Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Juni 2018 - 2 StR 112/18

bei uns veröffentlicht am27.06.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 112/18
vom
27. Juni 2018
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
ECLI:DE:BGH:2018:270618B2STR112.18.1

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – und der Beschwerdeführerin am 27. Juni 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 13. November 2017 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist und soweit die Strafkammer von einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit der Angeklagten ausgegangen ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihre Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die hiergegen gerichtete und auf die Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

2
1. Nach den Feststellungen befand sich die Angeklagte, die aus unbekanntem Grund seit 2003 oder 2005 eine Erwerbsminderungsrente bezog, seit dem Jahr 2002 mehrfach wegen Depressionen in psychologischer Behandlung. Nachdem sie Kenntnis von einem außerehelichen Verhältnis ihres Ehemannes, des Nebenklägers, erlangt hatte, traten massive Eheprobleme auf, die zu einer Verschlechterung der psychischen Verfassung der Angeklagten und im Jahr 2013 zu einer stationären Behandlung (Diagnose: „Ehekonflikt, Abhängigkeitssyndrom bei Alkoholgebrauch, rezidivierende depressive Störung“) führten. Eine im Jahr 2016 gegen ihren Widerstand erfolgte Annahme der Wahl zum Ortsbürgermeister durch den Nebenkläger führte zu einer weiteren Verschärfung des Ehekonflikts. Die Angeklagte zeigte ihren Ehemann im Juni 2016 wegen Körperverletzung und Misshandlung an und erwirkte ein einwöchiges Hausverbot. Eine anschließend erstattete Strafanzeige wegen vermeintlicher Unterschlagung von Geldern eines Hilfsfonds führte zwar zu Ermittlungen der zuständigen Stellen, förderte jedoch kein Fehlverhalten des Nebenklägers zutage. Im Juli 2016 drohte die Angeklagte mit Suizid und wurde deshalb auf Initiative einer ihrer Töchter in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Der Versuch einer Paartherapie scheiterte im November 2016 an der fehlenden Mitwirkungsbereitschaft der Angeklagten. Ende November 2016 entschloss sich der Nebenkläger zu einer räumlichen Trennung und bezog die leerstehende Wohnung im Erdgeschoss des gemeinsamen Wohnanwesens. Die Angeklagte begann nunmehr, zahlreiche Forderungen an den Nebenkläger zu stellen, welche die Nutzung des gemeinsamen Hauses, den Hausrat und Unterhaltsansprüche betrafen. Am Nachmittag des 30. Dezember 2016 verließ die Angeklagte nach einer lautstark geführten Auseinandersetzung – nur mit Nachthemd und Bademantel bekleidet – das Haus und floh in vermeintlicher Furcht vor körperlichen Übergriffen des Nebenklägers zu Nachbarn. Die von einem Familienangehörigen verständigten Polizeibeamten alarmierten den sozialpsychiatrischen Dienst, der die Angeklagte aus Gründen der Eigengefährdung unter der Diagnose psychische Störung und Alkoholintoxikation für 24 Stunden in ein psychiatrisches Krankenhaus einwies. Aus Verärgerung hierüber kündigte die Angeklagte ihrem Ehemann Vergeltung an (“Das kriegst Du wieder“). Nach- dem sie am Folgetag um die Mittagszeit nach Hause entlassen worden war, begab sie sich – nach weiteren verbalen Drohungen, ihren Ehemann „fertig zu machen“ – amNachmittag des 31. Dezember 2016 aus ihrer Wohnung in das Erdgeschoss des Anwesens, hebelte dort eine Tür aus und stellte diese quer im Eingangsflur ab, um ihrer mehrfach zuvor ausgesprochenen Forderung Nachdruck zu verleihen und den Nebenkläger an der Nutzung des Haupteingangs des Wohnanwesens zu hindern. Anschließend betrat sie die Wohnung ihres Ehemannes und fragte ihn unvermittelt, ob „es das nun gewesen sei“. Seine Antwort, „ja, das war's“, verstand sie dahin, dass er sich nunmehr endgültig von ihr trennen werde und die Scheidung einreichen wolle.
3
Sie begab sich in die Küche der Wohnung, nahm ein Messer mit einer Klingenlänge von fünfzehn Zentimetern an sich, folgte ihrem Ehemann unbemerkt in das Schlafzimmer und stach ihm das Messer mit einer schnellen, aufwärts geführten Bewegung in den Oberbauch, um ihn zu verletzen. Der Nebenkläger erlitt eine rund zwei Zentimeter tiefe, potentiell lebensgefährliche Stichverletzung , die zu einer Eröffnung des Bauchraums führte. Dem Nebenkläger gelang es, der Angeklagten das Messer zu entwinden und zu fliehen. Nach Erstversorgung durch Angehörige wurde er in ein Krankenhaus eingeliefert und die Stichverletzung versorgt.
4
2. Das Landgericht hat – den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen folgend – angenommen, dass die Angeklagte die als gefährliche Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB) gewertete Tat im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangen habe. Die Angeklagte leide an einer histrionischen Persönlichkeitsstörung; das Störungsbild sei durch eine erhebliche Beeinträchtigung des Selbstempfindens sowie ein starkes Maß an Egozentrik gekennzeichnet und äußere sich in „theatralischem Gehabe“ , einer erhöhten Kränkbarkeit, geringer Rücksichtnahme auf die Belange anderer sowie einer „passiven Aggressivität“. Die Persönlichkeitsstörung habe „die Schwere einer Psychose erreicht“ und erfülle daher das Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB. Die Angeklagte habe das „starke Verlangen nach Zuwendung“ und fordere Respekt und Anerkennung ein. Werde diese Forderung nicht erfüllt, so reagiere die Angeklagte – wie im Maßregelvollzug beobachtet – mit Verweigerung, oder mit Drohungen bis hin zu einem Angriff auf die wirtschaftliche, soziale oder körperliche Integrität anderer Personen. Aufgrund dieser Persönlichkeitsstörung sei ihre Steuerungsfähigkeit in der Tatsituation erheblich im Sinne des § 21 StGB eingeschränkt gewesen. Die Angeklagte habe die Zustimmung ihres Ehemanns auf ihre Frage, ob „es das jetzt gewesen sei“, als einen aggressiven Angriff auf die eigene Person, als vollständigen Entzug des ihr gebührenden Respekts und der Unterstützung empfunden, auf die sie Anspruch zu haben glaube; trotz Ausschöpfung aller anderen Mittel, Drohungen und Angriffe auf seine Integrität habe ihr Ehemann nach ihrem Verständnis nun auch eine Scheidung als Handlungsoption in Betracht gezogen. Bereits der Verdacht, ihr Ehemann könne möglicherweise einen Scheidungsantrag stellen wollen – so das Landgericht – habe bei der Angeklagten „die Vorstellung“ ausgelöst, dass er im Begriff stehe, sich von ihr abzuwenden. Dieser Abkehr habe sie durch die Verletzung ihres Ehemannes begegnen wollen. Gegen dieses Verlangen habe sie „aufgrund der Persönlichkeitsstörung nur sehr eingeschränkt Hemmungen aufbauen können.“
5
Die aus der histrionischen Persönlichkeitsstörung resultierende erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit sei durch die außerdem bestehende Alkoholabhängigkeit und den Medikamentenmissbrauch nicht ausschließbar verstärkt worden. Anhaltspunkte für eine Aufhebung der Steuerungsfähigkeit bestünden angesichts des planvollen Vorgehens sowie des „überwiegend gesteuerten Krafteinsatzes“ jedoch nicht.

