nachvollziehbar, obwohl die Zeugin nach ihrer Aussage - der die Strafkammer folgt - in die Fahrt mit dem Pkw einwilligte, weil sie davon ausging, dass der Beschuldigte dabei "nicht unmittelbar sofort eine neue Bedrohungslage unter Verwendung des Messers herstellen konnte" (UA S. 20; Hervorhebung nur hier). Das bloße Ausnutzen einer vorangegangenen Nötigung reicht indes nicht aus, wenn nicht die Nötigungslage bei Hinzutreten der Bereicherungsabsicht wenigstens aktualisiert aufrechterhalten wird (vgl. BGH, Beschluss vom 13. November 2012 - 3 StR 400/12 [juris Rn. 5], mwN). Dies und einen entsprechenden Vorsatz des Beschuldigten hat die Strafkammer aber nicht festgestellt.
10
2. Schon dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils mit Ausnahme der im Fall II.1. der Urteilsgründe zum äußeren Tathergang getroffenen Feststellungen (vgl. dazu Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 353 Rn. 12, 15).
Denn der Senat kann nicht hinreichend sicher ausschließen, dass die Strafkammer die den Angeklagten und Beschuldigten außerordentlich belastende Maßregel der Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt nicht angeordnet oder zur Bewährung ausgesetzt hätte, wenn sie den - gewichtigen - Straftatbestand der schweren räuberischen Erpressung im Fall II.2. der Urteilsgründe nicht bejaht hätte.
11
Die Aufhebung auch des Freispruchs ist im Hinblick auf § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO geboten (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2013 - 3 StR 349/13 [juris Rn. 8]).
12
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
13
(1) Hinsichtlich der rechtlichen Bewertung der Wegnahme des Mobiltelefons als (besonders) schwerer Raub ist schon unklar, von welchem Straftatbestand die Strafkammer tatsächlich ausgegangen ist. Denn sie bewertet dieses Geschehen wegen des Vorhalts des Messers zwar als "Raub in einem besonders schweren Fall", verweist aber mehrfach auf § 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB. Insofern wird die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer sich auch um weitere Aufklärung zu bemühen haben, da die bisherigen Feststellungen es als nicht ausgeschlossen erscheinen lassen, dass das Entreißen des Mobiltelefons durch ein das Opfer überraschendes Verhalten des Beschuldigten und nicht eine Drohung mit dem Messer ermöglicht wurde. Nach der Konzeption der Raubdelikte ist ein Verwenden einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB aber nur dann zu bejahen, wenn der Täter zur Wegnahme der fremden beweglichen Sache die Waffe oder das gefährliche Werkzeug als Mittel entweder der Gewalt gegen eine Person oder der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für deren Leib oder Leben gebraucht (BGH, Urteil vom 5. August 2010 - 3 StR 190/10, NStZ 2011, 211, 212), er es also als Nötigungsmittel zur Herbeiführung der Wegnahme benutzt (vgl. BGH, Beschluss vom 13. November 2012 - 3 StR 422/12, NStZ-RR 2013, 210; vgl. zur Abgrenzung zwischen Verwenden und offenen Mitführen zudem: BGH, Beschluss vom 8. Mai 2012 - 3 StR 97/12, StraFo 2012, 329).
14
Im Übrigen wird auch hinsichtlich dieser Tat zu bedenken sein, dass das bloße Ausnutzen der Angst des Opfers vor erneuter Gewaltanwendung für sich genommen noch keine Drohung darstellt. Erforderlich hierfür ist, dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht stellt, sie also durch ein bestimmtes Verhalten genügend erkennbar macht. Es reicht nicht aus, wenn das Opfer nur erwartet, der Täter werde es an Leib oder Leben schädigen. Das bloße Ausnutzen der Angst eines der Einwirkung des Täters schutzlos ausgelieferten Opfers mag sich als das Ausnutzen einer hilflosen Lage darstellen, die vom Gesetzgeber indes ausschließlich in § 177 Abs. 1 StGB neben Gewalt oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zu einem selbstständigen tatbestandlichen Nötigungsmittel erhoben wurde (BGH, Beschluss vom 26. November 2013 - 3 StR 261/13 [juris Rn. 3], mwN).
15
(2) Die Anordnung der Maßregel des § 63 StGB erfordert, dass der Täter eine rechtswidrige Tat begangen hat, die auf den die Annahme der §§ 20, 21 StGB rechtfertigenden dauerhaften Defekt zurückzuführen ist, also mit diesem in einem ursächlichen und symptomatischen Zusammenhang steht. Dies bedarf vorliegend insbesondere hinsichtlich der Taten des Beschuldigten zum Nachteil seiner geschiedenen Ehefrau näherer Darlegung.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Fehlen besondere persönliche Merkmale (§ 14 Abs. 1), welche die Strafbarkeit des Täters begründen, beim Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe), so ist dessen Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(2) Bestimmt das Gesetz, daß besondere persönliche Merkmale die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen, so gilt das nur für den Beteiligten (Täter oder Teilnehmer), bei dem sie vorliegen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 347/05
vom
22. Dezember 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
zu 1. und 2. wegen unerlaubten Führens einer halbautomatischen
Selbstladekurzwaffe u.a.
zu 3. wegen Anstiftung zum unerlaubten Führen einer halbautomatischen
Selbstladekurzwaffe u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Dezember
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten P. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Ö. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten A. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers Cemal Ak. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers Ziver Ak. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen des Nebenklägers Cemal Ak. wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 28. Februar 2005 in den Schuldsprüchen dahin ergänzt, dass die Angeklagten P. und Ö. auch der tateinheitlich verwirklichten versuchten gefährlichen Körperverletzung in drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen und der Angeklagte A. der Anstiftung hierzu schuldig sind.
2. Die weitergehenden Revisionen des Nebenklägers Cemal Ak. und die Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
3. Die Angeklagten tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel und die dem Nebenkläger Ziver Ak. hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen. Der Nebenkläger Cemal Ak. hat die Kosten seiner Rechtsmittel zu tragen, jedoch wird die Revisionsgebühr um ein Drittel ermäßigt. Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1
Das Landgericht hat die Angeklagten P. und Ö. des unerlaubten Führens einer halbautomatischen kurzläufigen Selbstladewaffe in Tateinheit mit vorsätzlichem gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr und den Angeklagten A. der Anstiftung hierzu für schuldig befunden. Es hat deswegen die Angeklagten P. und A. jeweils zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren und neun Monaten, den Angeklagten Ö. zu einer solchen von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten und des Nebenklägers Cemal Ak. . Die Angeklagten Ö. und A. rügen die Verletzung materiellen Rechts, der Angeklagte P. darüber hinaus auch die Verletzung von Verfahrensrecht. Der Nebenkläger verfolgt mit seinen Revisionen in erster Linie das Ziel einer Verurteilung der Angeklagten (auch) wegen eines versuchten Tötungsdelikts, zumindest aber wegen versuchter (gefährlicher) Körperverletzung und beanstandet mit der Sachrüge die Beweiswürdigung des Landgerichts. Die Revisionen der Angeklagten erweisen sich als unbegründet, die des Nebenklägers Cemal Ak. nur als teilweise begründet.

