Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Jan. 2020 - 4 StR 632/19

bei uns veröffentlicht am28.01.2020
vorgehend
Landgericht Dortmund, 11, Js 810/18
Landgericht Dortmund, 3, KLs 14/19

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 632/19
vom
28. Januar 2020
in dem Sicherungsverfahren
gegen
alias:
ECLI:DE:BGH:2020:280120B4STR632.19.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 28. Januar 2020 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 27. Juni 2019 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine auf die Sachrüge gestützte Revision führt zur Aufhebung des Urteils.
2
1. Nach den Feststellungen leidet der Beschuldigte an einer produktiv paranoiden Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie. Am Tattag begab er sich zu einem abgelegenen Bauernhof, wo die Zeugin K. gerade ihren vor dem Haus abgestellten Transporter entlud. Der Fahrzeugschlüssel steckte. Der Beschuldigte bestieg das Fahrzeug, um es zu stehlen. Als die Zeugin auf den Beschuldigten aufmerksam wurde, begab sie sich zu ihrem Fahrzeug, klopfte an die Scheibe und forderte den Beschuldigten auf, auszusteigen. Der Beschuldigte sah und hörte die Zeugin, reagierte aber nicht. Die Zeugin stellte sich nun hinter das Fahrzeug, wobei sie annahm, der Beschuldigte würde nicht losfahren. Der Beschuldigte ließ jedoch den Motor an. Als er bemerkte , dass die Zeugin an die Heckscheibe klopfte, legte er den Rückwärtsgang ein und fuhr los. Aus Angst um ihre Gesundheit sprang die Zeugin zur Seite, wobei sie eine Zerrung an der linken Wade erlitt. Der Beschuldigte fuhr mit Vollgas und angezogener Handbremse rückwärts gegen einen Blumenkübel. Sodann legte er den Vorwärtsgang ein und fuhr – trotz weiterhin angezogener Handbremse – mit durchdrehenden Reifen davon.
3
Die Strafkammer hat das Verhalten des Beschuldigten als besonders „gefährliche“ räuberische Erpressung gemäß § 253, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB und fahrlässige Körperverletzung (§ 230 StGB) gewertet. Sie hat weiter angenommen , dass der Beschuldigte aufgrund seiner Erkrankung wahrscheinlich nicht in der Lage gewesen sei, das Unrecht seiner Tat einzusehen. Falls seine Einsichtsfähigkeit doch erhalten geblieben sei, sei er auf jeden Fall nicht in der Lage gewesen, entsprechend seiner Unrechtseinsicht zu handeln. Aufgrund seiner Erkrankung sei der Beschuldigte für die Allgemeinheit gefährlich. Von ihm seien mit hoher Wahrscheinlichkeit Diebstahls- und/oder Raubtaten wie die Anlasstat, aber auch Gefährdungen des Straßenverkehrs zu erwarten.
4
2. Die Unterbringungsentscheidung hält unter mehreren Gesichtspunkten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
5
a) Die rechtliche Bewertung der Anlasstat als besonders schwere räuberische Erpressung (§§ 253, 255 Abs. 2 Nr. 1 StGB) wird von den Feststellungen nicht getragen.
6
Eine räuberische Erpressung nach §§ 253, 255 StGB setzt voraus, dass der Täter das qualifizierte Nötigungsmittel (Gewalt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben) einsetzt, um die Vermögensverfügung des Opfers herbeizuführen, sodass zwischen beiden nach seiner Vorstellung von der Tat ein finaler Zusammenhang besteht (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2019 – 5 StR 637/18, NStZ-RR 2019, 311, 312; Beschluss vom 20. September 2016 – 3 StR 174/16, NStZ 2017, 92, 93 mwN). Dass der Angeklagte mit dem Transporter bewusst rückwärtsfuhr, um die Zeugin zur Preisgabe des Fahrzeugs zu zwingen, hat das Landgericht nicht festgestellt. Auch der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt dies nicht, zumal die Strafkammer mit Rücksicht auf das Fahrverhalten des Beschuldigten an anderer Stelle ausgeführt hat, dass dies dafür spreche, dass er nicht in der Lage war, das Fahrzeug sicher im Verkehr zu lenken und eine sinnvolle Route einzuschlagen (UA 10).
7
b) Die Annahme der Strafkammer, der Beschuldigte sei aufgrund einer produktiv paranoiden Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie bei Tatbegehung schuldunfähig gewesen, ist ebenfalls nicht ausreichend begründet und daher rechtsfehlerhaft.
8
aa) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus setzt die positive Feststellung voraus, dass der Beschuldigte eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangen hat. Hierfür muss vom Tatgericht im Einzelnen dargelegt werden, wie sich die festgestellte, einem Merkmal von §§ 20, 21 StGB unterfallende Erkrankung in der Tatsituation auf die Einsichts- oder die Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die Anlasstat auf den entsprechenden psychischen Zustand zurückzuführen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2017 – 5 StR 609/16, NStZ-RR 2017, 171; Beschluss vom 4. August 2016 – 4 StR 230/16, NStZ 2016, 747 mwN). Allein die Diagnose einer schizophrenen Psychose führt für sich genommen nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten Beeinträchtigung bzw. Aufhebung der Schuldfähigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 2014 – 4 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 305, 306; Beschluss vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307). Schließt sich die Strafkammer insoweit der Beurteilung des Sachverständigen an, muss sie die dafür wesentlichen Anknüpfungs - und Befundtatsachen im Urteil so wiedergeben, wie es zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307; Beschluss vom 14. April 2010 – 5 StR 123/10, Rn. 9 mwN).
9
bb) Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht.
10
(1) Die Strafkammer hat angenommen, dass der Beschuldigte sich das Fahrzeug der Zeugin K. aneignen wollte, um damit nach Rumänien zu fahren (UA 9). Die Tat sei im Rahmen eines Wahnerlebens begangen worden, wobei der starke Wunsch nach Rumänien zurückzukehren und die krankheitsbedingte Fehlvorstellung, dazu auch tatsächlich in der Lage zu sein, handlungsleitend gewesen seien (UA 9, 12).
11
(2) Diese Annahmen sind nicht ausreichend belegt. Soweit die Strafkammer ‒ dem angehörten Sachverständigen folgend ‒ darauf abstellt, dass der Beschuldigte seit seinem Umzug nach Deutschland im Frühjahr 2018 „sehr häufig, wenn nicht gar durchgängig unter akutem Wahnerleben gestanden ha- be“ und dabei vor allem der Gedanke nach Rumänien zurückzukehren, maßge- bend gewesen sei (UA 12, 13), fehlt es dafür an einer ausreichenden Benennung von Anknüpfungs- und Befundtatsachen. Die Mitteilung, dass die Eltern des Beschuldigten eine „Verschlimmerung der paranoiden Schizophrenie in Deutschland“ geschildert und über ein Misstrauen ihnen gegenüber, sowie ein Verschwörungsdenken und ein mehrfaches Weglaufen berichtet hätten, reicht dafür nicht aus. Denn sie lässt nicht erkennen, welche Wahrnehmungen die Zeugen tatsächlich gemacht haben und warum diese den Schluss auf eine Verschlimmerung der Erkrankung rechtfertigen. Auch teilen die Urteilsgründe nicht mit, welchen Inhalt die Wahnvorstellungen des Beschuldigten hatten, sodass nicht nachvollzogen werden kann, warum sein wiederholt geäußerter Wunsch, in seine Heimat (Rumänien) zurückzukehren und seine Vorstellung, dazu auch tatsächlich in der Lage zu sein, das Resultat von Wahnideen waren. Die für den Tatzeitpunkt festgestellten Auffälligkeiten (Apathie, Unruhe, unangepasste Kleidung ) geben dafür keine Erklärung.
12
c) Schließlich begegnet auch die Gefahrenprognose durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
13
aa) Die für die Maßregelanordnung erforderliche Gefährlichkeitsprognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln. Dazu sind alle wesentlichen prognoserelevanten Umstände in den Urteilsgründen darzustellen und zusammenfassend zu würdigen. Als prognoseungünstig herangezogene tatsächliche Umstände aus dem Vorleben des Täters müssen dabei rechtsfehlerfrei festgestellt und belegt sein (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2019 – 4 StR 408/19, NStZ-RR 2020, 36, 37; Beschluss vom 22. Juli 1992 – 2 StR 293/92, BGHR § 56 Abs. 1 Sozialprognose 24).
14
bb) Diesen Anforderungen genügen die Urteilsgründe nicht. Soweit die Strafkammer bei ihrer negativen Prognoseentscheidung darauf abstellt, dass der Beschuldigte „im Wahnerleben ein vierjähriges Kind mit einem Messer bedroht“ habe (UA 16),fehlt es dafür sowohl an einer konkreten Tatsachenfeststellung , als auch an den entsprechenden Belegen. Mitgeteilt wird lediglich, dass bei der Einlieferung des Beschuldigten in ein psychiatrisches Krankenhaus am 5. November 2018 eine ärztliche Stellungnahme vorlag, wonach der Beschuldigte einen entsprechenden Übergriff begangen haben soll (UA 5). Gleiches gilt, soweit als prognoseungünstig angeführt wird, dass der Beschuldigte am Tattag unter Einsatz von Gewalt Geld von Kindern verlangt habe. Zwar gibt es hierzu konkrete Feststellungen (UA 6); diese sind aber nicht belegt. Der Beschuldigte hat sich zu diesem Vorfall nicht geäußert. Die Beweiswürdigung lässt nicht erkennen, dass hierauf bezogene Beweise erhoben worden sind. Soweit mitgeteilt wird, dass eines der Kinder den Beschuldigten „bei einer anschlie- ßenden Wahllichtbildvorlage“ identifiziert habe (UA 6), bezieht sich dies offensichtlich auf ein polizeiliches Ermittlungsergebnis und ist als Nachweis für das festgestellte Geschehen nicht tragfähig.
15
Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak Quentin Feilcke

Vorinstanz:
Dortmund, LG, 27.06.2019 ‒ 110 Js 810/18 34 KLs 14/19

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Jan. 2020 - 4 StR 632/19

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Jan. 2020 - 4 StR 632/19

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Jan. 2020 - 4 StR 632/19 zitiert 8 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafgesetzbuch - StGB | § 250 Schwerer Raub


(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn 1. der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Wider