II.

6
Der Maßregelausspruch hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
7
Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) bedarf besonders sorgfältiger Begründung, weil es sich um eine schwerwiegende und gegebenenfalls langfristig in das Leben des Betroffenen eingreifende Maßnahme handelt. Den sich daraus ergebenden besonderen Darlegungsanforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht.
8
1. Die Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB ist nicht tragfähig belegt.
9
a) Die richterliche Entscheidung, ob die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert ist, erfordert prinzipiell eine mehrstufige Prüfung (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 6. Juli 2017 – 4 StR 65/17, NStZ-RR 2017, 269 und vom 21. Dezember 2016 – 1 StR 399/16, NStZ-RR 2017, 170; Senat, Beschluss vom 1. Juni 2017 – 2 StR 57/17 mwN; Urteil vom 1. Juli 2015 – 2 StR 137/15, NJW 2015, 3319, 3320). Zunächst ist die Feststellung erforderlich, dass bei der Angeklagten eine psychische Störung vorliegt, die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind in einem weiteren Schritt der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters zu untersuchen. Durch die festgestellten psychopathologischen Verhaltensmuster muss seine psychische Funktionsfähigkeit bei der Tatbegehung beeinträchtigt worden sein (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 2017 – 4 StR 65/17, NStZ-RR 2017, 269 [Ls.]). Zwar ist das Tatgericht für die Tatsachenbewertung auf die Hilfe eines Sachverständigen angewiesen. Gleichwohl handelt es sich bei der Frage des Vorliegens eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB bei gesichertem Vorliegen eines psychiatrischen Befunds um eine Rechtsfrage. Gleiches gilt für die Prüfung und Beantwortung der weiteren Frage, ob die festgestellte und einem der Eingangsmerkmale des § 20 StGB zuzuordnende Störung sich bei Tatbegehung auf die Handlungsmöglichkeiten des Täters in der konkreten Tatsituation und damit auf seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2017 – 4 StR 463/16, NStZ-RR 2017, 165, 166; Beschluss vom 28. Januar 2016 – 3 StR 521/15, NStZ-RR 2016, 135 [Ls.]). Die Beurteilung dieser Rechtsfragen erfordert konkretisierende und widerspruchsfreie Darlegungen dazu, in welcher Weise sich die festgestellte Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Täters in der konkreten Tatsituation und damit auf seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2016 – 1 StR 399/16, NStZ-RR 2017, 170, 171; Beschluss vom 28. Januar 2016 – 3 StR 521/15, NStZ-RR 2016, 135 [Ls.]). Haben bei der Tat mehrere Faktoren zusammengewirkt und kommen mehrere Eingangsmerkmale in Betracht, so dürfen diese nicht isoliert abgehandelt, sondern müssen einer Gesamtbetrachtung unterzogen werden (BGH, Beschluss vom 21. Juni 2016 – 4 StR 161/16, StV 2017, 588).
10
b) Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die gesicherte Diagnose einer schweren Persönlichkeitsstörung für sich genommen eine Aussage über die Frage der Schuldfähigkeit der Angeklagten nicht zulässt und nicht gleichbedeutend mit der Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB ist (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2017 – 5 StR 364/17, NStZ-RR 2018, 10 [Ls.]; Beschluss vom 6. Februar 1997 – 4 StR 672/96, BGHSt 42, 385, 388). Es hat außerdem bedacht, dass die Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit durch die festgestellten pathologischen Verhaltensmuster im Vergleich mit jenen einer krankhaften seelischen Störung zu untersuchen ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52). Die Darlegungen tragen jedoch weder die Annahme, dass die bei der Angeklagten diagnostizierte Persönlichkeitsstörung den Schweregrad des Eingangsmerkmals der schweren anderen seelischen Abartigkeit erreicht noch die weitere Annahme, dass ihr Hemmungsvermögen bei Begehung der Tat erheblich im Sinne des § 21 StGB eingeschränkt gewesen ist.
11
aa) Die Urteilsausführungen belegen nicht nachvollziehbar, dass die bei der Angeklagten bestehende „histrionische Persönlichkeitsstörung“ tatsächlich den Schweregrad des Eingangsmerkmals erreicht. Maßgeblich ist insoweit im Allgemeinen, ob die Persönlichkeitsstörung Symptome aufweist, die in ihrer Gesamtheit das Leben der Angeklagten vergleichbar schwer und mit ähnlichen – auchsozialen – Folgen stören, belasten oder einengen wie krankhafte seelische Störungen (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juni 1991 – 5 StR 122/91, BGHSt 37, 397, 401; Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52). Insoweit fehlt es an konkretisierenden Darlegungen zum Ausprägungsgrad der Störung sowie zu ihrem Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit der Angeklagten (vgl. Senat, Urteil vom 1. Juli 2015 – 2 StR 137/15, NJW 2015, 3319,

3320).


12
bb) Auch die tatgerichtliche Annahme, dass die Angeklagte aufgrund der Persönlichkeitsstörung aus einem mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 2017 – 4 StR 65/17, NStZ-RR 2017, 269 [Ls.]; Beschluss vom 6. Februar 1997 – 4 StR 672/96, BGHSt 42, 385, 388), ist nicht tragfähig belegt und daher nicht nachvollziehbar. Sie versteht sich auch unter Berücksichtigung der Vorgeschichte, des unmittelbaren Tatanlasses sowie des Verhaltens der Angeklagten nach der Tat nicht von selbst. In diesem Zusammenhang hätte die Strafkammer insbesondere erwägen müssen, ob die Angeklagte ihrem Ehemann, den sie ersichtlich für ihre am Vortag erfolgte Einweisung in die psychiatrische Klinik verantwortlich gemacht hatte, bestrafen und Vergeltung (“Das kriegst Du wieder“) üben wollte, ihre Tat also auch normalpsychologisch erklärbar sein könnte.
13
2. Schließlich ist auch die für die Maßregelanordnung nach § 63 StGB erforderliche Gefährlichkeitsprognose nicht tragfähig belegt. Der bloße Verweis auf „die Gesamtschau der Tat und der bei der Angeklagten vorliegenden schweren Persönlichkeitsstörung“ genügt vorliegend nicht, um die für die Maß- regelanordnung erforderliche Wahrscheinlichkeit höheren Grades zu belegen, dass von der Angeklagten auch künftig vergleichbare Taten zu erwarten sind. Insoweit hätte sich das Landgericht mit der Frage auseinander setzen müssen, ob von der bislang – von einer Verurteilung wegen einer Trunkenheitsfahrt abgesehen – strafrechtlich noch nicht auffällig gewordenen Angeklagten tatsächlich weitere erhebliche Straftaten zu erwarten sind oder ob es sich bei der verfahrensgegenständlichen Tat um eine vor dem Hintergrund einer Lebenskrise zu sehenden Konflikttat handeln könnte, die eine Gefährlichkeitsprognose regelmäßig nicht rechtfertigen könnte (vgl. Senat, Urteil vom 9. Mai 2018 – 2 StR 308/17).
14
3. Von dem aufgezeigten Mangel wird der Schuld- und Strafausspruch nicht berührt. Eine Schuldunfähigkeit kann – ungeachtet des Umstands, dass das Tatgericht bei der Schuldfähigkeitsprüfung den möglichen Einfluss einer akuten Alkoholintoxikation nicht ausdrücklich in den Blick genommen hat – nach Sachlage sicher ausgeschlossen werden. Die Angeklagte ist durch die – möglicherweiserechtsfehlerhafte – Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit insoweit nicht beschwert.
Schäfer Appl Bartel Grube Schmidt