II.

2
Das Landgericht hat festgestellt:
3
Der Angeklagte A. beabsichtigte, den Nebenkläger Cemal Ak. für eine aus seiner Sicht ihm zugefügte Ehrverletzung zu bestrafen. Hintergrund hierfür war, dass ihm seine Ehefrau mitgeteilt hatte, der Nebenkläger habe vor Jahren versucht, sich ihr sexuell zu nähern. Die Mitangeklagten Ö. und P. erklärten sich bereit, die „Bestrafungsaktion“ gegen Zahlung von 3.000 € zu übernehmen. Hierbei wurde zunächst ins Auge gefasst, den Nebenkläger „zu schlagen“. Später kam man überein, mit einer vom Angeklagten Ö. zu beschaffenden Pistole auf das Fahrzeug des Nebenklägers zu schießen, um diesen „nachhaltig zu erschrecken“. Für ein solches Vorgehen verlangten P. und Ö. die Zahlung weiterer 4.500 €. Der Angeklagte A. erklärte sich hiermit einverstanden.
4
Am Abend des Tattages fuhren die Angeklagten P. und Ö. zu einer zuvor von P. ausgekundschafteten Stelle, die der Nebenkläger mit seinem Pkw von seiner Arbeitsstelle kommend passieren musste. Der Angeklagte Ö. hatte – wie verabredet – eine Pistole, Kaliber 9 mm, nebst Munition mitgebracht, zu deren Führung weder er noch der Angeklagte P. berechtigt waren. Mit dieser sollte der Angeklagte P. als geübter Sportschütze die Schüsse auf das Fahrzeug des Nebenklägers abgeben. Der Angeklagte Ö. positionierte sich auf einem dem späteren Tatort benachbarten Grundstück, um P. das Herannahen des Pkw des Nebenklägers mit einem Anruf seines Mobiltelefons anzukündigen. Für die Angeklagten stand fest, dass durch die Schüsse niemand verletzt werde sollte, „was sie aufgrund der Schießerfahrung des Angeklagten P. für machbar hielten“. Als der Nebenkläger – durch den Angeklagten Ö. wie vereinbart angekündigt – sich mit seinem Fahrzeug, in welchem sich noch zwei weitere Mitfahrer befanden , mit einer Geschwindigkeit von 30 – 40 km/h der Position des Angeklagten P. näherte, feuerte dieser hinter einer Hecke verborgen aus einer Entfernung von etwa fünf bis sieben Meter innerhalb weniger Sekunden in zwei oder drei kurzen Serien insgesamt sieben, auf die Reifen des Fahrzeugs gezielte Schüsse ab. Vier der Schüsse trafen das Fahrzeug. Ein Geschoß drang an der Vorderkante der linken hinteren Tür ca. 42,5 cm über dem Türschweller in die Karosserie ein. Die drei weiteren Einschläge erfolgten im Bereich des linken vorderen Reifens und Radkastens. Bei Abfeuern der Schüsse erkannte der Angeklagte P. die Möglichkeit, dass diese die Fahrzeuginsassen treffen und unter Umständen tödlich verletzen könnten. Einen solchen Erfolg wollte er jedoch nicht. Aufgrund seiner Erfahrung als Schütze vertraute er auf seine Treffsicherheit und deshalb darauf, dass die drei von ihm erkannten Fahrzeuginsassen nicht verletzt würden. Allerdings nahm er mindestens billigend in Kauf, dass es aufgrund des erwarteten und erwünschten Erschreckens des Fahr- zeugführers oder aber einer Beschädigung des Fahrzeugs, insbesondere der Reifen, zu einem Unfall kommen könnte. Es kam ihm jedoch nicht darauf an, einen Unfall herbeizuführen (UA 15).
5
Der Nebenkläger hielt sein Fahrzeug kurz an und fuhr - als er bemerkte, dass auf das Fahrzeug geschossen wurde – mit erhöhter Geschwindigkeit davon. Sowohl er wie auch seine zwei Mitfahrer blieben unverletzt.

III.

6
Die Revisionen des Nebenklägers:
7
1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts, mit der es einen Tötungsvorsatz , auch in der Form eines Eventualvorsatzes, verneint hat, lässt Rechtsfehler nicht erkennen (zur eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfbarkeit tatrichterlicher Beweiswürdigung vgl. nur BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 13 und Überzeugungsbildung 33 m.w.N.).
8
a) Es hat mit tragfähigen Begründungen unter Abwägung der maßgeblichen Tatumstände und Indizien das Vorliegen eines versuchten Auftragsmordes im Rahmen einer Blutfehde zwischen der Familiengruppe des Nebenklägers und einer anderen kurdischen Familiengruppierung um den Angeklagten A. verneint. Die hiergegen gerichteten Angriffe des Beschwerdeführers („Scheinargumente“, „Würdigungsfehler“) decken keinen Rechtsfehler auf, sondern stellen nur den revisionsrechtlich unzulässigen Versuch dar, die eigene Beweiswürdigung an Stelle der des Tatrichters zu setzen.
9
b) Auch die weiteren Erwägungen, mit denen das Landgericht das Vorliegen eines (bedingten) Tötungsvorsatzes verneint hat, geben keinen Anlass zu rechtlichen Bedenken. Die erkennende Strafkammer hat insoweit maßgeblich darauf abgestellt, dass von den sieben Schüssen, die der Angeklagte P. aus relativ kurzer Entfernung auf das Fahrzeug des Nebenklägers abgegeben hat, drei das Ziel völlig verfehlt haben und drei weitere im Bereich des linken Vorderreifens eingeschlagen sind. Hieraus und aus dem Umstand, dass der Angeklagte P. in den Jahren vor der Tat regelmäßig an dem Pistolen-Schusstraining seines Schützenvereins teilgenommen und als Sportschütze zumindest mittelmäßige Ergebnisse erzielt hatte, hat sie den – jedenfalls möglichen - Schluss gezogen, dass der Angeklagte ausschließlich auf die Reifen des Fahrzeugs des Nebenklägers gezielt und eine tödliche Verletzung der Fahrzeuginsassen weder wollte noch billigend in Kauf genommen hat. Soweit der weitere Schuss links hinten in Höhe der Oberkörper der Fahrzeuginsassen auftraf, hat das Landgericht in Anbetracht der genannten Umstände die Einlassung des Angeklagten bei seiner polizeilichen Vernehmung, er sei bei dem Mitschwenken mit dem Schießarm gegen die Hecke gekommen, als nicht widerlegbar erachtet. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen, zumal das Landgericht die nach Auffassung der Revision für die Annahme eines Tötungsvorsatzes sprechenden Umstände, nämlich dass die Schüsse bei Dunkelheit, auf ein sich bewegendes Ziel und mit einer dem Schützen nicht vertrauten Waffe abgegeben worden sind, ausdrücklich in seine Überlegungen mit einbezogen hat.