Strafgesetzbuch - StGB | § 253 Erpressung


(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten

Strafgesetzbuch - StGB | § 255 Räuberische Erpressung


Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

Strafgesetzbuch - StGB | § 230 Strafantrag


(1) Die vorsätzliche Körperverletzung nach § 223 und die fahrlässige Körperverletzung nach § 229 werden nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Eins

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Jan. 2020 - 4 StR 632/19 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Jan. 2020 - 4 StR 632/19 zitiert 8 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 17. Juli 2019 - 5 StR 637/18

bei uns veröffentlicht am 17.07.2019

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 5 StR 637/18 vom 17. Juli 2019 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen versuchten schweren Raubes u.a. ECLI:DE:BGH:2019:170719U5STR637.18.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzun

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Juni 2014 - 4 StR 171/14

bei uns veröffentlicht am 17.06.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR171/14 vom 17. Juni 2014 in der Strafsache gegen wegen Körperverletzung u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 17. Juni 2014 gemäß § 34

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Sept. 2019 - 4 StR 408/19

bei uns veröffentlicht am 25.09.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 408/19 vom 25. September 2019 in dem Sicherungsverfahren gegen ECLI:DE:BGH:2019:250919B4STR408.19.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerd

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Sept. 2016 - 3 StR 174/16

bei uns veröffentlicht am 20.09.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 174/16 vom 20. September 2016 in der Strafsache gegen 1. alias: 2. wegen zu 1.: gefährlicher Körperverletzung u.a. zu 2.: räuberischer Erpressung u.a. ECLI:DE:BGH:2016:200916B3STR174.16.0 Der 3. Strafsenat d

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Apr. 2010 - 5 StR 123/10

bei uns veröffentlicht am 14.04.2010

5 StR 123/10 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 14. April 2010 in dem Sicherungsverfahren gegen Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. April 2010 beschlossen: Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vo

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Mai 2012 - 2 StR 139/12

bei uns veröffentlicht am 29.05.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 139/12 vom 29. Mai 2012 in der Strafsache gegen wegen Diebstahls u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 29. Mai 2012 gemäß § 349 Abs.

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. März 2017 - 5 StR 609/16

bei uns veröffentlicht am 07.03.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 609/16 vom 7. März 2017 in dem Sicherungsverfahren gegen ECLI:DE:BGH:2017:070317B5STR609.16.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführ

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Aug. 2016 - 4 StR 230/16

bei uns veröffentlicht am 04.08.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 230/16 vom 4. August 2016 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u.a. ECLI:DE:BGH:2016:040816B4STR230.16.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalt

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Die vorsätzliche Körperverletzung nach § 223 und die fahrlässige Körperverletzung nach § 229 werden nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. Stirbt die verletzte Person, so geht bei vorsätzlicher Körperverletzung das Antragsrecht nach § 77 Abs. 2 auf die Angehörigen über.

(2) Ist die Tat gegen einen Amtsträger, einen für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einen Soldaten der Bundeswehr während der Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung auf seinen Dienst begangen, so wird sie auch auf Antrag des Dienstvorgesetzten verfolgt. Dasselbe gilt für Träger von Ämtern der Kirchen und anderen Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 637/18
vom
17. Juli 2019
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchten schweren Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:170719U5STR637.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Juli 2019, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer, die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. König, Dr. Berger, Prof. Dr. Mosbacher, Köhler als beisitzende Richter,
Staatsanwalt als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt B. , Rechtsanwalt Be. als Verteidiger des Angeklagten F. ,
Rechtsanwalt A. als Verteidiger des Angeklagten T. ,
Amtsrätin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 20. Juni 2018
a) betreffend den Angeklagten T. im Schuldspruch dahin geändert , dass dieser Angeklagte wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit versuchtem besonders schwerem Raub und mit vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt ist,
b) hinsichtlich beider Angeklagten im Strafausspruch aufgehoben. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die in Bezug auf den Angeklagten T. weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen. 2. Die Revisionen der Angeklagten werden verworfen. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten T. wegen versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung und mit Diebstahl zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten F. hat es wegen Beihilfe zum versuchten schweren Raub in Tateinheit mit Diebstahl und Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt. Gegen ihre Verurteilung wenden sich die Angeklagten mit ihren auf die Beanstandung sachlichen Rechts gestützten Revisionen. Die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten und in Bezug auf den Angeklagten F. nachträglich auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revisionen der Staatsanwaltschaft zielen auf eine Verurteilung des Angeklagten T. wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung statt wegen Diebstahls sowie hinsichtlich beider Angeklagter auf eine Aufhebung der Strafaussprüche. Während die Rechtsmittel der Angeklagten unbegründet sind, haben die vom Generalbundesanwalt weitgehend vertretenen Revisionen der Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge im Wesentlichen Erfolg.

I.


