Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 168/18
vom
16. Oktober 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge
ECLI:DE:BGH:2018:161018B3STR168.18.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 16. Oktober 2018 einstimmig
beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Verden vom 13. Dezember 2017 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat: Soweit der Beschwerdeführer mit der erhobenen Verfahrensrüge die vorschriftswidrige Besetzung des Landgerichts beanstandet hat, ist diese Rüge unbegründet, weil der Präsident des Landgerichts den 31. Oktober 2017 in rechtmäßiger Weise als ordentlichen Sitzungstag der Schwurgerichtskammer festgestellt hat.
Es kann offenbleiben, ob die Feststellung der ordentlichen Sitzungstage der Strafkammer gemäß § 77 Abs. 1 und 3, § 45 Abs. 1 GVG einer vollumfänglichen Rechtmäßigkeits- oder einer bloßen Willkürprüfung unterliegt (zur Unterscheidung : BVerfG, Beschlüsse vom 16. Februar 2005 - 2 BvR 581/03, NJW 2005, 2689, 2690; vom 23. Dezember 2016 - 2 BvR 2023/16, wistra 2017, 187, 189; vom 20. Februar 2018 - 2 BvR 2675/17, NJW 2018, 1155, 1156; BGH, Urteile vom 22. November 2013 - 3 StR 162/13, BGHSt 59, 75, 79 f.; vom 9. April 2009 - 3 StR 376/08, BGHSt 53, 268, 274 ff.; Beschluss vom 10. Juli 2013 - 2 StR 116/13, NStZ 2014, 226, 227), da sie sich auch bei Anlegung des strengeren Maßstabs als rechtsfehlerfrei erweist.
§ 45 GVG dient der Konkretisierung des gesetzlichen Richters (KK-Barthe, StPO, 7. Aufl., § 45 GVG Rn. 1) und gewährleistet durch die weitgehend generell-abstrakte Vorherbestimmung der Zuständigkeit den "gesetzlichen Schöffen" (MüKoStPO/Schuster, § 45 GVG Rn. 1). Die (vollumfängliche) Überprüfung des Geschäftsverteilungsplans auf Grund einer diesen selbst betreffenden Rüge ist daher an den Gewährleistungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zu messen und richtet sich darauf, ob die angewendete Regelung generell-abstrakt ist (BVerfG, Beschlüsse vom 23. Mai 2012 - 2 BvR 610/12 u.a., NStZ 2012, 458, 459; vom 23. Dezember 2016 - 2 BvR 2023/16, wistra 2017, 187, 189; vom 20. Februar 2018 - 2 BvR 2675/17, NJW 2018, 1155, 1156).
Danach ist gegen die Feststellung von Feiertagen als ordentliche Sitzungstage des Schöffengerichts bzw. der Strafkammern rechtlich nichts zu erinnern, weil sie einfachgesetzlich zulässig ist und die generell-abstrakte Festlegung des gesetzlichen Richters im Voraus gewährleistet. Weder die Strafprozessordnung noch das Gerichtsverfassungsgesetz verbieten grundsätzlich die Anberaumung von Hauptverhandlungstagen an Wochenenden oder Feiertagen (LR/Jäger, StPO, 26. Aufl., § 213 Rn. 6; KK-Gmel, StPO, 7. Aufl., § 213 Rn. 4a); gegebenenfalls kann sie sogar geboten sein (BVerfG, Beschluss vom 29. November 2005 - 2 BvR 1737/05, NJW 2006, 668, 670). Die praktische Durchführung solcher in richterlicher Unabhängigkeit festgesetzten Hauptverhandlungstage wird im vorliegenden Fall durch § 9 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Nds.ArbZVO gewährleistet, der es dem Dienstvorgesetzten des nichtrichterlichen Dienstes ermöglicht anzuordnen, dass an Sonntagen, Feiertagen oder an anderen dienstfreien Tagen Dienst zu leisten ist. Die spätere, tatsächliche Anberaumung eines konkreten Hauptverhandlungstermins obliegt gemäß § 213 Abs. 1 StPO ohnehin dem Vorsitzenden.
Schließlich wird die generell-abstrakte Festlegung des gesetzlichen Richters durch die Feststellung von Feiertagen als ordentliche Sitzungstage in keiner Weise beeinträchtigt, da sie genauso zu im Voraus bestimmten Schöffen führt wie die ausschließliche Feststellung von Werktagen.
Gericke Spaniol Berg Hoch Leplow

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 101


(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. (2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 77


(1) Für die Schöffen der Strafkammern gelten entsprechend die Vorschriften über die Schöffen des Schöffengerichts mit folgender Maßgabe: (2) Der Präsident des Landgerichts verteilt die Zahl der erforderlichen Hauptschöffen für die Strafkammern au

Strafprozeßordnung - StPO | § 213 Bestimmung eines Termins zur Hauptverhandlung


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Tenor Das Urteil des Landgerichts Rostock vom 2. Oktober 2015 - 2 KLs 291/14 - und der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 25. August 2016 - 1 StR 175/16 - verletzen das Recht der Beschwerdeführer

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Für die Schöffen der Strafkammern gelten entsprechend die Vorschriften über die Schöffen des Schöffengerichts mit folgender Maßgabe:

(2) Der Präsident des Landgerichts verteilt die Zahl der erforderlichen Hauptschöffen für die Strafkammern auf die zum Bezirk des Landgerichts gehörenden Amtsgerichtsbezirke. Die Ersatzschöffen wählt der Ausschuß bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk das Landgericht seinen Sitz hat. Hat das Landgericht seinen Sitz außerhalb seines Bezirks, so bestimmt die Landesjustizverwaltung, welcher Ausschuß der zum Bezirk des Landgerichts gehörigen Amtsgerichte die Ersatzschöffen wählt. Ist Sitz des Landgerichts eine Stadt, die Bezirke von zwei oder mehr zum Bezirk des Landgerichts gehörenden Amtsgerichten oder Teile davon umfaßt, so gilt für die Wahl der Ersatzschöffen durch die bei diesen Amtsgerichten gebildeten Ausschüsse Satz 1 entsprechend; die Landesjustizverwaltung kann bestimmte Amtsgerichte davon ausnehmen. Die Namen der gewählten Hauptschöffen und der Ersatzschöffen werden von dem Richter beim Amtsgericht dem Präsidenten des Landgerichts mitgeteilt. Der Präsident des Landgerichts stellt die Namen der Hauptschöffen zur Schöffenliste des Landgerichts zusammen.

(3) An die Stelle des Richters beim Amtsgericht tritt für die Auslosung der Reihenfolge, in der die Hauptschöffen an den einzelnen ordentlichen Sitzungen teilnehmen, und der Reihenfolge, in der die Ersatzschöffen an die Stelle wegfallender Schöffen treten, der Präsident des Landgerichts; § 45 Abs. 4 Satz 3, 4 gilt entsprechend. Ist der Schöffe verstorben oder aus dem Landgerichtsbezirk verzogen, ordnet der Vorsitzende der Strafkammer die Streichung von der Schöffenliste an; in anderen Fällen wird die Entscheidung darüber, ob ein Schöffe von der Schöffenliste zu streichen ist, sowie über die von einem Schöffen vorgebrachten Ablehnungsgründe von einer Strafkammer getroffen. Im übrigen tritt an die Stelle des Richters beim Amtsgericht der Vorsitzende der Strafkammer.

(4) Ein ehrenamtlicher Richter darf für dasselbe Geschäftsjahr nur entweder als Schöffe für das Schöffengericht oder als Schöffe für die Strafkammern bestimmt werden. Ist jemand für dasselbe Geschäftsjahr in einem Bezirk zu mehreren dieser Ämter oder in mehreren Bezirken zu diesen Ämtern bestimmt worden, so hat der Einberufene das Amt zu übernehmen, zu dem er zuerst einberufen wird.

(5) § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 findet keine Anwendung.

(1) Die Tage der ordentlichen Sitzungen des Schöffengerichts werden für das ganze Jahr im voraus festgestellt.

(2) Die Reihenfolge, in der die Hauptschöffen an den einzelnen ordentlichen Sitzungen des Jahres teilnehmen, wird durch Auslosung in öffentlicher Sitzung des Amtsgerichts bestimmt. Sind bei einem Amtsgericht mehrere Schöffengerichte eingerichtet, so kann die Auslosung in einer Weise bewirkt werden, nach der jeder Hauptschöffe nur an den Sitzungen eines Schöffengerichts teilnimmt. Die Auslosung ist so vorzunehmen, daß jeder ausgeloste Hauptschöffe möglichst zu zwölf Sitzungstagen herangezogen wird. Satz 1 gilt entsprechend für die Reihenfolge, in der die Ersatzschöffen an die Stelle wegfallender Schöffen treten (Ersatzschöffenliste); Satz 2 ist auf sie nicht anzuwenden.

(3) Das Los zieht der Richter beim Amtsgericht.

(4) Die Schöffenlisten werden bei einem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (Schöffengeschäftsstelle) geführt. Er nimmt ein Protokoll über die Auslosung auf. Der Richter beim Amtsgericht benachrichtigt die Schöffen von der Auslosung. Zugleich sind die Hauptschöffen von den Sitzungstagen, an denen sie tätig werden müssen, unter Hinweis auf die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens in Kenntnis zu setzen. Ein Schöffe, der erst im Laufe des Geschäftsjahres zu einem Sitzungstag herangezogen wird, ist sodann in gleicher Weise zu benachrichtigen.

Tenor

Das Urteil des Landgerichts Rostock vom 2. Oktober 2015 - 2 KLs 291/14 - und der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 25. August 2016 - 1 StR 175/16 - verletzen das Recht der Beschwerdeführerin aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die Entscheidungen werden, soweit sie die Beschwerdeführerin betreffen, aufgehoben. Die Sache wird an eine andere Strafkammer des Landgerichts Rostock zurückverwiesen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Das Land Mecklenburg-Vorpommern und die Bundesrepublik Deutschland haben der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen je zur Hälfte zu erstatten.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob ein gerichtlicher Geschäftsverteilungsplan, der Änderungen in der Zuständigkeit für bereits anhängige Verfahren davon abhängig macht, ob einzelne Strafkammern bis zu einem in der Zukunft liegenden Stichtag die jeweiligen Hauptverfahren eröffnen oder nicht eröffnen werden, mit der Garantie des gesetzlichen Richters aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar ist.

I.

2

Mit Anklageschrift vom 23. Juli 2014, eingegangen beim Landgericht Rostock am 5. August 2014, legte die Staatsanwaltschaft Rostock der Beschwerdeführerin mit Mitangeklagten begangene Steuerstraftaten zur Last. Gemäß dem geltenden Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts war zu diesem Zeitpunkt die Kammer 18 (8. Große Strafkammer) des Landgerichts Rostock als Wirtschaftsstrafkammer für das Verfahren zuständig. Nach Zustellung der Anklage verlängerte der Vorsitzende der 8. Strafkammer am 12. November 2014 die allen Angeklagten gesetzte Frist zur Stellungnahme auf die Anklageschrift bis zum 1. Dezember 2014. Am selben Tage zeigte der Vorsitzende der 8. Strafkammer dem Präsidium des Landgerichts unter Ausführungen zu den zahlreichen im Zeitraum von Januar bis September 2014 eingegangenen äußerst umfangreichen und in der Sache schwierigen Wirtschaftsstrafsachen die Überlastung seiner Kammer an.

3

Daraufhin stellte das Präsidium des Landgerichts mit Beschluss vom 19. November 2014 die Überlastung der 8. Großen Strafkammer fest und richtete mit Wirkung zum 25. November 2014 eine Hilfsstrafkammer ein. Hinsichtlich der Zuweisung der Verfahren an die Hilfsstrafkammer enthielt der Beschluss vom 19. November 2014 unter Ziffer 2 folgende Regelung:

"Zur Entlastung der 8. Großen Strafkammer wird gemäß § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG mit Wirkung zum 25. November 2014 eine Hilfsstrafkammer eingerichtet. Diese ist zuständig für alle erstinstanzlichen Strafverfahren gemäß § 74c GVG (Wirtschaftsstrafsachen), die seit dem 1. August 2014 bei der 8. Großen Strafkammer eingegangen sind und bei denen das Hauptverfahren bis zum 24. November 2014 nicht eröffnet worden ist. Die Hilfsstrafkammer ist ferner zuständig für alle erstinstanzlichen Strafsachen gemäß § 74c GVG (Wirtschaftsstrafsachen), die bis einschließlich 31. März 2015 beim Landgericht Rostock eingehen."

4

In dem die Beschwerdeführerin betreffenden Verfahren traf die 8. Große Strafkammer im Zeitraum zwischen dem Präsidiumsbeschluss und dem in dem Geschäftsverteilungsplan genannten Stichtag des 25. November 2014 keine Eröffnungsentscheidung.

5

Mit Beschluss vom 27. Januar 2015 ließ die neu eingerichtete Hilfsstrafkammer 8a die Anklage zur Hauptverhandlung zu und eröffnete das Hauptverfahren.

6

Im ersten Termin zur Hauptverhandlung am 2. März 2015 erhob der Verteidiger der Beschwerdeführerin den Besetzungseinwand gemäß § 222b StPO, mit dem die Beschwerdeführerin neben einer unzureichenden Besetzung der Kammer insbesondere eine Verletzung des Bestimmtheitsgebotes bei der Zuständigkeitsbestimmung durch den Präsidiumsbeschluss geltend machte. Außerhalb der Hauptverhandlung erhob die Staatsanwaltschaft mit Zuschrift vom 3. März 2015 denselben Besetzungseinwand. Die Zuständigkeitsregel in Ziffer 2 Satz 2 des Beschlusses vom 19. November 2014, wonach die Hilfsstrafkammer für alle Wirtschaftsstrafsachen zuständig sei, die seit dem 1. August 2014 bei der 8. Großen Strafkammer eingegangen seien und bei denen das Hauptverfahren bis zum 24. November 2014 nicht eröffnet wurde, verletze Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, weil sie die Möglichkeit einer Manipulation der Zuständigkeit durch Eröffnung oder Nichteröffnung schaffe.

7

Das Präsidium des Landgerichts befasste sich daraufhin am 3. März 2015 erneut mit der Einrichtung der Hilfsstrafkammer und der Ableitung der Verfahren. Mit Beschluss vom 3. März 2015 wurde der Präsidiumsbeschluss vom 19. November 2014 klarstellend um umfangreiche Ausführungen zur Belastungssituation der 8. Großen Strafkammer ergänzt und die Regelung über die Zuweisung der Verfahren wie folgt erläutert:

"Das (im Beschluss vom 19. November 2014) zur Bestimmung der Zuständigkeit gewählte Kriterium der seit dem 01.08.2014 eingegangenen und bis zum 24.11.2014 nicht eröffneten Wirtschaftsstrafverfahren erfolgte allein mit Blick auf die erst mit Wirkung zum 25.11.2014 errichtete Hilfsstrafkammer. Die wegen Ablaufs der Stellungnahmefrist bevorstehende Entscheidung der 8. Großen Strafkammer über die Eröffnung der beiden dort bereits eingegangenen Wirtschaftsstrafverfahren 18 KLs 188/14 und 18 KLs 235/14 im Zeitraum zwischen dem 19.11.2014 und dem 24.11.2014 stand bei der Beschlussfassung nicht in Rede. Im Gegenteil war diese auch keineswegs zu erwarten, weil in der Sache 18 KLs 188/14 durch richterliche Verfügung vom 11.11.2014 die Stellungnahmefrist für alle Beschuldigten bis einschließlich zum 01.12.2014 verlängert worden war."

8

Am 6. März 2015 wies die Hilfsstrafkammer den Besetzungseinwand zurück und führte zur Begründung unter anderem aus:

"Mit der Übertragung von seit dem 1. August 2014 bei der 8. Großen Strafkammer eingegangenen erstinstanzlichen Strafverfahren gemäß § 74c GVG, soweit das Hauptverfahren nicht bis zum 24. November 2014 eröffnet worden ist, erfolgte keine unzulässige Übertragung von Einzelsachen.

Das gewählte Kriterium zur Bestimmung der Zuständigkeit der 8a. Hilfsstrafkammer für die seit dem 1. August 2014 eingegangenen Wirtschaftsstrafverfahren, sofern das Hauptverfahren in diesem nicht bis zum 24. November 2014 eröffnet worden ist, regelt im Voraus generell abstrakt die Zuständigkeit des Spruchkörpers. Die getroffene Regelung entspricht den diesbezüglichen Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass die Sache anhand vorab festgelegter Merkmale "blindlings" zu dem berufenen Richter gelangt (BGH Urteil vom 28.09.1954 - 5 StR 275/53). Die mit Wirkung zum 25. November 2014 eingerichtete und erst ab diesem Zeitpunkt besetzte Kammer konnte keinerlei Einfluss darauf ausüben, welche Verfahren an sie fallen, zu diesem Zeitpunkt war der gesetzliche Richter mit der 8. Großen Strafkammer ebenfalls bestimmt. Im Zeitraum zwischen dem 19. und 24. November 2014 ist in keinem der abgeleiteten Verfahren eine Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens ergangen, noch war damit angesichts der konkreten Umstände zu rechnen. Dabei durfte und musste das Präsidium bei der Beschlussfassung davon ausgehen, dass die 8. Große Strafkammer in jedem Fall die in der vorliegenden Sache bis zum 1. Dezember 2014 verlängerte Einlassungsfrist beachtet. Vorkehrungen gegen eine theoretisch mögliche Zuständigkeitsmanipulation durch Eröffnung unter evidenter Verletzung des rechtlichen Gehörs musste das Präsidium durch Erstreckung der Umverteilungsmaßnahme auf bereits eröffnete Verfahren nicht treffen. Bei verständiger Würdigung der angezeigten Überlastungssituation durfte es als ausgeschlossen und dem Interesse der Wiederherstellung eines geordneten Geschäftsablaufs zuwiderlaufend erscheinen, dass die Kammer durch eine rechtswidrige Eröffnungsentscheidung in Unkenntnis des zu erwartenden Verteidigungsvorbringens ihre Zuständigkeit über den 24. November 2014 hinaus perpetuiert."

9

Mit Urteil vom 2. Oktober 2015 verurteilte das Landgericht die Beschwerdeführerin wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten.

10

Gegen das Urteil legte die Beschwerdeführerin Revision ein und rügte dabei unter anderem die Verletzung von § 338 Abs. 1 Nr. 1 StPO. Der Generalbundesanwalt beantragte mit Zuschrift vom 1. Juni 2016 beim Bundesgerichtshof, die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen. Zur Frage der Zuständigkeitszuweisung vertrat er - neben Ausführungen dazu, dass bei der 8. Großen Strafkammer eine vorübergehende und keine dauerhafte Überlastung bestanden habe - die Auffassung, das Vorgehen des Präsidiums stelle keinen Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz dar. Die 8. Große Strafkammer sei ohne vorherige gründliche Einarbeitung nicht in der Lage gewesen, im Zeitraum zwischen dem 19. November 2014 und 24. November 2014 eine Entscheidung über die Eröffnung zu treffen. Im Übrigen sei auch mit anderen Entlastungsmaßnahmen eine Veränderung des gesetzlichen Richters verbunden gewesen.

11

Mit nicht näher begründetem Beschluss vom 25. August 2015 verwarf der Bundesgerichtshof die Revision der Beschwerdeführerin gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet.

II.

12

Mit ihrer gegen das Urteil des Landgerichts Rostock und den Verwerfungsbeschluss des Bundesgerichtshofs gerichteten Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

13

Zum einen seien die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Hilfsstrafkammer nach § 21e Abs. 3 GVG nicht gegeben gewesen, weil eine nicht nur vorübergehende Überlastung der 8. Großen Strafkammer vorgelegen habe.

14

Zum anderen verstoße die vom Präsidium gewählte Ausgestaltung der Verfahrenszuteilung gegen den Bestimmtheitsgrundsatz. Die Rechtssache müsse aufgrund einer hinreichend präzisen Regelung "blindlings" zu den entscheidenden Richtern gelangen. Hier seien aufgrund der offen gehaltenen Bestimmung für den Zeitraum zwischen dem Erlass des Präsidiumsbeschlusses am 19. November 2014 und dem für die Anknüpfung der Zuständigkeit im Bezug genommenen Zeitpunkt der Eröffnung am 25. November 2014 Manipulationen der Zuständigkeit möglich gewesen. Die Erfüllung der Kriterien für die Bestimmung der Zuständigkeit habe in den Händen der 8. Großen Strafkammer gelegen. Die laufende Erklärungsfrist der Verteidigung bis zum 1. Dezember 2014 habe daran nichts ändern können, zumal diese durch den Verzicht auf eine Stellungnahme oder sonstige Maßnahmen hätte abgekürzt oder unterlaufen werden können.

III.

15

Die Bundesregierung sowie das Land Mecklenburg-Vorpommern haben von Stellungnahmen abgesehen.

16

Die Präsidentin des Bundesgerichtshofs hat auf eine Stellungnahme des Vorsitzenden des 3. Strafsenats verwiesen, in der dieser auf die Rechtsprechung seines Senats zu den Voraussetzungen der Einrichtung von Hilfsstrafkammern wegen zeitweiliger Überlastung verweist; mit der verfahrensgegenständlichen Frage des Inhalts des Geschäftsverteilungsplanes sei der Senat noch nicht befasst gewesen. Die anderen Strafsenate haben von einer Stellungnahme abgesehen.