10
2. Aus den vorgenannten Gründen ist es auch revisionsrechtlich noch hinzunehmen, dass das Landgericht zu der Überzeugung gelangt ist, die Angeklagten hätten eine Verletzung der Fahrzeuginsassen (unmittelbar) durch die auf das Fahrzeug aufprallenden Geschosse weder gewollt noch billigend in Kauf genommen.
11
3. a) Keinen Bestand hat jedoch das Urteil, soweit das Landgericht einen (bedingten) Körperverletzungsvorsatz auch in Bezug auf ein (mögliches) durch die abgegebenen Schüsse ausgelöstes Unfallgeschehen verneint hat. Nach dem gemeinsamen Tatplan der Angeklagten sollte der Nebenkläger Cemal Ak. durch die auf sein Fahrzeug aufprallenden Geschosse „erschreckt“ werden. Das Landgericht hat hierzu – bezogen auf den Angeklagten P. – ausgeführt, er habe es bei Abgabe der Schüsse „mindestens billigend in Kauf“ genommen, dass es aufgrund des Erschreckens des Fahrzeugführers oder aber einer Beschädigung des Fahrzeugs zu einem Unfall kommen könnte. Nichts anderes gilt nach den Urteilsfeststellungen in Bezug auf die - in die wesentlichen Tatmodalitäten - eingeweihten Mitangeklagten Ö. und A. . Dass es in Anbetracht der hier gegebenen Umstände – das Fahrzeug hielt zum Zeitpunkt der Abgabe der ersten Schüsse eine Geschwindigkeit von 30 bis 40 km/h ein und befand sich in einem Abbiegevorgang - bei einem Unfallgeschehen, etwa einem Abkommen von der Fahrbahn und anschließendem Aufprall auf ein Hindernis, nicht zu einer – zumindest leichten - Verletzung der Insassen kommen würde, lag eher fern. Jedenfalls konnten - was das Landgericht verkannt hat - bei dieser Sachlage die Angeklagten nicht mehr ernsthaft darauf vertrauen , dass die Betroffenen bei einem Unfall unverletzt bleiben würden.
12
b) Das Landgericht hätte daher auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen die Angeklagten P. und Ö. auch der tateinheitlich verwirklichten versuchten gefährlichen Körperverletzung in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen und den Angeklagten A. der Anstiftung hierzu für schuldig befinden müssen.
13
aa) Allerdings ist die Tatbestandsvariante des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB („mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs“) hier nicht gegeben. Sie setzt voraus, dass die Körperverletzung durch ein von Außen auf den Körper des Tatopfers einwirkendes gefährliches Tatmittel verursacht wird (Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 224 Rdn. 7; vgl. auch Schönke/SchröderStree StGB 26. Aufl. § 224 Rdn. 3). Gegenstand des (bedingten) Tatvorsatzes der Angeklagten war jedoch nicht, dass die Fahrzeuginsassen durch die mit der Waffe abgefeuerten Projektile körperlich verletzt würden, sondern durch ein infolge der Schüsse ausgelöstes Unfallgeschehen. Ein Körperverletzungserfolg wäre danach erst durch den nachfolgenden Unfall und nicht „mittels“ der eingesetzten Waffe eingetreten.
14
bb) Jedoch liegen die Voraussetzungen einer Versuchsstrafbarkeit nach §§ 224 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, 22, 23 StGB vor. Nach den Feststellungen hat der Angeklagte P. mit einem anderen Beteiligten, dem Mitangeklagten Ö. , zu der hier relevanten Körperverletzungshandlung – Verursachung eines Unfalls – unmittelbar angesetzt; zu dieser Handlung hat der Angeklagte A. die beiden Mitangeklagten bestimmt (§ 26 StGB).
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§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB setzt voraus, dass mindestens zwei Personen bei der Körperverletzung bewusst zusammenwirken. Nicht erforderlich ist die eigenhändige Mitwirkung jedes einzelnen an der Verletzungshandlung. Vielmehr genügt es, dass eine am Tatort anwesende Person den unmittelbar Tatausführenden aktiv - physisch oder psychisch – unterstützt (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 47, 383, 386/387; BGH NStZ 2000, 194, 195 ). So verhält es sich hier. Der Mitangeklagte Ö. befand sich im näheren Tatortbereich. Er hat weiterhin mit dem Angeklagten P. bei der (versuchten) Körperverletzung täterschaftlich zusammengewirkt, indem er das Herannahen der Tatopfer mit einem Anruf seines Mobiltelefons ankündigte und es P. damit ermöglichte, hierauf rechtzeitig zu reagieren. Der Annahme gemeinschaftlicher Begehungsweise steht hier nicht entgegen, dass die Tatopfer von der Beteiligung einer zweiten Person keine Kenntnis hatten (vgl. hierzu MünchKommStGB/Hardtung § 224 Rdn. 26; Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 224 Rdn. 11 a; Lackner/Kühl 25. Aufl. § 224 Rdn. 7 sowie zu § 223 a StGB a.F. BGHR § 223 a Abs. 1 gemeinschaftlich 2). Durch den Qualifikationstatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB sollen Begehungsweisen erfasst werden, bei denen durch das Zusammenwirken mehrerer eine verstärkte Gefährlichkeit der Körperverletzung für das Tatopfer begründet wird (BGHSt 47, 383, 386). Der Grad der Gefährlichkeit der Körperverletzung hängt jedoch von der konkreten Tatsituation, nicht aber von der Kenntnis des Tatopfers ab. Bei einem offen geführten Angriff werden die Täter dem Verletzten in aller Regel unmittelbar gegenüberstehen und das Tatopfer damit von der Beteiligung mehrerer Personen wissen. Wird der Angriff – wie hier – bei Dunkelheit verdeckt aus einem Hinterhalt geführt, so ist das Tatopfer vielfach gar nicht in der Lage, den oder die Angreifer wahrzunehmen. Die Gefährlichkeit der Körperverletzungshandlung ist in einem solchen Fall jedoch nicht geringer, sondern im Allgemeinen eher höher anzusetzen.
16
c) Der Senat hat daher die Schuldsprüche, wie aus der Urteilsformel ersichtlich , in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ergänzt. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich die Angeklagten nicht anders als geschehen hätten verteidigen können.
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4. Die Strafaussprüche können jedoch bestehen bleiben. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht bei Verurteilung der Angeklagten P. und Ö. auch wegen tateinheitlich verwirklichter versuchter gefährlicher Körperverletzung und des Angeklagten A. wegen Anstiftung hierzu auf höhere Freiheitsstrafen erkannt hätte, zumal es das Maß der Gefährdung der drei Fahrzeuginsassen bei der Strafzumessung nicht unberücksichtigt gelassen hat.
18
Die Revisionen der Angeklagten:
19
Die Rüge formellen Rechts des Angeklagten P. ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Sachrügen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Soweit der Angeklagte A. speziell die Strafzumessung beanstandet, wird auf die zutreffenden Ausführungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts Bezug genommen.

IV.