2
1. Das Landgericht hat festgestellt:
3
In den Abendstunden des 20. Dezember 2017 fuhren die Angeklagten und ein Mittäter in einem vom Angeklagten F. gelenkten Kleintransporter am Reihenhaus der Familie Th. vor. Der Angeklagte T. und der Mittäter waren von einem Hintermann darüber informiert worden, dass sich im Haus ein Tresor mit 300.000 bis 600.000 € Bargeld befinde. Diesen bzw. dessen Inhalt wollten sie sich durch einen Raubüberfall verschaffen, wobei sie gegebenenfalls einen „Kuhfuß“ zum Herausbrechen des Tresors einsetzen wollten. Die Opfer sollten mit Kabelbindern gefesselt werden, um etwaige Gegenwehr auszuschließen. Außerdem hatte der Mittäter, wie der Angeklagte T. wusste, ein Elektroimpulsgerät für einen Einsatz gegen die Opfer dabei. Dass das Gerät bei der Tat verwendet würde, hielt der Angeklagte T. für möglich.
4
Dem Angeklagten F. war die Rolle als Fahrer zugewiesen, wofür er mit 500 € entlohnt werden sollte. Er wusste nur, dass im Haus „ordentlich etwas zu holen“ sei und dass bei der Tat Kabelbinder sowie der „Kuhfuß“ eingesetzt würden. Es war ihm hingegen nicht bekannt, dass Raubobjekt ein Tresor bzw. dessen Inhalt sein sollte und dass der Mittäter das Elektroimpulsgerät mitführte.
5
Auf das Klingeln des Angeklagten T. fragte Th. , wer dort sei. T. antwortete mit „Paket“, woraufhin Frau Th. die Tür öffnete. T. bewegte sich mit seinem Körper ruckartig gegen die Tür, wodurch diese aufschlug und die Geschädigte traf, die darauf zu Boden stürzte. Der eine Kopfmaskierung tragende sowie mit Klebeband und Elektroimpulsgerät ausgestattete Mittäter folgte sieben Sekunden später. Frau Th. realisierte, dass es sich um einen Überfall handelte. Sie stand auf und händigte T. mindestens 50 € aus ihrer Geldbörse in der Hoffnung aus, dass er sich damit zufriedengeben werde. T. nahm das Geld, um es für sich zu verwenden. Dann stieß er Frau Th. wieder zu Boden, fesselte sie mit Kabelbindern und Klebeband an Armen und Beinen und steckte ihr ein Tuch in den Mund, um ein Schreien zu verhindern.
6
Im Obergeschoss hatte die 18-jährige Tochter der Geschädigten mitbekommen , dass ein Überfall stattfand. Sie schloss sich in ihrem Zimmer ein und benachrichtigte die Polizei. Versuche des T. und seines Mittäters, die Zimmertür zu öffnen, schlugen fehl. Deswegen traten sie die Tür ein. Der Mittäter versetzte der jungen Frau einen Elektrostoß aus dem Impulsgerät, den diese als „leichten Stoß“, aber nicht als schmerzhaft empfand. Anschließend fesselte er sie mit einem Klebeband an den Händen und verklebte ihren Mund.
7
T. demontierte Teile der sich im Keller befindlichen Videoüberwachungsanlage. Einen Tresor fanden die Täter nicht. Daher verließen sie das Wohnhaus. Die mittlerweile eingetroffene Polizei nahm die Angeklagten fest. Hingegen konnte der Mittäter entkommen.
8
Frau Th. erlitt durch die vom Angeklagten T. verübten Gewalthandlungen einen Bruch des zweiten Halswirbels, Schürfwunden und Prellungen. Wegen der Verletzung der Halswirbelsäule bestand konkrete Lebensgefahr. Frau Th. wurde am 29. Dezember 2017 aus der stationären Krankenhausbehandlung entlassen und kann ihren Hals noch nicht wieder richtig bewegen. Infolge des Überfalls leidet sie unter Angstzuständen.
9
2. Hinsichtlich des Angeklagten T. hat das Landgericht das Zubodenstoßen im ersten Handlungsabschnitt als vorsätzliche Körperverletzung gemäß § 223 StGB und die angestrebte Entwendung des Tresors nebst Inhalt unter Einsatz des Elektroimpulsgeräts als mittäterschaftlich begangenen besonders schweren Raubversuch (§ 250 Abs. 2 Nr. 1, § 249 Abs. 1, §§ 22, 23 StGB) ausgeurteilt. In Bezug auf die von Frau Th. hingegebenen 50 € hat es die Auffassung vertreten, dass der Angeklagte T. keine vollendete schwere räuberische Erpressung nach § 255 StGB, sondern nur einen Diebstahl (§ 242 Abs. 1 StGB) begangen habe. Nach dem Tatplan habe keine „umfassende Wegnah- meabsicht“ bestanden. Vielmehr hätten die Täter beabsichtigt, „einen Safe mit mindestens 300.000 € oder aber einen solchen Betrag aus einem solchen Safe wegzunehmen“. Hingegen sei es nicht Bestandteil des Tatplans gewesen, an- derweitige Vermögensgegenstände an sich zu bringen. Das Aufschleudern der Tür habe lediglich die Voraussetzungen für eine Fesselung des Opfers und der anschließenden Wegnahme des Safes oder dessen Inhalts schaffen sollen. Damit fehle es an einer für die Annahme einer räuberischen Erpressung notwendigen zielgerichteten Anwendung von Nötigungsmitteln zum Zweck der Erreichung einer vom Opfer vorzunehmenden vermögensschädigenden Handlung , hier in Form der Weggabe von Geld.
10
Den Angeklagten F. hat die Strafkammer der Beihilfe zu der vorgenannten Tat schuldig gesprochen. Jedoch habe sich der Gehilfenvorsatz zwar auf die Verwendung von Kabelbindern, nicht aber auf den Einsatz des Elektroimpulsgeräts erstreckt. Deswegen liege insoweit lediglich eine Beihilfe zum schweren Raubversuch nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, § 249 Abs. 1, §§ 22, 23 StGB vor.
II. Revisionen der Staatsanwaltschaft
11
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft führen hinsichtlich des Angeklagten T. zu der aus dem Urteilstenor ersichtlichen Schuldspruchänderung und in Bezug auf beide Angeklagten zu einer Aufhebung des jeweiligen Strafausspruchs.
12
1. Die Wertung des Landgerichts, der Angeklagte T. habe sich im ersten Handlungsabschnitt nur wegen Diebstahls der von Th. hingege- benen 50 € strafbar gemacht, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
13
a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat die Strafkammer freilich zugrunde gelegt, dass der Raubtatbestand und der Tatbestand der räuberischen Erpressung einen finalen Zusammenhang zwischen Gewalt bzw. qualifizierter Drohung und Wegnahme bzw. Hingabe der Sache voraussetzt. An einer solchen Verknüpfung fehlt es, wenn der Täter den Raub-/Erpressungsvorsatz erst nach Abschluss dieser Handlung fasst (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschluss vom 24. April 2018 – 5 StR 606/17 Rn. 10 mwN). Richtig ist auch, dass die Tat unter Umständen nicht vollendet wird, wenn der Täter einen bestimmten Gegenstand erbeuten will und es im weiteren Verlauf zur Wegnahme oder Herausgabe einer ganz anderen Sache kommt (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom29. April 1999 – 4 StR 44/99, NStZ 1999, 510 [Fernsehgerät statt Schuldeneintreibung]; vom 18. Januar 2000 – 4 StR 633/99 [Mobiltelefon statt Zigaretten], vom 22. April 1997 – 4 StR 105/97, NStZ-RR 1997, 298 [Geld statt Schusswaffe]; zusammenfassend LK-StGB/Vogel, 12. Aufl., § 249 Rn. 43, 45).
14
b) Der zu beurteilende Fall liegt jedoch anders. Der Raubvorsatz des Angeklagten sowie seines Mittäters bestand von Anfang an und bezog sich auf Geld. Es stellt daher eine lediglich unerhebliche Abweichung vom Tatplan dar und hält sich innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung und aus Tätersicht Voraussehbaren (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 2016 – 5 StR 98/16, BGHSt 61, 197, 200), dass der Angeklagte T. letztlich nur 50 € mitnahm. Die Bejahung einer vollendeten Tat auch bei Zugrundelegung eines auf den Inhalt eines Tresors gerichteten Raubmotivs unterläge beispielsweise auch dann keinem Zweifel, wenn der Täter Geldwerte statt in einem Safe in einer Schatulle oder einem anderen Versteck findet und entwendet. Genauso wenig spielt es eine ausschlaggebende Rolle, wenn er eine geringere Geldsumme als erstrebt erlangt bzw. früher oder später als geplant zum Ziel gelangt.
15
Danach hat der Angeklagte eine vollendete schwere räuberische Erpressung nach §§ 255, 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB begangen (vgl. zur Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung z.B. BGH, Beschluss vom 24. April 2018 – 5 StR 606/17 Rn. 13; MüKo-StGB/Sander, 3. Aufl., § 253 Rn. 3). Be- reits die erste Gewaltausübung (Aufstoßen der Tür) war von einem auf die Erlangung von Geldmitteln gerichteten Zueignungswillen des Angeklagten getragen. Dass die Geschädigte schon unter dem Eindruck dieser Handlung sowie zur Vermeidung weiterer Gewaltanwendung 50 € preisgab, vermag an dem damit gegebenen Finalzusammenhang nichts zu ändern. Nicht ersichtlich ist auch, dass der Angeklagte an der vergleichsweise niedrigen Geldsumme kein Interesse gehabt haben könnte (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 20. Februar 1990 – 3 StR 500/89, BGHR StGB § 249 Abs. 1 Zueignungsabsicht 5). Die Feststellungen ergeben vielmehr das Gegenteil (UA S. 9).
16
c) Hingegen ist die Ablehnung des Qualifikationstatbestandes nach § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a StGB – anders als die Beschwerdeführerin meint – aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts frei von Rechtsfehlern. Die insoweit durch das Landgericht getroffenen Feststellungen (vgl. UA S. 29) ergeben die Voraussetzungen dieses Qualifikationstatbestandes nicht.
17
d) Der Senat hat den Schuldspruch auf der Grundlage der rechtsfehlerfreien Feststellungen entsprechend § 354 Abs. 1 StPO korrigiert. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil der Vorwurf bereits in der Anklageschrift enthalten gewesen ist.
18
2. Die Änderung des Schuldspruchs entzieht dem Strafausspruch gegen den Angeklagten T. die Grundlage. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Bewertung dieser Handlung als vollendete schwere räuberische Erpressung eine höhere Strafe verhängt hätte.
19
Die Strafzumessungserwägungen halten aus einem weiteren Grund rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat die psychischen Folgen der Tat für die Geschädigte (Albträume, ständige Angst, namentlich bei Dunkelheit und außerhalb ihres Hauses) nicht straferschwerend gewichtet, weil sie „zwar beklagenswert“ seien, sich aber „noch im Rahmen der typischen Folge eines besonders schweren Raubes“ hielten und deshalb „von der hohen Strafdrohung für ein solches Delikt erfasst“ seien (UA S. 32). Damit legt esei- nen Erfahrungssatz zugrunde, der in dieser Weise nicht existiert. Es ist keines- wegs „typische Folge“ von (auch schweren) Raubtaten, dass das Opfer auf- grund der Gewalteinwirkung fortan in ständiger Angst lebt und an Albträumen leidet. Derartige Konsequenzen sind deshalb, sofern sie vorhersehbar sind, als verschuldete Auswirkungen der Tat im Sinne von § 46 Abs. 2 StGB zum Nachteil des Täters zu gewichten (vgl. etwa BGH, Urteil vom 26. Mai 1993 – 3 StR 119/93, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Raub 5).
20
3. Die aufgezeigten Rechtsfehler erstrecken sich auf den Strafausspruch gegen den Angeklagten F. . Das Landgericht hat bei der Strafrahmenwahl zugunsten dieses Angeklagten gewertet, dass die Raubtat nur in das Versuchsstadium gelangt ist (UA S. 35). Der Senat besorgt ferner, dass sich die Strafkammer auch hier von den rechtsfehlerhaften Erwägungen betreffend die durch die Haupttat verursachten Folgen für die Geschädigte Th. hat leiten lassen.
21
Der Generalbundesanwalt weist dabei mit Recht darauf hin, dass es dem neu entscheidenden Tatgericht trotz des unveränderten Schuldspruchs nicht verwehrt ist, wegen des Vorliegens einer vollendeten schweren räuberischen Erpressung, zu der der Angeklagte Beihilfe geleistet hat, eine höhere Strafe zu verhängen (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juni 1985 – 2 StR 127/85, NJW 1986, 332, 333; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 331 Rn. 9 mwN). Es darf lediglich die Obergrenze des Strafrahmens aus dem vom Erstgericht angewendeten Strafgesetz nicht überschritten werden (vgl. BGH aaO; KK-StPO/Paul, 8. Aufl., § 331 Rn. 2a; siehe auch Meyer-Goßner/Schmitt, aaO).
22
4. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da bloße Wertungsfehler inmitten stehen.
III. Revisionen der Angeklagten
23
Den Revisionen der Angeklagten bleibt aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts angeführten Gründen ohne Erfolg. Durch die vom Landgericht vorgenommene Bewertung der Hinnahme der 50 € als Diebstahl sind sie jedenfalls nicht beschwert.
24
Eine Schuldspruchänderung in Richtung auf Beihilfe zur (vollendeten) räuberischen Erpressung, mithin zu dessen Nachteil, ist auf die insoweit alleinige Revision des Angeklagten F. mangels Beschwer nicht geboten (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 354 Rn. 17 mwN).
Mutzbauer König Berger
Mosbacher Köhler