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 399/16
vom
21. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:211216U1STR399.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 20. Dezember 2016 in der Sitzung am 21. Dezember 2016, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum, der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, die Richterin am Bundesgerichtshof Cirener und die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Mosbacher, Dr. Bär,
Staatsanwalt - in der Verhandlung vom 20. Dezember 2016 -, Staatsanwältin - bei der Verkündung am 21. Dezember 2016 - als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt , - in der Verhandlung vom 20. Dezember 2016 - als Verteidiger des Angeklagten,
Justizangestellte - in der Verhandlung vom 20. Dezember 2016 -, Justizobersekretärin - bei der Verkündung am 21. Dezember 2016 - als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 15. Februar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben. Ausgenommen sind die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben , soweit das Landgericht von einer Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgesehen hat. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der beiden Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit zwei tateinheitlichen Fällen der Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung in Tatmehrheit mit zwei tatmehrheitlichen Fällen der Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Mit ihrer auf die Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus beschränkten Revision rügt die Staatsanwaltschaft ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts.

I.

2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Angeklagte hatte sich geweigert, in einem gegen Unbekannt geführten Ermittlungsverfahren freiwillig eine Speichelprobe abzugeben, weshalb seine Wohnung am 26. März 2015 gegen 6.00 Uhr von Spezialkräften der Polizei gewaltsam geöffnet wurde, um eine gerichtlich angeordnete zwangsweise Blutentnahme durchzuführen. In diesem Rahmen beleidigte der zu diesem Zweck fixierte und gesicherte Angeklagte zwei Polizeibeamte und drohte einem Beamten, dass er ihn umbringen werde, wenn er die Möglichkeit dazu bekomme.
4
Nachdem die Blutentnahme durchgeführt, die Sicherung gelöst worden war und die eingesetzten Polizeibeamten die Wohnung sukzessive verlassen hatten, verhielt sich der Angeklagte zunächst ruhig, versetzte aber an der Wohnungstür unvermittelt einem Polizeibeamten mit der rechten geballten Faust einen sehr wuchtigen Schlag ins Gesicht, so dass dieser in die Hocke ging. Der Beamte erlitt dadurch ein Schwindelgefühl, eine rechtsseitige Gesichtsprellung mit leichter Schwellung sowie eine leichte Halswirbeldistorsion mit starken Schmerzen, die mehrere Tage anhielten.
5
Nach erneuter Sicherung des Angeklagten durch die Polizeibeamten zeigte dieser einem Polizeibeamten seinen ausgestreckten rechten Mittelfinger und äußerte: „Fick‘ Dich in den Arsch, wir sind Feinde“. Nachdem der Angeklag- te auf Grund einer vorläufigen Festnahme zum Polizeipräsidium verbracht worden war, bezeichnete er einen am vorherigen Einsatz nicht beteiligten Polizei- beamten als „Du Arschloch“ und spuckte ihm zudem aus ein bis zwei Meter Entfernung in das Gesicht sowie auf dessen Kleidung.
6
2. Der Angeklagte ist bisher wegen Erschleichens von Leistungen in vier Fällen vorgeahndet und im Jahr 2013 zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt worden. Vor den verfahrensgegenständlichen Taten gab es gegen den Angeklagten in den Jahren 2012 bis 2014 mehrere Ermittlungsverfahren , die jeweils nach § 153 oder § 154 StPO eingestellt wurden und deshalb nicht zu weiteren Verurteilungen führten. Insoweit hat das Landgericht gleichwohl folgende Feststellungen getroffen (UA S. 73-75): So hat der Angeklagte im Rahmen eines Gerangels nach einer Fahrscheinkontrolle einen Mitarbeiter der U-Bahn-Wache beleidigt und so in den Unterarm gebissen, dass dieser dadurch eine blutende Wunde erlitt. Bei einer weiteren Kontrolle in der U-Bahn hat der Angeklagte einem Mitarbeiter einen Schlag ins Gesicht sowie jeweils links und rechts in den Rumpf versetzt, wodurch dieser eine leichte Prellung im Gesicht und Schmerzen erlitt. In weiteren Ermittlungsverfahren setzte der Angeklagte mehrfach Notrufe ab, beleidigte die Beamten, die diese Gespräche entgegennahmen, und kündigte an, jeden „abzuschlachten“, der versuche seine Mutter zu töten, wobei er ein Messer zu Hause habe. Es erfolgten auch Bedrohungen und Beleidigungen eines Mitarbeiters des Kreisverwaltungsreferats. In der Wohnung des Angeklagten konnten bei Durchsuchungsmaßnahmen Munition für Langwaffen und pyrotechnische Gegenstände sichergestellt werden.
7
3. Der Angeklagte erkrankte im Jahr 2009 erstmals an Schizophrenie, weshalb eine stationär-psychiatrische Behandlung erforderlich war, wobei er auch medikamentös behandelt wurde. Im Anschluss an die stationäre Therapie folgte eine mehrere Monate andauernde weitere ambulante Behandlung. Das sachverständig beratene Landgericht geht davon aus, dass der Angeklagte auch im Tatzeitraum an einer paranoiden Schizophrenie mit unvollständiger Remission und damit an einer krankhaften seelischen Störung als Eingangsmerkmal i.S.d. § 20 StGB litt. Da es sich hierbei um ein Störungsbild handele, welches das Motivationsgefüge und Tatverhalten entscheidend geprägt habe, sei beim Angeklagten von einer erheblichen Minderung der Steuerungsfähigkeit i.S.d. § 21 StGB auszugehen. Im Rahmen der einstweiligen Unterbringung im zu Grunde liegenden Verfahren verweigerte der Angeklagte jegliche Medikation und zeigte keine Krankheitseinsicht.
8
4. Im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 63 StGB für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus kommt das Landgericht zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte zwar die rechtswidrigen Taten im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit begangen habe. Nach umfangreicher Gesamtwürdigung verneint das Landgericht aber die erforderliche Gefährlichkeitsprognose , da es an der notwendigen Erheblichkeit der für die Zukunft vom Angeklagten zu erwartenden Straftaten mangele. Zwar rage auch die verfahrensgegenständliche vorsätzliche Körperverletzung grundsätzlich in den Bereich mittlerer Kriminalität hinein. Ihr könne aber im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose nur ein geringes Gewicht beigemessen werden, da die Aggression einer Ausnahmesituation entspringe (UA S. 71). Auch aus den jeweils gemäß § 153 oder § 154 StPO eingestellten weiteren staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren ergebe sich keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für schwere Störungen des Rechtsfriedens durch den Angeklagten.