17

Der Generalbundesanwalt vertritt in seiner Stellungnahme die Auffassung, der Präsidiumsbeschluss habe - verfassungsrechtlich unbedenklich - von einer nur vorübergehenden Überlastung der 8. Großen Strafkammer ausgehen dürfen. Hinsichtlich der gerügten Verletzung des Bestimmtheitsgebots sei dem Vorbringen der Beschwerdeführerin einzuräumen, dass die hier gewählte Gestaltung im Ausgangspunkt Unsicherheiten über die abstrakt im Voraus zu bestimmende Zuweisung der Zuständigkeiten nicht gänzlich auszuschließen vermöge, weil theoretisch ein Handeln oder Unterlassen der jeweiligen Spruchkörper nicht ohne Einfluss auf die Zuständigkeit habe bleiben können. Unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls sei eine relevante Gefährdung des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf ihren gesetzlichen Richter, wie in der vom Bundesgerichtshof in Bezug genommenen Zuschrift des Generalbundesanwalts im Einzelnen dargelegt sei, indes noch nicht zu besorgen gewesen.

18

Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens vorgelegen.

B.

19

Die Verfassungsbeschwerde wird zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist in einer die Zuständigkeit der Kammer eröffnenden Weise offensichtlich begründet. Die für die Beurteilung maßgebenden Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

I.

20

Die beiden angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Die mit Präsidiumsbeschluss vom 19. November 2014 getroffene Regelung in Ziffer 2 Satz 2 des Geschäftsverteilungsplans für das Jahr 2014 ist mit der Garantie des gesetzlichen Richters aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar.

21

Das Urteil der 8a. Hilfsstrafkammer ist nicht durch den gesetzlichen Richter ergangen. Mit der Verwerfung der Revision hat das Revisionsgericht die Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG perpetuiert.

22

1. a) Mit der Garantie des gesetzlichen Richters will Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG der Gefahr vorbeugen, dass die Justiz durch eine Manipulation der rechtsprechenden Organe sachfremden Einflüssen ausgesetzt wird. Es soll vermieden werden, dass durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter das Ergebnis der Entscheidung - gleichgültig von welcher Seite - beeinflusst werden kann (vgl. BVerfGE 17, 294 <299>; 48, 246 <254>; 82, 286 <296>; 95, 322 <327>). Damit sollen die Unabhängigkeit der Rechtsprechung gewahrt und das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte gesichert werden (vgl. BVerfGE 4, 412 <416, 418>; 95, 322 <327>).

23

Aus diesem Zweck des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG folgt, dass die Regelungen, die der Bestimmung des gesetzlichen Richters dienen, im Voraus so eindeutig wie möglich festlegen müssen, welches Gericht, welcher Spruchkörper und welche Richter zur Entscheidung des Einzelfalls berufen sind (vgl. BVerfGE 17, 294 <299>; 18, 344 <349>; 95, 322 <328>).

24

b) Eine nachträgliche Änderung der Geschäftsverteilung kann geboten sein, wenn nur auf diese Weise dem Verfassungsgebot einer Gewährleistung von Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit (vgl. BVerfGE 55, 349 <369>; vgl. auch BVerfGE 60, 253 <269 f.>; 78, 165 <178>; 88, 118 <124>) nachzukommen ist. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG steht einer Änderung der Zuständigkeit auch für bereits anhängige Verfahren jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Neuregelung generell gilt, zum Beispiel mehrere anhängige Verfahren und eine unbestimmte Vielzahl künftiger, gleichartiger Fälle erfasst, und nicht aus sachwidrigen Gründen geschieht.

25

Jedoch müssen sämtliche Regelungen eines Geschäftsverteilungsplanes, der die gesetzlichen Bestimmungen über die Zuständigkeiten der jeweiligen Spruchkörper ergänzt, die wesentlichen Merkmale gesetzlicher Vorschriften aufweisen (vgl. BVerfGE 17, 294 <299>; 18, 344 <349>; 95, 322 <328>). Die Regelungen eines Geschäftsverteilungsplanes müssen also im Voraus generell-abstrakt die Zuständigkeit der Spruchkörper und die Zuweisung der einzelnen Richter regeln, damit die einzelne Sache "blindlings" aufgrund allgemeiner, vorab festgelegter Merkmale an den entscheidenden Richter gelangt und so der Verdacht einer Manipulation der rechtsprechenden Gewalt ausgeschlossen wird (vgl. BVerfGE 4, 412 <416>; 82, 286 <298>; 95, 322 <329>).

26

Soweit bereits anhängige Verfahren von einer Neuverteilung bestehender Zuständigkeiten erfasst werden, sind Regelungen mithin nur dann im Voraus generell-abstrakt, wenn die Neuverteilung durch den Geschäftsverteilungsplan selbst erfolgt. Sie sind demgegenüber nicht im Voraus generell-abstrakt, wenn sie im Einzelfall sowohl die Neuverteilung als auch die Beibehaltung bestehender Zuständigkeiten ermöglichen und dabei die konkreten Zuständigkeiten von Beschlüssen einzelner Spruchkörper abhängig machen.

27

c) Die Garantie des gesetzlichen Richters kann außer durch Regelungen eines Geschäftsverteilungsplanes, die nicht generell-abstrakt sind, auch durch willkürliche Anwendung generell-abstrakter Regelungen eines Geschäftsverteilungsplanes im Einzelfall verletzt werden. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährt insofern einen subjektiven Anspruch auf den gesetzlichen Richter.

28

Durch diese grundrechtsgleiche Gewährleistung wird das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht zu einem Kontrollorgan, das jeden Verfahrensfehler eines Spruchkörpers korrigieren muss, der seine Zuständigkeit im Einzelfall irrtümlich begründet. Das Bundesverfassungsgericht beanstandet Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen vielmehr nur dann, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar sind (vgl. BVerfGE 82, 159 <194> unter Hinweis auf BVerfGE 29, 198 <207>).

29

Betrifft ein Verfahren nicht allein die fehlerhafte Auslegung oder Anwendung einer im Voraus abstrakt-generellen Zuständigkeitsregel (etwa eines Geschäftsverteilungsplans oder der Voraussetzungen des § 21e Abs. 3 GVG) durch einen Spruchkörper im Einzelfall, sondern die Vorfrage, ob eine Zuständigkeitsregel eines Geschäftsverteilungsplanes überhaupt als generell-abstrakte Regelung im Sinne der Garantie des gesetzlichen Richters anzusehen ist, nimmt das Bundesverfassungsgericht dagegen keine bloße Willkürprüfung vor, sondern überprüft vollumfänglich, ob die angewendete Regelung generell-abstrakt ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. Februar 2005 - 2 BvR 581/03 -, juris, Rn. 21 f.).

30

2. Den angeführten Maßstäben wird der Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Rostock nicht gerecht. Er enthielt - soweit er den hier in Rede stehenden Fall anbelangt - keine generell-abstrakten Regelungen im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, aus denen sich eine Zuständigkeit der Hilfsstrafkammer als gesetzlicher Richter hätte ergeben können. Das angegriffene Urteil des Landgerichts verletzt somit das grundrechtsgleiche Recht der Beschwerdeführerin aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

31

a) Die Regelung in Ziffer 2 Satz 2 des Beschlusses des Präsidiums des Landgerichts Rostock vom 19. November 2014 genügt nicht den Anforderungen aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, indem sie von der Übertragung aller seit dem 1. August 2014 bei der 8. Großen Strafkammer eingegangenen erstinstanzlichen Strafverfahren gemäß § 74c GVG (Wirtschaftsstrafsachen) auf eine andere Strafkammer diejenigen Verfahren ausnimmt, bei denen bis zu dem Stichtag am 24. November 2014 - fünf Tage nach Fassung des Präsidiumsbeschlusses - die 8. Große Strafkammer das Hauptverfahren noch eröffnen werde. Diese Stichtagslösung verhindert die generell-abstrakte Zuständigkeitsbegründung im Voraus, weil sie die Zuständigkeit des jeweiligen Spruchkörpers von einem später eintretenden Umstand abhängig macht. Es handelt sich bei Ziffer 2 Satz 2 des Beschlusses um eine Bestimmung, die eine Begründung konkreter, auf den Einzelfall bezogener Zuständigkeiten erst im Nachhinein - durch Eröffnung oder das Unterlassen der Eröffnung des Hauptverfahrens - ermöglicht. Eine solche Delegation der Entscheidung über die Geschäftsverteilung an die Spruchkörper, die gerade Adressaten der generell-abstrakten Zuständigkeit sein sollten, ist mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar.

32

b) Verfassungsrechtlich unerheblich ist der Umstand, dass das Präsidium des Landgerichts ausweislich seines klarstellenden Beschlusses vom 3. März 2015 zum Zeitpunkt des Präsidiumsbeschlusses vom 19. November 2014 erwartet hatte, in den beiden seit dem 1. August 2014 eingegangenen Wirtschaftsstrafsachen werde bis zum 24. November 2014 keine Eröffnungsentscheidung getroffen. Denn für die Wahrung des gesetzlichen Richters gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG kommt es nicht darauf an, welche Erwartungen das Präsidium dahingehend hegt, ob von einer Übertragung der Zuständigkeitsverantwortung Gebrauch gemacht wird. Entscheidend ist, dass der Geschäftsverteilungsplan eine derartige Übertragung von Zuständigkeitsbestimmungen grundsätzlich nicht vorsehen darf. Wäre das Präsidium zudem sicher gewesen, dass keine Eröffnungsbeschlüsse bis zum festgesetzten Stichtag zu erwarten waren, hätte die Regelung von Vornherein unterbleiben können.

33

3. Der ebenfalls angegriffene Beschluss des Bundesgerichtshofes wiederholt und vertieft die Verletzung des Rechts der Beschwerdeführerin aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

34

4. Da die Verfassungsbeschwerde erfolgreich ist, bedarf die weitere Rüge der Beschwerdeführerin, auch die Voraussetzungen des § 21e Abs. 3 GVG seien in verfassungswidriger Weise angenommen worden, keiner Entscheidung.

II.

35

Mit der Entscheidung in der Hauptsache erledigt sich der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

III.

36

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

IV.

37

Der nach § 37 Abs. 2 RVG festzusetzende Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren beträgt mindestens 5.000 € und, wenn - wie hier - die Verfassungsbeschwerde aufgrund einer Entscheidung der Kammer Erfolg hat, in der Regel 10.000 €. Weder die objektive Bedeutung der Sache noch Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit weisen Besonderheiten auf, die zu einer Abweichung Anlass geben.

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 30. August 2017 - 11 L 2304/17 - und der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26. Oktober 2017 verletzen das Recht des Beschwerdeführers aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die Entscheidungen werden aufgehoben und die Sache an das Verwaltungsgericht Köln zurückverwiesen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren und für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erstatten.

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) und für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf 5.000 € (in Worten: fünftausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

1. Der Beschwerdeführer ist marokkanischer Staatsangehöriger. Er reiste am 15. März 1989 im Wege der Familienzusammenführung in die Bundesrepublik Deutschland ein.

2

2. Mit Verfügung vom 20. März 2014 wies die Ausländerbehörde des Rhein-Sieg-Kreises den Beschwerdeführer nach zuvor erfolgter Anhörung gemäß § 53 Nr. 1 und 2 AufenthG aus, ordnete die sofortige Vollziehbarkeit der Ausweisung an und drohte dem Beschwerdeführer die Abschiebung nach Marokko an. Er sei wegen einer Vielzahl von Eigentums- und Vermögensdelikten sowie des Erwerbs und Handeltreibens mit Betäubungsmitteln strafrechtlich in Erscheinung getreten und innerhalb von fünf Jahren zu mehreren Freiheitsstrafen von zusammen mindestens drei Jahren verurteilt worden. Er habe seine seit 18 Jahren bestehende Drogenabhängigkeit in mehreren Therapien nicht bekämpfen können und sei selbst während seines Strafvollzugs straffällig geworden. Eine trennungsbedingte Belastung sei dem Beschwerdeführer und seiner Familie zuzumuten, weil die Ausweisung aufgrund immer wiederkehrender schwerwiegender Straftaten erfolge. Von dem Beschwerdeführer, der seinen Drogenkonsum im Wege der Beschaffungskriminalität finanziere, gehe eine besondere Gefährlichkeit aus. Die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin sei nicht durch Art. 6 GG geschützt. Auch wenn der Beschwerdeführer lange in Deutschland gelebt habe, sei es ihm nicht gelungen, sich in das wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben zu integrieren. Duldungsgründe seien nicht ersichtlich.

3

3. In dem gegen diese Ausweisung gerichteten Klageverfahren schlossen der Beschwerdeführer und der Rhein-Sieg-Kreis am 24. Juni 2014 einen Vergleich. Danach sollte dem Beschwerdeführer eine einjährige Duldung erteilt werden, die erlosch, wenn er eine Suchttherapie nicht bis zum 1. September 2014 aufnahm oder diese vorzeitig beendete. Daraufhin nahm der Beschwerdeführer seine Klage zurück. Am 8. August 2014 erhielt er eine einjährige Duldung.

4

4. Unter dem 24. Mai 2017 erhob der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgericht Köln Klage, mit der er die Erteilung einer Duldung begehrte. Zugleich stellte er einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Für die Verfahren war zu diesem Zeitpunkt nach dem Jahresgeschäftsverteilungsplan des Verwaltungsgerichts dessen 12. Kammer zuständig. Zur Begründung machte der Beschwerdeführer geltend, er habe seine Therapie inzwischen erfolgreich abgeschlossen und befinde sich in einem festen Arbeitsverhältnis. Außerdem sei er seit seiner Haftentlassung im Februar 2015 nicht mehr straffällig geworden. Zudem sei die ihm erteilte Duldung nicht erloschen; ihm sei Anfang des Jahres 2017 sogar die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in Aussicht gestellt worden.

5

5. Das Verwaltungsgericht änderte seinen Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 2017 durch Beschluss des Präsidiums vom 29. Juni 2017. In dieser 5. Änderung des Geschäftsverteilungsplans 2017 ist unter Ziffer II. 6. geregelt:

"Die 12. Kammer gibt die in dem Sachgebiet 0600 [Ausländer- und Aufenthaltsrecht ohne Asyl] im Jahr 2017 eingegangenen und noch anhängigen Verfahren aus dem Rhein-Sieg-Kreis und aus dem Oberbergischen Kreis an die 11. Kammer ab."

6

Der Übergang der unter Ziffer II. 6. genannten Verfahren auf die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts erfolgte nach Ziffer I. 2. des Beschlusses vom 29. Juni 2017 zum 1. August 2017. Unter Ziffer II. 8. dieses Beschlusses findet sich die folgende Regelung:

"Ist bei den unter den Ziffern 6 und 7 genannten Verfahren von der abgebenden Kammer ein Termin zur mündlichen Verhandlung durchgeführt oder ein Gerichtsbescheid erlassen worden oder ist zum Zeitpunkt des Übergangs ein Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt oder ist ein Teil-/Zwischenurteil ergangen, so bleibt die Sache in der bisher zuständigen Kammer."

7

Mit Schreiben vom 1. August 2017 teilte das Verwaltungsgericht dem Beschwerdeführer mit, dass aufgrund der Änderung des Geschäftsverteilungsplans vom 29. Juni 2017 nun die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts für seine Verfahren zuständig sei.

8

6. Mit Beschluss vom 30. August 2017 lehnte die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ab. Seine Ausweisung sei durch Klagerücknahme im vorangegangenen gerichtlichen Verfahren bestandskräftig und binde das Verwaltungsgericht, soweit sich aus dem Vergleich vom 24. Juni 2014 oder aus zwischenzeitlichen Änderungen nichts Anderes ergebe. Der Beschwerdeführer habe keinen Anspruch auf Erteilung einer Duldung. Ein solcher Anspruch folge weder aus dem am 24. Juni 2014 geschlossenen Vergleich noch aus einem Vertrauenstatbestand oder Art. 6 GG beziehungsweise Art. 8 EMRK.

9

7. Gegen diesen Beschluss erhob der Beschwerdeführer Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen. Der Beschluss verstoße gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, weil die Änderung der Zuständigkeit für die Verfahren des Beschwerdeführers mit dem Gebot des gesetzlichen Richters nicht vereinbar sei. Die 5. Änderung des Geschäftsverteilungsplans des Verwaltungsgerichts für das Jahr 2017 regele die Frage des Umgangs mit bereits anhängigen Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz nicht. Dies sei jedoch erforderlich gewesen, weil es sich um eigenständige Verfahren handele. Es sei nicht eindeutig festgelegt, welcher Spruchkörper zur Entscheidung der entsprechenden Einzelfälle im Eilrechtsschutz berufen sei. Die Regelung in dem Präsidiumsbeschluss vom 29. Juni 2017, nach der im Falle einer bereits terminierten mündlichen Verhandlung kein Übergang des Verfahrens zum 1. August 2017 erfolge, biete zudem Raum für Manipulationen. Im Zeitraum zwischen dem 29. Juni 2017 und dem 1. August 2017 habe auch im Eilverfahren eine mündliche Verhandlung terminiert werden können, um den Übergang von Eilverfahren auf die andere Kammer zu verhindern. Diese Stichtagsregelung verletze die generell-abstrakte Zuständigkeitsbegründung im Voraus, weil sie die Zuständigkeit des jeweiligen Spruchkörpers von einem später eintretenden Umstand abhängig mache. Damit werde sie den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Dezember 2016 - 2 BvR 2023/16 -, juris) an die Gewährleistung des gesetzlichen Richters nicht gerecht. In der 8. Änderung des Geschäftsverteilungsplans habe das Verwaltungsgericht hingegen geregelt, dass Verfahren, bei denen ein zugehöriges Eilverfahren in der ursprünglich zuständigen Kammer anhängig sei, in dieser Kammer verblieben. Eine solche Regelung fehle in dem Beschluss vom 29. Juni 2017. Das Verwaltungsgericht habe nicht erklärt, dass die Verfahren des Beschwerdeführers zur Gewährleistung von Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit auf eine andere Kammer hätten übertragen werden müssen. Zudem sei der Beschluss des Verwaltungsgerichts in der Sache fehlerhaft, weil aus der faktischen weiteren Duldung ein Vertrauenstatbestand erwachsen sei und der Beschwerdeführer inzwischen erfolgreich eine Entzugstherapie durchgeführt habe und einer Vollzeitbeschäftigung nachgehe.

10

Mit Beschluss vom 26. Oktober 2017, zugestellt am 2. November 2017, wies das Oberverwaltungsgericht die Beschwerde des Beschwerdeführers zurück. Seinen Ausführungen zu der Änderung des Geschäftsverteilungsplans sei kein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zu entnehmen. Zudem sei aus der Beschwerdeschrift für die Frage, ob dem Beschwerdeführer ein materiell-rechtlicher Duldungsanspruch zustehe, nichts abzuleiten.

II.

11

1. Der Beschwerdeführer hat am 3. Dezember 2017 gegen die Ausweisungsverfügung sowie die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts Verfassungsbeschwerde erhoben und den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Er rügt die Verletzung seines Rechts aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

12

Zur Begründung wiederholt er den mit seiner Beschwerde im fachgerichtlichen Verfahren geltend gemachten Vortrag. Ergänzend führt er an, dass sich die 12. Kammer des Verwaltungsgerichts vor dem Übergang des Eilverfahrens bereits mit der Sache befasst habe. Der Vorsitzende der 12. Kammer habe die Auskunft gegeben, dass noch eine Stellungnahme durch den Beschwerdeführer erfolgen könne, bevor ein Beschluss ergehen werde. Daher sei unklar, inwiefern die Abgabe der Verfahren an eine andere Kammer eine Beschleunigung darstelle. Das Recht auf den gesetzlichen Richter werde hier dadurch verstärkt, dass der Beschwerdeführer um einen Verbleib im Bundesgebiet streite. Es fehle auch an einer Dokumentation der Gründe für die Übertragung der Verfahren von der 12. auf die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts.

13

2. Die Akten der Ausgangsverfahren haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen. Die Bundesregierung und das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen haben von ihrem Recht zur Äußerung keinen Gebrauch gemacht.

III.

14

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG angezeigt. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt.

15

1. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

16

a) Mit der Garantie des gesetzlichen Richters will Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG der Gefahr vorbeugen, dass die Justiz durch eine Manipulation der rechtsprechenden Organe sachfremden Einflüssen ausgesetzt wird. Es soll vermieden werden, dass durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter das Ergebnis der Entscheidung - gleichgültig von welcher Seite - beeinflusst werden kann (vgl. BVerfGE 17, 294 <299>; 48, 246 <254>; 82, 286 <296>; 95, 322 <327>).

17

Aus diesem Zweck des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG folgt, dass die Regelungen, die der Bestimmung des gesetzlichen Richters dienen, im Voraus so eindeutig wie möglich festlegen müssen, welches Gericht, welcher Spruchkörper und welche Richter zur Entscheidung des Einzelfalls berufen sind. Auch die die gesetzlichen Bestimmungen ergänzenden Regelungen über die Geschäftsverteilung in den jährlich aufzustellenden Geschäftsverteilungsplänen der Gerichte, die die Zuständigkeit der jeweiligen Spruchkörper und ihre Zusammensetzung festlegen, müssen die wesentlichen Merkmale gesetzlicher Vorschriften aufweisen (vgl. BVerfGE 17, 294 <299>; 18, 344 <349>; 95, 322 <328>). Sie müssen also zum einen der Schriftform genügen und zum anderen im Voraus generell-abstrakt die Zuständigkeit der Spruchkörper und die Zuweisung der einzelnen Richter regeln, damit die einzelne Sache "blindlings" aufgrund allgemeiner, vorab festgelegter Merkmale an den entscheidenden Richter gelangt und so der Verdacht einer Manipulation der rechtsprechenden Gewalt ausgeschlossen wird (vgl. BVerfGE 82, 286 <298>; 95, 322 <329>).