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 174/16
vom
20. September 2016
in der Strafsache
gegen
1.
alias:
2.
wegen zu 1.: gefährlicher Körperverletzung u.a.
zu 2.: räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:200916B3STR174.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts am 20. September 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aurich vom 21. Januar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten und den Angeklagten N. wegen Beihilfe zur räuberischen Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung sowie versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt. Die dagegen gerichteten Revisionen der Angeklagten haben jeweils mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
2
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen verbrachten die Angeklagten die frühen Morgenstunden des 28. Juni 2015 gemeinsam mit den Zeugen de V. und Sch. sowie den Zeuginnen de B. und G. auf dem Schrebergartengrundstück von de V. . Nachdem die Angeklagten sich eine Zeitlang von dem Grundstück entfernt hatten, wurden sie bei ihrer Rückkehr auf eine verbale Auseinandersetzung zwischen de V. und G. aufmerksam, die sich während ihrer Abwesenheit entwickelt hatte. Der Angeklagte N. "ging" nun "auf de V. los und schlug ihm mehrfach mit der flachen Hand ins Gesicht". Währenddessen schlug der Angeklagte S. Sch. in gleicher Weise. Anschließend schlug N. auch Sch. , während S. seinerseits de V. Schläge versetzte; die Strafkammer vermochte sich insoweit nicht davon zu überzeugen, dass die Angeklagten in dieser Situation zeitgleich auf einen der beiden Zeugen einwirkten.
3
Anschließend wiesen die Angeklagten die Zeugen de V. und Sch. an, sich auf eine Bank zu setzen, und bedrängten sie, wegen des Vorfalls nicht die Polizei einzuschalten. N. setzte sich sodann zwischen de V. und Sch. , legte seine Arme um sie und drohte ihnen sinngemäß an, dass "man ihnen ihre Beine abschneiden würde, wenn sie zur Polizei gehen würden". S. hatte einen Schraubendreher und einen Rechen an sich genommen , hielt de V. und Sch. die Gegenstände vor das Gesicht und drohte ihnen, dass "man die beiden auch an Ort und Stelle 'wegmachen' könne".
4
"Relativ am Anfang des ganzen Geschehens" forderten die Angeklagten die Zeugen de V. und Sch. , die durch die Schläge Nasenbluten davongetragen hatten, auf, sich das Blut abzuwaschen, woraufhin diese nacheinander zu einem Wasserhahn gingen. Dabei versuchte S. noch einmal, Sch. zu schlagen, der jedoch ausweichen konnte. Daraufhin trat N. hinzu und versetzte Sch. einen heftigen Tritt gegen den rechten Oberschenkel.
5
S. "entschloss sich nunmehr", de V. "um sein Geld zu erleichtern". Er forderte ihn auf, ihm sein Geld auszuhändigen, worauf de V. ihm "unter dem Eindruck der zuvor geäußerten Drohungen und Schläge" insgesamt 100 € aushändigte.
6
Nachdem S. anschließend die Gartenlaube von de V. erfolglos nach Wertgegenständen durchsucht hatte, redeten die Angeklagten erneut auf de V. und Sch. ein, um sie davon abzuhalten, die Polizei zu verständigen. Zu diesem Zweck drohten sie ihnen nochmals, dass "man sie sonst 'fertig' machen" werde und dass sich ihre Familie sowie Freunde um die Zeugen "kümmern" würden, falls sie ins Gefängnis kämen. N. nahm dabei "billigend in Kauf, dass er durch die weitere Bekräftigung seiner Drohungen auch die vorherige Entwendung des Geldes durch S. unterstützte".
7
2. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten S. wegen räuberischer Erpressung nicht. Das Landgericht hat dazu ausgeführt :
8
Es sei zwar nicht nachzuweisen, dass S. im Zeitpunkt der Geldforderung zur Erreichung seines Zieles unmittelbar Gewalt angewendet oder de V. konkret bedroht habe. Dies sei aber auch nicht erforderlich, da ihm bewusst gewesen sei, dass de V. ihm das Geld nur wegen der bereits vorangegangenen Schläge und Drohungen aushändigen werde, die er selbst sowie N. ausgesprochen hätten. De V. habe wegen des zeitlich-räumlichen Zusammenhangs noch unter dem Eindruck der Gewaltanwendung bzw. Drohungen gestanden, die mithin fortgewirkt hätten. S. habe die Furcht von de V. vor weiteren Schlägen erkannt und diesen Umstand bewusst zur Tatbegehung ausgenutzt.
9
Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die räuberische Erpressung (§§ 253, 255 StGB) erfordert ebenso wie der Raub (§ 249 StGB) einen finalen Zusammenhang zwischen dem Nötigungsmittel und der von dem Opfer vorzunehmenden vermögensschädigenden Handlung. Eine konkludente Drohung genügt; sie kann sich grundsätzlich auch daraus ergeben, dass der Täter dem Opfer durch sein Verhalten zu verstehen gibt, er werde zuvor zu anderen Zwecken angewendete Gewalt nunmehr zur Erzwingung der jetzt erstrebten vermögensschädigenden Handlung des Opfers bzw. dessen Duldung der beabsichtigten Wegnahme fortsetzen oder wiederholen. Das bloße Ausnutzen der Angst des Opfers vor erneuter Gewaltanwendung enthält dagegen für sich genommen noch keine Drohung. Erforderlich hierfür ist vielmehr, dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht stellt, sie also durch ein bestimmtes Verhalten genügend erkennbar macht. Es reicht nicht aus, wenn das Opfer nur erwartet, der Täter werde es an Leib oder Leben schädigen. Das bloße Ausnutzen der Angst eines der Einwirkung des Täters schutzlos ausgelieferten Opfers mag sich als das Ausnutzen einer hilflosen Lage darstellen , die vom Gesetzgeber indes ausschließlich in § 177 Abs. 1 StGB neben Gewalt oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zu einem selbständigen tatbestandlichen Nötigungsmittel erhoben worden ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 31. Juli 2012 - 3 StR 232/12, juris Rn. 4; vom 13. November 2012 - 3 StR 400/12, juris Rn. 5; vom 26. November 2013 - 3 StR 261/13, NStZ-RR 2014, 110; vom 25. Februar 2014 - 4 StR 544/13, StV 2014, 545, 546). Entgegen der vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vertretenen Auffassung ist die Aktualisierung der Nötigungslage durch ein im Urteil gesondert festzustellendes Verhalten des Täters mit Rücksicht darauf , dass eine dem § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB entsprechende Vorschrift im Bereich von Raub und Erpressung fehlt, nicht entbehrlich.
10
Hier hat der Angeklagte S. den Urteilsgründen zufolge indes lediglich die Furcht des Zeugen de V. vor weiteren Schlägen ausgenutzt, ohne ihm zumindest konkludent mit erneuter Gewaltanwendung zu drohen.
11
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen räuberischer Erpressung führt auch zur Aufhebung der Verurteilung wegen der tateinheitlich verwirklichten Körperverletzung und versuchten Nötigung. Entsprechendes gilt im Hinblick auf die Verurteilung des Angeklagten N. .
12
4. Im Hinblick auf die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
13
a) Soweit das Landgericht die Hilfeleistung des Angeklagten N. zu der von dem Angeklagten S. begangenen räuberischen Erpressung darin gesehen hat, dass er de V. und Sch. erneut drohte, um sie davon abzuhalten, die Polizei zu rufen, bevor er das Grundstück gemeinsam mit S. verließ, würden entsprechende Feststellungen - falls sie auch aufgrund der neuen Hauptverhandlung getroffen werden - eine Verurteilung des Angeklagten N. wegen (sukzessiver) Beihilfe zur räuberischen Erpressung (vor deren Beendigung) tragen. Die ergänzenden Ausführungen des Landgerichts , dass N. aufgrund der früheren Schläge und Drohungen außerdem eine Garantenstellung aus Ingerenz innegehabt habe und deshalb verpflichtet gewesen sei, die Verwirklichung der räuberischen Erpressung durch S. zu verhindern, gehen demgegenüber fehl. Aus der bloßen Ursächlichkeit eines Verhaltens für einen späteren Erfolgseintritt kann sich eine Garantenstellung aus vorangegangenem gefährdenden Tun nicht ergeben; erforderlich ist vielmehr , dass das Vorverhalten die nahe Gefahr des Eintritts gerade des tatbestandsmäßigen Erfolges herbeigeführt hat (BGH, Beschluss vom 15. April 1997 - 4 StR 116/97, NStZ-RR 1997, 292 f.). Davon wird hier im Hinblick auf das nach den vorherigen Drohungen und Körperverletzungshandlungen begangene Vermögensdelikt kaum die Rede sein können.
14
b) Die Annahme des Landgerichts, dass sich der Angeklagte N. unter dem Gesichtspunkt des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB wegen gefährlicher Körperverletzung strafbar gemacht habe, indem er den Zeugen Sch. trat, nachdem der Angeklagte S. zuvor erfolglos versucht hatte, Sch. zu schlagen, während eine Strafbarkeit von S. unter diesem Gesichtspunkt ausscheide, begegnet rechtlichen Bedenken. § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB setzt voraus, dass der Täter die Körperverletzung mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begeht. Ausreichend, aber auch erforderlich ist, dass mindestens zwei Beteiligte (Täter oder Teilnehmer, § 28 Abs. 2 StGB) am Tatort bewusst zusammenwirken; es genügt, wenn eine am Tatort anwesende Person den unmittelbar Tatausführenden aktiv physisch oder psychisch unterstützt (BGH, Urteil vom 22. Dezember 2005 - 4 StR 347/05, NStZ 2006, 572, 573). Eine rein passive Anwesenheit am Tatort reicht dagegen nicht aus, und zwar selbst dann nicht, wenn der Anwesende die Körperverletzungstat des anderen innerlich billigt oder befürwortet (KG, Beschluss vom 12. März 2013 - (4) 121 Ss 30/13 (49/13), StV 2014, 349).
15
c) Soweit das Landgericht die Anwendbarkeit des § 46a Nr. 1 StGB mit der Begründung abgelehnt hat, dass der Angeklagte S. dem Zeugen de V. kein Schmerzensgeld gezahlt habe, wird Folgendes zu bedenken sein: Die Vorschrift setzt einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Tat verursachten Folgen gerichtet sein muss; das Verhalten des Täters muss Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 - 1 StR 405/02, BGHSt 48, 134, 139 ff.). Erforderlich ist, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat "ganz oder zum überwiegenden Teil" wiedergutmacht, wobei es auch ausreichend sein kann, dass er dieses Ziel ernsthaft erstrebt (BGH, Urteil vom 23. Mai 2013 - 4 StR 109/13, juris Rn. 11). Den Urteilsgründen zufolge hat der geständige Angeklagte S. sich hier bei dem Zeugen de V. entschuldigt und dessen materiellen Schaden ersetzt; de V. hat die Entschuldigung akzeptiert und ausdrücklich erklärt, dass die Sache für ihn mit der Rückzahlung des Geldes "erledigt" sei. In Anbetracht dessen schließt allein die unterbliebene - von de V. indes auch nicht beanspruchte - Zahlung von Schmerzensgeld eine Strafmilderung gemäß § 46a Nr. 1 StGB nicht unbedingt aus.
Becker RiBGH Dr. Schäfer befindet Spaniol sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Tiemann Berg