20
Von einer Überbürdung der durch die Revisionen der Angeklagten dem Nebenkläger Cemal Ak. entstandenen notwendigen Auslagen sieht der Senat ab, denn die Rechtsmittel der Angeklagten waren insgesamt und die des Nebenklägers im Wesentlichen erfolglos (§§ 472 Abs. 1 Satz 2, 473 Abs. 4 StPO; BGHR StPO § 473 Abs. 1 Satz 3 Auslagenerstattung 1). Tepperwien Kuckein Athing Solin-Stojanović Ernemann

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
____________________
Bei Gewaltdelikten und Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung ist für
einen erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleich mit der zu Gunsten des Angeklagten
wirkenden Folge der Strafmilderung nach § 46a i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB regelmäßig
ein Geständnis zu verlangen.
BGH, Urt. vom 19. Dezember 2002 - 1 StR 405/02 - LG Konstanz -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 405/02
vom
19. Dezember 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
18. Dezember 2002 in der Sitzung am 19. Dezember 2002, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Justizangestellte ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 15. Mai 2002 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, wirksam auf den Strafausspruch beschränkten Revision greift die Staatsanwaltschaft mit einer Verfahrensrüge und der Sachbeschwerde die Bemessung der Freiheitsstrafe und die Strafaussetzung zur Bewährung an. Sie wendet sich insbesondere gegen die mit einem Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a Nr. 1 StGB begründete Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB. Das Rechtsmittel hat Erfolg. 1. Nach den Feststellungen lernten sich der Angeklagte und die 20jährige Geschädigte in einer Diskothek kennen. Sie tauschten dort einvernehmlich Zärtlichkeiten aus. Sie verließen gemeinsam die Diskothek und gingen über einen Parkplatz zu einer nahegelegenen Autowaschanlage. In einer
Waschbox hielt der Angeklagte plötzlich mit einer Hand das Handgelenk der Geschädigten fest und drückte sie gegen die Wand. Gegen ihren erkennbaren Willen küßte er sie heftig, faßte unter ihr Oberteil und knetete fest ihre Brüste. Er zog ihre Hose bis zu den Knien herunter und führte zwei oder drei Finger seiner anderen Hand in ihre Scheide ein. Anschließend versuchte er mit seinem Penis von hinten in die Scheide einzudringen, was ihm nicht gelang; dafür führte er an ihr den Oralverkehr durch. Er fügte dem Tatopfer aufgrund dieser Behandlung Kratzwunden sowie erhebliche Schmerzen zu.
Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung die von ihm an der Geschädigten vorgenommenen sexuellen Handlungen in der Waschbox eingeräumt. Er hat aber bestritten, Nötigungsmittel angewandt zu haben; alle sexuellen Handlungen seien einverständlich erfolgt. Die Kammer hat sich jedoch aufgrund der glaubhaften Aussage der Geschädigten von der Schuld des Angeklagten überzeugt.
2. Zur Anwendung des § 46a Nr. 1 StGB hat die Strafkammer folgendes ausgeführt: Nach der Vernehmung des Tatopfers in der Hauptverhandlung sei der zunächst bestreitende Angeklagte mit einem gerichtlichen Hinweis gemäß § 155a StPO auf die Möglichkeiten des Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen worden. Er sei daraufhin von seiner ursprünglichen Einlassung insoweit abgewichen , als er ein „Mißverständnis bzw. ein Verschulden einräumte". Der Angeklagte habe sich bei dem Tatopfer – nach Auffassung der Kammer ernsthaft – entschuldigt. Er habe kein volles Geständnis abgelegt, was in Anbetracht der in der Hauptverhandlung anwesenden Familienangehörigen und Freunde des Angeklagten sowie seiner Verlobten nachvollziehbar sei. Er habe in der Hauptverhandlung ernsthaft angeboten, sich durch Vermittlung eines Sozialthera-
peuten mit dem Tatopfer an einen Tisch zu setzen und ihr durch ein Gespräch dabei zu helfen, die Sache endgültig zu verarbeiten. Ferner habe er sich bereit erklärt, zum Ausgleich des immateriellen Schadens ein Schmerzensgeld von 3.500 Euro zu bezahlen. Seine Familie habe diesen Betrag in der Hauptverhandlung zur Verfügung gestellt und der Geschädigten ausgehändigt, "die diesen Betrag durch ihren Beistand als gewissen Ausgleich akzeptiert" habe (UA S. 7). Zur weiteren Begründung hat die Strafkammer ausgeführt, ein TäterOpfer -Ausgleich könne in jeder Lage des Verfahrens erfolgen. Der Angeklagte habe erst durch den gerichtlichen Hinweis von der Möglichkeit eines TäterOpfer -Ausgleichs erfahren. Er habe zwar dem Tatopfer eine peinliche Befragung nicht erspart, habe sich aber am Ende der Beweisaufnahme darum bemüht , einen kommunikativen Prozeß mit der Geschädigten in die Wege zu leiten. Er habe auch seiner in der Hauptverhandlung anwesenden Familie zugesagt , den Betrag von 3.500 Euro durch Arbeitsleistungen zurückzuerstatten. Die Kammer habe - auch unter Beobachtung des in Haftsachen besonders zu berücksichtigenden Beschleunigungsgrundsatzes - davon abgesehen, die Hauptverhandlung zur Ermöglichung einer weiteren Kommunikation zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten auszusetzen.
3. Die Beschwerdeführerin trägt - insoweit enthält die Revisionsbegründung eine noch zulässige Verfahrensrüge nach § 261 StPO - vor, der Angeklagte habe im Ermittlungsverfahren Zeugen benannt, die bekunden sollten, die Geschädigte biete sich vor der Diskothek gegen Geld an. Nachdem sich dieses als falsch herausgestellt habe, sei dem Angeklagten, dem im gesamten Ermittlungs- und Hauptverfahren ein Verteidiger zur Seite gestanden habe, im Eröffnungsbeschluß ein Hinweis nach § 155a StPO auf einen Ausgleich gegeben worden. Dessen ungeachtet habe seine Verteidigung über zwei Verhand-
lungstage auf einen Freispruch abgezielt. Dies habe in einem Antrag auf Ein- holung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache gegipfelt, die Geschädigte habe die Unwahrheit gesagt. Das darin zum Ausdruck gekommene weitere Bestreiten des Angeklagten hätte nicht mit dem erneuten rechtlichen Hinweis gemäß § 155a StPO unterlaufen werden dürfen. Auch nach dem Hinweis habe sich der Angeklagte nur dahin eingelassen, es handele sich um ein Mißverständnis und es tue ihm leid. Er habe damit die vorsätzliche Mißachtung der sexuellen Selbstbestimmung relativiert und die Tat weiter in Abrede gestellt. Dies komme auch darin zum Ausdruck, daß der Verteidiger im Schlußvortrag Freispruch beantragt habe. Nach dem gerichtlichen Hinweis hätten sich mehrere im Gerichtssaal anwesende Familienmitglieder entfernt und 2.500 Euro beigebracht. Erst nach den Schlußvorträgen habe der Vater des Angeklagten dem Vertreter der Nebenklage 2.500 Euro in Anwesenheit des Tatopfers übergeben. Der Vater habe zugesichert, im Laufe des Tages weitere 1.000 Euro zu übergeben und habe auf Drängen des Nebenklägervertreters zugesagt, die Kosten des Adhäsionsverfahrens und die bis dahin angefallenen Gebühren zu übernehmen. Aufgrund dieser Umstände seien wesentliche Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs nicht erfüllt. Der Angeklagte habe seine schädigende Handlung niemals eingeräumt.

