Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Feb. 2015 - 2 StR 343/14

bei uns veröffentlicht am19.02.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 3 4 3 / 1 4
vom
19. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 19. Februar 2015 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten G. wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 4. März 2014, soweit es ihn betrifft , im Strafausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge im Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
Der Strafausspruch begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
3
Bei der Strafrahmenwahl hat die Strafkammer geprüft, ob ein minder schwerer Fall nach § 250 Abs. 3 StGB in Betracht kommt; sie hat dies verneint, da es an Milderungsgründen von ganz außergewöhnlichem Umfang fehle und das Tatbild auch unter Berücksichtigung des Tatbeitrages des Angeklagten, seiner Persönlichkeit und der für und gegen ihn sprechenden Strafzumessungsgründe bei einer Gesamtbetrachtung der nachfolgend dargestellten Strafzumessungserwägungen dem Regelfall einer besonders schweren räuberischen Erpressung gemäß §§ 253, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB entspreche.
4
Ungeachtet der nur eingeschränkten Revisibilität der Entscheidung über die Annahme bzw. Nichtannahme eines minder schweren Falles lassen die Formulierungen des Landgerichts besorgen, dieses habe seiner Entscheidung einen unzutreffenden Maßstab zugrunde gelegt. Denn für die Annahme eines minder schweren Falles ist nicht das Vorliegen ganz außergewöhnlicher Milderungsgründe erforderlich; ausreichend ist es, wenn im Rahmen der anzustellenden Gesamtwürdigung ein beträchtliches Überwiegen der strafmildernden Umstände festgestellt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2013 - 2 StR 312/13). Es lässt sich nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Anwendung des zutreffenden Maßstabs zur Annahme eines minder schweren Falles gekommen wäre.
5
Hinzu kommt, dass die Strafkammer im Rahmen der konkreten Strafzumessung Umstände zu Lasten des Angeklagten gewichtet hat, die es nicht, zumindest nicht in vollem Umfang hätte berücksichtigen dürfen. Das Landgericht hat der Strafbemessung insoweit offenbar einen "Textbaustein" zugrunde gelegt, der sich gleichlautend auch bei den drei anderen (nach Jugendstrafrecht verurteilten) Angeklagten findet, und diesen lediglich um einen Hinweis auf die strafrechtlichen Vorbelastungen, die teilweise Verbüßung von Jugendstrafe sowie den Umstand, dass der Angeklagte G. zum Tatzeitpunkt unter laufender Bewährung stand, ergänzt. Dies erweist sich als rechtsfehlerhaft. Die Erwägungen der Strafkammer, die in gleicher Weise zu Lasten bei allen Angeklagten herangezogen worden sind, beziehen sich hinsichtlich der drei Mitangeklagten auf zwei Taten der besonders schweren räuberischen Erpressung und belegen jeweils bezogen auf die einzelne Tat ihre kriminelle Energie. Der Angeklagte G. aber ist - auch wenn im Rahmen der Beweisaufnahme seine Beteiligung an der zweiten Tat festgestellt worden ist - lediglich wegen einer Tat angeklagt und verurteilt worden, so dass das Landgericht gehindert war, sämtliche Umstände so zu seinen Lasten zu verwerten, als sei er wegen beider Taten verurteilt worden. Im Übrigen hätte das Landgericht schon die Prüfung, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, allein auf die abgeurteilte Tat beziehen müssen; die Formulierungen der Strafkammer lassen insoweit besorgen, dass sie von vornherein eine (unzulässige) Gesamtwürdigung beider Taten vorgenommen hat.
6
Dies führt zur Aufhebung des Strafausspruchs, da der Senat nicht ausschließen kann, dass das Landgericht bei zutreffender Prüfung zur Annahme eines minder schweren Falles gelangt und (gegebenenfalls auch bei Verneinung eines solchen) eine geringere Strafe verhängt hätte. Appl Krehl Eschelbach Ott Zeng

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 250 Schwerer Raub


(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn 1. der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Wider

Strafgesetzbuch - StGB | § 253 Erpressung


(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten

Strafgesetzbuch - StGB | § 255 Räuberische Erpressung


Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Okt. 2013 - 2 StR 312/13

bei uns veröffentlicht am 16.10.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 312/13 vom 16. Oktober 2013 in der Strafsache gegen alias: wegen gewerbsmäßiger unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahren u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesg
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Bundesgerichtshof Beschluss, 26. März 2019 - 1 StR 677/18

bei uns veröffentlicht am 26.03.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 677/18 vom 26. März 2019 in der Strafsache gegen wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. ECLI:DE:BGH:2019:260319B1STR677.18.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat na