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 609/16
vom
7. März 2017
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2017:070317B5STR609.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 7. März 2017 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 31. Oktober 2016 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet (§ 63 StGB). Seine hiergegen mit der allgemeinen Sachrüge geführte Revision hat keinen Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet der Beschuldigte seit 2006 an einer inzwischen chronifizierten paranoiden Schizophrenie. Aufgrund seiner Erkrankung, die mit täglichem Konsum von Alkohol und Cannabis einherging , steigerte er sich in die Vorstellung, ein Zeichen gegen den ihn seit vielen Jahren peinigenden Verkehrslärm setzen zu müssen. Um gegen den Verkehrslärm vorzugehen, entschloss er sich, mit Grillanzündern eine Vielzahl von Autos anzuzünden und auch verbogene Nägel (sogenannte Krähenfüße) auf der Straße auszulegen. Ausgerüstet mit 32 Grillanzündern und 35 „Krähenfü- ßen“ begann er am frühen Morgen des 30. März2016 mit der Umsetzung sei- nes Plans bei einem am Fahrbahnrand geparkten Pkw. Er platzierte zwei Grillanzünder an einem der Reifen und entzündete sie in der Absicht, den Pkw in Brand zu setzen. Noch während der Beschuldigte am Fahrzeug kniete, wurden zwei Polizeibeamte auf ihn aufmerksam. Sie nahmen ihn fest und traten die brennenden Grillanzünder aus, bevor das Feuer auf andere Bestandteile des Pkw’s oder weitere geparkte Fahrzeuge übergreifen konnte. Durch das Feuer war die Substanz des Reifens bereits angegriffen und ein Teil des Profils weggeschmolzen. Die Kosten für den Austausch des Reifens an dem Pkw, der einen Wert von mindestens 4.000 Euro hatte, beliefen sich auf 75 Euro.
3
Das Landgericht hat das Verhalten des Beschuldigten rechtlich als versuchte Brandstiftung in Tateinheit mit Sachbeschädigung gewertet. Es hat – demGutachten des psychiatrischen Sachverständigen folgend – festgestellt, dass die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten zur Tatzeit aufgrund eines akut psychotischen Zustands aufgehoben war. Infolge seiner Erkrankung werde der Beschuldigte unbehandelt weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche zumindest schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet würde.
4
2. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Nachprüfung stand.
5
Der Erörterung bedarf lediglich die Gefährlichkeitsprognose des Landgerichts , die es zutreffend nach der zum 1. August 2016 in Kraft getretenen Neufassung des § 63 StGB getroffen hat. Dabei hat es allerdings im rechtlichen Ausgangspunkt zu Unrecht auf den Schaden abgestellt, der an dem betroffenen Pkw lediglich drohte, und angenommen, dass es sich schon bei der Anlasstat um eine im Sinne von § 63 Satz 1 StGB erhebliche Tat gehandelt habe. Eine solche setzt nach der Konkretisierung der „Erheblichkeit“ in der Neuregelung der Maßregelanforderungen voraus, dass durch die Tat „schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird“. Hier ist bei der versuchten Brandstiftung der verursachte Sachschaden jedoch relativ gering geblieben.
6
Den somit gemäß § 63 Satz 2 StGB geltenden verschärften Darlegungsanforderungen an die Gefährlichkeitsprognose werden die Entscheidungsgründe indes noch gerecht. Insoweit ist zu berücksichtigen – was auch das Landgericht in den Blick genommen hat (UA S. 13 f.) –, dass der Gesetzgeber bei der Neuregelung des § 63 StGB für die Beurteilung der Erheblichkeit von zu erwar- tenden „Vermögensdelikten im weitesten Sinne“ nicht allein eine bestimmte Schadenshöhe als „Richtschnur“ benannt hat. Vielmehr könne im Einzelfall maßgeblich sein, „ob bei einer drohenden Vielzahl von weniger schweren Ta- ten, die für sich gesehen keinen schweren wirtschaftlichen Schaden begründen würden, auf den drohenden Gesamtschaden abzustellen ist, wobei auch hier genereller Maßstab das Ausmaß der Störung des Rechtsfriedens sein wird. So kann schon die Tendenz zur serienmäßigen Tatbegehung den friedensstörenden Charakter jeder einzelnen Tat so erhöhen, dass sie alle als erheblich emp- funden werden“ (BT-Drucks. 18/7244, S. 21).
7
Danach bildet hier die einen Verbrechenstatbestand verwirklichende Anlasstat gleichsam als Evidenzfall die Grundlage für die nach § 63 Satz 2 StGB erforderliche Erwartung, dass der Täter infolge seines Zustandes erhebliche Taten im Sinne von § 63 Satz 1 StGB begehen wird. Die (versuchte) Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 Nr. 4 StGB war auf einen erheblichen Schaden ange- legt. Sie sollte nach dem Plan eines „Rachefeldzugs“ gegen den Verkehrslärm und damit nach einer andauernden Motivlage des Beschuldigten erst der Beginn einer Tatserie sein, von der er eingestandenermaßen nur durch seine Festnahme abgehalten wurde. Aufgrund dieser schon gewichtigen Umstände kam es auch nicht mehr auf die vom Landgericht noch ergänzend zur Begründung seiner Gefährlichkeitsprognose herangezogene Gewaltbereitschaft an, die der Beschuldigte in der Vergangenheit auch gegenüber Personen mehrfach gezeigt hatte.
Mutzbauer Sander König
Berger Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 230/16
vom
4. August 2016
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:040816B4STR230.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 4. August 2016 gemäß § 206a Abs. 1, § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 18. Januar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Hinsichtlich der Tat II.1 der Urteilsgründe wird das Verfahren eingestellt; im Umfang der Einstellung trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten. 3. Im Übrigen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung und des Diebstahls mit Waffen freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf die nicht näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen leidet der Angeklagte spätestens seit 2010 an einer paranoid-halluzinatorischen Psychose. Er interpretiert tatsächlich in seinem Bauchraum vorhandene Lipome als mit einem Seil verbundene, von äußeren Einflüssen und seinen Gedanken abhängige Krebsgeschwüre. Infolge seiner Erkrankung und des damit verbundenen Beeinflussungserlebens hat der Angeklagte Beeinträchtigungsideen und fühlt sich verfolgt. Des Weiteren besteht beim Angeklagten eine Polytoxikomanie mit schwerer Opiatabhängigkeit.
3
Im Sommer 2013 hatte der Angeklagte ein Fahrrad entwendet, ohne zu wissen, dass dieses der Mutter eines Bekannten gehörte. Als der Bekannte von dem Diebstahl Kenntnis erlangte, stellte er den Angeklagten zur Rede und forderte ihn zur Rückgabe auf. Nachdem das Angebot des Angeklagten, für das nicht mehr vorhandene gestohlene ein anderes Fahrrad zu übergeben, von der Mutter des Bekannten abgelehnt worden war, riefen die Mutter und der Bekannte selbst zuletzt am Vorabend des Tattags bei dem Angeklagten an und verlangten die Rückgabe des gestohlenen Fahrrads. Der Angeklagte fühlte sich durch die Anrufe unter Druck gesetzt und befand sich in der Vorstellung, er werde von seinem Bekannten und dessen Mutter regelrecht verfolgt.
4
Am 27. Juli 2013 gegen 20.20 Uhr verließ der Bekannte mit einem Begleiter seine Wohnung und begab sich auf die Straße. Als der Angeklagte, der sich zufällig an einem Kiosk in Sichtweite aufhielt, den Bekannten erblickte, erkannte er ihn und fühlte sich von diesem verfolgt. Noch unter dem Eindruck des vorabendlichen Anrufs meinte der Angeklagte, der Bekannte wolle ihn stellen und angreifen. Deshalb ergriff er einen auf dem Boden liegenden etwa 60 bis 80 cm langen dicken Ast und verbarg diesen unter der Jacke. Obwohl die beiden Männer sich ihm nicht näherten, wollte er die Sache nicht auf sich beruhen lassen und ging schnellen Schrittes aggressiv auf beide zu. Er schrie den Bekannten auf Russisch an, zog, als dieser ihm auf Russisch antwortete, unvermittelt den unter seiner Jacke verborgenen Ast hervor und schlug damit heftig mindestens zweimal auf den Kopf und in das Gesicht des Bekannten. Dabei zerbrach der Ast, der womöglich etwas morsch war, unter der Kraft der wuchtig geführten Schläge. Der Geschädigte, der infolge der Schläge kurz zu Boden ging, erlitt eine Platzwunde an der Lippe sowie eine Verletzung im Zahnbereich, die zum Verlust von drei Schneidezähnen führte. Der Angeklagte ließ sodann von dem Geschädigten ab und entfernte sich. Bei der Tat war der Angeklagte aufgrund der paranoid-halluzinatorischen Psychose nicht mehr in der Lage, sein Verhalten entsprechend der noch vorhandenen Unrechtseinsicht zu steuern (Tat II.1 der Urteilsgründe).
5
Am 31. August 2013 suchte der Angeklagte die Verkaufsräumlichkeiten der Firma K. in W. auf, entnahm der Auslage fünf Flaschen Wodka im Gesamtwert von 62,45 Euro, steckte sie in seine mitgeführte Tasche und passierte den Kassenbereich, ohne die Waren zu bezahlen. Dabei trug er in seinem Rucksack ein Einhandmesser mit 8,5 cm langer Klinge und in seiner Hosentasche ein Taschenmesser bei sich. Er hatte unter Suchtdruck nach Heroin vor, die Waren ohne Bezahlung für sich zu behalten und sie später gegen 1 g Heroin einzutauschen. Der Angeklagte war aufgrund des wegen seiner Polytoxikomanie und Opiatabhängigkeit bestehenden schweren Suchtdrucks im Zusammenwirken mit der fortbestehenden paranoid-halluzinatorischen Psychose – bei sicher erheblich beeinträchtigtem Hemmungsvermögen – nicht ausschließbar nicht in der Lage, sein Verhalten entgegen der Einsicht in das Unrecht zu steuern (Tat II.2 der Urteilsgründe).

II.