II.


Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Die Bejahung der Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a StGB durch das Landgericht begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. 1. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Übernahme des im Jugendstrafrecht erfolgreich angewandten Täter-Opfer-Ausgleichs (§ 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7, §
45 Abs. 2 Satz 2 JGG) in das allgemeine Strafrecht die Absicht, auch im Er- wachsenenstrafrecht die Belange des Opfers von Straftaten stärker in den Mittelpunkt des Interesses zu rücken. Gleichzeitig kann der Täter auf diesem Wege besser als mit bloßer Bestrafung zur Einsicht in die Verwerflichkeit seines Tuns und zur Übernahme von Verantwortung für die Folgen seiner Straftat veranlaßt werden (BTDrucks. 12/6853 S. 21). § 46a StGB will einen Anreiz für Ausgleichsbemühungen seitens des Täters schaffen, dem Opfer durch sein persönliches Einstehen für die Folgen der Tat, durch immaterielle Leistungen oder auch durch materielle Schadensersatzleistungen Genugtuung zu verschaffen. Allerdings will die Norm mit den Anforderungen an einen friedensstiftenden Ausgleich auch in dem aus generalpräventiver Sicht erforderlichen Umfang sicherstellen, daß nicht jede Form des Schadensausgleichs ausnahmslos und ohne Rücksicht auf den Einzelfall dem Täter zugute kommt (BTDrucks. aaO S. 21). Der Gesetzgeber hat zwar mit § 46a StGB - ähnlich mit § 31 BtMG für aufklärungsbereite Betäubungsmittelstraftäter - für um Ausgleich und Wiedergutmachung bemühte Beschuldigte den Anreiz eines Strafmilderungsgrundes geschaffen; die Vorschrift soll aber kein Instrument zur einseitigen Privilegierung reuiger Täter sein (Schöch, 50 Jahre Bundesgerichtshof, Festgabe aus der Wissenschaft S. 309, 323; zur Gefahr, daß die Vorschrift entgegen den gesetzgeberischen Intentionen doch zu einem Freikauf durch den Täter führen kann, vgl. BGH Beschl. vom 14. Dezember 1999 - 4 StR 554/99 - , StV 2000, 129). 2. § 46a Nr. 1 StGB macht das Angebot an den Täter und das Opfer, mit Hilfe eines Vermittlers oder einer sonstigen auf Ausgleich ausgerichteten Kommunikation eine von allen Beteiligten einverständlich getragene Regelung zu finden, die geeignet ist, Konflikte beizulegen, die zu der Straftat geführt haben oder durch sie verursacht wurden. Ergeben die Ausgleichsbemühungen,
daß die Wiedergutmachung ganz oder zum überwiegenden Teil aus materiellen Leistungen in Form von Schadensersatz oder Schmerzensgeld bestehen, so verlangt § 46a Nr. 2 StGB, daß der Täter diese tatsächlich erbracht und dafür erhebliche persönliche Anstrengungen unternommen und Verzicht geleistet hat. Beide Alternativen des § 46a StGB beschreiben selbständige Voraussetzungen , die übereinstimmend einen Schadensausgleich bezwecken. Der Tatrichter kann die Strafmilderung für den Täter nach den Umständen des Einzelfalles auf jede der beiden Alternativen stützen; liegen jedoch die Voraussetzungen für beide Alternativen vor, können sie nebeneinander festgestellt werden (Lackner/Kühl StGB 24. Aufl. § 46a Rdn. 4a). Der Unterschied zwischen Nr. 1 und Nr. 2 besteht darin, daß Nr. 2 für die materiellen Wiedergutmachungsleistungen den Eintritt des Erfolges (d.h. die geleistete Zahlung) verlangt , während sich Nr. 1 unter Umständen mit den mit dem erstrebten Erfolg verbundenen Ausgleichsbemühungen (hinsichtlich der materiellen Leistungen deren Zusage) begnügt (Schöch aaO S. 309 ff., 319, 323, 335).
a) Der Gesetzgeber hat sich in § 46a Nr. 1 StGB inhaltlich an der im Jugendstrafrecht geltenden Konfliktregelung des § 10 Abs. 1 Nr. 7 JGG und den dort zur Verfügung stehenden jugendspezifischen Modellen des formalisierten Täter-Opfer-Ausgleichs orientiert. Bei der Übernahme des Täter-OpferAusgleichs in das allgemeine Strafrecht hat er sich wegen der Vielfalt der nach Landesrecht geregelten Verfahren und wegen der nur bedingt möglichen Übertragbarkeit auf kein formalisiertes Verfahren festgelegt. Bei dieser Konzeption ist er auch anläßlich der Einführung der verfahrensrechtlichen Grundnormen der § 155a und § 155b StPO geblieben (Gesetz vom 20. Dezember 1999; BGBl. I S. 2491), mit denen er den in das materielle Strafrecht eingestellten Täter-Opfer-Ausgleich verfahrensrechtlich verankern und stärken wollte (BTDrucks. 14/1928 S. 8).
Der 1. Strafsenat hat schon kurz nach Inkrafttreten die Vorschrift des § 46a StGB dahin ausgelegt, daß dessen Wortlaut - entgegen der Entwurfsbegründung - offen läßt, ob die Lösung des der Tat zugrundeliegenden Gesamtkonflikts "stets" unter Anleitung eines Dritten anzustreben ist oder ob dies nur "tunlichst" geschehen soll. Dafür hat der Senat aber in ständiger Rechtsprechung zumindest einen "kommunikativen Prozeß zwischen Täter und Opfer" verlangt, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Tat verursachten Folgen gerichtet sein muß. Er hat damit gegenüber dem in Täter-OpferAusgleichs -Verfahren von fachkundigen Personen vermittelten "Gespräch als Medium parteiautonomer Konfliktregulierung" (Messmer, Täter-OpferAusgleich , Zwischenbilanz und Perspektiven, Bonner Symposium, 1991, S. 127) einen offeneren Kommunikationsbegriff gewählt, um auch anderen Kommunikationsformen zur Schadenswiedergutmachung Raum zu lassen. Sofern ein Verfahren nicht offensichtlich für einen Täter-Opfer-Ausgleich ungeeignet ist, sollen Staatsanwaltschaft und Gericht nach § 155a StPO grundsätzlich in die Prüfung eintreten, ob ein Ausgleich zwischen Beschuldigtem und Verletztem erreicht werden kann. Dies gilt nach § 155a Satz 1 und 2 StPO ausdrücklich für jedes Stadium des Verfahrens (BTDrucks. aaO S. 8). Schwerpunkt der durch Dritte vermittelten Ausgleichsbemühungen wird nach dem gesetzgeberischen Willen aber das Ermittlungsverfahren mit der dazu neu geschaffenen Möglichkeit der Einstellung des Verfahrens nach § 153 a Abs. 1 Nr. 5 StPO sein. In der Hauptverhandlung kann der Tatrichter ebenfalls noch auf den Täter-Opfer-Ausgleich hinwirken, jedoch wird das in diesem Verfahrensstadium bei einem bestreitenden oder schweigenden Angeklagten nur eingeschränkt möglich und angezeigt sein.