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 312/13
vom
16. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
alias:
wegen gewerbsmäßiger unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln
als Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahren u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 16. Oktober 2013 gemäß § 44
Abs. 1, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 9. Januar 2013 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte. Damit ist der Beschluss des Landgerichts Koblenz vom 26. April 2013, mit dem die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen worden ist, gegenstandslos. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 9. Januar 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Strafausspruch in den Fällen III. 2.-17. der Urteilsgründe
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahren in 16 Fällen, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sieben Fällen unter Einbeziehung von Geldstrafen aus einem anderen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die - wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat - unbeschränkt eingelegte Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Dem Angeklagten war nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren , da ihn wie sein Verteidiger glaubhaft dargelegt hat, an der Versäumung der Frist kein Verschulden trifft (§ 44 Satz 1 StPO). Ergänzend wird auf die zutreffenden Ausführungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts verwiesen.
3
2. Das Landgericht hat zu den Fällen III. 2.-17. der Urteilsgründe folgendes festgestellt: In der Zeit von November 2011 bis Ende Dezember 2011/Anfang Januar 2012 verkaufte der Angeklagte dem am 26. Dezember 1995 geborenen J. in sechs, zeitlich nicht mehr weiter konkretisierbaren Fällen jeweils Marihuana von zumindest mittlerer Qualität im Gegenwert von je 20 Euro (entsprechend 2 Gramm). In dem gleichen Zeitraum verkaufte der Angeklagte in zehn, zeitlich nicht mehr weiter konkretisierbaren Fällen Marihuana von zumindest mittlerer Qualität im Gegenwert von jeweils 10 Euro bis 30 Euro (entsprechend einem bis drei Gramm) an den am 28. Dezember 1995 geborenen G. . Dem Angeklagten war bekannt, dass die Jugendlichen noch keine 18 Jahre alt waren. Die Jugendlichen hatten bereits vor den Verkäufen durch den Angeklagten Erfahrungen mit dem Konsum von Marihuana. Der Gewinn des Angeklagten pro verkauftem Gramm Marihuana betrug 4 Euro.
4
3. Bei der Strafzumessung geht die Strafkammer vom Regelstrafrahmen des § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG aus, der eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren bis zu fünfzehn Jahren vorsieht. Das Vorliegen minderschwerer Fälle im Sinne von § 30 Abs. 2 BtMG hat sie verneint und für jede der Taten eine Freiheitstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten für tat- und schuldangemessen erachtet.
5
Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Beurteilung, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, der ein beträchtliches Überwiegen der strafmildernden Umstände voraussetzt, ist im Wesentlichen dem Tatrichter überlassen (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 46 Rdn. 85 m.N.). Seine Entscheidung ist vom Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, auch wenn eine andere Entscheidung ebenso möglich gewesen wäre oder sogar näher gelegen hätte. Dies ist ausnahmsweise jedoch nicht der Fall, wenn die mildernden Faktoren so eindeutig überwiegen, dass die Entscheidung des Tatrichters hinsichtlich des Strafrahmens nicht mehr als nachvollziehbar anzusehen ist (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 140, 141).
6
So verhält es sich hier. Die Strafkammer führt selbst eine Reihe gravierender Milderungsgründe zu Gunsten des Angeklagten an, wie etwa sein vollumfängliches Geständnis, die geringen verkauften Mengen an Marihuana, bei dem es sich um eine sog. weiche Droge handelt, die geringen dabei erzielten Gewinne, die zudem der Finanzierung seines eigenen Konsums dienten und den Umstand, dass die Jugendlichen bereits vor den Verkäufen durch den Angeklagten Drogenkonsumenten waren. Dem stellt sie zu Lasten des Angeklagten lediglich gegenüber, dass er bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Dabei ist es allerdings zu berücksichtigen, dass es sich um vergleichsweise geringfügige Vorbelastungen wegen Beleidigung und wegen Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz handelte. Soweit die Strafkammer als Strafschärfungsgrund ergänzend darauf abstellt, dass der Angeklagte in einer Vielzahl von Fällen Marihuana gewinnbringend an die Jugendlichen verkauft hat, werden diese Umstände durch die geringen verkauften Mengen und die minimalen erzielten Gewinne deutlich relativiert.
7
Gewichtet man diese Gesichtspunkte, so ergibt sich ein so eindeutiges Überwiegen der strafmildernden Faktoren, dass die Anwendung des Normalstrafrahmens des § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG mit einer Mindeststrafe von zwei Jahren für jeden der Verkäufe von 1 - 2 Gramm Marihuana auch unter Anerkennung eines weiten tatrichterlichen Beurteilungsspielraums nicht mehr nachvollziehbar erscheint.
8
Darüber hinaus lassen die Urteilsgründe nicht - wie geboten (vgl. nur BGH, NStZ-RR 1998, 298) - erkennen, dass die Strafkammer eine Gesamtbetrachtung vorgenommen hat, bei der alle Umstände einbezogen und gewürdigt wurden, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen. Dies erfordert eine wertende Verknüpfung der mildernden und strafschärfenden Faktoren. Demgegenüber beschränkt sich das Landgericht auf die formelhafte und nicht näher begründete Schlussfolgerung, dass die mildernden Aspekte "mithin" die strafschärfenden nicht so überwiegen, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens angezeigt wäre. Auch bei der Gesamtwürdigung hätte die Strafkammer aber in Betracht ziehen müssen, ob die festgestellten mildernden Gesichtspunkte, insbesondere dass es sich um den Verkauf geringster Mengen der weichen Droge Marihuana handelt, die Fälle des Angeklagten so deutlich von den Delikten schwerer Kriminalität abheben, die durch § 30 Abs. 1 BtMG erfasst werden sollen, dass die Anwendung des darin vorgeschriebenen Strafrahmens unangemessen ist (vgl. Körner/Patzak/Volkmer-Patzak, BtMG, 7. Aufl. § 30 Rdn. 182). Fischer Schmitt Krehl Eschelbach Zeng