6
Hinsichtlich der Tat II.1 der Urteilsgründe ist das Verfahren einzustellen, da es insoweit an der Verfahrensvoraussetzung eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses fehlt.
7
1. Wegen der Körperverletzungstat erhob die Staatsanwaltschaft mit Anklageschrift vom 24. Juni 2014 Anklage zum Amtsgericht - Strafrichter - Witten. Nachdem der Strafrichter das Verfahren am 10. September 2014 zur Übernahme vorgelegt hatte, übernahm das Amtsgericht - Schöffengericht - Witten das Verfahren mit Beschluss vom 12. September 2014 und verband es mit dem dort anhängigen Verfahren, welches aufgrund der Anklageschrift vom 29. August 2014 die Tat II.2 der Urteilsgründe zum Gegenstand hatte. Am 12. September und 30. September 2014 ergingen acht weitere Beschlüsse, mit denen das Amtsgericht - Schöffengericht - Witten jeweils die Übernahme von Verfahren hinsichtlich beim Amtsgericht - Strafrichter - Witten erhobener Anklagen und deren Verbindung zu dem beim Amtsgericht - Schöffengericht - Witten anhängigen Verfahren beschloss. Mit Beschluss vom 27. November 2014 ließ das Amtsgericht - Schöffengericht - Witten die Anklage der Staatsanwaltschaft vom 29. August 2014 zur Hauptverhandlung zu und eröffnete das Hauptverfahren. Die weiteren Anklagen, einschließlich der Anklage vom 24. Juni 2014 bezüglich der Tat II.1 der Urteilsgründe, finden in dem Eröffnungsbeschluss vom 27. November 2014 keine Erwähnung. Insoweit sind auch später keine Eröffnungsentscheidungen ergangen.
8
2. Damit fehlt es für die Tat II.1 der Urteilsgründe an einem wirksamen Eröffnungsbeschluss. Die Eröffnungsentscheidung vom 27. November 2014 bezog sich ausdrücklich nur auf die Anklage vom 29. August 2014 und nicht auf die Anklage vom 24. Juni 2014. Ihr kann, bezogen auf die Anklage vom 24. Juni 2014, auch nicht die Bedeutung einer konkludenten Eröffnung des Hauptverfahrens beigemessen werden. Zur Eröffnung des Hauptverfahrens gemäß § 203 StPO genügt zwar eine schlüssige und eindeutige Willenserklärung des Gerichts , die Anklage nach Prüfung und Bejahung der Eröffnungsvoraussetzungen zur Hauptverhandlung zuzulassen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Dezember 1999 - 2 StR 376/99, NStZ 2000, 442, 443 mwN; vom 3. Mai 2001 - 4 StR 59/01, bei Becker, NStZ-RR 2002, 68; vom 5. Februar 1998 - 4 StR 606/97, BGHR StPO § 203 Beschluss 4). Dem Beschluss vom 27. November 2014, der sich nach seinem Wortlaut ausschließlich auf die Anklage vom 29. August 2014 bezieht, ist aber mit der erforderlichen Sicherheit nicht zu entnehmen , dass das Amtsgericht - Schöffengericht - Witten hinsichtlich der Anklage vom 24. Juni 2014 die Eröffnungsvoraussetzungen geprüft und angenommen hat. Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass in der im Zusammenhang mit dem Beschluss vom 27. November 2014 ergangenen Terminsverfügung die Ladung von zwei Zeugen zu dem mit Anklage vom 24. Juni 2014 erhobenen Tatvorwurf angeordnet wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 20. November 1987 - 3 StR 493/87, BGHR StPO § 203 Beschluss 1).
9
Das Fehlen des Eröffnungsbeschlusses stellt ein in diesem Verfahren nicht mehr behebbares Verfahrenshindernis dar, das die Einstellung des Verfahrens zur Folge hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. September 2011 - 3 StR 280/11, NStZ 2012, 225, 226; vom 9. Januar 1987 - 3 StR 601/86, NStZ 1987, 239; vom 15. Mai 1984 - 5 StR 283/84, NStZ 1984, 520; vom 9. Juni 1981 - 4 StR 263/81, DRiZ 1981, 343; Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 207 Rn. 12 mwN; Seidl in KMR, § 203 Rn. 11 ff. [Stand Mai 2012]; Stuckenberg in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 207 Rn. 84 ff.).

III.

10
Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus hat keinen Bestand, weil der von der Strafkammer angenommene symptomatische Zusammenhang zwischen der als Anlasstat verbleibenden Diebstahlstat am 31. August 2013 und der psychotischen Erkrankung des Angeklagten nicht tragfähig begründet ist.
11
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei Begehung der Anlasstat aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht. Der Defektzustand muss, um eine Gefährlichkeitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein. Daneben ist eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades erforderlich, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird (§ 63 Satz 1 StGB in der am 1. August 2016 in Kraft getretenen Neufassung durch das Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften vom 6. Juli 2016, BGBl. I 1610). Der Tatrichter hat die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Juli 2016 - 4 StR 210/16 Rn. 5; vom 15. Januar 2015 - 4 StR 419/14, NStZ 2015, 394, 395; vom 29. April 2014 - 3 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 243, 244).

12
2. Diesen Anforderungen werden die Ausführungen des angefochtenen Urteils zum Vorliegen eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen der psychotischen Erkrankung des Angeklagten und der Diebstahlstat am 31. August 2013 (Tat II.2 der Urteilsgründe) nicht gerecht.
13
Die Diagnose einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis führt für sich genommen noch nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit. Erforderlich ist vielmehr stets die konkretisierende Darlegung , in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 17. Juni 2014 - 4 StR 171/14, NStZRR 2014, 305, 306; vom 23. August 2012 - 1 StR 389/12, NStZ 2013, 98; vom 24. April 2012 - 5 StR 150/12, NStZ-RR 2012, 239; vom 29. Mai 2012 - 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307). Feststellungen dazu, ob und in welcher Weise die paranoid-halluzinatorische Psychose des Angeklagten Auswirkungen auf die Begehung der Diebstahlstat am 31. August 2013 hatte, hat das Landgericht nicht getroffen. Der Umstand, dass der Angeklagte bei der Tat in Rucksack und Hosentasche zwei Messer mit sich führte, lässt Rückschlüsse auf eine Beeinflussung der Tat durch die psychische Erkrankung des Angeklagten nicht zu. Soweit die Urteilsgründe in diesem Kontext auf psychosebedingte Verfolgungsideen des Angeklagten verweisen, entbehrt dies zudem einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Während der psychiatrische Sachverständige für seinen entsprechenden Befund die Bekundungen des sachverständigen Zeugen Dr. G. als Anknüpfungstatsachen herangezogen hat, geben die im Urteil wiedergegebenen Angaben dieses Zeugen in der Hauptverhandlung für ein nachhaltiges Verfolgungserleben des Angeklagten keinen Anhalt.
14
Schließlich vermag auch der zeitliche Zusammenhang mit der Tat am 27. Juli 2013 einen Einfluss der Psychose auf die Diebstahlstat nicht zu belegen. Denn das Landgericht hat auch hinsichtlich der Körperverletzungstat nicht hinreichend dargetan, dass die Tat auf die psychische Erkrankung des Angeklagten zurückzuführen ist. Die Annahme einer psychotischen Tatmotivation hat die Strafkammer insbesondere darauf gestützt, dass das gewaltsame Vorgehen des Angeklagten, das nicht unmittelbar im zeitlichen Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um das Fahrrad gestanden habe, spontan ohne konkreten Anlass oder Auslöser erfolgt sei. Diese Ausführungen lassen sich indes ohne weitere, von der Strafkammer nicht angestellten Erwägungen mit den Feststellungen und dem weiteren Beweisergebnis nicht in Einklang bringen. Danach gab es im Vorfeld der Tat zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten eine Auseinandersetzung um die Rückgabe des entwendeten Fahrrads, die sich über längere Zeit hinzog und noch am Vorabend des Tattags zu einem Telefonanruf des Geschädigten beim Angeklagten führte. Unmittelbar vor dem Angriff mit dem Ast kam es zu einem lautstarken Wortwechsel, bei welchem es nach der Zeugenaussage des Begleiters des Geschädigten in der Hauptverhandlung um ein Fahrrad ging. Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht die Möglichkeit, dass der tätliche Angriff des Angeklagten auf den Geschädigten durch den Streit um die Rückgabe des Fahrrads motiviert und damit auf einen normalpsychologisch erklärbaren Beweggrund zurückzuführen war, nicht nachvollziehbar ausgeschlossen.
15
3. Die Anordnung der Maßregel nach § 63 StGB kann daher nicht bestehen bleiben. Mit Blick auf die Vorschrift des § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO ist auch der Freispruch des Angeklagten aufzuheben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. August 2014 - 3 StR 271/14, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Satz 2 Freispruch 1; vom 30. Juli 2013 - 4 StR 275/13 Rn. 18, insoweit in NStZ 2014, 36 nicht abgedruckt

).

Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak Mutzbauer Bender

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR171/14
vom
17. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 17. Juni 2014 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 7. Januar 2014 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zu den rechtswidrigen Taten aufrecht erhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Körperverletzung und des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte wegen nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit bei Begehung der Taten freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet (§ 63 StGB). Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Jedoch können die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu den Anlasstaten bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
2
Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

I.


3
1. Nach den Feststellungen kam es in einem Zeitraum von vier Jahren bis zum Tattag, dem 6. Januar 2013, zwischen dem u.a. wegen vorsätzlicher Körperverletzung, Beleidigung und Sachbeschädigung, begangen im Zustand verminderter Schuldfähigkeit, vorbestraften Angeklagten und der Geschädigten, seiner Wohnungsnachbarin in einem Zweifamilienhaus in P. , regelmäßig zu Spannungen. Am Tattag schlug er der Geschädigten im Treppenhaus zunächst zweimal mit der flachen Hand ins Gesicht, brachte sie danach durch einen Stoß mit seinen Händen so zu Fall, dass sie die Treppe zunächst bis zur Hälfte und dann – infolge erneuten Schubsens und Schlagens – die restlichen Stufen der Treppe hinunterfiel, wo sie vor ihrer Wohnungstür liegen blieb. Dort versetzte ihr der Angeklagte noch einen Fußtritt gegen die Rippen. Die Geschädigte erlitt durch den Vorfall eine Teilruptur des vorderen Kreuzbandes an ihrem rechten Knie sowie multiple Prellungen. Beim Einschreiten der daraufhin herbeigerufenen Polizeibeamten schlug der Angeklagte mehrfach um sich und versuchte, sich aus den Haltegriffen der Beamten zu befreien. Zum Tatzeitpunkt betrug seine Blutalkoholkonzentration 1,2 ‰.
4
2. Das Landgericht hat sich hinsichtlich der Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten dem psychiatrischen Sachverständigen angeschlossen. Dieser hat nach Auswertung der Akten und Anwesenheit in der Hauptverhandlung , jedoch – mangels Einwilligung – ohne Exploration des Angeklagten, ausweislich der Urteilsgründe im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
5
Der „ursprünglich intelligent“(e) Angeklagte habe um das Jahr 2000 einen „Leistungsknick“ erlebt. 2002 sei bei ihm zunächst ein „sensitiver Bezie- hungswahn“ diagnostiziert worden, später sei man „ziemlich sicher“ von einer Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie ausgegangen. Die häufigen Umzüge seien aus medizinischer Sicht als paranoide Symptomatik gedeutet worden; der Angeklagte habe dadurch versucht, sich den wahnhaft empfundenen negativen Einflüssen seiner Nachbarn zu entziehen. Er leide gegenwärtig unter einer zunehmenden Unfähigkeit zur Fortsetzung seiner Ausbildung; die auftretenden Verwahrlosungstendenzen sowie psychosozialen Defizite „sprä- chen für eine Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie“ mit „möglicherweise“ bereits eingetretener Chronifizierung und einer Neigung zu akuten Exazerbationen. Es „spreche viel dafür“, dass das Verhalten des Angeklagten gegenüber der Geschädigten aus einer krankheitsbedingten paranoiden Symptomatik resultiere; jedenfalls sei es „am ehesten“ mit dem Vorliegen einer solchen Symptomatik erklärbar. Für ein anderes Eingangsmerkmal des § 20 StGB hätten sich keine Hinweise ergeben; eine isolierte Alkoholproblematik liege beim Angeklagten nicht vor. Seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit sei „mit allerhöchster Sicherheit“ eingeschränkt gewesen. Deren vollständige Aufhe- bung sei nicht sicher festzustellen, zumal beim Angeklagten statt eines Wahns auch psychotisch bedingter Ärger „ernsthaft in Betracht komme“. „Allgemein“ gelte, dass an Schuldunfähigkeit in einem akuten psychotischen Schub „kaum je“ ein Zweifel bestehe.