II.

9
Die Revision des Angeklagten ist überwiegend begründet. Die Schuldfähigkeitsprüfung des Landgerichts begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
10
1. Die Ausführungen des Landgerichts zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Angeklagten sind rechtsfehlerhaft und ermöglichen dem Senat keine Nachprüfung, ob es zu Recht eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt ausgeschlossen und eine erhebliche Verminderung der Schuld bejaht hat.
11
a) Die Entscheidung, ob die Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe ausgeschlossen oder im Sinne von § 21 StGB erheblich vermindert war, erfolgt prinzipiell mehrstufig (BGH, Urteil vom 1. Juli 2015 – 2 StR 137/15, NJW 2015, 3319 und Beschluss vom 12. März 2013 – 4 StR 42/13, NStZ 2013, 519 jeweils mwN). Zunächst ist die Feststellung erforderlich, dass bei dem Angeklagten eine psychische Störung vorliegt, die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters zu untersuchen. Durch die festgestellten psychopathologischen Verhaltensmuster muss die psychische Funktionsfähigkeit des Täters bei der Tatbegehung beeinträchtigt worden sein. Hierzu ist der Richter für die Tatsachenbewertung jeweils auf die Hilfe eines Sachverständigen angewiesen. Gleichwohl handelt es sich bei der Frage des Vorliegens eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB bei gesichertem Vorliegen eines psychiatrischen Befunds wie bei der Prüfung der erheblich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit um Rechtsfragen. Deren Beur- teilung erfordert konkretisierende und widerspruchsfreie Darlegungen dazu, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (BGH, Beschlüsse vom 28. Januar 2016 – 3 StR 521/15, NStZ-RR 2016, 135 und vom 19. Dezember 2012 – 4 StR 417/12, NStZ-RR 2013, 145, 146).
12
b) Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe im vorliegenden Fall nicht gerecht.
13
Zwar ist das Landgericht zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die beim Angeklagten durch den Sachverständigen diagnostizierte paranoide Schizophrenie mit unvollständiger Remission unter das Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung i.S.d. § 20 StGB eingeordnet werden kann. Die weiteren Ausführungen des Landgerichts zu den Auswirkungen und zum Schweregrad dieser Erkrankung sind aber widersprüchlich. So wird einerseits davon ausgegangen, dass beim Angeklagten eine wahnhafte Störung bestanden habe, die sowohl zum Vorliegen einer Wahnstimmung als auch zu einer Wahnwahrnehmung geführt habe, so dass letztlich eine konstruktive Auseinandersetzung mit ihm nicht möglich gewesen sei. Durch die vom Angeklagten geführte Diskussion habe sich der Wahn verhärtet und die Erkrankung verstärkt (UA S. 42 und 47). Anderseits kommt das Landgericht aber letztlich zum Ergebnis , dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit „weder voll- ständig aufgehoben noch die Einsichtsfähigkeit beeinträchtigt gewesen“ sein soll, weil der Angeklagte „insbesondere zu ruhig und zu klar gewesen“ sei (UA S. 46), wobei diese Wertung in einem Spannungsverhältnis zu den Bekundungen des Sachverständigen Dr. Dr. C. steht. Dieser hat den nach der Tat inhaftierten Angeklagten aufgesucht und ihn nicht nur als laut, sondern als „hasserfüllt, ablehnend und furchteinflößend“ (UA S. 47aE) geschildert. Damit bleibt auf Grund dieser widersprüchlichen Wertungen letztlich offen, in welchem Umfang sich die vom Sachverständigen attestierte Erkrankung des Angeklagten bei der Begehung der konkreten Tat ausgewirkt hat.
14
2. Da der Senat deshalb nicht auszuschließen vermag, dass der Angeklagte im Zustand der Schuldunfähigkeit und nicht nur im Zustand verminderter Schuldfähigkeit handelte, muss über den Schuldspruch und die strafrechtlichen Rechtsfolgen der Tat insgesamt neu verhandelt und entschieden werden.
15
3. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen beruhen aber auf einer mangelfreien Beweiswürdigung und sind von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen; sie können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann insoweit aber ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.