18

b) Dies schließt Neuregelungen nicht aus, die die Zuständigkeiten während des laufenden Geschäftsjahres ändern. Die Rechtsprechungstätigkeit der Gerichte und ihrer Spruchkörper oder Abteilungen wird immer wieder auch mit nicht vorhersehbaren Ereignissen und Entwicklungen wie Überlastung, unzureichender oder ungleicher Auslastung, Ausscheiden oder langfristiger Verhinderung einzelner Richter konfrontiert. Solche Umstände erfordern ein Eingreifen des Spruchkörpers oder des Präsidiums, um die Effizienz des Geschäftsablaufs zu erhalten oder wiederherzustellen (vgl. BVerfGE 17, 294 <300>; 18, 344 <349>; 95, 322 <332 f.>).

19

Eine nachträgliche Änderung der Geschäftsverteilung kann geboten sein, wenn nur auf diese Weise dem Verfassungsgebot einer Gewährleistung von Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit (vgl. BVerfGE 55, 349 <369>) nachzukommen ist. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG steht einer Änderung der Zuständigkeit auch für bereits anhängige Verfahren jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Neuregelung generell gilt und nicht aus sachwidrigen Gründen geschieht (vgl. BVerfGE 24, 33 <54 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. Februar 2005 - 2 BvR 581/03 -, juris, Rn. 19). Soweit bereits anhängige Verfahren von einer Neuverteilung bestehender Zuständigkeiten erfasst werden, sind Regelungen nur dann im Voraus generell-abstrakt, wenn die Neuverteilung durch den Geschäftsverteilungsplan selbst erfolgt. Sie sind demgegenüber nicht im Voraus generell-abstrakt, wenn sie im Einzelfall sowohl die Neuverteilung als auch die Beibehaltung bestehender Zuständigkeiten ermöglichen und dabei die konkreten Zuständigkeiten von Beschlüssen einzelner Spruchkörper abhängig machen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Dezember 2016 - 2 BvR 2023/16 -, juris, Rn. 24 ff.).

20

c) Betrifft ein Verfahren die Frage, ob eine Zuständigkeitsregel eines Geschäftsverteilungsplanes überhaupt als generell-abstrakte Regelung im Sinne der Garantie des gesetzlichen Richters anzusehen ist, nimmt das Bundesverfassungsgericht keine bloße Willkürprüfung vor, sondern überprüft vollumfänglich, ob die angewendete Regelung generell-abstrakt ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. Februar 2005 - 2 BvR 581/03 -, juris, Rn. 21 f.). Lediglich bei der Überprüfung, ob eine im Voraus abstrakt-generelle Zuständigkeitsregel durch einen Spruchkörper im Einzelfall fehlerhaft angewendet oder ausgelegt wurde, beschränkt sich das Bundesverfassungsgericht auf eine Willkürkontrolle (vgl. BVerfGE 82, 159 <194>).

21

d) Nach diesen Maßstäben ist der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts nicht mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar. Er erging durch einen Spruchkörper, dessen Zuständigkeit durch eine gegen das Gebot des gesetzlichen Richters verstoßende Änderung des Geschäftsverteilungsplans begründet wurde. Der Übergang der Zuständigkeit für die Verfahren des Beschwerdeführers von der 12. auf die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts beruht auf einer Regelung im Geschäftsverteilungsplan, die nicht generell-abstrakt im Voraus die Zuständigkeit eines Spruchkörpers festgelegt hat.

22

Die Bestimmungen unter Ziffer II. 6. und Ziffer II. 8. des Präsidiumsbeschlusses vom 29. Juni 2017 nehmen unter anderem Verfahren von der Übertragung auf die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts aus, in denen die abgebende Kammer bis zum Zeitpunkt des Übergangs am 1. August 2017 einen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt hat oder ein Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist. Diese Stichtagslösung räumt der abgebenden Kammer die Möglichkeit ein, innerhalb eines Zeitraums von mehr als einem Monat selbst auf den Übergang von bei ihr anhängigen ausländerrechtlichen Verfahren einzuwirken, indem sie in diesen etwa eine mündliche Verhandlung anberaumt. Dies ist grundsätzlich auch in einem - wie hier der Verfassungsbeschwerde zugrundeliegenden - Eilverfahren möglich (vgl. § 101 Abs. 3 VwGO). Eine ausdrückliche Bestimmung bezüglich des Übergangs von Eilverfahren ist in den Beschluss vom 29. Juni 2017 nicht aufgenommen worden. Die Regelungen in Ziffern II. 6. und 8. des Beschlusses vom 29. Juni 2017 bestimmen für die zu übertragenden Verfahren nicht selbst verbindlich die Zuständigkeit eines konkreten Spruchkörpers. Sie machen die Zuständigkeit des Spruchkörpers davon abhängig, ob die abgebende Kammer noch nach dem Beschlussdatum des 29. Juni 2017 eine mündliche Verhandlung anberaumt. Es ist gerade keine Formulierung gewählt worden, nach der diejenigen Verfahren von der Übertragung ausgenommen sind, in denen bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung am 29. Juni 2017 eine mündliche Verhandlung anberaumt war. Die gewählte Gestaltung der Stichtagsregelung hat es der abgebenden Kammer ermöglicht, die Übertragung von bei ihr anhängigen Verfahren durch Anberaumung einer mündlichen Verhandlung im Zeitraum vom 29. Juni 2017 bis zum 31. Juli 2017 zu verhindern. Eine solche Delegation der Entscheidung über die Geschäftsverteilung an die Spruchkörper, die gerade Adressaten der generell-abstrakten Zuständigkeit sein sollen, ist mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Dezember 2016 - 2 BvR 2023/16 -, juris, Rn. 31).

23

2. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts wiederholt und vertieft die Verletzung des Rechts des Beschwerdeführers aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

IV.