II.


6
Mit diesen Ausführungen werden die Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 63 StGB nicht rechtsfehlerfrei belegt.
7
1. Wenn sich der Tatrichter – wie hier – darauf beschränkt, sich der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit anzuschließen, muss er dessen wesentliche Anknüpfungspunkte und Darlegungen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2007 – 3 StR 412/07, NStZ-RR 2008, 39 mwN). Dies gilt auch in Fällen einer Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie; denn die Diagnose einer solchen Erkrankung führt für sich genommen noch nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 24. April 2012 – 5 StR 150/12, NStZ-RR 2012, 239; vom 23. August 2012 – 1 StR 389/12, NStZ 2013, 98; Beschluss vom 29. April 2014 – 3 StR 171/14). Erforderlich ist vielmehr die Feststellung eines akuten Schubs der Erkrankung sowie die konkretisierende Darlegung, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2007 aaO; Beschluss vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307). Diese Darlegungsanforderungen hat der Tatrichter auch dann zu beachten, wenn der Angeklagte – wie im vorliegenden Fall – eine Exploration abgelehnt hat (BGH, Beschluss vom 31. Januar 1997 – 2 StR 668/96, BGHR StGB § 63 Zustand 21).
8
2. Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
9
Dabei kann dahinstehen, ob die im Allgemeinen verbleibende, zusammenfassende Darlegung der Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen schon nicht hinreichend deutlich macht, ob die Einschränkung der Schuld- fähigkeit auf dem für die Anordnung der Maßregel erforderlichen, länger andauernden und nicht nur vorübergehenden Defekt beruht hat (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 17. November 1987 – 5 StR 575/87, BGHR StGB § 63 Zustand 6 mwN), weil der Sachverständige eine Chronifizierung der in Betracht gezogenen Erkrankung lediglich für möglich gehalten hat. Jedenfalls fehlt eine nähere Darlegung des Einflusses des diagnostizierten Störungsbildes auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation. Die Urteilsgründe teilen auch insoweit lediglich das Ergebnis der medizinischen Diagnose des psychiatrischen Sachverständigen mit, wonach das Verhalten des Angeklagten gegenüber der Geschädigten und den Polizeibeamten die Annahme einer Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie mit paranoider Symptomatik nahelege. Als Anknüpfungspunkte für diese Diagnose werden Umstände herangezogen, die zum einen in der früheren Krankengeschichte des Ange- klagten liegen, so etwa sein vor über zehn Jahren eingetretener „Leistungsknick“ , zum anderen Umstände von nur begrenzter und nicht näher erläuterter Aussagekraft, wie etwa häufige Umzüge, durch die der Angeklagte versucht habe, sich wahnhaft empfundenen negativen Einflüssen seiner Nachbarn zu entziehen. Demgegenüber wird das Vorliegen eines akuten psychotischen Schubs – im Rahmen der Erörterung einer möglicherweise vollständig aufgehobenen Schuldfähigkeit – lediglich abstrakt als Möglichkeit in Betracht gezogen und mit der Erwägung, es komme auch psychotisch bedingter Ärger ernsthaft in Betracht, wieder relativiert. Eine situationsbezogene Erörterung der Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten unter dem Einfluss der psychischen Erkrankung zum Zeitpunkt der Taten fehlt. So wird auch nicht erkennbar erwogen, dass der Angeklagte vor den Widerstandshandlungen gegenüber den Polizeibeamten freiwillig in den Streifenwagen stieg, sich mithin situationsangepasst verhielt.
10
3. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat darauf hin, dass die vom Landgericht zur ersten Anlasstat getroffenen Feststellungen auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in seiner Auslegung durch die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 2013 – 2 BvR 298/12, RuP 2014, 31) grundsätzlich geeignet sind, die Anordnung der Maßregel zu tragen. Der neue Tatrichter wird jedoch bei der Gefährlichkeitsprognose das bislang nicht näher erläuterte spannungsgeladene Verhältnis zwischen dem Angeklagten und der in seiner unmittelbaren Nachbarschaft wohnenden Geschädigten in einem Zeitraum von vier Jahren vor der hier verfahrensgegenständlichen Tat eingehender in den Blick nehmen müssen.
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Franke Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 139/12
vom
29. Mai 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 29. Mai 2012 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 13. Oktober 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der vorsätzlichen Körperverletzung in sieben Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, sowie des versuchten Diebstahls freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Nach Überzeugung der sachverständig beratenen Strafkammer befand sich der Angeklagte aufgrund einer chronifizierten und zur Tatzeit akuten schizophrenen Psychose bei Begehung der Körperverletzungsdelikte und des in zwei Fällen tateinheitlich begangenen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in einem Zustand, in dem sowohl seine Einsichts- als auch seine Steue- rungsfähigkeit auf motivationaler Ebene vollständig aufgehoben waren (§ 20 StGB), während er sich bei Begehung des versuchten Diebstahls in einem Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit befand, wobei eine völlige Aufhebung nicht ausgeschlossen werden konnte. Infolge seines Zustandes und des dadurch bedingten Wahnerlebens seien auch in Zukunft erhebliche Straftaten , auch im Bereich von Gewalttaten, zu erwarten. Eine psychiatrische Behandlung des Angeklagten könne nur unter den geschützten Bedingungen des Maßregelvollzuges erfolgen.
3
2. Die Voraussetzungen des § 63 StGB werden durch die Urteilsfeststellungen nicht hinreichend belegt.
4
Das Landgericht hat bereits nicht hinreichend dargelegt, dass der Angeklagte bei Begehung der Anlasstaten sicher schuldunfähig bzw. erheblich vermindert schuldfähig war. Dabei ist noch nicht ausschlaggebend, dass die Strafkammer bei Begehung der Körperverletzungsdelikte und des tateinheitlich begangenen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte einen Ausschluss der Einsichts- und der Steuerungsfähigkeit angenommen hat (BGHR StGB § 63 Schuldfähigkeit 1; Fischer StGB 59. Aufl. § 21 Rn. 5; vgl. aber auch BGH NStZRR 2006, 167, 168). Es fehlt jedenfalls an einer tatsächlichen Grundlage für die Annahme eines jeweils akuten Schubs der Erkrankung und insbesondere auch eines spezifischen Zusammenhangs zwischen der Erkrankung und den einzelnen Taten.
5
Allein die Diagnose einer schizophrenen Psychose führt für sich genommen nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten Beeinträchtigung bzw. Aufhebung der Schuldfähigkeit (vgl. BGH, NStZ-RR 2008, 39). Erforderlich ist vielmehr stets die konkretisierende Darlegung, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Taten auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (vgl. BGH, StraFo 2004, 390 mwN). Die Strafkammer schließt sich insoweit der Beurteilung des Sachverständigen an, ohne dessen dafür wesentlichen Anknüpfungs - und Befundtatsachen im Urteil so wiederzugeben, wie es zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2010 - 5 StR 123/10 mwN). Soweit der Sachverständige und ihm folgend die Kammer darauf abgestellt haben, der Angeklagte habe aufgrund eines zum jeweiligen Tatzeitpunkt bestehenden "Wahnerlebens" (UA S. 18) bzw. er habe auf eine "subjektiv empfundene, gegebenenfalls auch wahnhaft wahrgenommene, Provokation hin" sein Verhalten nicht mehr "steuern" können, bzw. projiziere seine eigenen Aggressionen "in (vermeintlich) feindselige Handlungsformen anderer Personen" (UA S. 19), wird dies in den Urteilsgründen nicht belegt. Auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergeben sich insoweit keine hinreichenden Anhaltpunkte. Die festgestellten Taten des Angeklagten richteten sich gegen seine vormalige Freundin, die ihm eine gewünschte Aussprache verweigerte, gegen einen Passanten , der ihr beistehen wollte, gegen zwei Schüler, die zuvor Steinchen gegen das Auto des Angeklagten geworfen bzw. ihm Zigarettenrauch ins Gesicht geblasen hatten, sowie gegen zwei Polizeibeamte, die in zwei Fällen hinzu kamen und den Angeklagten festnehmen wollten. Lediglich im Fall des versuchten Diebstahls lassen die Feststellungen erkennen, dass der Angeklagte offenkundig davon ausging, dass er ein Fahrzeug, das nicht erkennbar gebraucht werde, mitnehmen dürfe; auch dies weist entgegen der Annahme der Kammer aber nicht auf eine Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit hin.
6
3. Die Sache bedarf daher insgesamt der neuen Verhandlung und Entscheidung. Der Senat war durch den Umstand, dass allein der Angeklagte Revision eingelegt hat, nicht gehindert, auch den Freispruch aufzuheben (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; vgl. BGH StraFo 2011, 55 mwN).
Fischer Berger Krehl Eschelbach Ott
9
a) Wenn sich der Tatrichter − wie hier − darauf beschränkt, sich der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit anzuschließen , muss er dessen wesentliche Anknüpfungs- und Befundtatsachen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Oktober 2008 − 5 StR 397/08; Senat, Urteil vom 19. Februar 2008 − 5 StR 599/07; BGH NStZ 2003, 307 f.; NStZ-RR 2003, 232 jeweils m. w. N.). Daran mangelt es hier. Im Rahmen der rechtlichen Würdigung verweist die Strafkammer auf die ‚insoweit getroffenen Feststellungen’, ohne diese indes darzulegen. Auf der Grundlage der Ausführungen der Sachverständigen getroffene Feststellungen lassen sich den Urteilsgründen mit Ausnahme von Darlegungen zum Lebenslauf des Beschuldigten nicht entnehmen. So stellt das Landgericht zum Krankheitsbild des Beschuldigten lediglich fest, dass im Jahr 1997 eine schizophrene Psychose und im Jahr 1998 eine Exacerbation einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie diagnostiziert wurde. Hingegen lassen sich dem Urteil selbst bei wohlwollender Lektüre die Erkenntnisse der Sachverständigen zum Krankheitsbild des Beschuldigten zum Zeitpunkt der Begutachtung und bei Begehung der Anlasstat nicht entnehmen. Die Strafkammer beschränkt sich stattdessen auf die pauschale Feststellung, die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten sei bei Begehung der Tat aufgrund einer krankhaften seelischen Störung aufgehoben (§ 20 StGB; UA S. 9). Dies genügt den Darlegungsanforderungen ebenso wenig wie die Feststellung, der Beschuldigte sei im ‚psychotischen Schub’ (UA S. 10) vorgegangen. Dem Revisionsgericht wird daher bereits aufgrund der fehlenden Ausführungen zum Sachverständigengutachten eine rechtliche Überprüfung der Maßregelanordnung nicht möglich sein.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 408/19
vom
25. September 2019
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2019:250919B4STR408.19.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 25. September 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 9. April 2019 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bleiben bestehen. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine hiergegen gerichtete Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen lernte der Beschuldigte im Herbst 2014 den damals acht Jahre alten Geschädigten G. kennen. In der Folgezeit wurde er in dessen Familie als „guter Freund“ integriert und hielt sich dort fast täglich auf. Teilweise schlief er mit dem Geschädigten mit Zustimmung von dessen Mutter in einem Einzelbett. In der Zeit von Januar bis Juni 2015 kam es zu mehreren sexuellen Handlungen zwischen dem Beschuldigten und dem Geschädigten.
3
In einem Fall folgte der Beschuldigte dem Geschädigten, als sich dieser zum Urinieren in ein Gebüsch begab. Dort zog er ihm Hose undBoxershorts herunter und bat ihn, in seinen Mund zu urinieren. Der Geschädigte kam der Bitte nach. Der Beschuldigte verspürte hierbei sexuelle Befriedigung (Fall II. 1. der Urteilsgründe). Als sich der Beschuldigte bei einer anderen Gelegenheit allein mit dem Geschädigten in dessen Familienwohnung aufhielt, folgte er ihm in das Badezimmer. Dort nahm er mit dem Einverständnis des Geschädigten dessen Penis in den Mund und manipulierte daran (Fall II. 2. der Urteilsgründe). Bei zwei verschiedenen Gelegenheiten manipulierte der Beschuldigte an dem Penis des Geschädigten. Dabei hielten sich beide in dem einen Fall allein in der Wohnung des Betreuers des Beschuldigten auf (Fall II. 3. der Urteilsgründe). Der andere Fall ereignete sich in der Umkleidekabine eines Schwimmbades (Fall II. 5. der Urteilsgründe). Schließlich veranlasste der Beschuldigte den Geschädigten in dessen Wohnung auch noch dazu, das Geschlechtsteil des Beschuldigten anzufassen und daran zu manipulieren (Fall II. 4. der Urteilsgründe