b) Die Eignung eines Verfahrens für den Täter-Opfer-Ausgleich und das Maß des zu verlangenden kommunikativen Prozesses sind abhängig von dem
zugrundeliegenden Delikt, vom Umfang der beim Tatopfer eingetretenen Schä- digungen und damit von dem Grad der persönlichen Betroffenheit des Opfers. Schwere - auf einzelne Opfer bezogene - Gewaltdelikte, insbesondere Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung (etwa Vergewaltigung, sexuelle Nötigung , sexueller Mißbrauch von Kindern) sind nicht prinzipiell vom Täter-OpferAusgleich ausgeschlossen. Allerdings wird in diesen Fällen der kommunikative Prozeß seltener durch ein persönliches Gespräch zwischen Täter und Opfer geprägt sein. Für den erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleich wird eher eine über Angehörige, den Verteidiger und den Nebenklägervertreter oder den Beistand vermittelte Kommunikation ausreichen. Um der Gefahr zu begegnen, daß der Täter die Vergünstigung des § 46a i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB durch "ein routiniert vorgetragenes Lippenbekenntnis" oder einen Anwaltsschriftsatz erlangt, oder das Opfer während der Kommunikation Pressionen aussetzt und dem Tatrichter bei Sexualstraftaten oder Körperverletzungsdelikten "ein versöhntes Opfer" präsentiert, hat der Tatrichter seine Feststellungen zum erfolgreichen oder nicht erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleich in den Urteilsgründen darzulegen. Dabei wird er insbesondere den Willen des Opfers zur Versöhnung und die Frage einer erzielten Genugtuung zu berücksichtigen haben (vgl. König, Anm. zum Urt. vom 25. Mai 2001 - 2 StR 78/01 - JR 2002, 251, 253). aa) Nach dem Wortlaut des § 46a StGB ist ein bestimmtes Prozeßverhalten des Beschuldigten nicht ausdrücklich gefordert. Da es aber beim TäterOpfer -Ausgleich um eine strafrechtliche Konfliktskontrolle geht, muß der Beschuldigte prinzipiell - im Einzelfall in Abwägung zwischen dem Ziel der Schuldmilderung und dem nemo-tenetur-Prinzip - akzeptieren, daß er für das am Opfer begangene Unrecht einzustehen hat; dazu gehört auch, daß er die Opferrolle respektiert. Der rechtliche Konflikt über die Rollenverteilung von Täter und Opfer kann nicht jedesmal von den Beteiligten neu und individuell
festgelegt werden (Rössner, Bonner Symposium aaO S. 210, 217). Das bedeutet , daß ein explizit bestreitender Beschuldigter von einer Überweisung an eine nach landesrechtlichen Vorschriften für den Täter-Opfer-Ausgleich zuständige geeignete Stelle oder von einer durch Dritte vermittelten friedensstiftenden Kommunikation ausgeschlossen bleiben muß. Dagegen kann neben dem geständigen Täter auch der schweigende Täter in die Kommunikation einbezogen werden (vgl. Hartmann, Staatsanwaltschaft und Täter-OpferAusgleich , 1998, S. 68). bb) Dem entspricht, daß der Bundesgerichtshof für den kommunikativen Prozeß verlangt, daß das Verhalten des Täters im Verfahren "Ausdruck der Übernahme von Verantwortung" ist, um die friedensstiftende Wirkung der Schadenswiedergutmachung zu entfalten (Senat, Beschl. vom 25. Juli 1995 - 1 StR 205/95 -, NStZ 1995, 492, 493; BGH, Beschl. vom 20. Februar 2001 - 4 StR 551/00 - , StV 2001, 346; BGH, Beschl. vom 25. Oktober 2000 - 5 StR 399/00 - , NStZ 2001, 200; kritisch zu dieser Wortwahl Schöch aaO S. 326; König, Anm. zu BGH, Urt. vom 25. Mai 2001 - 2 StR 78/01, JR 2002, 251, 252). Hieran hält der Senat fest. Im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung kann nur dem Täter die Strafmilderung nach § 46a i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB zuteil werden , der gegenüber seinem Opfer eine konstruktive Leistung erbringt, die diesem Genugtuung verschafft. Jedenfalls für Gewaltdelikte und Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung , die sich gegen einzelne Opfer gerichtet haben, wird für einen erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleich mit der zu Gunsten des Angeklagten wirkenden Folge der Strafmilderung nach § 46a i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB regelmäßig ein Geständnis zu verlangen sein. Oftmals wird dem Opfer gerade ein Bekennen des Täters zu seiner Tat im Strafverfahren besonders wichtig sein, so daß oh-
ne ein Geständnis die angestrebte Wiedergutmachung kaum denkbar sein wird (BGH, Beschl. vom 20. September 2002 - 2 StR 336/02 -, StV 2002, 649). Es obliegt dem Tatrichter, unter Beachtung dieses Maßstabs nach den Umständen des Einzelfalls in wertender Betrachtung festzustellen, inwieweit der Täter freiwillig Verantwortung für sein Handeln übernimmt. Dies wird namentlich der Fall sein, wenn er die Haltung des Opfers zu respektieren lernt und diese zu seinem eigenen Verhalten in Bezug setzt (Oberlies, Streit 1999 S. 110). Eine solche Einzelfallprüfung ist erforderlich, um der in der tatrichterlichen Rechtsprechung zu beobachtenden Entwicklung des Täter-Opfer-Ausgleichs zu einem Freikauf von der Verantwortung zu Lasten der Opfer entgegenzuwirken. cc) Die Strafmilderung nach § 46a Nr. 1 StGB läßt bei einem Täter, dem es erkennbar auf die Aussöhnung ankommt und dessen persönliche Leistungen sich als "Ausdruck der Übernahme von Verantwortung" erweisen, im Einzelfall auch schon das "Bemühen um umfassenden Ausgleich" ausreichen. Im Fall eines materiellen Ausgleichs steht der Annahme ausreichender Bemühungen nicht von vornherein entgegen, daß der Täter den finanziellen Ausgleich durch seinen Verteidiger und etwa erst zu einem Zeitpunkt veranlaßt hat oder sich dazu verpflichtet hat, zu dem ihn das Opfer bereits auf Zahlung in Anspruch genommen hat (BGH, Beschl. vom 14. Dezember 1999 - 4 StR 554/99, StV 2000, 129; BGH, Beschl. vom 17. Juni 1998 - 1 StR 249/98; StV 1999, 89). dd) Aus der Sicht des Opfers ist es für die verlangte Kommunikation unabdingbar , daß der Verletzte in den Dialog mit dem Täter über die zur Wiedergutmachung erforderlichen Leistungen einbezogen wird. Ein erfolgreicher Täter -Opfer-Ausgleich im Sinne des § 46a Nr. 1 StGB setzt grundsätzlich voraus, daß das Opfer die Leistungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert (BGH, Urt. vom 31. Mai 2002 - 2 StR 73/02 -, NStZ 2002, 646). Dies