III.

16
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat ebenfalls Erfolg. Die Nichtanordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
17
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf die Nichtanordnung der Maßregel nach § 63 StGB beschränkt (§ 344 Abs. 1 StPO).
18
2. Die Nichtanordnung der Maßregel nach § 63 StGB ist rechtsfehlerhaft. Zwar ist das Landgericht von einer zumindest erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt i.S.d. § 21 StGB ausgegangen, jedoch weist die zur Verneinung der Maßregel führende Gefährlichkeitsprognose des Landgerichts durchgreifende Wertungsfehler auf.
19
a) Eine Unterbringung nach § 63 StGB darf lediglich dann angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird, also solche, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, NStZ-RR 2016, 198 mwN; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 63 Rn. 15 und 16 mwN). Dies setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass die zu erwartenden Delikte wenigstens in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichen, den Rechtsfrieden empfindlich stören und geeignet sind, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 13. Oktober 2016 – 1 StR 445/16; vom 18. Juli 2013 – 4 StR 168/13, NJW 2013, 3383; vom 16. Juni 2014 – 4 StR 111/14, NStZ 2014, 571; vom 19. August 2014 – 3 StR 243/14, StV 2016, 732; Urteil vom 28. Oktober 2015 – 1 StR 142/15, NStZ-RR 2016, 40; BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 2013 – 2 BvR 298/12, NStZ-RR 2014, 305).
20
Diese durch die Rechtsprechung herausgebildeten Anforderungen sind durch die neue Fassung des § 63 Satz 1 StGB dahingehend konkretisiert worden , dass nur die Erwartung solcher erheblicher rechtswidriger Taten ausreicht, durch die die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird. Erreichen die Anlasstaten ihrem Gewicht nach nicht einmal diesen Bereich, ist eine Anordnung der Maßregel gemäß § 63 StGB nicht von vornherein ausgeschlossen; das Tatgericht muss in solchen Fällen allerdings die erforderliche Gefährlichkeitsprognose besonders sorgfältig darlegen (BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241; Beschlüsse vom 6. März 2013 – 1 StR 654/12, NStZ-RR 2013, 303, 304 f.; vom 18. November 2013 – 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 76 f.).
21
b) Die Gefährlichkeitsprognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 13. Oktober 2016 – 1 StR 445/16; vom 16. Januar 2013 – 4 StR 520/12, NStZ-RR 2013, 141; vom 1. Oktober 2013 – 3 StR 311/13, NStZ-RR 2014, 42; vom 2. September 2015 – 2 StR 239/15; vom 3. Juni 2015 – 4 StR 167/15, StV 2016, 724) und hat sich darauf zu erstrecken, ob und welche Taten von ihm infolge seines Zustands drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt (BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 2013 – 2 BvR 298/12, NStZ-RR 2014, 134; BGH, Beschluss vom 7. Juni 2016 – 4 StR 79/16, NStZ-RR 2016, 306). Diesem schon von der Rechtsprechung entwickelten besonderen Darlegungserfordernis gibt die seit dem 1. August 2016 geltende und über § 2 Abs. 6 StGB anzuwendende Neuregelung in § 63 Satz 2 StGB eine klare gesetzliche Fassung (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften, BT-Drucks. 18/7244, S. 22-24).
22
c) Diesen aufgezeigten Anforderungen genügt die Gefährlichkeitsprognose des Landgerichts nicht, da sie in sich widersprüchlich ist und den festgestellten Sachverhalt nur unzureichend würdigt.
23