24

Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer gemäß § 34a Abs. 2 BVerfGG die notwendigen Auslagen zu erstatten. Die Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 162/13
vom
22. November 2013
Nachschlagewerk: ja - nur zu B. I. der Gründe
BGHSt: ja - nur zu B. I. der Gründe
Veröffentlichung: ja - nur zu B. I. der Gründe
___________________________________
Bei Verlegung des ordentlichen Sitzungstages ist für die Entbindung des Hauptschöffen
von der Dienstleistung seine Verhinderung am tatsächlichen Sitzungstag,
nicht diejenige an dem als ordentlichen Sitzungstag bestimmten Tag maßgeblich.
BGH, Urteil vom 22. November 2013 - 3 StR 162/13 - LG Hannover
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
22. August 2013 in der Sitzung am 22. November 2013, an denen teilgenommen
haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Mayer,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung am 22. August 2013
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 19. Dezember 2012 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) in den Fällen II. 9, 12 bis 14, 20, 21, 23, 24, 27 bis 30, 36, 39 und 43 der Urteilsgründe im Schuld- und Strafausspruch,
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe und
c) in den Fällen II. 1 bis 31 sowie 33 bis 44 der Urteilsgründe, soweit das Landgericht eine Entscheidung gemäß § 111i Abs. 2 StPO unterlassen hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Inverkehrbringens von Falschgeld in 43 Fällen, davon in 28 Fällen in Tateinheit mit "gewerbsmäßigem" Betrug sowie in 15 Fällen in Tateinheit mit versuchtem "gewerbsmäßigen" Betrug , und wegen versuchten Inverkehrbringens von Falschgeld in Tateinheit mit versuchtem "gewerbsmäßigen" Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten und vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision, dass der Angeklagte in den 15 Fällen des vollendeten Inverkehrbringens tateinheitlich lediglich wegen versuchten und nicht wegen vollendeten Betrugs verurteilt worden ist. Zudem rügt sie, dass eine Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO unterblieben ist. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte erhielt von einem Schuldner einen erheblichen Bargeldbetrag , unter dem sich neben echtem Geld auch Falschgeld mit einer sehr hohen Fälschungsqualität im Nennwert von 20.000 € befand. Nachdem der Angeklagte dies erkannt hatte, wollte er den Schaden nicht hinnehmen und entschloss sich daher, das Falschgeld unter anderem bei Reisen nach Deutschland sukzessive in Verkehr zu bringen. Dies tat er sodann in der Zeit vom 20. November 2008 bis zum 25. April 2012 in Berlin, Köln und Hannover, indem er bei Bareinkäufen insgesamt 45 gefälschte 200-Euro-Scheine zur Bezahlung von Waren hingab, um dadurch diese und das Wechselgeld zu erhalten, was ihm in all diesen Fällen auch gelang. In einem weiteren Fall versuchte er dies.
4
A. Revision der Staatsanwaltschaft
5
I. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf die Schuldsprüche , die die Verurteilung wegen Inverkehrbringens von Falschgeld in 15 Fällen in Tateinheit mit versuchtem "gewerbsmäßigen" Betrug betreffen, die Gesamtstrafe und die unterbliebene Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO in den Fällen II. 1 bis 31 sowie 33 bis 44 der Urteilsgründe beschränkt. Zwar ergibt sich dies nicht aus dem Revisionsantrag. Allerdings folgt aus der Revisionsbegründung , dass die Revisionsführerin das angefochtene Urteil nur hinsichtlich der genannten Punkte für rechtsfehlerhaft hält (vgl. zur entsprechenden Auslegung der Revision BGH, Urteil vom 15. Mai 2013 - 1 StR 476/12, NStZ-RR 2013, 279, 280 mwN).
6
II. Die Verurteilung des Angeklagten wegen - tateinheitlich mit vollendetem Inverkehrbringen von Falschgeld begangenen - versuchten ("gewerbsmäßigen" ) Betruges in 15 Fällen hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Insoweit beruht die Annahme des Landgerichts, die vom Angeklagten tateinheitlich begangenen Betrugstaten seien lediglich versucht, auf einer unzureichenden rechtlichen Prüfung und Würdigung der Feststellungen.
7
Das Landgericht hat seine Annahme, in diesen 15 Fällen sei hinsichtlich des Betruges Vollendung nicht eingetreten, in zwei Fällen (Fälle II. 12 und 36 der Urteilsgründe) darauf gestützt, dass sich die Kassierer keine bewussten Gedanken über die Echtheit des 200-Euro-Scheines gemacht hätten und deshalb "kein Irrtum eingetreten" sei. In den übrigen 13 Fällen (Fälle II. 9, 13, 14, 20, 21, 23, 24, 27 bis 30, 39 und 43) hat es diese Annahme damit begründet, dass die beteiligten Kassierer nicht oder überhaupt keine Zeugen dieser Taten ermittelt werden konnten und deshalb das Vorliegen eines - von dem Angeklagten durch Täuschung erregten - tatbestandlichen Irrtums im Sinne von § 263 StGB nicht nachzuweisen sei. Diese Annahmen zeigen auf, dass die Strafkammer einen zu strengen Maßstab an das Vorliegen des Tatbestandmerkmals "Irrtum" angelegt und die Anforderungen an ihre Überzeugungsbildung überspannt hat; sie sind mithin zugunsten des Angeklagten rechtsfehlerhaft.
8
1. Ein - durch die Täuschungshandlung erregter oder unterhaltener - Irrtum im Sinne des Betrugstatbestandes ist jeder Widerspruch zwischen einer subjektiven Vorstellung (des Getäuschten) und der Wirklichkeit (vgl. LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 77 ff. mwN). Das gänzliche Fehlen einer Vorstellung begründet für sich allein keinen Irrtum. Allerdings kann ein solcher auch in den Fällen gegeben sein, in denen die täuschungsbedingte Fehlvorstellung in der Abweichung eines "sachgedanklichen Mitbewusstseins" von den tatsächlichen Umständen besteht. Danach ist insbesondere der Bereich gleichförmiger, massenhafter oder routinemäßiger Geschäfte von als selbstverständlich angesehenen Erwartungen geprägt, die zwar nicht in jedem Einzelfall bewusst aktualisiert werden, jedoch der vermögensrelevanten Handlung als hinreichend konkretisierte Tatsachenvorstellung zugrunde liegen (vgl. LK/Tiedemann, aaO Rn. 79). Diese Grundsätze hätte das Landgericht in den vorbezeichneten Fällen in seine Prüfung eines tatbestandlichen Irrtums der kassierenden Personen einbeziehen müssen.
9
2. In den Einzelfällen, in denen die Kassierer oder Tatzeugen nicht ermittelt werden konnten, kommt hinzu, dass das Landgericht die Anforderungen an die beweisrechtliche Grundlage der Feststellung eines täuschungsbedingten Irrtums im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB verkannt hat. Zwar ist in den Urteilsgründen grundsätzlich festzustellen und darzulegen, welche irrigen Vorstellungen die Person hatte, die die Verfügung getroffen hat (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 - 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1199 f.); danach wird es regelmäßig erforderlich sein, die irrende Person zu ermitteln und in der Haupt- verhandlung über die tatrelevante Vorstellung zu vernehmen. Allerdings gilt dies nicht ausnahmslos. Vielmehr kann in Fällen eines normativ geprägten Vorstellungsbildes des Verfügenden die Vernehmung weniger Zeugen genügen; wenn deren Angaben das Vorliegen eines Irrtums (in den sie betreffenden Fällen ) belegen, kann auf die Erregung eines Irrtums auch bei anderen Verfügenden geschlossen werden. In der Regel kann das Gericht auch aus Indizien auf einen Irrtum schließen. In diesem Zusammenhang kann etwa eine Rolle spielen , ob der Verfügende ein eigenes Interesse daran hatte oder im Interesse eines anderen verpflichtet war, sich von der Wahrheit der Behauptungen des Täters zu überzeugen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Februar 2013 - 1 StR 263/12, NStZ 2013, 422, 423; vom 9. Juni 2009 - 5 StR 394/08, NStZ 2009, 506, 507; Urteil vom 17. Juli 2009 - 5 StR 394/08, wistra 2009, 433, 434). Wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Verfügende kollusiv mit dem täuschenden Täter zusammengearbeitet oder aus einem sonstigen Grund Kenntnis von der Täuschung erlangt hatte und der durch die Täuschung erregte Irrtum deshalb nicht verfügungsursächlich geworden sein könnte, können sogar nähere Feststellungen dazu, wer verfügt hat, entbehrlich sein (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 4 StR 55/12, NJW 2013, 883, 885).
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So verhält es sich hier. Da an einer Kasse beschäftigte Mitarbeiter eines Unternehmens schon aufgrund ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung den Antrag eines Kunden auf Abschluss eines Kaufvertrages zurückweisen müssen, wenn der Kunde seiner Zahlungspflicht nicht sofort oder nicht vollständig nachkommt , es sich vorliegend um sehr gut gefälschte 200-Euro-Scheine handelte und auch sonst keine Anhaltspunkte für eine bewusste Entgegennahme von Falschgeld durch die Kassierenden gegeben sind, liegt auch in diesen Fällen - selbst wenn die Verfügenden keine konkrete Erinnerung an den jeweiligen Vorgang mehr hatten oder diese sowie andere Tatzeugen nicht ermittelt wer- den konnten - das Vorliegen eines Irrtums nahe. Dies hat das Landgericht nicht bedacht.
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3. Die Einheitlichkeit der Tat steht in den vorbezeichneten Fällen der Aufrechterhaltung der - für sich rechtsfehlerfreien - tateinheitlichen Verurteilung des Angeklagten wegen Inverkehrbringens von Falschgeld entgegen (vgl. Meyer -Goßner, StPO, 56. Aufl., § 353 Rn. 7a), so dass die Sache insoweit insgesamt der neuen Verhandlung und Entscheidung bedarf.
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III. Das angefochtene Urteil kann weiterhin nicht bestehen bleiben, soweit das Landgericht es unterlassen hat, in den Fällen II. 1 bis 31 und 33 bis 44 über eine Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO zu entscheiden. Dabei kommt es auf die Frage, inwieweit die Beanstandung der Nichtanwendung des § 111i Abs. 2 StPO einer Verfahrensrüge bedarf (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 - 5 StR 306/12, NJW 2013, 950, 951), nicht an, da jedenfalls der Revisionsbegründung eine solche Rüge, welche die Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erfüllen würde, entnommen werden kann.
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Nach den Urteilsgründen hat der Angeklagte in 43 Fällen aus seinen Taten Waren und Wechselgeld erlangt im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB. Da der Anordnung des Verfalls nach den Feststellungen die Ansprüche der jeweils Geschädigten entgegenstehen, hätte das Landgericht in Ausübung seines ihm insoweit zustehenden pflichtgemäßen Ermessens darüber entscheiden müssen , ob es die für das weitere Verfahren erforderlichen Feststellungen nach § 111i Abs. 2 StPO trifft. Hierzu verhält sich das Urteil jedoch weder ausdrücklich noch ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, dass das Landgericht die Voraussetzungen einer solchen Entscheidung geprüft und von dem ihm zustehenden Ermessen in der Art und Weise Gebrauch gemacht hat, dass es eine entsprechende Anordnung nicht treffen wollte. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Ausnahmefalles, in dem das Gericht von einer Anordnung nach § 111i Abs. 2 StPO absehen durfte oder musste, sind vorliegend nicht ersichtlich (vgl. BT-Drucks. 16/700 S. 16; BGH, Urteil vom 17. Juni 2009 - 2 StR 195/09, juris Rn. 4; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 111i Rn. 8 mwN).
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B. Revision des Angeklagten
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I. Mit der Verfahrensrüge beanstandet der Angeklagte - im Ergebnis erfolglos -, dass die Strafkammer hinsichtlich eines Schöffen nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei (§ 338 Nr. 1 StPO).
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1. Der Rüge liegt im Wesentlichen der folgende Verfahrensgang zugrunde :
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Der Vorsitzende bestimmte mit Verfügung vom 24. September 2012 Termin zur Hauptverhandlung auf Donnerstag, den 4. Oktober 2012 und verfügte , dass "die Schöffen des 05.10.12" zu laden seien. Der für den ordentlichen Sitzungstag am Freitag, den 5. Oktober 2012 heranzuziehende Hauptschöffe , der Schöffe Q. , hatte bereits im Dezember 2011 schriftlich mitgeteilt , dass er drei vorgesehene Termine als Schöffe nicht wahrnehmen könne, da er sich an diesen im Urlaub befinden werde; zu diesen Terminen gehörte auch der 5. Oktober 2012. Auf eine Mitteilung seiner Serviceeinheit entschied der Vorsitzende daraufhin, dass der Schöffe von der Dienstleistung gem. § 54 GVG befreit werde. Darauf wurde der von der Schöffengeschäftsstelle als nächstbereiter Hilfsschöffe festgestellte Schöffe B. geladen. Diesen befreite der Vorsitzende ebenfalls von der Dienstleistung, da der Hilfsschöffe mitgeteilt hatte, dass er sich vom 2. bis 6. Oktober 2012 im Krankenhaus befinden werde. Der danach geladene nächstbereite Hilfsschöffe, der Schöffe M. , nahm schließlich an der Hauptverhandlung - neben der weiteren, regulär für den ordentlichen Sitzungstag vom 5. Oktober 2012 heranzuziehende (Haupt-) Schöffin - teil.
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In der Hauptverhandlung rügte der Verteidiger noch vor Vernehmung des Angeklagten zur Sache die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts hinsichtlich des Schöffen M. und trug vor, dass die Entbindung des Hauptschöffen Q. sich als objektiv willkürliche Richterentziehung darstelle, weil dieser am 4. Oktober 2012 gar nicht verhindert gewesen sei. Diesen Besetzungseinwand wies die Strafkammer als unbegründet zurück und führte zur Begründung unter anderem aus, dass für den 4. Oktober 2012 die Schöffen zu laden gewesen seien, die "hätten geladen werden müssen, wenn der 5.10.2012 - wie ursprünglich geplant - der erste ordentliche Sitzungstag gewesen wäre". Wegen der Verhinderung des Schöffen Q. (und des Hilfsschöffen B. ) am 5. Oktober 2012 sei der Hilfsschöffe M. zu laden gewesen. Dessen Bestellung sowie die Entbindung des Hauptschöffen Q. von der Mitwirkung an der Hauptverhandlung durch den Vorsitzenden seien mit Blick auf den Vermerk der Geschäftsstelle über die Verhinderung des Hauptschöffen Q. im Übrigen jedenfalls nicht willkürlich erfolgt.
19
2. Die Verfahrensbeanstandung bleibt ohne Erfolg. Das erkennende Gericht war nicht vorschriftswidrig im Sinne des § 338 Nr. 1 StPO besetzt; denn der mitwirkende Hilfsschöffe M. war aufgrund der vorangegangenen Entbindung des Hauptschöffen sowie der - nicht beanstandeten - Entbindung des zunächst heranzuziehenden weiteren Hilfsschöffen der zur Mitwirkung berufene Richter. Die auf § 54 GVG gestützte Entscheidung des Vorsitzenden, den Hauptschöffen Q. von der Dienstleistung am 4. Oktober 2012 zu entbinden , beruhte zwar auf einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab, war indes jedenfalls nicht willkürlich.
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Im Einzelnen:
21
a) Die - bislang in Rechtsprechung und Literatur noch nicht geklärte - Frage, ob bei Verlegung des ordentlichen Sitzungstages die Verhinderung des Hauptschöffen an diesem oder an dem - infolge der Verlegung an einem anderen Tag stattfindenden - tatsächlichen Sitzungstag für seine Entbindung von der Dienstleistung maßgebend ist, ist dahin zu entscheiden, dass für die Entbindung des ("Haupt-") Schöffen von der Dienstleistung seine Verhinderung am tatsächlichen Sitzungstag, nicht diejenige an dem als ordentlichen Sitzungstag bestimmten Tag maßgeblich ist. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:
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Die Verlegung des Beginns einer ordentlichen, gemäß § 45 Abs. 1 GVG bestimmten Sitzung auf einen anderen Tag führt dazu, dass die gemäß § 77 GVG im Voraus für den verlegten ordentliche Sitzungstag bestimmten Hauptschöffen heranzuziehen sind; anders als bei der unzulässigen Anberaumung einer außerordentlichen Sitzung, zu der gemäß §§ 47, 77 Abs. 1 GVG die zur Mitwirkung berufenen Schöffen aus der Hilfsschöffenliste herangezogen werden , wird hierdurch der Angeklagte nicht seinem gesetzlichen Richter entzogen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 5. November 1957 - 1 StR 254/57, BGHSt 11, 54 ff.). Demnach gebührt allgemein der Mitwirkung der Hauptschöffen der Vorrang vor der Heranziehung von Hilfsschöffen (BGH, Urteil vom 14. Juli 1995 - 5 StR 532/94, BGHSt 41, 175, 177). Dieser Grundsatz spricht bereits dafür, den Hauptschöffen, der lediglich an dem ursprünglich festgestellten ordentlichen Sitzungstag, nicht aber an dem tatsächlich bestimmten, vom ordentlichen Sitzungstermin abweichenden Tag verhindert ist, zu der Sitzung heranzuziehen. Zudem ist der Schöffe an dem durch die Verlegung des Sitzungstages bestimmten, die Stelle des ordentlichen Sitzungstages einnehmenden ("neuen") Sitzungstag gerade nicht an der Dienstleistung gehindert im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 2 GVG. Schließlich wäre bei Verlegung des ordentlichen Sitzungstages die (zusätzliche) Berücksichtigung der Verhinderung eines Schöffen an diesem Tag nicht praxisgerecht: Zum einen müsste zur Feststellung des gesetzlichen Richters regelmäßig geprüft werden, ob der Schöffe (auch) an dem ursprünglichen ordentlichen Sitzungstag verhindert ist, und zwar auch dann, wenn an diesem Tag tatsächlich gar keine Sitzung stattfindet; zum anderen wäre der Schöffe im Sinne des § 54 Abs. 1 GVG verhindert, wenn er am ordentlichen Sitzungstag, an dem tatsächlich keine Sitzung stattfindet, nicht aber am tatsächlichen Sitzungstag an der Dienstleistung gehindert ist. Die Verhinderung am ordentlichen Sitzungstag als maßgebend anzusehen, hätte bei strikter Beachtung schließlich zur Folge, dass der Schöffe, der zwar am verlegten neuen Sitzungstag, nicht aber am ordentlichen Sitzungstag verhindert ist, zur Mitwirkung berufen und heranzuziehen wäre. Da dieser Schöffe indes seine Dienstleistung wegen Verhinderung tatsächlich nicht erbringen könnte, wäre eine dem Grundsatz des gesetzlichen Richters genügende, vorschriftsmäßige Gerichtsbesetzung jedenfalls an dem neuen Sitzungstag nicht möglich.
23
Vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass von den vorstehenden Maßstäben , nach denen für die Gerichtsbesetzung die Verhinderung eines Schöffen am tatsächlichen und nicht (auch) am ordentlichen Sitzungstag maßgeblich ist, die Rechtsprechung zur ordnungsgemäßen Gerichtsbesetzung bei einer (vorherigen ) Entbindung eines am Sitzungstag tatsächlich nicht (mehr) verhinderten Schöffen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 2. Juni 1981 - 5 StR 175/81, BGHSt 30, 149, 151; Beschluss vom 20. August 1982 - 2 StR 401/82, StV 1983, 11) nicht berührt wird.
24
b) Soweit die Entbindungsentscheidung demgegenüber auf der Verhinderung des Schöffen nicht am tatsächlichen, sondern am ursprünglichen Sitzungstag beruht, hat dies gleichwohl in der hier gegebenen Konstellation keine ordnungswidrige Besetzung der Kammer zur Folge; denn der Schöffe, der wirk- sam von seiner Dienstleistung entbunden ist (§ 54 Abs. 1, § 77 Abs. 1 GVG), ist infolge seiner Entbindung nicht mehr der gesetzliche Richter. An seine Stelle tritt gemäß §§ 49, 77 Abs. 1 GVG derjenige Hilfsschöffe, der an bereitester Stelle auf der Schöffenliste steht (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juni 1981 - 5 StR 175/81, BGHSt 30, 149, 151; Beschluss vom 20. August 1982 - 2 StR 401/82, StV 1983, 11; Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 54 Rn. 18). Die Entbindungsentscheidung selbst ist gemäß § 54 Abs. 3 Satz 1, § 77 Abs. 1 GVG unanfechtbar und unterliegt daher nicht der Prüfung des Revisionsgerichts (§ 336 Satz 2 Alt. 1 StPO). Die auf der Entbindungsentscheidung beruhende Gerichtsbesetzung kann somit grundsätzlich nicht nach § 338 Nr. 1 StPO mit der Revision gerügt werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Entscheidung objektiv willkürlich und der verfassungsrechtliche Grundsatz des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, § 16 Satz 2 GVG verletzt ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 3. März 1982 - 2 StR 32/82, BGHSt 31, 3, 5; vom 22. Juni 1982 - 1 StR 249/81, NStZ 1982, 476; vom 23. Januar 2002 - 5 StR 130/01, BGHSt 47, 220, 222; s. auch BGH, Urteil vom 22. Dezember 2000 - 3 StR 378/00, BGHSt 46, 238, 241; BT-Drucks. 8/976, S. 66; LR/Gittermann, StPO, 26. Aufl., § 54 GVG Rn. 19 f.).
25
Angesichts der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung von § 54 Abs. 3 Satz 1 GVG, § 336 Satz 2 Alt. 1 StPO kommt eine Richtigkeitsprüfung über den Willkürmaßstab hinaus nicht in Betracht und ist auch verfassungsrechtlich nicht erforderlich. So wird das Bundesverfassungsgericht durch die grundrechtsähnliche Gewährleistung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht zu einem Kontrollorgan , das jeden einem Gericht unterlaufenden, die Zuständigkeit des Gerichts berührenden Verfahrensfehler korrigieren müsste. Es beanstandet die fehlerhafte Auslegung von Zuständigkeitsnormen nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar sind (BVerfG, Beschluss vom 16. Februar 2005 - 2 BvR 581/03, NJW 2005, 2689, 2690). Etwas anderes gilt lediglich in dem - hier nicht gegebenen - Fall, dass nicht die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel, sondern die Verfassungsmäßigkeit der der Rechtsanwendung zugrunde liegenden Zuständigkeitsregel (etwa eines Geschäftsverteilungsplans ) selbst zu prüfen ist (BVerfG aaO; BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2012 - 2 BvR 610/12 u.a., NJW 2012, 2334, 2335 mwN).
26
c) Daran gemessen hält die Entbindung des Hauptschöffen Q. der rechtlichen Prüfung stand. Die Entscheidung, der am ordentlichen Sitzungstag verhinderte Hauptschöffe sei (auch) am vorverlegten Sitzungstag, dem 4. Oktober 2012, an der Dienstleistung gehindert, stellt keine nicht mehr vertretbare , objektiv willkürliche Rechtsauslegung dar. Dies ergibt sich bereits daraus , dass die hier zugrundeliegende Rechtsfrage vor der Entscheidung des Senats noch nicht geklärt war und in der Sache unterschiedliche Ansichten nicht unvertretbar waren. So ist etwa auch der Generalbundesanwalt davon ausgegangen, dass für die Frage der Verhinderung auf den ursprünglichen ordentlichen Sitzungstag abzustellen sei, da bei einem Sitzungsbeginn an diesem Tag die Kammer mit dem Hilfsschöffen ordnungsgemäß besetzt gewesen wäre und bei einer Vorverlegung nichts anderes gelten könne.
27
Auf die Frage, ob die Entscheidung des Vorsitzenden auch deshalb nicht willkürlich war, weil er den Schöffen aufgrund des Vermerks der Geschäftsstelle entbunden hat, kommt es danach nicht mehr an.
28
II. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge hat ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
29
Entgegen der Auffassung der Revision sind insbesondere die konkurrenzrechtlichen Bewertungen des Urteils nicht zu beanstanden. Tateinheit zwischen Inverkehrbringen von Falschgeld und Betrug ist angesichts der - von der Revision selbst erkannten - unterschiedlichen Schutzrichtung der beiden Tatbestände möglich (vgl. auch BGH, Urteile vom 27. September 1977 - 1 StR 374/77, juris Rn. 44 mwN; vom 10. Mai 1983 - 1 StR 98/83, BGHSt 31, 380 ff.) und vorliegend durch die Feststellungen auch belegt.
30
Dass der Angeklagte das Falschgeld in einem Akt erhalten hat und sich dazu entschloss, es sukzessive in Verkehr zu bringen, führt nicht zu einer einzigen Tat. Ein einheitlicher Gesetzesverstoß setzt in der hier gegebenen Konstellation voraus, dass der Täter sich das Geld in der Absicht verschafft, es später abzusetzen, und er diese Absicht später verwirklicht (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2011 - 3 StR 51/11, NStZ 2011, 516 f. mwN). Da der Angeklagte bei Erhalt des Falschgeldes ohne Vorsatz handelte, lag zu diesem Zeitpunkt noch keine tatbestandliche Handlung vor, welche die späteren Absatzhandlungen zu einer einzigen Tat verbinden könnte. Auch eine natürliche Handlungseinheit ist nicht gegeben, da es an einem dafür erforderlichen engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen den sich über mehr als drei Jahre hinziehenden einzelnen Handlungen fehlt (vgl. BGH, Urteil vom 29. März 2012 - 3 StR 422/11, StV 2013, 382, 383 mwN).
31