ergibt sich schon daraus, daß überhaupt nur angemessene und nachhaltige Leistungen die erlittenen Schädigungen ausgleichen und zu einer Genugtuung für das Opfer führen können (ebenso Oberlies, Streit 2000 S. 99, 110). Läßt sich das Tatopfer - etwa weil das Delikt oder Art und Umfang der Schädigungen ihm einen Ausgleich unmöglich machen - auf einen kommunikativen Prozeß nicht ein, so ist - wie es der 1999 eingeführte § 155a Satz 3 StPO ausdrücklich klargestellt - das Verfahren für die Durchführung eines Täter-OpferAusgleichs nicht geeignet (vgl. BTDrucks. 14/1928 S. 8). Grundsätzlich kann nichts anderes gelten für die in § 46a Nr. 1 StGB genannten "Bemühungen" des Täters, die im Einzelfall ausreichen können, um zu einem erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleich zu gelangen. Verweigert der Verletzte auch insoweit seine Zustimmung, so hat dies der Täter trotz der herabgesetzten Anforderungen an einen erfolgreichen Ausgleich hinzunehmen, denn ohne Zustimmung des Opfers fehlt bereits die Basis für sein Bemühen (offengelassen für den Fall des nicht festgestellten entgegenstehenden Willens von Bankangestellten als Opfer eines Banküberfalls, denen der Täter Schmerzensgeld angeboten und Schadensersatz an die Banken geleistet hatte, von BGH, Urt. vom 25. Mai 2001 - 2 StR 78/01 - , NStZ 2002, 364 mit Anm. Kühl/Häger JZ 2002, 363; Dölling/Hartmann NStZ 2002, 366 und König JR aaO S. 252). Allein auf die Sicht "eines vernünftigen Dritten" kann es nicht ankommen (Schöch aaO S. 322; Oberlies aaO S. 107; a.A. Kilchling NStZ 1996, S. 309, 314 unter Berufung auf SK-Horn § 46a Rdn. 3). Dem Tatrichter wird vielmehr auferlegt, unter Berücksichtigung der Interessen des Opfers und des Täters in wertender Betrachtung zu entscheiden, "wie sich das Tatopfer etwa in dem Fall zu den Bemühungen des Angeklagten stellt und welche Folgen die Schmerzensgeldverpflichtung für den Angeklagten hat, aber auch wie sicher
deren Erfüllung ist" (BGH, Beschl. vom 22. August 2001 - 1 StR 333/01 - , NStZ 2002, 29). ee) Kommt es nach diesem Maßstab zu einer Kommunikation zwischen Täter und Opfer, ist der Täter-Opfer-Ausgleich gelungen, wenn das Tatopfer in die Kommunikation einbezogen ist und dieses die erbrachten Leistungen oder Bemühungen nach Form und Inhalt als Wiedergutmachung akzeptiert hat (BGH, Urt. vom 31. Mai 2002 - 2 StR 73/02 -, NStZ 2002, 646). Als Fälle eines fehlgeschlagenen Ausgleichs sind solche Ergebnisse einer Kommunikation anzusehen, bei denen eine Einigung wegen unterschiedlicher Vorstellungen über die immateriellen oder materiellen Leistungen nicht zustande gekommen oder deren Vereinbarungen nicht eingehalten worden sind. (1) Eine Ausgleichsvereinbarung ist schon dann nicht erfolgreich, wenn der Täter die ideelle Komponente seiner Wiedergutmachung nicht erfüllt, er etwa eine Entschuldigung nur formal abgibt und das Tatopfer diese deshalb nicht annimmt. Gleiches gilt für Arbeitsleistungen, die der Täter zu Gunsten des Tatopfers persönlich oder gegenüber gemeinnützigen Einrichtungen anbietet. Ein vollwertiger Täter-Opfer-Ausgleich liegt auch nicht vor, wenn ein vom Tatopfer getragener Aussöhnungsversuch zwischen Verwandten, Freunden oder den beauftragten Anwälten nicht zustande kommt. (2) Für die materielle Wiedergutmachung genügt allein die Erfüllung von dem Tatopfer nach dem Zivilrecht ohnehin zustehenden Schadensersatzansprüchen nicht (BGH, Urt. vom 25. Mai 2001 - 2 StR 78/01 -, NStZ 2002, 364). Der Täter muß einen über die rein rechnerische Kompensation hinausgehenden Beitrag erbringen (BGH, Urt. vom 18. November 1999 - 4 StR 435/99 - , NStZ 2000, 205). Andererseits kann aber im Einzelfall ein Ausgleich erfolgreich sein, wenn der Täter sein gesamtes Vermögen zur Schadenswiedergutma-
chung zur Verfügung stellt und so persönlichen Verzicht leistet und den Geschädigten zum überwiegenden Teil entschädigt (BGH, Beschl. vom 19. Oktober 1999 - 1 StR 515/99 - , NStZ 2000, 83). (3) Die Vereinbarung und die Zahlung von Schmerzensgeld müssen sich an den zivilrechtlichen Schmerzensgeldansprüchen messen lassen. Eine Vereinbarung über ein Schmerzensgeld, das in einem Mißverhältnis zu den zivilrechtlich zu realisierenden Schadensersatz- und Schmerzensgeldleistungen steht, kann nicht zu einem erfolgreichen Ausgleich führen (Oberlies aaO S. 110). Akzeptiert etwa das Tatopfer einer Vergewaltigung unter dem Druck des Strafverfahrens eine von dem Verteidiger des Angeklagten und dem Nebenklägervertreter vereinbarte schriftliche Abrede, weil sie befürchtet, ansonsten keinerlei Ersatzleistungen von dem Angeklagten zu erhalten, reicht dies nicht aus (BGH, Urt. vom 31. Mai 2002 - 2 StR 73/02 -, NStZ 2002, 646). (4) Findet eine an den dargestellten Maßstäben zu messende Kommunikation statt, äußert sich das Tatopfer aber nicht zu dem vereinbarten Ausgleich oder den Bemühungen des Täters, so kann daraus nicht in jedem Fall auf eine ausdrückliche Ablehnung der Verletzten mit der Konsequenz eines nicht erfolgreichen Ausgleichs geschlossen werden. In diesem Fall müssen sich die Urteilsgründe dazu verhalten, ob darin der verständliche Wunsch nach "Nichtbefassung" im Sinne einer Ablehnung zu sehen ist. Mit der Ausgestaltung der Vorschrift als "vertyptem Strafmilderungsgrund" wollte der Gesetzgeber einen nachhaltigen Anreiz für Ausgleichsbemühungen im Strafrecht schaffen. Das verbietet nach Auffassung des Senats in diesen Fällen ein allzu enges Verständnis der Vorschrift jedenfalls in denjenigen Fällen, in denen ein kommunikativer Prozeß zwischen Täter und Opfer stattgefunden hat; dies wird vornehmlich für Taten im Familienverbund oder innerhalb sonstiger persönlicher
Beziehungen zu gelten haben (Senat, Urt. vom 27. August 2002 - 1 StR 204/02 -, StV 2002, 654).