Das Landgericht hat im Rahmen seiner Erwägungen zwar auf der einen Seite zutreffend beachtet, dass im Rahmen der Gesamtabwägung zur Gefährlichkeit des Angeklagten einer in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichenden Tat nur eingeschränktes Gewicht beizumessen sein kann, wenn Auslöser für diese Tat eine vom Angeklagten als äußerst bedrohlich empfundene Ausnahmesituation war (BGH, Urteil vom 8. Juni 2011 – 5 StR 134/11, RuP 2011, 245). Auf der anderen Seite geht das Landgericht auch rechtsfehlerfrei davon aus, dass bei der Gefährlichkeitsprognose im Rahmen der Gesamtwürdigung von Tat und Täter neben den verfahrensgegenständlichen auch frühere Taten mit zu berücksichtigen sind, selbst wenn die diesbezüglichen Verfahren nach § 153 oder § 154 StPO eingestellt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 2004 – 1 StR 437/03).
24
Die diese beiden Gesichtspunkte berücksichtigenden Wertungen des Landgerichts dürfen jedoch nicht – wie hier – in Widerspruch zueinander stehen. Unabhängig von der Frage, ob es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Polizeieinsatz bereits um eine derartige Ausnahmesituation für den Angeklagten handelte, belegen die Feststellungen des Landgerichts zu den weiteren Ermittlungsverfahren, dass der Angeklagte durch die Begehung vorsätzlicher Körperverletzungen im Bereich der mittleren Kriminalität in Erscheinung getreten ist. Bei beiden Vorfällen im Zusammenhang mit Fahrscheinkontrollen handelte es sich jedenfalls um keine Ausnahmesituationen im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung, sondern um ganz gewöhnliche Geschehnisse im Alltag. Alle bisherigen Taten des Angeklagten stellen sich damit – wie vom Sachverständigen auch ausgeführt – als unmittelbare Reaktion auf eine be- stimmte vorangegangene, vom Angeklagten „krankheitsbedingt als vermeintli- ches Unrecht empfundener Situationen“ dar (UA S. 68) und belegen den vom Landgericht angenommenen Obersatz, dass „vom Angeklagten auch in Zukunft Straftaten von ähnlicher Schwere zu erwarten sind, wie sie vom Angeklagten auch in der Vergangenheit begangen worden sind“ (UA S. 67). Das einseitige Abstellen des Landgerichts auf die „Ausnahmesituation“ bei den verfahrensgegenständlichen Taten zur Verneinung der Gefährlichkeitsprognose steht damit in Widerspruch zu den Feststellungen des Landgerichts in Bezug auf die übrigen Taten, denen nur eine völlig untergeordnete Bedeutung beigemessen wird. Völlig unberücksichtigt im Rahmen der Gesamtabwägung bleibt zudem, dass der Angeklagte auch mehrfach Notrufe absetzte und ankündigte, jeden „abzu- schlachten“, der versuche seine Mutter zu töten, wobei sich in seiner Wohnung Munition und pyrotechnische Gegenstände befanden. Gleiches gilt für die Feststellung des Landgerichts, dass der Angeklagte im Rahmen der Begutachtung durch den Sachverständigen ein Klappmesser mit sich führte, dieses aber nicht als Waffe verwendete, sondern auf den Tisch legte (UA S. 74). Ausgehend von den beim Angeklagten festgestellten Wahngedanken mit inadäquaten Affekten in Form von erheblich verminderter Impulskontrolle (UA S. 44) sind die abschließenden Wertungen des Landgerichts, dass beim Angeklagten zwar mit erneuten Beleidigungen und Bedrohungen zu rechnen sei, aber nicht mit weiteren schwerwiegenderen Straftaten (UA S. 76), nicht tragfähig. Dies gilt umso mehr als das Landgericht auch im Rahmen der Prognoseentscheidung zur Ablehnung der Strafaussetzung zur Bewährung ebenfalls davon ausgeht, dass der Angeklagte krankheitsbedingt weitere Straftaten begehen wird (UA S. 63).
25
Mit aufzuheben sind auch die insoweit getroffenen Feststellungen des Landgerichts, um dem neuen Tatrichter eine umfassende und widerspruchsfreie Entscheidung zu ermöglichen.