Schließlich begegnet die Annahme einer - indes als Regelbeispiel eines besonders schweren Falles des Betruges nicht in die Urteilsformel aufzunehmenden - gewerbsmäßigen Begehungsweise gemäß § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB keinen Bedenken; denn der Angeklagte wollte sich nach den Feststellungen ersichtlich durch wiederholte Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer verschaffen. Anders als in Fällen des § 146 Abs. 1 Nr. 2 StGB, in denen es bei einem einheitlichen Verschaffungsvorgang an der Absicht wiederholter Tatbegehung fehlen kann (s. dazu etwa BGH, Beschluss vom 1. September 2009 - 3 StR 601/08, NJW 2009, 3798), liegt das deliktische Handeln hier allein in der Wei- tergabe, nicht in dem einheitlichen Verschaffen des Falschgeldes. Daher ist nicht auf die einheitliche Besitzerlangung, sondern auf die beabsichtigte mehrfache Abgabe an gutgläubige Dritte abzustellen. Schäfer Hubert Mayer Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 376/08
vom
9. April 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________
GVG § 21 e Abs. 3, StPO § 338 Nr. 1 Buchst. b
1. Der Präsidiumsbeschluss über die Errichtung einer Hilfsstrafkammer und die
Übertragung (auch) bereits anderweitig anhängiger Sachen an diese (§ 21 e
Abs. 3 GVG) ist zu begründen.
2. Mängel dieser Begründung können spätestens bis zur Entscheidung der Hilfsstrafkammer
über einen in der Hauptverhandlung erhobenen Besetzungseinwand
(§ 222 b StPO) behoben werden.
BGH, Urt. vom 9. April 2009 - 3 StR 376/08 - LG Hannover
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
12. März 2009 in der Sitzung am 9. April 2009, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt - in der Verhandlung vom 12. März 2009 - ,
Staatsanwältin - bei der Verkündung am 9. April 2009 -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung vom 12. März 2009 -
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 29. November 2007 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen und wegen "gewer bsmäßigen" unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die gegen die Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Besetzungsrüge Erfolg, soweit sie beanstandet, die Einrichtung der Hilfsstrafkammer 3 a durch das Präsidium des Landgerichts sei nicht gesetzmäßig erfolgt, so dass diese zur Verhandlung und Entscheidung im vorliegenden Verfahren nicht berufen und das erkennende Gericht somit vorschriftswidrig besetzt gewesen sei (§ 338 Nr. 1 StPO i. V. m. § 21 e Abs. 3 GVG ).
2
1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:
3
Durch schriftliche "Anordnung (1/2007) gemäß § 21 e GVG" vom 10. Januar 2007 eröffnete das Präsidium des Landgerichts "mit Wirkung vom 11. Januar 2007" unter anderem die Hilfsstrafkammer 3 a und teilte dieser die in der Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2006 bei der Strafkammer 3 eingegangenen , dort noch anhängigen Haftsachen zu, die noch nicht terminiert waren. Außerdem wurden dieser Hilfsstrafkammer "mit Wirkung vom 1. März 2007" die nächsten zwei Haftsachen übertragen, für die nach der bisherigen Geschäftsverteilung die Strafkammer 3 zuständig gewesen wäre. Als Anlass für die Änderung der Geschäftsverteilung wurde eingangs der Anordnung insoweit eine Überlastung der Strafkammer 3 angegeben. Eine Begründung enthielt die Entscheidung des Präsidiums nicht. Die Überleitung der bei der Strafkammer 3 bereits anhängigen und noch nicht terminierten Haftsachen erfasste - neben einer weiteren Strafsache - auch das gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfahren.
4
In diesem teilte die Hilfsstrafkammer 3 a mit Schreiben vom 1. Februar 2007 die Gerichtsbesetzung mit. Der Verteidiger des Beschwerdeführers bat mit Schreiben vom 6. Februar 2007 an die Präsidialabteilung des Landgerichts, ihm je eine Kopie der Beschlussfassung über die Änderung der Geschäftsverteilung , des Protokolls der Präsidiumssitzung und der Überlastungsanzeige des Vorsitzenden der ehemals zuständigen Strafkammer zu überlassen. Daraufhin übersandte der Präsident des Landgerichts unter dem 8. Februar 2007 eine Kopie der "Anordnung (1/2007)" und teilte mit, dass die Übersendung eines Protokolls der Präsidiumssitzung nicht möglich sei, weil "dort Protokolle nicht geführt werden". Eine schriftliche Überlastungsanzeige sei nicht gefertigt worden. Sowohl dem Präsidium des Landgerichts als auch dem Oberlandesgericht Celle sei jedoch die Überlastung der Strafkammer bekannt, die die Eröffnung der Hilfsstrafkammer notwendig gemacht habe. Vor der Beschlussfassung des Präsidiums habe er als dessen Vorsitzender darüber hinaus Gespräche mit dem Vorsitzenden und dem stellvertretenden Vorsitzenden der Strafkammer 3 geführt, in denen die Überlastung der Kammer nochmals dargelegt und erörtert worden sei.
5
In der Hauptverhandlung vom 26. Februar 2007 erhob der Angeklagte vor Einlassung zur Sache den Besetzungseinwand gemäß § 222 b Abs. 1 StPO. Zur Begründung beanstandete er unter anderem den Übergang des Verfahrens von der ordentlichen Strafkammer 3 in die Zuständigkeit der Hilfsstrafkammer 3 a und begründete die Rüge insoweit damit, dass weder ein Protokoll der Präsidiumssitzung noch eine Überlastungsanzeige des Vorsitzenden der ordentlichen Strafkammer 3 vorliege. Es sei daher nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher Tatsachen das Präsidium die Einrichtung einer Hilfsstrafkammer meinte beschließen zu müssen.
6
Die Große Hilfsstrafkammer 3 a wies den Besetzungseinwand in der Hauptverhandlung vom 12. März 2007 als unbegründet zurück. § 21 e Abs. 3 Satz 1 GVG ermächtige das Präsidium unter anderem dann zu einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes, wenn dies wegen Überlastung nötig werde. Ob ein Fall der Überlastung eingetreten sei, unterliege allein der Prüfung und Ermessensentscheidung des Präsidiums. Das Gesetz definiere den Begriff "Überlastung" nicht. Insbesondere setze es keine Überlastungsanzeige des betroffenen Spruchkörpers oder die Protokollierung der die Entscheidung vorbereitenden Beratung in der Präsidiumssitzung voraus. Dass Grundlage der "Anordnung (1/2007)" die Feststellung einer Überlastung der Strafkammer 3 gewesen sei, folge aus der Stellungnahme des Präsidenten vom 8. Februar 2007.
7
2. Die Besetzungsrüge ist zulässig erhoben. Sie ist weder wegen unzureichender Substantiierung des in der Hauptverhandlung erhobenen Besetzungseinwandes (§ 222 b Abs. 1 Satz 2 StPO) nach § 338 Nr. 1 Buchst. b StPO präkludiert (s. unten 4. a)) noch hat der Beschwerdeführer die Anforderungen an die Begründung der Besetzungsrüge in der Revision (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) verfehlt (s. unten 4. b)).
8
Die Rüge ist auch begründet. Das Urteil kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil die erforderliche Dokumentation der Gründe fehlt, die das Präsidium zur Änderung der Geschäftsverteilung veranlasst haben, und deshalb nicht beurteilt werden kann, ob die Einrichtung der Hilfsstrafkammer 3 a gesetzmäßig war oder ob der Angeklagte durch die Übertragung seines Verfahrens auf diese Strafkammer unter Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG seinem gesetzlichen Richter entzogen wurde.
9
a) Allerdings darf das Präsidium gemäß § 21 e Abs. 3 Satz 1 GVG die nach Abs. 1 Satz 1 dieser Bestimmung getroffenen Anordnungen im Laufe des Geschäftsjahres ändern, wenn dies wegen Überlastung eines Spruchkörpers nötig wird. Eine solche liegt vor, wenn über einen längeren Zeitraum ein erheblicher Überhang der Eingänge über die Erledigungen zu verzeichnen ist, sodass mit einer Bearbeitung der Sachen innerhalb eines angemessenen Zeitraumes nicht zu rechnen ist (vgl. Velten in SK-StPO § 21 e Rdn. 26) und sich die Überlastung daher als so erheblich darstellt, dass der Ausgleich nicht bis zum Ende des Geschäftsjahres zurückgestellt werden kann (vgl. Kissel/Mayer, GVG 5. Aufl. § 21 e Rdn. 112). Die Rechtsprechungstätigkeit der Gerichte wird immer wieder mit nicht vorhersehbaren Ereignissen und Entwicklungen konfrontiert. Derartige Umstände erfordern ein Eingreifen des Spruchkörpers oder des Präsidiums , um die Effizienz des Geschäftsablaufes zu erhalten oder wiederherzu- stellen. Eine nachträgliche Änderung der Geschäftsverteilung kann auch verfassungsrechtlich geboten sein, wenn nur auf diese Weise die Gewährung von Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit, insbesondere eine beschleunigte Behandlung von Strafsachen, erreicht werden kann. Das Beschleunigungsgebot lässt indes das Recht auf den gesetzlichen Richter nicht vollständig zurücktreten. Vielmehr besteht Anspruch auf eine zügige Entscheidung durch diesen. Daher muss in derartigen Fällen das Recht des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter mit dem rechtsstaatlichen Gebot einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgrundsatz zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden (vgl. BVerfG NJW 2005, 2689, 2690 m. w. N.; Beschl. vom 18. März 2009 - 2 BvR 229/09).
10
b) Zu den vor diesem Hintergrund zulässigen und unter den genannten Voraussetzungen auch gebotenen Änderungsmaßnahmen des Präsidiums im Sinne von § 21 e Abs. 3 GVG zählt auch die Einrichtung einer Hilfsstrafkammer. Dieser im Gesetz nicht erwähnte Spruchkörper darf nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (vgl. BGHSt 21, 260, 261) bei vorübergehender Überlastung eines ständigen Spruchkörpers für begrenzte Zeit errichtet werden (h. M.; aA Velten aaO § 21 e Rdn. 44); er gehört nicht zu den "institutionellen" Kammern des Landgerichts und vertritt die ordentliche Strafkammer in solchen Geschäften, die diese infolge anderweitiger Inanspruchnahme nicht selbst erledigen kann (vgl. BGHSt 31, 389, 391). Die Regelung der mit der Errichtung einer Hilfsstrafkammer verbundenen Übertragung von Aufgaben der ordentlichen Strafkammer hat denselben Grundsätzen zu folgen, wie sonstige Änderungen im Sinne von § 21 e Abs. 3 GVG; insbesondere ist auch insoweit das Abstraktionsprinzip zu beachten. Danach muss auch die Änderung des Geschäftsverteilungsplans die Aufgaben nach allgemeinen, sachlichobjektiven Merkmalen der Hilfsstrafkammer übertragen. Eine spezielle Zuwei- sung bestimmter einzelner Verfahren ist unzulässig (vgl. Kissel/Mayer aaO § 21 e Rdn. 99, 111). Nach diesen Maßstäben steht Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG einer Änderung der (funktionellen) Zuständigkeit auch für bereits anhängige Verfahren jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Neuregelung generell gilt, also etwa außer mehreren anhängigen Verfahren auch eine unbestimmte Vielzahl künftiger, gleichartiger Fälle erfasst, und nicht aus sachwidrigen Gründen geschieht (BVerfGE 24, 33, 54 f.; BVerfG NJW 2003, 345; 2005, 2689, 2690 m. w. N.). In Ausnahmefällen kann aber auch eine Änderung der Geschäftsverteilung zulässig sein, die der Hilfsstrafkammer ausschließlich bereits anhängige Verfahren überträgt, wenn nur so dem verfassungs- und konventionsrechtlichen Beschleunigungsgebot insbesondere in Haftsachen (s. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) angemessen Rechnung getragen werden kann (vgl. BGHSt 44, 161, 165 ff.; BVerfG Beschl. vom 29. März 2007 - 2 BvR 188/07 und vom 18. März 2009 - 2 BvR 229/09; noch offen gelassen in BVerfG NJW 2005, 2689, 2690). Gleichgültig, ob der Hilfsstrafkammer ausschließlich anhängige Verfahren oder daneben auch zukünftig eingehende Verfahren zugewiesen werden, muss jedoch jede Umverteilung während des laufenden Geschäftsjahres , die bereits anhängige Verfahren erfasst, geeignet sein, die Effizienz des Geschäftsablaufs zu erhalten oder wiederherzustellen. Denn Änderungen der Geschäftsverteilung, die diesen Anforderungen nicht genügen, sind nicht im Sinne des § 21 e Abs. 3 Satz 1 GVG nötig und können vor allem vor Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG keinen Bestand haben (BVerfG NJW 2005, 2689, 2690).
11
c) Obwohl die Umverteilung von Geschäftsaufgaben auf eine Hilfsstrafkammer nach diesen Maßstäben grundsätzlich zulässig ist, birgt sie doch stets erhebliche Gefahren für das verfassungsrechtliche Gebot der Gewährleistung des gesetzlichen Richters in sich. Dies gilt in besonderem Maße bei Überleitung bereits bei der überlasteten ordentlichen Strafkammer anhängiger Verfahren in die Zuständigkeit der Hilfsstrafkammer, weil dann schon eine anderweitige Zuständigkeit konkretisiert und begründet worden war. Daher ist es in solchen Fällen geboten, die Gründe, die eine derartige Umverteilung erfordern, zu dokumentieren und den Verfahrensbeteiligten - jedenfalls auf Verlangen - zur Kenntnis zu geben, um "dem Anschein einer willkürlichen Zuständigkeitsverschiebung" entgegen zu wirken (vgl. BVerfG NJW 2005, 2689, 2690; Beschl. vom 18. März 2009 - 2 BvR 229/09). Eine solche Pflicht zur umfassenden, nachvollziehbaren Dokumentation und Darlegung der Gründe besteht auch dann, wenn neben der Umverteilung bereits anhängiger Verfahren auch zukünftig eingehende Sachen auf die Hilfsstrafkammer übertragen werden (vgl. hierzu einschränkend - nicht tragend - BGH - 2. Strafsenat - NStZ 2007, 537; vgl. auch 5. Strafsenat in BGHR GVG § 21 e Abs. 3 Änderung 7; zur Begründungspflicht vgl. Kissel/Mayer aaO § 21 e Rdn. 73 aE; Velten aaO § 21 e Rdn. 30); denn auch bei einer derartigen Änderung der Geschäftsverteilung bedarf die Überleitung schon anhängiger Verfahren in eine neue Zuständigkeit besonderer Rechtfertigung.
12
Den sich danach ergebenden Anforderungen an die Begründung einer Änderung der Geschäftsverteilung nach § 21 e Abs. 3 GVG, durch die eine Hilfsstrafkammer errichtet wird und dieser bereits bei einer ordentlichen Strafkammer anhängige Verfahren zugewiesen werden, genügt die hier beanstandete Entscheidung des Präsidiums nicht. Dieses hat eine rechtzeitige Dokumentation der für die "Anordnung (1/2007)" maßgeblichen Gründe und Erwägungen völlig unterlassen. Deren revisionsrechtliche Überprüfung ist dem Senat daher nicht möglich.
13
3. Die Anforderungen an Inhalt und Umfang der gebotenen Dokumentation richten sich nach den Maßstäben, die für die revisionsgerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines derartigen Präsidiumsbeschlusses bestehen. Hierfür gilt:
14
a) Die revisionsrechtliche Überprüfung der Gesetzmäßigkeit einer Abänderung der Geschäftsverteilung im Laufe des Geschäftsjahres ist nicht ausgeschlossen , sondern grundsätzlich möglich (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 3, 353 ff.; 44, 161, 165, 170; Kissel/Mayer § 16 Rdn. 50 ff., § 21 e Rdn. 120). Sie beschränkt sich bei Errichtung einer Hilfsstrafkammer nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings darauf, ob der neue Spruchkörper in gesetzmäßiger Weise vom Präsidium errichtet worden ist und ob die für die Bildung der Hilfsstrafkammer als Grund angegebenen Tatsachen den Rechtsbegriff der (vorübergehenden) Überlastung erfüllen (vgl. Kuckein in KK 6. Aufl. § 338 Rdn. 30 m. w. N.). Auf die Tatsachen, die zu der Änderung geführt haben, sowie darauf, ob die ordentliche Strafkammer tatsächlich überlastet war, erstreckt sich die Prüfung hingegen nicht (vgl. BGHR GVG § 21 e Abs. 3 Änderung 4; Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 338 Rdn. 22). Der Nachprüfung durch das Revisionsgericht sind danach enge Grenzen gesetzt (vgl. BGHR GVG § 21 e Hilfsstrafkammer 1 m. w. N.). Dies wird aus der eigenverantwortlichen Stellung des Präsidiums als Gremium verwaltungsunabhängiger Selbstorganisation der Gerichte und aus der Besonderheit der ihm übertragenen Aufgaben hergeleitet. Daraus folge, dass der Beurteilung durch das Präsidium wegen der Notwendigkeit flexibler, an die konkrete Situation angepasster und auf wesentliche Veränderungen zeitnah reagierender Entscheidungen schon deshalb ein gewisser Vorrang zukommen müsse, weil es über Entscheidungsgrundlagen verfüge, die dem sachverhaltsferneren Revisionsgericht durch dienstliche Äußerungen und andere Mittel des Beweises nur unvollkom- men vermittelt werden könnten. Hinzu komme, dass die Entscheidungen über die Geschäftsverteilung wesentlich von der Bewertung zukünftiger Entwicklungen insbesondere im Geschäftsanfall bestimmt seien und solche vorausschauenden Beurteilungen ihrer Natur nach eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle nicht zuließen. Aus diesen Gründen sei die Regelung der Geschäftsverteilung , soweit es an bindenden rechtlichen Vorgaben fehle, dem pflichtgemäßen Ermessen des Präsidiums zu überlassen. Im Bereich rechtlicher Einzelnormierung müsse den dargelegten Besonderheiten dadurch Rechnung getragen werden, dass dem Präsidium bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ein weiter Beurteilungsspielraum zugebilligt werde. Um einen solchen unbestimmten Rechtsbegriff handele es sich bei der Voraussetzung vorübergehender Überlastung der ordentlichen Strafkammer, von der die Einrichtung einer Hilfsstrafkammer abhänge. Ein durchgreifender Rechtsmangel sei daher erst dann begründet, wenn offen zu Tage liege, dass die Entscheidung über die Bildung der Hilfsstrafkammer und/oder die damit verbundene Zuweisung von Geschäften an diese als objektiv willkürlich zu bewerten sei (vgl. Breidling in Löwe/Rosenberg aaO § 21 e GVG Rdn. 45).
15
b) Demgegenüber hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 16. Februar 2005 (NJW 2005, 2689, 2690) ausgeführt, dass es bei der Prüfung, ob in einem bestimmten Verfahren dem grundrechtsgleichen Anspruch des Betroffenen auf Gewährleistung des gesetzlichen Richters genügt worden sei, zwar die Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen grundsätzlich nur beanstande, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erschienen und offensichtlich unhaltbar - mithin willkürlich - seien. Jedoch sei dies anders, wenn nicht die fehlerhafte Auslegung oder Anwendung einer Zuständigkeitsregel (etwa eines Geschäftsverteilungsplans oder der Voraussetzungen des § 21 e Abs.
3 GVG) durch das Gericht, sondern die Verfassungsmäßigkeit der Regelung im Geschäftsverteilungsplan, die der Rechtsanwendung zugrunde liege, betroffen sei. An die verfassungsrechtliche Überprüfung der Umverteilung von bereits anhängigen Verfahren durch das Präsidium müsse vielmehr ein Kontrollmaßstab angelegt werden, der über eine reine Willkürprüfung hinausgehe und in den Fällen der nachträglichen Zuständigkeitsänderung jede Rechtswidrigkeit einer solchen durch das Präsidium getroffenen Regelung im Geschäftsverteilungsplan erfasse.
16
c) Es liegt auf der Hand, dass der Maßstab der Fachgerichte bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Änderung der Geschäftsverteilung nach § 21 e Abs. 3 GVG und hier damit derjenige des Senats bei der revisionsrechtlichen Beurteilung der Einrichtung der Hilfsstrafkammer 3 a sowie der Umverteilung von Strafverfahren an diese aufgrund der Besetzungsrüge kein abweichender sein kann. Denn ansonsten fände die Überprüfung der Präsidiumsentscheidung nach den verfassungsrechtlich vorgegebenen Beurteilungskriterien erst in einem vom Angeklagten eventuell angestrengten Verfassungsbeschwerdeverfahren statt. An dem eingeschränkten Maßstab einer reinen Willkürprüfung kann daher insoweit nicht festgehalten werden.
17
Dies wirkt jedoch zurück auf die Anforderungen an den Inhalt der Dokumentation eines Präsidiumsbeschlusses über die Errichtung einer Hilfsstrafkammer und die Übertragung (auch) bereits anderweitig anhängiger Sachen auf diese. Der Beschluss muss so detailliert begründet sein, dass eine Prüfung seiner Rechtmäßigkeit nach den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Maßstäben möglich ist (s. näher BVerfG NJW 2005, 2689, 2690 f.).
18
d) Diese Dokumentation muss im erforderlichen Umfang grundsätzlich schon zum Zeitpunkt der Präsidiumsentscheidung vorliegen. Denn sie dient nicht nur der notwendigen Unterrichtung der Präsidiumsmitglieder über die Gründe für die geplante Änderung des Geschäftsverteilungsplans, sondern bildet für diese auch die erforderliche umfassende Entscheidungsgrundlage. Die Ermittlung und Niederlegung aller bedeutsamen Umstände zu diesem Zeitpunkt stellt sicher, dass die Entscheidung des Präsidiums auf dem aktuellen Stand der Belastungssituation der ordentlichen Strafkammer und der übrigen bedeutsamen Umstände beruht. Ferner ist die Dokumentation der Gründe der Umverteilung von Verfahren zu diesem Zeitpunkt am besten geeignet, gegenüber allen Verfahrensbeteiligten dem "Anschein der Willkürlichkeit" entgegenzuwirken. Schließlich können die zur Erhebung des Besetzungseinwands nach § 222 b Abs. 1 StPO Berechtigten nur bei Vorliegen der Änderungsgründe auf tragfähiger sachlicher Grundlage sowie rechtzeitig entscheiden, ob die Besetzung des erkennenden Gerichts ordnungsgemäß ist oder ob es Umstände gibt, die einen Besetzungseinwand rechtfertigen (s. näher unten 4. a)).
19
e) Die Dokumentation der Änderungs- und Umverteilungsgründe muss jedenfalls spätestens in dem Zeitpunkt vorhanden sein, in dem in einer der in die Zuständigkeit der Hilfsstrafkammer fallenden Sachen über einen (zulässig erhobenen) Besetzungseinwand nach § 222 b Abs. 2 StPO sachlich zu entscheiden ist. Unabhängig davon, dass bei Fehlen einer Begründung der Änderung zum Zeitpunkt des Präsidiumsbeschlusses eine verlässliche Rekonstruktion der tatsächlichen Gründe für die Errichtung der Hilfsstrafkammer mit zunehmendem Zeitablauf immer schwieriger wird, ergibt sich dies aus dem Sinn und Zweck der für die erstinstanzlichen Verfahren vor dem Landgericht und Oberlandesgericht bestehenden Rügepräklusion; denn mit den durch das Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 vom 5. Oktober 1978 (BGBl I S. 1645) einge- führten Präklusionsvorschriften der § 222 b Abs. 1, § 338 Nr. 1 StPO wollte der Gesetzgeber erreichen, dass Besetzungsfehler bereits in einem frühen Verfahrensstadium erkannt und geheilt werden, um zu vermeiden, dass ein möglicherweise mit großem justiziellem Aufwand zustande gekommenes Urteil allein wegen eines derartigen Besetzungsfehlers im Revisionsverfahren aufgehoben und in der Folge die gesamte Hauptverhandlung - mit erheblichen Mehrbelastungen sowohl für die Strafjustiz als auch für den Angeklagten - wiederholt werden muss (vgl. BGH NJW 2003, 2545, 2546 unter Hinweis auf die Begründung des Entwurfs BTDrucks. 8/976 S. 25 ff.). Deshalb wurde ein Zwischenverfahren über die gegen die Besetzung erhobenen Beanstandungen geschaffen, um der Gefahr einer Ausuferung der Besetzungsrügen entgegenzuwirken und sie auf das verfassungsrechtlich gebotene Maß zurückzuführen (vgl. Kissel/Mayer aaO § 16 Rdn. 60; Schlüchter in SK-StPO § 222 b Rdn. 1). Soll dieses Zwischenverfahren effektiv sein und seinen vom Gesetzgeber bestimmten Sinn und Zweck erfüllen, bereits zu Beginn der erstinstanzlichen Hauptverhandlung und nicht erst in der Revisionsinstanz zu klären, ob das erkennende Gericht vorschriftsmäßig besetzt ist, so müssen die Rügeberechtigten, die hinsichtlich des Einwands besonderen Begründungspflichten unterworfen sind, wie auch das nach § 222 b Abs. 2 StPO über den Einwand entscheidende Gericht in der Lage sein, anhand der maßgeblichen Tatsachen zu beurteilen, ob Besetzungsmängel vorhanden sind (vgl. Gollwitzer in Löwe/Rosenberg aaO § 222 b Rdn. 25).
20
All dies erfordert im Falle der Änderung der Geschäftsverteilung wegen Überlastung eines Spruchkörpers im Sinne des § 21 e Abs. 3 StPO, insbesondere bei Umverteilung (auch) bereits anhängiger Verfahren eine Begründung der Anordnung zugleich mit dem maßgeblichen Beschluss des Präsidiums. Etwaige Begründungsmängel können spätestens bis zur Entscheidung über einen erhobenen Besetzungseinwand gemäß § 222 b StPO behoben werden, sofern der zunächst einer umfassenden Begründung ermangelnde Änderungsbeschluss des Präsidiums durch eine ausführliche, alle Gründe für die Umverteilung dokumentierende Begründung in einem ergänzenden Beschluss des Präsidiums bestätigt wird, so dass der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt einen berechtigten Anlass zu der Annahme hatte, die Gerichtszuständigkeit sei zu seinen Lasten manipuliert worden (vgl. BVerfG, Beschl. vom 18. März 2009 - 2 BvR 229/09).
21
Daran gemessen war die vom Präsidenten des Landgerichts in seinem Schreiben an den Verteidiger vom 8. Februar 2007 vor Beginn der Hauptverhandlung erteilte Auskunft zwar noch rechtzeitig; indes war sie nach ihrem sachlichen Gehalt nicht geeignet, die Prüfung der Änderung der Geschäftsverteilung nachträglich zu ermöglichen. Das Schreiben enthielt lediglich die Behauptung einer - nur innerhalb der Justiz bekannten - Überlastung der Strafkammer 3 zum Zeitpunkt des Präsidiumsbeschlusses, belegte diese jedoch nicht mit Tatsachen. Gleiches gilt für die Mitteilung des Landgerichtspräsidenten , dass er vor der Einrichtung der Hilfsstrafkammer 3 a mit dem Vorsitzenden und dem stellvertretenden Vorsitzenden der ordentlichen Strafkammer 3 Gespräche geführt habe, in denen die Überlastung der Kammer nochmals dargelegt und erörtert worden sei. Die erforderliche Dokumentation der Gründe des Präsidiumsbeschlusses wurde somit auch nicht rechtzeitig nachgeholt.
22
4. Aus all dem folgt für die Entscheidung über die Besetzungsrüge:
23
