Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Feb. 2017 - 2 StR 291/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 22. Februar 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen.
- 2
- Die dagegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler erkennen lassen.
I.
- 3
- Nach den Feststellungen kam der Angeklagte mit zumindest seinem Landsmann „D. “ und einem unbekannt gebliebenen Chinesen überein, eine illegale Cannabisplantage zu betreiben. Dem Angeklagten oblag es, ein für den Betrieb der Anlage geeignetes Objekt zu finden, den Eigentümer und Vermieter des Gebäudes, der eine Gewinnbeteiligung von 70.000 Euro pro Ernte erhalten sollte, in den Tatplan einzuweihen, zur Tatbeteiligung zu gewinnen und anschließend diesem als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen. Nach jeder Ernte sollte der Angeklagte einen Anteil von 5.000 Euro erhalten.
- 4
- In der Folge kam es zu zwei sich zeitlich überschneidenden Anbauvorgängen mit insgesamt 2.201 Cannabispflanzen. Bei einer polizeilichen Durchsuchung am 13. Februar 2015 wurden 1.697 bereits erntereife Pflanzen etwa 90-100 cm groß aus einem ersten, und 504 Pflanzen ca. 30 cm groß aus einem zweiten Anbauvorgang sichergestellt. Zu diesem Zeitpunkt wiesen die Pflanzen aus dem ersten Anbau ca. 9.730 Gramm THC-Gehalt auf, diejenigen aus dem zweiten Anbau ca. 58 Gramm.
- 5
- Nach seiner Festnahme am 2. Juni 2015 machte der geständige Angeklagte Angaben zu den übrigen mit dem Plantagenbetrieb beschäftigen Personen und beschrieb erstmals in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 19. Juni 2015 den „D. “ und dessen Rolle. Er gab eine Personenbeschreibung ab, teilte mit, dieser habe in O. gewohnt, sei vor zwei Jahren nach Holland gezogen , sei häufig in B. im Do. Center anzutreffen und nutze einen dunkelblauen VW-Passat mit holländischem Kennzeichen. Eine Identifizierung des „D. “ war der Ermittlungsbehörde aufgrund dieser Angaben nicht möglich. Nach ergänzenden Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung zum Geburtsdatum und vollständigen Namen sowie nach Vorlage eines Fotos des „D. “, konnten die Ermittlungsbehörden diesen identifizieren und feststellen, dass er Anfang März 2015 nach Vietnam ausgereist war.
II.
- 6
- 1. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen zwar den Schuldspruch wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Jedoch hat das Landgericht das Konkurrenzverhältnis der Tatbeiträge des Angeklagten unzutreffend beurteilt und ist rechtsfehlerhaft von zwei tatmehrheitlichen Fällen des Handeltreibens ausgegangen. Der Generalbundesanwalt hat dazu ausgeführt: „Sindan einer Deliktsserie mehrere Personen beteiligt, ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, bei jedem Beteiligten gesondert zu entscheiden. Leistet ein Mittäter für alle oder einige Einzeltaten einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten - soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt - als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Fehlt es an einer solchen individuellen Tatförderung, erbringt der Täter aber im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktsserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeltaten seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden , sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2014 - 4 StR 284/14 -, juris, Rn. 4, m.w.Nachw.). Nach diesen Maßstäben hat sich der Angeklagte des bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig gemacht. Denn er hat zu den beiden Anbauvorgängen (vgl. Bl. 5 UA) keine individuellen, jeweils nur einen Anbauvorgang fördernden Tatbeiträge erbracht. Seine Tatbei- träge - die Vermittlung der Anmietung des Gebäudes sowie die nachfolgende „Kontaktpflege“ zum Vermieter - haben sich vielmehr auf beide Anbauvorgänge gleichermaßen fördernd ausgewirkt, so dass diese ihm als tateinheitlich begangen zuzurechnen sind. “
- 7
- Dem schließt sich der Senat an und ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
- 8
- Die Änderung des Schuldspruchs führt zum Wegfall der vom Landgericht festgesetzten Einzelstrafen. Entsprechend § 354 Abs. 1 StPO kann die im Übrigen ohne Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten gebildete Gesamtfreiheitsstrafe als Einzelstrafe bestehen bleiben. Die geänderte konkurrenzrechtliche Bewertung lässt den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat unberührt. Der Senat schließt aus, dass die Strafkammer bei Annahme von Tateinheit statt Tatmehrheit auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2007 - 4 StR 220/07).
- 9
- 2. Dass die Strafkammer im Übrigen im Rahmen ihrer Strafzumessungsentscheidung die von dem Angeklagten - jedenfalls hinsichtlich des Haupttäters „D. “ verspätet - geleistete Aufklärungshilfe als wesentliches Kriterium für die Annahme minder schwerer Fälle herangezogen hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken (vgl. Senatsurteil vom 22. Februar 2017 - 2 StR 291/16). Bei dieser Sachlage bestand keine Veranlassung zu erwägen, ob die - was einzelne Plantagenarbeiter anbelangt gegebenenfalls rechtzeitig geleistete - TeilAufklärungshilfe über § 31 BtMG zu einer weiteren Reduzierung des bereits u.a. wegen der verspätet geleisteten Aufklärungshilfe herangezogenen Strafrahmens des § 30a Abs. 3 BtMG führen könnte. Einem Angeklagten, der im Ermittlungsverfahren zunächst nur Nebenbeteiligte benennt und Informationen zu dem Haupttäter bewusst bis zur Hauptverhandlung zurückhält, kann nicht eine doppelte Strafmilderung nach § 30a Abs. 3 BtMG und nach § 31 BtMG zuteil werden. Appl Eschelbach Zeng Bartel Grube
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.
(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.
(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.
(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter
- 1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder - 2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
(2) Ebenso wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.
(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter
- 1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder - 2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.