IV.

26
Für die neue Hauptverhandlung, die auch das bis dahin gezeigte Verhalten des Angeklagten in den Blick zu nehmen hat, weist der Senat ergänzend auf Folgendes hin: Da sich der Angeklagte nach den bisherigen Feststellungen des Landgerichts in der Zeit vom 26. März 2015 bis zum 15. Februar 2016 über zehn Monate in der einstweiligen Unterbringung nach § 126a StPO befunden hat, ist diese Freiheitsentziehung gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB auf eine etwaige im neuen Verfahren zu verhängende Freiheitsstrafe anzurechnen, so dass eine Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung schon begrifflich ausscheidet. Ohne dass es auf die bedenklichen Ausführungen des Landgerichts zur Sozialprognose oder Verteidigung der Rechtsordnung (§ 56 Abs. 3 StGB) ankäme, müsste die dann bereits vollzogene Freiheitsstrafe als unbedingte ausgeurteilt werden (BGH, Beschluss vom 12. Februar 2014 – 1 StR 36/14, NStZ-RR 2014, 138). Im Fall der Anordnung einer Maßregel nach § 63 StGB hätte der Angeklagte i.S.d. § 67b Abs. 1 Satz 2 StGB auch keine „Frei- heitsstrafe zu verbüßen“, weil diese durch Anrechnung des erlittenen Freiheits- entzugs nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB erledigt wäre (BGH, Beschluss vom 25. August 1993 – 5 StR 500/93, StV 1994, 260).
Raum Jäger RinBGH Cirener ist krankheitsbedingt an der Unterschriftsleistung gehindert. Raum
Mosbacher Bär