a) Da der Angeklagte mit seinem in der Hauptverhandlung rechtzeitig erhobenen Besetzungseinwand alle Tatsachen vorgebracht hat, die ihm zu den Hintergründen der Errichtung der Hilfsstrafkammer 3 a zugänglich waren, hat er die ihm gemäß § 222 b Abs. 1 Satz 2 StPO insoweit obliegende Vortragslast erfüllt und ist daher mit der Besetzungsrüge nicht nach § 338 Nr. 1 Buchst. b StPO präkludiert. Weiteres musste er nicht darlegen; insbesondere war er mangels jeder Dokumentation der für die "Anordnung (1/2007)" maßgeblichen Gründe nicht gehalten, seinerseits die Tatsachen vorzutragen, die die Hilfsstrafkammer benötigte, um die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung und damit ihre eigene Zuständigkeit sowie die Berechtigung des Besetzungseinwands inhaltlich prüfen zu können.
24
Das auf den Besetzungseinwand in den erstinstanzlichen Verfahren vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten eröffnete Zwischenverfahren dient dazu, die Prüfung und Beanstandung der Gerichtsbesetzung auf den von § 222 b Abs. 1 Satz 1 StPO beschriebenen Zeitpunkt vorzuverlegen, damit ein Fehler rechtzeitig aufgedeckt und gegebenenfalls geheilt wird. Damit wird auch dem Recht des Angeklagten, sich nur vor seinem gesetzlichen Richter verantworten zu müssen, besser Rechnung getragen, als wenn er darauf verwiesen würde, dieses Recht erst mit der Revision geltend zu machen. Ist jedoch der Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung zur Wahrung der entsprechenden Revisionsrüge zu Beginn der Hauptverhandlung zu erheben, so muss rechtlich und faktisch auch die Möglichkeit zur Prüfung der Besetzung vor der Verhandlung bestehen, da andernfalls die Rechte der Prozessbeteiligten und insbesondere des Angeklagten in nicht hinnehmbarer Weise verkürzt würden. Ihm ist daher - jedenfalls auf sein Verlangen - die insoweit erforderliche Tatsachenkenntnis zu verschaffen, nicht etwa muss er diese Tatsachen selbst ermitteln. Denn aus dem Grundsatz einer rechtsstaatlichen, fairen Verfahrensführung folgt, dass ihm eine effektive Überprüfung der Besetzung ermöglicht werden muss, und dass die Präklusionswirkung des nicht vollständig erhobenen Einwandes für das Revisionsverfahren nur so weit reichen darf, wie diese Möglichkeit gewährt worden ist. Hieraus ergibt sich, dass in den in Betracht kommen- den Fällen eine Pflicht zur Mitteilung der Gerichtsbesetzung und zur Information über die hierfür maßgebenden Gründe besteht sowie ein ausreichend bemessener Zeitraum gewährt werden muss (vgl. Begründung des Gesetzesentwurfs BTDrucks. 8/976 S. 26).
25
Da hier die Gründe, die für die Einrichtung der Hilfsstrafkammer 3 a bestimmend waren, nicht dokumentiert worden sind, war es dem Angeklagten unmöglich, die Ordnungsmäßigkeit der Besetzung des erkennenden Gerichts auch nur im Ansatz zu überprüfen. Damit konnte er nicht beurteilen, ob ein Besetzungseinwand berechtigt war oder für seine Erhebung kein Anlass bestand. Demgemäß war er entweder darauf verwiesen, die Wahrung seines Rechts auf den gesetzlichen Richter in der ersten Instanz ungeprüft zu lassen - was die Präklusion seiner erst im Revisionsverfahren geltend gemachten Besetzungsrüge zur Folge gehabt hätte - oder den Besetzungseinwand - wie geschehen - vorsorglich und "ins Blaue hinein" zu erheben. Zwar war er dabei nicht in der Lage, diesen Einwand in der vorgeschriebenen Art und Weise zu begründen; denn hierzu hätte er die Fehlerhaftigkeit der Besetzung substantiiert behaupten, also anhand von Tatsachen schlüssig darlegen (§ 222 b Abs. 1 Satz 2 StPO), sowie alle Beanstandungen gleichzeitig vorbringen müssen (§ 222 b Abs. 1 Satz 3 StPO; vgl. Gollwitzer aaO § 222 b Rdn. 17, 18; Schlüchter aaO § 222 a Rdn. 1). Dies kann jedoch aus den dargelegten Gründen nicht zu seinen Lasten gehen. Da ihm keine Dokumentation über die Gründe für die Änderung der Geschäftsverteilung zur Verfügung stand, durfte er sich zur Begründung des Besetzungseinwands daher auf die Beanstandung beschränken, dass mangels vorhandener Unterlagen nicht nachzuvollziehen sei, aufgrund welcher Tatsachen das Präsidium die Hilfsstrafkammer eingerichtet hat. Das aus § 222 a Abs. 3 StPO folgende Recht auf Einsicht in die Besetzungsunterlagen änderte hieran nichts, weil es - worauf der Präsident in seinem Schreiben an den Verteidiger hingewiesen hatte - eine Niederlegung der Gründe für die Umverteilung der Geschäfte nicht gab.
26
Demgegenüber kann vom Angeklagten nicht verlangt werden, dass er über die eingeholten Mitteilungen der Justizverwaltung hinaus selbst ermitteln müsse, ob die Errichtung einer Hilfsstrafkammer und die Zuweisung der Geschäfte an diese ordnungsgemäß waren. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - jede Dokumentation zu der entsprechenden Entscheidung des Präsidiums fehlt. Denn dies würde bedeuten, dass dem Angeklagten die Pflicht auferlegt würde, selbst die gesamte Belastungssituation der ordentlichen Strafkammer in allen Einzelheiten zu erforschen und die insoweit maßgeblichen Tatsachen festzustellen. Dies wäre - falls es überhaupt gelingen könnte - mit einem enormen Aufwand verbunden und würde etwa auch die Einsicht in verfahrensfremde Akten sowie alle sonstige interne Unterlagen der als überlastet angesehenen Strafkammer, wie zum Beispiel Verhandlungskalender und Terminierungspläne erfordern. Solch umfangreiche Ermittlungen sind einem Angeklagten - zumal innerhalb der regelmäßig kurzen Zeit zwischen der Mitteilung der Gerichtsbesetzung und dem Beginn der Hauptverhandlung sowie ungeachtet der Frage, ob entsprechende Einsichtsrechte überhaupt bestünden - jedenfalls nicht zuzumuten und in der Regel tatsächlich auch gar nicht möglich. Ob dies anders zu beurteilen ist, wenn eine Begründung der Änderung der Geschäftsverteilung vorliegt und zusätzlich nur wenige einzelne Umstände ermittelt und vorgetragen werden müssen (vgl. BGHSt 44, 161, 163 f.), braucht hier nicht entschieden zu werden.
27
b) Für die aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO folgende Vortragslast des Angeklagten zur Begründung der Besetzungsrüge in der Revision gilt das Entsprechende. Ist eine Dokumentation der Gründe für die Änderung der Ge- schäftsverteilung nicht vorhanden und hat der Angeklagte auf seinen Besetzungseinwand keine weitergehenden Informationen erhalten, so kann er auch die im Revisionsverfahren erhobene (nicht präkludierte) Besetzungsrüge nur ebenso pauschal ausführen, wie seinen Besetzungseinwand. Vom Angeklagten zu verlangen, dass er für das Revisionsverfahren darüber hinaus alle Tatsachen ermitteln (und vortragen) müsse, die eine nicht ordnungsgemäße Besetzung der Hilfsstrafkammer belegen, würde die aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO folgenden Pflichten überspannen (vgl. BVerfG StV 2006, 57; StraFo 2005, 512 m. w. N.; Beschl. vom 10. März 2009 - 2 BvR 49/09).
28
c) Die vom Senat zu den Gründen der Errichtung der Hilfsstrafkammer eingeholten dienstlichen Stellungnahmen des Präsidenten des Landgerichts und des damaligen Vorsitzenden der ordentlichen Strafkammer 3 können nicht herangezogen werden, um die vorschriftsmäßige Besetzung des erkennenden Gerichts nachträglich zu belegen. Denn aus dem dargelegten Sinn und Zweck der Rügepräklusion nach § 222 b Abs. 1, § 338 Nr. 1 StPO folgt, dass jedenfalls dann, wenn jede Dokumentation der Gründe für die Errichtung einer Hilfsstrafkammer und die Übertragung bereits anderweit anhängiger Verfahren in deren Zuständigkeit unterblieben ist, ein Nachschieben von Gründen nach der Entscheidung über den Besetzungseinwand unbeachtlich ist und insbesondere einer mit der Revision erhobenen Besetzungsrüge nicht mehr den Boden entziehen kann. Vielmehr greift diese ohne weiteres durch. Denn in diesem Fall muss auch der im Revisionsverfahren herrschende Grundsatz zurückstehen, dass nur ein bewiesener Verfahrensmangel zur Aufhebung eines Urteils führen kann (vgl. Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 337 Rdn. 10). Hierzu gilt:
29
Im Allgemeinen sind die zu einer Besetzungsrüge vorgebrachten Tatsachenbehauptungen , die nicht durch den Inhalt des Protokolls bewiesen werden können (§ 274 StPO), zwar der Überprüfung durch das Revisionsgericht im Wege des Freibeweises zugänglich (vgl. Sarstedt/Hamm, Die Revision in Strafsachen , 6. Aufl. Rdn. 295 ff., 298). Eine abweichende Beurteilung ist aber dann geboten, wenn im Revisionsverfahren erstmals die auch dem Revisionsführer bisher unbekannten Tatsachen in vollem Umfang ermittelt werden müssten, die für die Beurteilung der Zuständigkeit des erstinstanzlich erkennenden Spruchkörpers maßgeblich sind, und dadurch der Regelungszweck der § 222 b Abs. 1, § 338 Nr. 1 StPO konterkariert würde. Hierfür ist auch von Belang, dass das Revisionsverfahren zur Ermittlung der Hintergründe der regelmäßig schon länger zurückliegenden Präsidiumsentscheidungen denkbar ungeeignet ist, weil eine exakte Aufklärung der entsprechenden Umstände wegen des erheblichen Zeitablaufs kaum geleistet werden kann. Aus diesem Grund könnten die Durchführung des Freibeweisverfahrens und die Heranziehung seiner Erkenntnisse im Übrigen darauf hinauslaufen, dass sich die Nachlässigkeit des Präsidiums im Ergebnis zu Lasten des Beschwerdeführers auswirkt. Denn führten die freibeweislichen Erhebungen nicht zu einem eindeutigen Ergebnis, so bliebe der gerügte Besetzungsmangel unbewiesen mit der Folge, dass - verfassungsrechtlich unbedenklich - von einer ordnungsgemäßen Besetzung auszugehen wäre (vgl. Meyer-Goßner aaO § 337 Rdn. 12). Danach ist es im vorliegenden Fall letztlich ohne Belang, ob die Besetzung des erkennenden Gerichts tatsächlich nicht vorschriftsmäßig im Sinne von § 338 Nr. 1 StPO war. Der Senat weist daher nur ergänzend darauf hin, dass auch der Inhalt der von ihm eingeholten dienstlichen Erklärungen nach den aufgezeigten Maßstäben die Rechtmäßigkeit der "Anordnung (1/2007)" zur Errichtung der Hilfsstrafkammer und Umverteilung von Strafverfahren nicht belegt.
30
Ob das Freibeweisverfahren in der Revision durchzuführen ist und dadurch erlangte Erkenntnisse heranzuziehen sind, wenn eine vorhandene Dokumentation nur punktuell zu ergänzen ist (vgl. BGHSt 44, 161), kann der Senat wiederum offen lassen.
31
d) Die Sache bedarf somit neuer Verhandlung und Entscheidung.
Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 116/13
vom
10. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 10. Juli 2013 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten P. wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 19. September 2012, soweit es ihn betrifft und er verurteilt worden ist, mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten P. wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt, eine Verfallsentscheidung gegen ihn getroffen und ihn im Übrigen freigesprochen. Die Revision des Angeklagten hat mit der Besetzungsrüge Erfolg, soweit sie beanstandet, die Übertragung des Verfahrens auf eine andere Strafkammer sei nicht gesetzmäßig erfolgt, so dass diese zur Verhandlung und Entscheidung im vorliegenden Verfahren nicht berufen und das erkennende Gericht somit vorschriftswidrig besetzt gewesen sei (§ 338 Nr. 1 StPO i.V.m. § 21e Abs. 3 GVG).
2
1. Der Rüge liegt folgendes Prozessgeschehen zugrunde:
3
Mit Datum vom 2. Juli 2012 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage beim Landgericht, die der Vorsitzende Richter der nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständigen 6. großen Strafkammer mit Verfügung vom 12. Juli 2012 zustellte.
4
Am 18. Juli 2012 stellte das Präsidium des Landgerichts Aachen in einem Vermerk Folgendes fest:
5
"Die 6. große Strafkammer (zugleich 1. große Wirtschaftsstrafkammer und 3. Kammer für Bußgeldsachen) hat Probleme, alle bei ihr anhängigen Haftsachen zeitnah zu verhandeln. Die Kammer verhandelt derzeit seit dem 24.02.2012 die Haftsache gegen K. u.a. (66 KLs 15/11), Hauptverhandlungstermine sind derzeit bis zum 01.10.2012 bestimmt. Parallel dazu wird neben kleineren Verfahren seit dem 16.04.2012 die Wirtschaftsstrafsache gegen A. u.a. (86 KLs 12/08) verhandelt; Hauptverhandlungstermine sind hier bis zum 21.08.2012 bestimmt. In der Zeit vom 28.08.2012 - 31.08.2012 ist die Strafsache gegen S. (66 KLs 8/12; OLG-Frist 01.06.2012) terminiert. Im September und Oktober 2012 sind bereits Termine in einer weiteren Haftsache (86 KLs 11/12; OLG-Frist 03.07.12) mit der Verteidigung abgestimmt; zudem sind einzelne Kammermitglieder in der zweiten Septemberhälfte bzw. Anfang Oktober 2012 in Urlaub. In der Zeit vom 16.10.2012 - 20.11.2012 ist eine weitere alte Wirtschaftsstrafsache gegen Sch. u.a. (86 KLs 30/08) terminiert. Obwohl es sich um eine Nichthaftsache handelt, scheidet eine Aufhebung des Termins aus. Die Hauptverhandlung in dieser Sache musste bereits einmal aufgehoben werden; bei einer erneuten Aufhebung könnte Verjährung drohen.
6
Noch nicht terminiert ist die am 09.07.2012 eingegangene Strafsache gegen P. u.a. (66 KLs 16/12; OLG-Frist 09.09.2012). Dieses Verfahren könnte die 6. große Strafkammer frühestens im Anschluss an die Wirtschaftsstrafsache gegen Sch. u.a. ab dem 21.11.2012 verhandeln.
7
Eine teilweise Entlastung der 6. großen Strafkammer ist durch die 1. große Strafkammer möglich. Diese Kammer hat ab Anfang September 2012 noch Termine für Haftsachen frei. Frühere Hauptverhandlungstermine stehen auch bei den übrigen großen Strafkammern des Landgerichts Aachen nicht zur Verfügung".
8
Am gleichen Tag fasste das Präsidium folgenden Beschluss:
9
"Aus den vorstehenden Gründen wird beschlossen:
10
1. Anstelle der 6. großen Strafkammer werden alle nach dem Geschäftsplan des Landgerichts Aachen für das Geschäftsjahr 2012 in die Zuständigkeit der 6. großen Strafkammer (ohne 1. große Wirtschaftsstrafkammer und 3. Kammer für Bußgeldsachen) fallenden, beim Landgericht Aachen erhobenen Anklagen und Anträge in Sicherungsverfahren gemäß § 413 StPO der 1. großen Strafkammer zur Bearbeitung zugewiesen, soweit die Anklagen und Anträge im Sicherungsverfahren - in der Zeit vom 01.07.2012 bis zum Ablauf des heutigen Tages beim Landgericht Aachen eingegangen sind oder noch eingehen und - bis zum Ablauf des gestrigen Tages noch nicht eröffnet oder noch nicht durch Urteil oder eine sonstige verfahrensbeendende Entscheidung erledigt worden sind. 2.......".
11
Mit Beschluss vom 13. August 2012 eröffnete die 1. große Strafkammer des Landgerichts Aachen das Verfahren gegen den Angeklagten u.a. und bestimmte fünf Hauptverhandlungstermine, beginnend ab 4. September 2012. Am ersten Tag der Hauptverhandlung rügte ein Verteidiger eines Mitangeklagten die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts, dem sich die Verteidigerin des Angeklagten P. anschloss. Mit Beschluss vom 17. September 2012 wies die 1. große Strafkammer die Besetzungsrüge der Angeklagten zurück. Zur Begründung führte sie aus:
12
"Mit Blick auf das Beschleunigungsgebot war die Ableitung des Verfahrens von der 6. großen Strafkammer auf die 1. große Strafkammer geboten. Zur weiteren Begründung wird auf den zitierten Vermerk des Präsidiums des Landgerichts Aachen vom 18.07.2012 verwiesen, in dem nachvollziehbar dargelegt wird, dass die 6. große Strafkammer zu entlasten war und eine Zuweisung der Sache an die 1. große Strafkammer zu erfolgen hatte, die als einzige Kammer in der Lage war, innerhalb der Frist des § 121 StPO mit der Hauptverhandlung zu beginnen".
13
Der Präsident des Landgerichts Aachen nahm mit Schreiben vom 17. Dezember 2012 zur Besetzungsrüge des Angeklagten Stellung. Dabei teilte er mit, warum sich das Präsidium entschieden habe, das Verfahren an eine andere Strafkammer zu übertragen. Bei einem Verhandlungsbeginn ab dem 21. November 2012 wäre die OLG-Frist (des § 121 Abs. 1 StPO) um rund 2 ½ Monate überschritten gewesen. Nach ständiger Rechtsprechung des für die Haftentscheidung zuständigen Senats des Oberlandesgerichts Köln müsse eine Hauptverhandlung innerhalb von drei Monaten nach Eröffnung beginnen. Bei einem Eingang der Sache am 9. Juli 2012 hätte die Kammer erfahrungsgemäß am 9. August 2012 über eine Eröffnung entscheiden können. Die Hauptverhandlung hätte danach jedenfalls am 9. November 2012 beginnen müssen. Auch dieser Termin wäre von der 6. großen Strafkammer jedoch nicht einzuhalten gewesen.
14
2. Die Rüge ist begründet. Die Übertragung des den Angeklagten betreffenden Verfahrens auf die 1. große Strafkammer ist nicht gesetzmäßig erfolgt. Diese war deshalb nicht zur Verhandlung und Entscheidung im vorliegenden Verfahren berufen, das erkennende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt (§ 338 Nr. 1 StPO).
15
a) Das Präsidium darf gemäß § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG die nach Abs. 1 Satz 1 dieser Bestimmung getroffenen Anordnungen im Laufe des Geschäftsjahrs ändern, wenn dies wegen Überlastung eines Spruchkörpers nötig wird. Eine solche liegt vor, wenn über einen längeren Zeitraum ein erheblicher Überhang der Eingänge über die Erledigungen zu verzeichnen ist, sodass mit einer Bearbeitung der Sachen innerhalb eines angemessenen Zeitraums nicht zu rechnen ist und sich die Überlastung daher als so erheblich darstellt, dass der Ausgleich nicht bis zum Ende des Geschäftsjahrs zurückgestellt werden kann. Die Rechtsprechungstätigkeit der Gerichte wird immer wieder mit nicht vorhersehbaren Ereignissen und Entwicklungen konfrontiert. Derartige Umstände erfordern ein Eingreifen des Spruchkörpers oder des Präsidiums, um die Effizienz des Geschäftsablaufs zu erhalten oder wiederherzustellen. Eine nachträgliche Änderung der Geschäftsverteilung kann auch verfassungsrechtlich geboten sein, wenn nur auf diese Weise die Gewährung von Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit, insbesondere eine beschleunigte Behandlung von Strafsachen , erreicht werden kann. Das Beschleunigungsgebot lässt indes das Recht auf den gesetzlichen Richter nicht vollständig zurücktreten. Vielmehr besteht Anspruch auf eine zügige Entscheidung durch diesen. Daher muss in derartigen Fällen das Recht des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter mit dem rechtsstaatlichen Gebot einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgrundsatz zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden (BGHSt 53, 268, 270 f.); vgl. auch BVerfG NJW 2005, 2689, 2690).
16
§ 21e Abs. 3 GVG lässt - ohne dass insoweit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG entgegenstünde - eine Änderung der Zuständigkeit auch für bereits anhängige Verfahren zu, jedenfalls dann wenn die Neuregelung generell gilt, zum Beispiel mehrere anhängige Verfahren und eine unbestimmte Vielzahl künftiger, gleichartiger Fälle erfasst und nicht aus sachwidrigen Gründen geschieht. In jedem Fall ist aber erforderlich, dass jede Umverteilung während des laufenden Geschäftsjahres , die bereits anhängige Verfahren erfasst, geeignet ist, die Effizienz des Geschäftsablaufs zu erhalten oder wiederherzustellen. Änderungen der Geschäftsverteilung, die hierzu nicht geeignet sind, können vor Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG keinen Bestand haben (vgl. BVerfG NJW 2005, 2689, 2690 mwN; BGHSt 53, 268, 272).
17
Die Entscheidung des Präsidiums nach § 21e Abs. 3 GVG unterliegt nicht lediglich einer Vertretbarkeits- oder Willkürkontrolle, sie ist vielmehr einer vollständigen revisionsgerichtlichen Überprüfung unterworfen, insbesondere auch daraufhin, ob eine Überlastung einer Strafkammer vorgelegen hat und die vom Präsidium getroffenen Maßnahmen erforderlich waren (BGHSt 53, 268, 275 f.). Dabei sind vom Revisionsgericht nur solche Umstände heranzuziehen, die bis zur Entscheidung der neu zur Entscheidung berufenen Strafkammer über einen in der Hauptverhandlung erhobenen Besetzungseinwand (§ 222b StPO) bekannt gemacht sind (vgl. BGHSt 53, 268, 282 f.).
18
b) Den sich danach ergebenden Anforderungen an eine Änderung der Geschäftsverteilung nach § 21e Abs. 3 GVG, durch die bereits bei einer or- dentlichen Strafkammer anhängige Verfahren übertragen werden, genügt die hier beanstandete Entscheidung des Präsidiums nicht.
19
Die in dem Vermerk des Präsidiums vom 18. Juli 2012 dargelegten Umstände belegen eine Überlastung der 6. großen Strafkammer nicht, die eine Übertragung des gegen den Angeklagten gerichteten Verfahrens mit Blick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG rechtfertigen könnte. Insoweit kann dahinstehen, ob es sich um eine bedenkliche Zuweisung eines einzigen Verfahrens handelt.
20
Dem Präsidiumsvermerk lässt sich zwar entnehmen, dass bei der 6. großen Strafkammer eine Auslastung vorgelegen hat, die eine Terminierung des gegen den Angeklagten gerichteten Verfahrens nicht vor dem 21. November 2012 zugelassen hätte. Es ergibt sich daraus aber keine solche Überlastung der Strafkammer mit anhängigen Verfahren, dass eine unangemessene Bearbeitungszeit von Verfahren gedroht hätte, die ein Einschreiten des Präsidiums während des laufenden Geschäftsjahres rechtfertigen hätte können. Es ist im Grundsatz nicht zu beanstanden, dass mit der Verhandlung eines gegen mehrere Angeklagte gerichteten Verfahrens nicht vor Ablauf von vier Monaten nach ihrem Eingang bei einer großen Strafkammer begonnen wird. Die Zustellung der Anklage, die Einräumung einer der Bedeutung und der Schwierigkeit des Verfahrens angemessenen Stellungnahmefrist für die Angeschuldigten und die sich anschließende, eine Kenntnis des vollständigen Aktenlage voraussetzende Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens erfordern ebenso einem maßgeblichen zeitlichen Aufwand wie die Vorbereitung und Terminierung einer Hauptverhandlung durch den Vorsitzenden. Vor diesem Hintergrund liegt es jedenfalls fern, eine an starren Fristen vorgegebene Betrachtung bei der Frage zugrunde zu legen, ob eine unangemessene Bearbeitungszeit einzelner Verfahren im Raum steht.
21
Dies gilt auch mit Blick auf den insbesondere in Haftsachen geltenden Beschleunigungsgrundsatz, der zwar vor allem auch in der Haftprüfungsfrist des § 121 Abs. 1 StPO seinen Ausdruck findet, aber keinen für alle Verfahren gleichermaßen geltenden Zeitpunkt festlegt, wann mit der Hauptverhandlung einer Sache nach Inhaftierung oder Anklageerhebung zu beginnen ist. Insofern gibt wie hier der bloße Zeitablauf zwischen Anklageerhebung und möglichem Beginn der Hauptverhandlung allein keinen tragfähigen Anhalt dafür, dass bei einem Hauptverhandlungsbeginn erst im November 2012 eine unangemessene Verzögerung des Verfahrens vorgelegen hätte. Dies ergibt sich im Übrigen schon daraus, dass der Vollzug von Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus vom Oberlandesgericht unter Abwägung des Freiheitsanspruchs des Beschuldigten und dem Strafverfolgungsinteresse des Staates angeordnet werden kann.
22
Nichts anderes ergibt sich, soweit sich der Präsident des Landgerichts im Revisionsverfahren darauf beruft, eine Überleitung habe vorgenommen werden müssen, weil das Oberlandesgericht Köln als Haftprüfungsgericht fordere, dass eine Hauptverhandlung drei Monate nach der Eröffnung des Verfahrens begonnen haben müsse. Da das Landgericht erfahrungsgemäß einen Monat nach Eingang des Verfahrens am 9. August 2012 über die Eröffnung habe entscheiden können, hätte die Hauptverhandlung spätestens am 9. November 2012 beginnen müssen. Ungeachtet dessen, dass diese im landgerichtlichen Verfahren nicht vorgebrachten Umstände im Revisionsverfahren unbeachtlich sind, wären auch sie nicht geeignet, eine zum sofortigen Handeln zwingende Überbelastung der 6. großen Strafkammer zu belegen. Es gibt schon keinen Grundsatz , der dazu veranlassen müsste, in jedem Fall einen Monat nach Eingang des Verfahrens über dessen Eröffnung zu entscheiden. Wie lange Zeit hierfür benötigt wird, hängt von vielfältigen Umständen, etwa der Schwierigkeit und dem Umfang des Verfahrens, der Zahl der Beschuldigten und der sonstigen Belastung des Gerichts ab, die es verbieten, eine solche eng bemessene Bearbeitungsfrist regelmäßig zu setzen. Selbst wenn man aber davon ausginge, liegt es auf der Hand, dass die Überschreitung eines nach Maßgabe des Oberlandesgerichts Köln berechneten Beginns der Hauptverhandlung um 12 Tage keine solche Verzögerung der Sache darstellt, die im Sinne von § 21e Abs. 3 GVG einen Eingriff in das Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG rechtfertigen könnte. Die abweichende Ansicht des Präsidiums des Landgerichts lässt demgegenüber erkennen, dass es in seinem Bemühen um Ausgleich zwischen dem Recht auf den gesetzlichen Richter und dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgrundsatz die hohe verfassungsrechtliche Bedeutung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG aus dem Blick verloren hat.
Fischer Appl Schmitt Krehl Eschelbach