).

4
Das Landgericht hat die Handlungen des Beschuldigten als schweren sexuellen Missbrauch von Kindern in zwei Fällen (Fälle II. 1. und 2. der Urteilsgründe ) und sexuellen Missbrauch von Kindern in drei Fällen bewertet (Fälle II. 3. bis 5. der Urteilsgründe). Dabei ist es davon ausgegangen, dass der Beschuldigte in allen Fällen wegen einer bei ihm bestehenden Minderbegabung, die die Voraussetzungen des Schwachsinns im Sinne des § 20 StGB erfülle, nicht in der Lage gewesen sei, das Unrecht seiner Taten einzusehen. Da von ihm aufgrund seines Zustands weitere gleichartige Taten zu erwarten seien, müsse davon ausgegangen werden, dass er auch für die Allgemeinheit gefährlich sei.
5
2. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
6
a) Die Urteilsgründe belegen bereits nicht, dass bei dem Beschuldigten ein „Schwachsinn“ im Sinne des § 20 StGB vorliegt.
7
aa) Zwar kann eine Intelligenzminderung ohne nachweisbaren Organbefund – wie bei dem Beschuldigten festgestellt – dem Eingangsmerkmal des Schwachsinns unterfallen und damit eine besondere Erscheinungsform schwerer anderer seelischer Abartigkeiten darstellen. Die bloße Minderung der geistigen Leistungsfähigkeit begründet eine solche Beeinträchtigung aber noch nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Mai 2017 – 1 StR 55/17, Rn. 8; Urteil vom 31. August 1994 – 2 StR 366/94, BGHR StGB § 63 Zustand 17). Dazu bedarf es einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters (vgl. BGH, Beschluss vom 19. September 2017 – 1 StR 299/17, Rn. 12; Beschluss vom 5. Juli 2011 – 3 StR 173/11). Dabei ist darzulegen, wie sich die festgestellte Intelligenzminderung auf Handlungs- und Erkenntnismöglichkeiten des Täters auswirkt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. September 2013 – 4 StR 287/13, Rn. 8) und warum das sich daraus ergebende Störungsbild bei wertender Betrachtung in seiner Gesamtheit ein Ausmaß erreicht hat, das die Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit in der Erscheinungsform des Schwachsinns rechtfertigt.
8
bb) Dem werden die Urteilsgründe nicht gerecht. Das Landgericht hat lediglich mitgeteilt, dass der Beschuldigte bei der durchgeführten Testung einen Gesamtintelligenzquotienten von 67 IQ-Punkten aufgewiesen habe. Die Leistungen des Verbalteils seien dabei schlechter als die knapp über der Grenze zur Intelligenzminderung liegenden Leistungen im Handlungsteil gewesen. Bei den verschiedenen Subtests habe er teilweise durchschnittliche, aber auch sehr weit unterdurchschnittliche Leistungen gezeigt (UA 13). Der Beschuldigte sei deshalb in seiner Urteils- und Kritikfähigkeit erheblich eingeschränkt (UA 14). Angesichts dieses offensichtlich eine sehr hohe Schwankungsbreite aufweisenden Testergebnisses hätte näher dargestellt werden müssen, in welchen Bereichen der Beschuldigte deutlich unterdurchschnittliche kognitive Fähigkeiten aufweist, wie sich diese Defizite in den verschiedenen Lebensbereichen auswirken und welches Ausmaß das Störungsbild in seiner Gesamtheit tatsächlich hat.
9
b) Auch die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine Aufhebung der Einsichtsfähigkeit bei den jeweiligen Taten begründet hat, erweisen sich als durchgreifend rechtsfehlerhaft.
10
Die Strafkammer hat angenommen, der Beschuldigte sei von einer „Legitimierung“ seiner Taten ausgegangen,weil seine gemeinsamen Übernachtungen mit dem Geschädigten in einem Einzelbett von dessen Mutter gebilligt worden seien. Dies ergebe sich schon daraus, dass der Beschuldigte keine Anstalten gemacht habe, um einer Entdeckung seiner Taten vorzubeugen (UA 14). Diese Schlussfolgerung wird von den Feststellungen nicht getragen. Die dem Beschuldigten zur Last gelegten Taten fanden jeweils in eins-zu-einsSituationen mit dem Geschädigten statt. Auch wurden jeweils abgeschirmte Örtlichkeiten (Gebüsch, Umkleidekabine, Wohnung des Betreuers in dessen Abwesenheit, alleiniger Aufenthalt in der Familienwohnung) für die Tatbegehung ausgewählt. Schließlich hätte sich die Strafkammer an dieser Stelle auch damit auseinandersetzen müssen, dass es während der gemeinsamen Übernachtungen offensichtlich zu keinen Übergriffen kam.
11
c) Zuletzt begegnet auch die Gefährlichkeitsprognose durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

12
aa) Die für die Maßregelanordnung erforderliche Gefährlichkeitsprognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters , seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 2012 – 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338 mwN). Dazu sind alle wesentlichen prognoserelevanten Umstände in den Urteilsgründen darzustellen und zusammenfassend zu würdigen. Als prognoseungünstig herangezogene tatsächliche Umstände aus dem Vorleben des Täters müssen dabei rechtsfehlerfrei festgestellt und belegt sein (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 1992 – 2 StR 293/92, BGHR § 56 Abs. 1 Sozialprognose 24).
13
bb) Diesen Anforderungen genügen die Urteilsgründe nicht. Soweit die Strafkammer darauf abgestellt hat, dass es bei dem Beschuldigten bereits seit 2010 zu Schwierigkeiten bei der „Einhaltung von Distanz und Nähe zu anderen Personen“ gekommen sei und dabei auch Vorwürfe „möglicher sexueller Missbrauchshandlungen im Sinne von grenzüberschreitendem Verhalten“ (UA 14) erhoben worden seien, fehlt es dafür an hinreichend konkreten tatsächlichen Feststellungen und entsprechenden Belegen. Auch wird nicht dargelegt, warum dem Umstand, dass die „partnerschaftlichen Aktivitäten“ des Beschuldigten in- zwischen mehr im Bereich der Prostitution liegen, eine prognoseungünstige Bewertungsrichtung im Hinblick auf die Wiederholung von Missbrauchstaten zum Nachteil von Kindern zukommen soll. Schließlich hätte die Strafkammer auch erörtern und in ihre Gesamtwürdigung einstellen müssen, dass die Anlasstaten vor dem Hintergrund einer besonderen Täter-Opfer-Konstellation begangen wurden (Integration die Familie des Geschädigten, Billigung von gemeinsamen Übernachtungen durch die Mutter des Geschädigten), die sich nicht ohne weiteres wiederholen wird.

14
3. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Geschehen bei den Anlasstaten können bestehen bleiben.
Sost-Scheible Roggenbuck Bender
Quentin Feilcke