c) Nach der als prozessuale Grundnorm anzusehenden Vorschrift des § 155a Satz 1 StPO "sollen" die Staatsanwaltschaft und das Gericht in jedem Stadium des Verfahrens prüfen, ob ein Ausgleich zwischen Beschuldigtem und Verletztem erreichbar ist (vgl. BTDrucks. 14/1928 S. 8). In der Hauptverhandlung ist es dem Tatrichter je nach den Umständen des Einzelfalles nicht verwehrt , zur Anbahnung oder Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs die Hauptverhandlung zu unterbrechen. Allerdings ergibt die Verfahrensvorschrift des § 155a StPO (vgl. auch den unverändert gebliebenen § 265 Abs. 3 StPO) keinen Anspruch des Angeklagten auf Unterbrechung oder Aussetzung der Hauptverhandlung.
d) Auf der Grundlage dieser Maßstäbe hat der Tatrichter die wesentlichen Einzelheiten über den erfolgreichen oder den nicht erfolgreichen Ausgleich einschließlich der Frage der Zustimmung oder der Verweigerung des Tatopfers in den Urteilsgründen in dem Umfang darzulegen, daß sie die revisionsgerichtliche Überprüfung - insbesondere unter Beachtung der Opferinteressen - ermöglichen. Die Urteilsgründe müssen die "wertende Betrachtung" und die Ausübung tatrichterlichen Ermessens erkennen lassen, ob der Tatrichter die Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs annimmt und danach von der so eröffneten Milderungsmöglichkeit Gebrauch macht. 3. Das Landgericht hat diese Maßstäbe nicht ausreichend beachtet. Die Urteilsgründe belegen die Voraussetzungen eines erfolgreichen Täter-OpferAusgleichs nicht.

a) Ein ernsthaftes, auf einen Ausgleich mit der Geschädigten gerichtetes Bemühen des Angeklagten nach § 46a Nr. 1 StGB ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Nach den bisherigen Feststellungen hat die Strafkammer in der Hauptverhandlung mit ihrem wiederholten Hinweis nach § 155a StPO nach durchgeführter Beweisaufnahme einschließlich der Einvernahme des Tatopfers auf den Täter-Opfer-Ausgleich hingewirkt. Dies ist zwar nach dessen Satz 1 StPO rechtlich zulässig. Allerdings hätte die Strafkammer bei dieser Sachlage näher darlegen müssen, woher sie die Überzeugung nimmt, es sei dem Angeklagten zu diesem späten Zeitpunkt um eine friedensstiftende Kommunikation gegangen. Dazu bestand Anlaß, weil sich bereits aus dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen ergab, daß der Angeklagte versucht hat, das Tatopfer herabzuwürdigen. Auch nachdem sich diese Behauptung als nachweislich falsch herausgestellt hatte und ihm im Eröffnungsbeschluß ein Hinweis auf den Täter-Opfer-Ausgleich gegeben worden war, hat er in der Hauptverhandlung die Geschädigte der falschen Aussage bezichtigt. Er hat ihr auch die Vernehmung in der Hauptverhandlung nicht erspart. Er hat sogar noch den Beweisantrag gestellt, ein Sachverständiger werde zu dem Ergebnis gelangen, sie habe in ihrer Vernehmung die Unwahrheit gesagt. Erst danach hat der Angeklagte die gegen den Willen der Geschädigten durchgeführten sexuellen Handlungen als "Mißverständnis" bezeichnet und sich entschuldigt. Seine Bereitschaft, sich durch Vermittlung eines Therapeuten mit der Geschädigten an einen Tisch zu setzen, um "ihr dabei durch ein Gespräch dabei zu helfen, die Sache endgültig zu verarbeiten", zeigt nicht ohne weiteres auf, daß das Verhalten des Angeklagten sich als Übernahme von Verantwortung für seine Tat erweist. Dafür spricht letztlich auch, daß sein Verteidiger im Schlußvortrag Freispruch beantragt hat. Angesichts dieser Umstände liegt eine Strafmilderung nach § 46a StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB eher fern.

b) Nach den Urteilsgründen genügt auch die Zahlung des Schmerzensgeldes von 3.500 Euro den Anforderungen des § 46a Nr. 1 StGB nicht. Die Urteilsgründe teilen lediglich mit, der Angeklagte müsse einen Betrag von 3.500 Euro an seine Familie zurückzahlen, die diesen Betrag als Schmerzensgeld zur Verfügung gestellt und der Geschädigten ausgehändigt habe. Demgegenüber sprechen die von der Revision mitgeteilten tatsächlichen Umstände zur Sammlung, der Übergabe und dem Vorzählen des Geldes in Gegenwart der Geschädigten eher dafür, daß die Familie den Angeklagten "freigekauft" hat. Die Strafkammer räumt nicht aus, daß diese Form des Aushandelns des „Preises“ eine einseitig dem Täter günstige Strafmilderung bewirkt hat, damit aber die Genugtuungsfunktion des Täter-Opfer-Ausgleichs auf seiten des Tatopfers nicht erfüllt wurde.
c) Aus den Urteilsgründen ergibt sich schließlich kein Anhalt dafür, daß die Geschädigte den Täter-Opfer-Ausgleich "ernsthaft mitgetragen" und diesen als friedensstiftende Konfliktregelung "innerlich akzeptiert" hat. Die Urteilsgründe teilen dazu vielmehr mit, die Geschädigte habe "diesen Betrag durch ihren Beistand auch als gewissen Ausgleich akzeptiert". Nack Boetticher Schluckebier Hebenstreit Elf
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b) Die Bestimmung des § 46a Nr. 1 StGB verlangt, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat „ganz oder zum überwiegenden Teil“ wiedergutgemacht hat, wobei es aber auch aus- reichend sein kann, dass der Täter dieses Ziel ernsthaft erstrebt. Das Bemühen des Täters setzt grundsätzlich einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden, friedensstiftenden Aus- gleich der durch die Straftat verursachten Folgen angelegt und „Ausdruck der Übernahme von Verantwortung“sein muss (BGH, Urteile vom 19. Dezember 2002 – 1 StR 405/02, BGHSt 48, 134, 139, 141; vom 12. Januar 2012 – 4 StR 290/11, NStZ 2012, 439; vom 8. August 2012 – 2 StR 526/11, NStZ 2013, 33, 34). Daran fehlt es hier. Denn die Angeklagten haben die ihnen zur Last gelegte gravierende Gewalttat als Verteidigungshandlung gegen einen rechtswidrigen Angriff des Tatopfers hingestellt und somit schon die Opfer-Rolle des Geschädigten bestritten. Eine Übernahme von Verantwortung kann hierin nicht gesehen werden (BGH, Beschluss vom 25. Juni 2008 – 2 StR 217/08, NStZ-RR 2008, 304; Urteil vom 10. Februar 2010 – 2 StR 391/09, NStZ-RR 2010, 175; Urteil vom 25. Februar 2010 – 4 StR 575/09, NStZ-RR 2010, 176).

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.