(1) Die Tage der ordentlichen Sitzungen des Schöffengerichts werden für das ganze Jahr im voraus festgestellt.

(2) Die Reihenfolge, in der die Hauptschöffen an den einzelnen ordentlichen Sitzungen des Jahres teilnehmen, wird durch Auslosung in öffentlicher Sitzung des Amtsgerichts bestimmt. Sind bei einem Amtsgericht mehrere Schöffengerichte eingerichtet, so kann die Auslosung in einer Weise bewirkt werden, nach der jeder Hauptschöffe nur an den Sitzungen eines Schöffengerichts teilnimmt. Die Auslosung ist so vorzunehmen, daß jeder ausgeloste Hauptschöffe möglichst zu zwölf Sitzungstagen herangezogen wird. Satz 1 gilt entsprechend für die Reihenfolge, in der die Ersatzschöffen an die Stelle wegfallender Schöffen treten (Ersatzschöffenliste); Satz 2 ist auf sie nicht anzuwenden.

(3) Das Los zieht der Richter beim Amtsgericht.

(4) Die Schöffenlisten werden bei einem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (Schöffengeschäftsstelle) geführt. Er nimmt ein Protokoll über die Auslosung auf. Der Richter beim Amtsgericht benachrichtigt die Schöffen von der Auslosung. Zugleich sind die Hauptschöffen von den Sitzungstagen, an denen sie tätig werden müssen, unter Hinweis auf die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens in Kenntnis zu setzen. Ein Schöffe, der erst im Laufe des Geschäftsjahres zu einem Sitzungstag herangezogen wird, ist sodann in gleicher Weise zu benachrichtigen.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Tenor

Das Urteil des Landgerichts Rostock vom 2. Oktober 2015 - 2 KLs 291/14 - und der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 25. August 2016 - 1 StR 175/16 - verletzen das Recht der Beschwerdeführerin aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die Entscheidungen werden, soweit sie die Beschwerdeführerin betreffen, aufgehoben. Die Sache wird an eine andere Strafkammer des Landgerichts Rostock zurückverwiesen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Das Land Mecklenburg-Vorpommern und die Bundesrepublik Deutschland haben der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen je zur Hälfte zu erstatten.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob ein gerichtlicher Geschäftsverteilungsplan, der Änderungen in der Zuständigkeit für bereits anhängige Verfahren davon abhängig macht, ob einzelne Strafkammern bis zu einem in der Zukunft liegenden Stichtag die jeweiligen Hauptverfahren eröffnen oder nicht eröffnen werden, mit der Garantie des gesetzlichen Richters aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar ist.

I.

2

Mit Anklageschrift vom 23. Juli 2014, eingegangen beim Landgericht Rostock am 5. August 2014, legte die Staatsanwaltschaft Rostock der Beschwerdeführerin mit Mitangeklagten begangene Steuerstraftaten zur Last. Gemäß dem geltenden Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts war zu diesem Zeitpunkt die Kammer 18 (8. Große Strafkammer) des Landgerichts Rostock als Wirtschaftsstrafkammer für das Verfahren zuständig. Nach Zustellung der Anklage verlängerte der Vorsitzende der 8. Strafkammer am 12. November 2014 die allen Angeklagten gesetzte Frist zur Stellungnahme auf die Anklageschrift bis zum 1. Dezember 2014. Am selben Tage zeigte der Vorsitzende der 8. Strafkammer dem Präsidium des Landgerichts unter Ausführungen zu den zahlreichen im Zeitraum von Januar bis September 2014 eingegangenen äußerst umfangreichen und in der Sache schwierigen Wirtschaftsstrafsachen die Überlastung seiner Kammer an.

3

Daraufhin stellte das Präsidium des Landgerichts mit Beschluss vom 19. November 2014 die Überlastung der 8. Großen Strafkammer fest und richtete mit Wirkung zum 25. November 2014 eine Hilfsstrafkammer ein. Hinsichtlich der Zuweisung der Verfahren an die Hilfsstrafkammer enthielt der Beschluss vom 19. November 2014 unter Ziffer 2 folgende Regelung:

"Zur Entlastung der 8. Großen Strafkammer wird gemäß § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG mit Wirkung zum 25. November 2014 eine Hilfsstrafkammer eingerichtet. Diese ist zuständig für alle erstinstanzlichen Strafverfahren gemäß § 74c GVG (Wirtschaftsstrafsachen), die seit dem 1. August 2014 bei der 8. Großen Strafkammer eingegangen sind und bei denen das Hauptverfahren bis zum 24. November 2014 nicht eröffnet worden ist. Die Hilfsstrafkammer ist ferner zuständig für alle erstinstanzlichen Strafsachen gemäß § 74c GVG (Wirtschaftsstrafsachen), die bis einschließlich 31. März 2015 beim Landgericht Rostock eingehen."

4

In dem die Beschwerdeführerin betreffenden Verfahren traf die 8. Große Strafkammer im Zeitraum zwischen dem Präsidiumsbeschluss und dem in dem Geschäftsverteilungsplan genannten Stichtag des 25. November 2014 keine Eröffnungsentscheidung.

5

Mit Beschluss vom 27. Januar 2015 ließ die neu eingerichtete Hilfsstrafkammer 8a die Anklage zur Hauptverhandlung zu und eröffnete das Hauptverfahren.

6

Im ersten Termin zur Hauptverhandlung am 2. März 2015 erhob der Verteidiger der Beschwerdeführerin den Besetzungseinwand gemäß § 222b StPO, mit dem die Beschwerdeführerin neben einer unzureichenden Besetzung der Kammer insbesondere eine Verletzung des Bestimmtheitsgebotes bei der Zuständigkeitsbestimmung durch den Präsidiumsbeschluss geltend machte. Außerhalb der Hauptverhandlung erhob die Staatsanwaltschaft mit Zuschrift vom 3. März 2015 denselben Besetzungseinwand. Die Zuständigkeitsregel in Ziffer 2 Satz 2 des Beschlusses vom 19. November 2014, wonach die Hilfsstrafkammer für alle Wirtschaftsstrafsachen zuständig sei, die seit dem 1. August 2014 bei der 8. Großen Strafkammer eingegangen seien und bei denen das Hauptverfahren bis zum 24. November 2014 nicht eröffnet wurde, verletze Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, weil sie die Möglichkeit einer Manipulation der Zuständigkeit durch Eröffnung oder Nichteröffnung schaffe.

7

Das Präsidium des Landgerichts befasste sich daraufhin am 3. März 2015 erneut mit der Einrichtung der Hilfsstrafkammer und der Ableitung der Verfahren. Mit Beschluss vom 3. März 2015 wurde der Präsidiumsbeschluss vom 19. November 2014 klarstellend um umfangreiche Ausführungen zur Belastungssituation der 8. Großen Strafkammer ergänzt und die Regelung über die Zuweisung der Verfahren wie folgt erläutert:

"Das (im Beschluss vom 19. November 2014) zur Bestimmung der Zuständigkeit gewählte Kriterium der seit dem 01.08.2014 eingegangenen und bis zum 24.11.2014 nicht eröffneten Wirtschaftsstrafverfahren erfolgte allein mit Blick auf die erst mit Wirkung zum 25.11.2014 errichtete Hilfsstrafkammer. Die wegen Ablaufs der Stellungnahmefrist bevorstehende Entscheidung der 8. Großen Strafkammer über die Eröffnung der beiden dort bereits eingegangenen Wirtschaftsstrafverfahren 18 KLs 188/14 und 18 KLs 235/14 im Zeitraum zwischen dem 19.11.2014 und dem 24.11.2014 stand bei der Beschlussfassung nicht in Rede. Im Gegenteil war diese auch keineswegs zu erwarten, weil in der Sache 18 KLs 188/14 durch richterliche Verfügung vom 11.11.2014 die Stellungnahmefrist für alle Beschuldigten bis einschließlich zum 01.12.2014 verlängert worden war."

8

Am 6. März 2015 wies die Hilfsstrafkammer den Besetzungseinwand zurück und führte zur Begründung unter anderem aus:

"Mit der Übertragung von seit dem 1. August 2014 bei der 8. Großen Strafkammer eingegangenen erstinstanzlichen Strafverfahren gemäß § 74c GVG, soweit das Hauptverfahren nicht bis zum 24. November 2014 eröffnet worden ist, erfolgte keine unzulässige Übertragung von Einzelsachen.

Das gewählte Kriterium zur Bestimmung der Zuständigkeit der 8a. Hilfsstrafkammer für die seit dem 1. August 2014 eingegangenen Wirtschaftsstrafverfahren, sofern das Hauptverfahren in diesem nicht bis zum 24. November 2014 eröffnet worden ist, regelt im Voraus generell abstrakt die Zuständigkeit des Spruchkörpers. Die getroffene Regelung entspricht den diesbezüglichen Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass die Sache anhand vorab festgelegter Merkmale "blindlings" zu dem berufenen Richter gelangt (BGH Urteil vom 28.09.1954 - 5 StR 275/53). Die mit Wirkung zum 25. November 2014 eingerichtete und erst ab diesem Zeitpunkt besetzte Kammer konnte keinerlei Einfluss darauf ausüben, welche Verfahren an sie fallen, zu diesem Zeitpunkt war der gesetzliche Richter mit der 8. Großen Strafkammer ebenfalls bestimmt. Im Zeitraum zwischen dem 19. und 24. November 2014 ist in keinem der abgeleiteten Verfahren eine Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens ergangen, noch war damit angesichts der konkreten Umstände zu rechnen. Dabei durfte und musste das Präsidium bei der Beschlussfassung davon ausgehen, dass die 8. Große Strafkammer in jedem Fall die in der vorliegenden Sache bis zum 1. Dezember 2014 verlängerte Einlassungsfrist beachtet. Vorkehrungen gegen eine theoretisch mögliche Zuständigkeitsmanipulation durch Eröffnung unter evidenter Verletzung des rechtlichen Gehörs musste das Präsidium durch Erstreckung der Umverteilungsmaßnahme auf bereits eröffnete Verfahren nicht treffen. Bei verständiger Würdigung der angezeigten Überlastungssituation durfte es als ausgeschlossen und dem Interesse der Wiederherstellung eines geordneten Geschäftsablaufs zuwiderlaufend erscheinen, dass die Kammer durch eine rechtswidrige Eröffnungsentscheidung in Unkenntnis des zu erwartenden Verteidigungsvorbringens ihre Zuständigkeit über den 24. November 2014 hinaus perpetuiert."

9

Mit Urteil vom 2. Oktober 2015 verurteilte das Landgericht die Beschwerdeführerin wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten.

10

Gegen das Urteil legte die Beschwerdeführerin Revision ein und rügte dabei unter anderem die Verletzung von § 338 Abs. 1 Nr. 1 StPO. Der Generalbundesanwalt beantragte mit Zuschrift vom 1. Juni 2016 beim Bundesgerichtshof, die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen. Zur Frage der Zuständigkeitszuweisung vertrat er - neben Ausführungen dazu, dass bei der 8. Großen Strafkammer eine vorübergehende und keine dauerhafte Überlastung bestanden habe - die Auffassung, das Vorgehen des Präsidiums stelle keinen Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz dar. Die 8. Große Strafkammer sei ohne vorherige gründliche Einarbeitung nicht in der Lage gewesen, im Zeitraum zwischen dem 19. November 2014 und 24. November 2014 eine Entscheidung über die Eröffnung zu treffen. Im Übrigen sei auch mit anderen Entlastungsmaßnahmen eine Veränderung des gesetzlichen Richters verbunden gewesen.

11

Mit nicht näher begründetem Beschluss vom 25. August 2015 verwarf der Bundesgerichtshof die Revision der Beschwerdeführerin gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet.

II.

12

Mit ihrer gegen das Urteil des Landgerichts Rostock und den Verwerfungsbeschluss des Bundesgerichtshofs gerichteten Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

13

Zum einen seien die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Hilfsstrafkammer nach § 21e Abs. 3 GVG nicht gegeben gewesen, weil eine nicht nur vorübergehende Überlastung der 8. Großen Strafkammer vorgelegen habe.

14

Zum anderen verstoße die vom Präsidium gewählte Ausgestaltung der Verfahrenszuteilung gegen den Bestimmtheitsgrundsatz. Die Rechtssache müsse aufgrund einer hinreichend präzisen Regelung "blindlings" zu den entscheidenden Richtern gelangen. Hier seien aufgrund der offen gehaltenen Bestimmung für den Zeitraum zwischen dem Erlass des Präsidiumsbeschlusses am 19. November 2014 und dem für die Anknüpfung der Zuständigkeit im Bezug genommenen Zeitpunkt der Eröffnung am 25. November 2014 Manipulationen der Zuständigkeit möglich gewesen. Die Erfüllung der Kriterien für die Bestimmung der Zuständigkeit habe in den Händen der 8. Großen Strafkammer gelegen. Die laufende Erklärungsfrist der Verteidigung bis zum 1. Dezember 2014 habe daran nichts ändern können, zumal diese durch den Verzicht auf eine Stellungnahme oder sonstige Maßnahmen hätte abgekürzt oder unterlaufen werden können.

III.

15

Die Bundesregierung sowie das Land Mecklenburg-Vorpommern haben von Stellungnahmen abgesehen.

16

Die Präsidentin des Bundesgerichtshofs hat auf eine Stellungnahme des Vorsitzenden des 3. Strafsenats verwiesen, in der dieser auf die Rechtsprechung seines Senats zu den Voraussetzungen der Einrichtung von Hilfsstrafkammern wegen zeitweiliger Überlastung verweist; mit der verfahrensgegenständlichen Frage des Inhalts des Geschäftsverteilungsplanes sei der Senat noch nicht befasst gewesen. Die anderen Strafsenate haben von einer Stellungnahme abgesehen.

17

Der Generalbundesanwalt vertritt in seiner Stellungnahme die Auffassung, der Präsidiumsbeschluss habe - verfassungsrechtlich unbedenklich - von einer nur vorübergehenden Überlastung der 8. Großen Strafkammer ausgehen dürfen. Hinsichtlich der gerügten Verletzung des Bestimmtheitsgebots sei dem Vorbringen der Beschwerdeführerin einzuräumen, dass die hier gewählte Gestaltung im Ausgangspunkt Unsicherheiten über die abstrakt im Voraus zu bestimmende Zuweisung der Zuständigkeiten nicht gänzlich auszuschließen vermöge, weil theoretisch ein Handeln oder Unterlassen der jeweiligen Spruchkörper nicht ohne Einfluss auf die Zuständigkeit habe bleiben können. Unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls sei eine relevante Gefährdung des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf ihren gesetzlichen Richter, wie in der vom Bundesgerichtshof in Bezug genommenen Zuschrift des Generalbundesanwalts im Einzelnen dargelegt sei, indes noch nicht zu besorgen gewesen.

18

Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens vorgelegen.

B.

19

Die Verfassungsbeschwerde wird zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist in einer die Zuständigkeit der Kammer eröffnenden Weise offensichtlich begründet. Die für die Beurteilung maßgebenden Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

I.

20

Die beiden angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Die mit Präsidiumsbeschluss vom 19. November 2014 getroffene Regelung in Ziffer 2 Satz 2 des Geschäftsverteilungsplans für das Jahr 2014 ist mit der Garantie des gesetzlichen Richters aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar.

21

Das Urteil der 8a. Hilfsstrafkammer ist nicht durch den gesetzlichen Richter ergangen. Mit der Verwerfung der Revision hat das Revisionsgericht die Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG perpetuiert.

22

1. a) Mit der Garantie des gesetzlichen Richters will Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG der Gefahr vorbeugen, dass die Justiz durch eine Manipulation der rechtsprechenden Organe sachfremden Einflüssen ausgesetzt wird. Es soll vermieden werden, dass durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter das Ergebnis der Entscheidung - gleichgültig von welcher Seite - beeinflusst werden kann (vgl. BVerfGE 17, 294 <299>; 48, 246 <254>; 82, 286 <296>; 95, 322 <327>). Damit sollen die Unabhängigkeit der Rechtsprechung gewahrt und das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte gesichert werden (vgl. BVerfGE 4, 412 <416, 418>; 95, 322 <327>).

23

Aus diesem Zweck des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG folgt, dass die Regelungen, die der Bestimmung des gesetzlichen Richters dienen, im Voraus so eindeutig wie möglich festlegen müssen, welches Gericht, welcher Spruchkörper und welche Richter zur Entscheidung des Einzelfalls berufen sind (vgl. BVerfGE 17, 294 <299>; 18, 344 <349>; 95, 322 <328>).

24

b) Eine nachträgliche Änderung der Geschäftsverteilung kann geboten sein, wenn nur auf diese Weise dem Verfassungsgebot einer Gewährleistung von Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit (vgl. BVerfGE 55, 349 <369>; vgl. auch BVerfGE 60, 253 <269 f.>; 78, 165 <178>; 88, 118 <124>) nachzukommen ist. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG steht einer Änderung der Zuständigkeit auch für bereits anhängige Verfahren jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Neuregelung generell gilt, zum Beispiel mehrere anhängige Verfahren und eine unbestimmte Vielzahl künftiger, gleichartiger Fälle erfasst, und nicht aus sachwidrigen Gründen geschieht.

25

Jedoch müssen sämtliche Regelungen eines Geschäftsverteilungsplanes, der die gesetzlichen Bestimmungen über die Zuständigkeiten der jeweiligen Spruchkörper ergänzt, die wesentlichen Merkmale gesetzlicher Vorschriften aufweisen (vgl. BVerfGE 17, 294 <299>; 18, 344 <349>; 95, 322 <328>). Die Regelungen eines Geschäftsverteilungsplanes müssen also im Voraus generell-abstrakt die Zuständigkeit der Spruchkörper und die Zuweisung der einzelnen Richter regeln, damit die einzelne Sache "blindlings" aufgrund allgemeiner, vorab festgelegter Merkmale an den entscheidenden Richter gelangt und so der Verdacht einer Manipulation der rechtsprechenden Gewalt ausgeschlossen wird (vgl. BVerfGE 4, 412 <416>; 82, 286 <298>; 95, 322 <329>).

26

Soweit bereits anhängige Verfahren von einer Neuverteilung bestehender Zuständigkeiten erfasst werden, sind Regelungen mithin nur dann im Voraus generell-abstrakt, wenn die Neuverteilung durch den Geschäftsverteilungsplan selbst erfolgt. Sie sind demgegenüber nicht im Voraus generell-abstrakt, wenn sie im Einzelfall sowohl die Neuverteilung als auch die Beibehaltung bestehender Zuständigkeiten ermöglichen und dabei die konkreten Zuständigkeiten von Beschlüssen einzelner Spruchkörper abhängig machen.

27

c) Die Garantie des gesetzlichen Richters kann außer durch Regelungen eines Geschäftsverteilungsplanes, die nicht generell-abstrakt sind, auch durch willkürliche Anwendung generell-abstrakter Regelungen eines Geschäftsverteilungsplanes im Einzelfall verletzt werden. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährt insofern einen subjektiven Anspruch auf den gesetzlichen Richter.

28

Durch diese grundrechtsgleiche Gewährleistung wird das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht zu einem Kontrollorgan, das jeden Verfahrensfehler eines Spruchkörpers korrigieren muss, der seine Zuständigkeit im Einzelfall irrtümlich begründet. Das Bundesverfassungsgericht beanstandet Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen vielmehr nur dann, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar sind (vgl. BVerfGE 82, 159 <194> unter Hinweis auf BVerfGE 29, 198 <207>).

29

Betrifft ein Verfahren nicht allein die fehlerhafte Auslegung oder Anwendung einer im Voraus abstrakt-generellen Zuständigkeitsregel (etwa eines Geschäftsverteilungsplans oder der Voraussetzungen des § 21e Abs. 3 GVG) durch einen Spruchkörper im Einzelfall, sondern die Vorfrage, ob eine Zuständigkeitsregel eines Geschäftsverteilungsplanes überhaupt als generell-abstrakte Regelung im Sinne der Garantie des gesetzlichen Richters anzusehen ist, nimmt das Bundesverfassungsgericht dagegen keine bloße Willkürprüfung vor, sondern überprüft vollumfänglich, ob die angewendete Regelung generell-abstrakt ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. Februar 2005 - 2 BvR 581/03 -, juris, Rn. 21 f.).

30

2. Den angeführten Maßstäben wird der Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Rostock nicht gerecht. Er enthielt - soweit er den hier in Rede stehenden Fall anbelangt - keine generell-abstrakten Regelungen im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, aus denen sich eine Zuständigkeit der Hilfsstrafkammer als gesetzlicher Richter hätte ergeben können. Das angegriffene Urteil des Landgerichts verletzt somit das grundrechtsgleiche Recht der Beschwerdeführerin aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

31

a) Die Regelung in Ziffer 2 Satz 2 des Beschlusses des Präsidiums des Landgerichts Rostock vom 19. November 2014 genügt nicht den Anforderungen aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, indem sie von der Übertragung aller seit dem 1. August 2014 bei der 8. Großen Strafkammer eingegangenen erstinstanzlichen Strafverfahren gemäß § 74c GVG (Wirtschaftsstrafsachen) auf eine andere Strafkammer diejenigen Verfahren ausnimmt, bei denen bis zu dem Stichtag am 24. November 2014 - fünf Tage nach Fassung des Präsidiumsbeschlusses - die 8. Große Strafkammer das Hauptverfahren noch eröffnen werde. Diese Stichtagslösung verhindert die generell-abstrakte Zuständigkeitsbegründung im Voraus, weil sie die Zuständigkeit des jeweiligen Spruchkörpers von einem später eintretenden Umstand abhängig macht. Es handelt sich bei Ziffer 2 Satz 2 des Beschlusses um eine Bestimmung, die eine Begründung konkreter, auf den Einzelfall bezogener Zuständigkeiten erst im Nachhinein - durch Eröffnung oder das Unterlassen der Eröffnung des Hauptverfahrens - ermöglicht. Eine solche Delegation der Entscheidung über die Geschäftsverteilung an die Spruchkörper, die gerade Adressaten der generell-abstrakten Zuständigkeit sein sollten, ist mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar.

32

b) Verfassungsrechtlich unerheblich ist der Umstand, dass das Präsidium des Landgerichts ausweislich seines klarstellenden Beschlusses vom 3. März 2015 zum Zeitpunkt des Präsidiumsbeschlusses vom 19. November 2014 erwartet hatte, in den beiden seit dem 1. August 2014 eingegangenen Wirtschaftsstrafsachen werde bis zum 24. November 2014 keine Eröffnungsentscheidung getroffen. Denn für die Wahrung des gesetzlichen Richters gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG kommt es nicht darauf an, welche Erwartungen das Präsidium dahingehend hegt, ob von einer Übertragung der Zuständigkeitsverantwortung Gebrauch gemacht wird. Entscheidend ist, dass der Geschäftsverteilungsplan eine derartige Übertragung von Zuständigkeitsbestimmungen grundsätzlich nicht vorsehen darf. Wäre das Präsidium zudem sicher gewesen, dass keine Eröffnungsbeschlüsse bis zum festgesetzten Stichtag zu erwarten waren, hätte die Regelung von Vornherein unterbleiben können.

33

3. Der ebenfalls angegriffene Beschluss des Bundesgerichtshofes wiederholt und vertieft die Verletzung des Rechts der Beschwerdeführerin aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

34

4. Da die Verfassungsbeschwerde erfolgreich ist, bedarf die weitere Rüge der Beschwerdeführerin, auch die Voraussetzungen des § 21e Abs. 3 GVG seien in verfassungswidriger Weise angenommen worden, keiner Entscheidung.

II.

35

Mit der Entscheidung in der Hauptsache erledigt sich der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

III.

36

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

IV.

37

Der nach § 37 Abs. 2 RVG festzusetzende Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren beträgt mindestens 5.000 € und, wenn - wie hier - die Verfassungsbeschwerde aufgrund einer Entscheidung der Kammer Erfolg hat, in der Regel 10.000 €. Weder die objektive Bedeutung der Sache noch Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit weisen Besonderheiten auf, die zu einer Abweichung Anlass geben.

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 30. August 2017 - 11 L 2304/17 - und der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26. Oktober 2017 verletzen das Recht des Beschwerdeführers aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die Entscheidungen werden aufgehoben und die Sache an das Verwaltungsgericht Köln zurückverwiesen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren und für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erstatten.

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) und für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf 5.000 € (in Worten: fünftausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

1. Der Beschwerdeführer ist marokkanischer Staatsangehöriger. Er reiste am 15. März 1989 im Wege der Familienzusammenführung in die Bundesrepublik Deutschland ein.

2

2. Mit Verfügung vom 20. März 2014 wies die Ausländerbehörde des Rhein-Sieg-Kreises den Beschwerdeführer nach zuvor erfolgter Anhörung gemäß § 53 Nr. 1 und 2 AufenthG aus, ordnete die sofortige Vollziehbarkeit der Ausweisung an und drohte dem Beschwerdeführer die Abschiebung nach Marokko an. Er sei wegen einer Vielzahl von Eigentums- und Vermögensdelikten sowie des Erwerbs und Handeltreibens mit Betäubungsmitteln strafrechtlich in Erscheinung getreten und innerhalb von fünf Jahren zu mehreren Freiheitsstrafen von zusammen mindestens drei Jahren verurteilt worden. Er habe seine seit 18 Jahren bestehende Drogenabhängigkeit in mehreren Therapien nicht bekämpfen können und sei selbst während seines Strafvollzugs straffällig geworden. Eine trennungsbedingte Belastung sei dem Beschwerdeführer und seiner Familie zuzumuten, weil die Ausweisung aufgrund immer wiederkehrender schwerwiegender Straftaten erfolge. Von dem Beschwerdeführer, der seinen Drogenkonsum im Wege der Beschaffungskriminalität finanziere, gehe eine besondere Gefährlichkeit aus. Die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin sei nicht durch Art. 6 GG geschützt. Auch wenn der Beschwerdeführer lange in Deutschland gelebt habe, sei es ihm nicht gelungen, sich in das wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben zu integrieren. Duldungsgründe seien nicht ersichtlich.

3

3. In dem gegen diese Ausweisung gerichteten Klageverfahren schlossen der Beschwerdeführer und der Rhein-Sieg-Kreis am 24. Juni 2014 einen Vergleich. Danach sollte dem Beschwerdeführer eine einjährige Duldung erteilt werden, die erlosch, wenn er eine Suchttherapie nicht bis zum 1. September 2014 aufnahm oder diese vorzeitig beendete. Daraufhin nahm der Beschwerdeführer seine Klage zurück. Am 8. August 2014 erhielt er eine einjährige Duldung.

4

4. Unter dem 24. Mai 2017 erhob der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgericht Köln Klage, mit der er die Erteilung einer Duldung begehrte. Zugleich stellte er einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Für die Verfahren war zu diesem Zeitpunkt nach dem Jahresgeschäftsverteilungsplan des Verwaltungsgerichts dessen 12. Kammer zuständig. Zur Begründung machte der Beschwerdeführer geltend, er habe seine Therapie inzwischen erfolgreich abgeschlossen und befinde sich in einem festen Arbeitsverhältnis. Außerdem sei er seit seiner Haftentlassung im Februar 2015 nicht mehr straffällig geworden. Zudem sei die ihm erteilte Duldung nicht erloschen; ihm sei Anfang des Jahres 2017 sogar die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in Aussicht gestellt worden.

5

5. Das Verwaltungsgericht änderte seinen Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 2017 durch Beschluss des Präsidiums vom 29. Juni 2017. In dieser 5. Änderung des Geschäftsverteilungsplans 2017 ist unter Ziffer II. 6. geregelt:

"Die 12. Kammer gibt die in dem Sachgebiet 0600 [Ausländer- und Aufenthaltsrecht ohne Asyl] im Jahr 2017 eingegangenen und noch anhängigen Verfahren aus dem Rhein-Sieg-Kreis und aus dem Oberbergischen Kreis an die 11. Kammer ab."

6

Der Übergang der unter Ziffer II. 6. genannten Verfahren auf die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts erfolgte nach Ziffer I. 2. des Beschlusses vom 29. Juni 2017 zum 1. August 2017. Unter Ziffer II. 8. dieses Beschlusses findet sich die folgende Regelung:

"Ist bei den unter den Ziffern 6 und 7 genannten Verfahren von der abgebenden Kammer ein Termin zur mündlichen Verhandlung durchgeführt oder ein Gerichtsbescheid erlassen worden oder ist zum Zeitpunkt des Übergangs ein Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt oder ist ein Teil-/Zwischenurteil ergangen, so bleibt die Sache in der bisher zuständigen Kammer."

7

Mit Schreiben vom 1. August 2017 teilte das Verwaltungsgericht dem Beschwerdeführer mit, dass aufgrund der Änderung des Geschäftsverteilungsplans vom 29. Juni 2017 nun die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts für seine Verfahren zuständig sei.

8

6. Mit Beschluss vom 30. August 2017 lehnte die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ab. Seine Ausweisung sei durch Klagerücknahme im vorangegangenen gerichtlichen Verfahren bestandskräftig und binde das Verwaltungsgericht, soweit sich aus dem Vergleich vom 24. Juni 2014 oder aus zwischenzeitlichen Änderungen nichts Anderes ergebe. Der Beschwerdeführer habe keinen Anspruch auf Erteilung einer Duldung. Ein solcher Anspruch folge weder aus dem am 24. Juni 2014 geschlossenen Vergleich noch aus einem Vertrauenstatbestand oder Art. 6 GG beziehungsweise Art. 8 EMRK.

9

7. Gegen diesen Beschluss erhob der Beschwerdeführer Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen. Der Beschluss verstoße gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, weil die Änderung der Zuständigkeit für die Verfahren des Beschwerdeführers mit dem Gebot des gesetzlichen Richters nicht vereinbar sei. Die 5. Änderung des Geschäftsverteilungsplans des Verwaltungsgerichts für das Jahr 2017 regele die Frage des Umgangs mit bereits anhängigen Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz nicht. Dies sei jedoch erforderlich gewesen, weil es sich um eigenständige Verfahren handele. Es sei nicht eindeutig festgelegt, welcher Spruchkörper zur Entscheidung der entsprechenden Einzelfälle im Eilrechtsschutz berufen sei. Die Regelung in dem Präsidiumsbeschluss vom 29. Juni 2017, nach der im Falle einer bereits terminierten mündlichen Verhandlung kein Übergang des Verfahrens zum 1. August 2017 erfolge, biete zudem Raum für Manipulationen. Im Zeitraum zwischen dem 29. Juni 2017 und dem 1. August 2017 habe auch im Eilverfahren eine mündliche Verhandlung terminiert werden können, um den Übergang von Eilverfahren auf die andere Kammer zu verhindern. Diese Stichtagsregelung verletze die generell-abstrakte Zuständigkeitsbegründung im Voraus, weil sie die Zuständigkeit des jeweiligen Spruchkörpers von einem später eintretenden Umstand abhängig mache. Damit werde sie den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Dezember 2016 - 2 BvR 2023/16 -, juris) an die Gewährleistung des gesetzlichen Richters nicht gerecht. In der 8. Änderung des Geschäftsverteilungsplans habe das Verwaltungsgericht hingegen geregelt, dass Verfahren, bei denen ein zugehöriges Eilverfahren in der ursprünglich zuständigen Kammer anhängig sei, in dieser Kammer verblieben. Eine solche Regelung fehle in dem Beschluss vom 29. Juni 2017. Das Verwaltungsgericht habe nicht erklärt, dass die Verfahren des Beschwerdeführers zur Gewährleistung von Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit auf eine andere Kammer hätten übertragen werden müssen. Zudem sei der Beschluss des Verwaltungsgerichts in der Sache fehlerhaft, weil aus der faktischen weiteren Duldung ein Vertrauenstatbestand erwachsen sei und der Beschwerdeführer inzwischen erfolgreich eine Entzugstherapie durchgeführt habe und einer Vollzeitbeschäftigung nachgehe.

10

Mit Beschluss vom 26. Oktober 2017, zugestellt am 2. November 2017, wies das Oberverwaltungsgericht die Beschwerde des Beschwerdeführers zurück. Seinen Ausführungen zu der Änderung des Geschäftsverteilungsplans sei kein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zu entnehmen. Zudem sei aus der Beschwerdeschrift für die Frage, ob dem Beschwerdeführer ein materiell-rechtlicher Duldungsanspruch zustehe, nichts abzuleiten.

II.

11

1. Der Beschwerdeführer hat am 3. Dezember 2017 gegen die Ausweisungsverfügung sowie die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts Verfassungsbeschwerde erhoben und den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Er rügt die Verletzung seines Rechts aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

12

Zur Begründung wiederholt er den mit seiner Beschwerde im fachgerichtlichen Verfahren geltend gemachten Vortrag. Ergänzend führt er an, dass sich die 12. Kammer des Verwaltungsgerichts vor dem Übergang des Eilverfahrens bereits mit der Sache befasst habe. Der Vorsitzende der 12. Kammer habe die Auskunft gegeben, dass noch eine Stellungnahme durch den Beschwerdeführer erfolgen könne, bevor ein Beschluss ergehen werde. Daher sei unklar, inwiefern die Abgabe der Verfahren an eine andere Kammer eine Beschleunigung darstelle. Das Recht auf den gesetzlichen Richter werde hier dadurch verstärkt, dass der Beschwerdeführer um einen Verbleib im Bundesgebiet streite. Es fehle auch an einer Dokumentation der Gründe für die Übertragung der Verfahren von der 12. auf die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts.

13

2. Die Akten der Ausgangsverfahren haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen. Die Bundesregierung und das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen haben von ihrem Recht zur Äußerung keinen Gebrauch gemacht.

III.

14

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG angezeigt. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt.

15

1. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

16

a) Mit der Garantie des gesetzlichen Richters will Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG der Gefahr vorbeugen, dass die Justiz durch eine Manipulation der rechtsprechenden Organe sachfremden Einflüssen ausgesetzt wird. Es soll vermieden werden, dass durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter das Ergebnis der Entscheidung - gleichgültig von welcher Seite - beeinflusst werden kann (vgl. BVerfGE 17, 294 <299>; 48, 246 <254>; 82, 286 <296>; 95, 322 <327>).

17

Aus diesem Zweck des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG folgt, dass die Regelungen, die der Bestimmung des gesetzlichen Richters dienen, im Voraus so eindeutig wie möglich festlegen müssen, welches Gericht, welcher Spruchkörper und welche Richter zur Entscheidung des Einzelfalls berufen sind. Auch die die gesetzlichen Bestimmungen ergänzenden Regelungen über die Geschäftsverteilung in den jährlich aufzustellenden Geschäftsverteilungsplänen der Gerichte, die die Zuständigkeit der jeweiligen Spruchkörper und ihre Zusammensetzung festlegen, müssen die wesentlichen Merkmale gesetzlicher Vorschriften aufweisen (vgl. BVerfGE 17, 294 <299>; 18, 344 <349>; 95, 322 <328>). Sie müssen also zum einen der Schriftform genügen und zum anderen im Voraus generell-abstrakt die Zuständigkeit der Spruchkörper und die Zuweisung der einzelnen Richter regeln, damit die einzelne Sache "blindlings" aufgrund allgemeiner, vorab festgelegter Merkmale an den entscheidenden Richter gelangt und so der Verdacht einer Manipulation der rechtsprechenden Gewalt ausgeschlossen wird (vgl. BVerfGE 82, 286 <298>; 95, 322 <329>).

18

b) Dies schließt Neuregelungen nicht aus, die die Zuständigkeiten während des laufenden Geschäftsjahres ändern. Die Rechtsprechungstätigkeit der Gerichte und ihrer Spruchkörper oder Abteilungen wird immer wieder auch mit nicht vorhersehbaren Ereignissen und Entwicklungen wie Überlastung, unzureichender oder ungleicher Auslastung, Ausscheiden oder langfristiger Verhinderung einzelner Richter konfrontiert. Solche Umstände erfordern ein Eingreifen des Spruchkörpers oder des Präsidiums, um die Effizienz des Geschäftsablaufs zu erhalten oder wiederherzustellen (vgl. BVerfGE 17, 294 <300>; 18, 344 <349>; 95, 322 <332 f.>).

19

Eine nachträgliche Änderung der Geschäftsverteilung kann geboten sein, wenn nur auf diese Weise dem Verfassungsgebot einer Gewährleistung von Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit (vgl. BVerfGE 55, 349 <369>) nachzukommen ist. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG steht einer Änderung der Zuständigkeit auch für bereits anhängige Verfahren jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Neuregelung generell gilt und nicht aus sachwidrigen Gründen geschieht (vgl. BVerfGE 24, 33 <54 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. Februar 2005 - 2 BvR 581/03 -, juris, Rn. 19). Soweit bereits anhängige Verfahren von einer Neuverteilung bestehender Zuständigkeiten erfasst werden, sind Regelungen nur dann im Voraus generell-abstrakt, wenn die Neuverteilung durch den Geschäftsverteilungsplan selbst erfolgt. Sie sind demgegenüber nicht im Voraus generell-abstrakt, wenn sie im Einzelfall sowohl die Neuverteilung als auch die Beibehaltung bestehender Zuständigkeiten ermöglichen und dabei die konkreten Zuständigkeiten von Beschlüssen einzelner Spruchkörper abhängig machen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Dezember 2016 - 2 BvR 2023/16 -, juris, Rn. 24 ff.).

20

c) Betrifft ein Verfahren die Frage, ob eine Zuständigkeitsregel eines Geschäftsverteilungsplanes überhaupt als generell-abstrakte Regelung im Sinne der Garantie des gesetzlichen Richters anzusehen ist, nimmt das Bundesverfassungsgericht keine bloße Willkürprüfung vor, sondern überprüft vollumfänglich, ob die angewendete Regelung generell-abstrakt ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. Februar 2005 - 2 BvR 581/03 -, juris, Rn. 21 f.). Lediglich bei der Überprüfung, ob eine im Voraus abstrakt-generelle Zuständigkeitsregel durch einen Spruchkörper im Einzelfall fehlerhaft angewendet oder ausgelegt wurde, beschränkt sich das Bundesverfassungsgericht auf eine Willkürkontrolle (vgl. BVerfGE 82, 159 <194>).

21

d) Nach diesen Maßstäben ist der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts nicht mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar. Er erging durch einen Spruchkörper, dessen Zuständigkeit durch eine gegen das Gebot des gesetzlichen Richters verstoßende Änderung des Geschäftsverteilungsplans begründet wurde. Der Übergang der Zuständigkeit für die Verfahren des Beschwerdeführers von der 12. auf die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts beruht auf einer Regelung im Geschäftsverteilungsplan, die nicht generell-abstrakt im Voraus die Zuständigkeit eines Spruchkörpers festgelegt hat.

22

Die Bestimmungen unter Ziffer II. 6. und Ziffer II. 8. des Präsidiumsbeschlusses vom 29. Juni 2017 nehmen unter anderem Verfahren von der Übertragung auf die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts aus, in denen die abgebende Kammer bis zum Zeitpunkt des Übergangs am 1. August 2017 einen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt hat oder ein Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist. Diese Stichtagslösung räumt der abgebenden Kammer die Möglichkeit ein, innerhalb eines Zeitraums von mehr als einem Monat selbst auf den Übergang von bei ihr anhängigen ausländerrechtlichen Verfahren einzuwirken, indem sie in diesen etwa eine mündliche Verhandlung anberaumt. Dies ist grundsätzlich auch in einem - wie hier der Verfassungsbeschwerde zugrundeliegenden - Eilverfahren möglich (vgl. § 101 Abs. 3 VwGO). Eine ausdrückliche Bestimmung bezüglich des Übergangs von Eilverfahren ist in den Beschluss vom 29. Juni 2017 nicht aufgenommen worden. Die Regelungen in Ziffern II. 6. und 8. des Beschlusses vom 29. Juni 2017 bestimmen für die zu übertragenden Verfahren nicht selbst verbindlich die Zuständigkeit eines konkreten Spruchkörpers. Sie machen die Zuständigkeit des Spruchkörpers davon abhängig, ob die abgebende Kammer noch nach dem Beschlussdatum des 29. Juni 2017 eine mündliche Verhandlung anberaumt. Es ist gerade keine Formulierung gewählt worden, nach der diejenigen Verfahren von der Übertragung ausgenommen sind, in denen bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung am 29. Juni 2017 eine mündliche Verhandlung anberaumt war. Die gewählte Gestaltung der Stichtagsregelung hat es der abgebenden Kammer ermöglicht, die Übertragung von bei ihr anhängigen Verfahren durch Anberaumung einer mündlichen Verhandlung im Zeitraum vom 29. Juni 2017 bis zum 31. Juli 2017 zu verhindern. Eine solche Delegation der Entscheidung über die Geschäftsverteilung an die Spruchkörper, die gerade Adressaten der generell-abstrakten Zuständigkeit sein sollen, ist mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Dezember 2016 - 2 BvR 2023/16 -, juris, Rn. 31).

23

2. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts wiederholt und vertieft die Verletzung des Rechts des Beschwerdeführers aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

IV.

24

Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer gemäß § 34a Abs. 2 BVerfGG die notwendigen Auslagen zu erstatten. Die Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

(1) Der Termin zur Hauptverhandlung wird von dem Vorsitzenden des Gerichts anberaumt.

(2) In besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, soll der Vorsitzende den äußeren Ablauf der Hauptverhandlung vor der Terminbestimmung mit dem Verteidiger, der Staatsanwaltschaft und dem Nebenklägervertreter abstimmen.