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 57/17
vom
1. Juni 2017
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2017:010617B2STR57.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 1. Juni 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 16. September 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, weil er bei aufgehobener Einsichtsfähigkeit am 29. September 2015 einen fremden PKW und am 13. März 2016 einen mit Kleidung gefüllten Rollkoffer in einem von ihm genutzten Gebäude in Brand gesetzt hat. Die Revision des Beschuldigten hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Nach Überzeugung des sachverständig beratenen Landgerichts war der Beschuldigte aufgrund einer schizoaffektiven, gegenwärtig manischen Störung sowie einer Polytoxikomanie „seit September 2015 und auch zu den Tat- zeiten akut psychotisch“, wodurch bei beiden Straftaten seine Einsichtsfähigkeit vollständig aufgehoben gewesen sei. Es ist ohne Weiteres der Auffassung des Sachverständigen gefolgt, wonach bei dem bis zur ersten Tat im September 2015 unauffälligen Beschuldigten „Auffassungs- und Konzentrationsstörungen“, „Zeitgitterstörungen“ und „Ideenflucht“, „Beziehungs- und Beeinträchtigungs- wahn“, der „systemische Züge“ aufweise, sowie „Größen- und Allmachtsideen“ bestünden. Die Affektivität des Beschuldigten sei „maniform und dysphorisch gereizt“, er selbst sei psychomotorisch unruhig und deutlich antriebsgesteigert; seine Zukunftsvorstellungen seien situativ verzehrt und wegen fehlender Wahr- nehmung der eigenen Einschränkung besitze er „kein realistisches Lebens- und Zukunftskonzept.“
3
2. Die Voraussetzungen des § 63 StGB werden durch die Urteilsfeststellungen nicht hinreichend belegt.
4
a) Die Entscheidung, ob die Schuldfähigkeit des Unterzubringenden zur Tatzeit aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe ausgeschlossen oder im Sinne von § 21 StGB erheblich vermindert war, erfordert prinzipiell eine mehrstufige Prüfung (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 30. März 2017 - 4 StR 463/16, NStZ-RR 2017, 165, 166 und Senat, Urteil vom 1. Juli 2015 - 2 StR 137/15, NJW 2015, 3319, 3320; vgl. auch Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß, NStZ 2005, 57 ff.). Zunächst ist die Feststellung erforderlich, dass bei dem Täter eine psychische Störung vorliegt, die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters zu untersuchen. Durch die festgestellten psychopathologischen Verhaltensmuster muss die psychische Funktionsfähigkeit des Täters bei der Tatbegehung beeinträchtigt worden sein. Hierzu ist der Richter für die Tatsachenbewertung auf die Hilfe eines Sachverständigen angewiesen. Gleichwohl handelt es sich bei der Frage des Vorliegens eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB bei gesichertem Vorliegen eines psychiatrischen Befunds wie bei der Prüfung einer aufgehobenen oder erheblich beeinträchtigten Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Täters zur Tatzeit um Rechtsfragen. Deren Beurteilung erfordert konkretisierende und widerspruchsfreie Darlegungen dazu, in welcher Weise sich die festgestellte Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Täters in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2017 - 4 StR 463/16, NStZ-RR 2017, 165, 166; Beschluss vom 28. Januar 2016 - 3 StR 521/15, NStZ-RR 2016, 135).
5
b) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.
6
aa) Das angefochtene Urteil lässt bereits eine Auseinandersetzung mit dem Schweregrad der angenommenen psychischen Störung vermissen. Damit ist aber zu besorgen, dass das Landgericht in rechtsfehlerhafter Weise davon ausgegangen ist, bereits die Diagnose einer schizoaffektiven Störung führe ohne Weiteres zur Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB.
7
bb) Das Urteil nimmt zudem keinerlei wertende Betrachtung zur Tatrelevanz der Störung vor. Dieses darf nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch regelmäßig nicht offenbleiben (vgl. etwa BGH, Urteil vom 29. September 2015 - 1 StR 287/15, NJW 2016, 341, 342; Beschluss vom 22. April 2008 - 4 StR 136/08, NStZ-RR 2009, 46 f. und Senat, Beschluss vom 12. November 2004 - 2 StR 367/04, BGHSt 49, 347, 351 f.).
8
Für die Frage eines Ausschlusses oder einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit kommt es maßgeblich darauf an, in welcher Weise sich die festgestellte und unter eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumierende psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglich- keiten des Beschuldigten in der konkreten Tatsituation ausgewirkt hat. Die Beurteilung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit kann daher - von offenkundigen Ausnahmefällen abgesehen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Mai 1997 - 1 StR 17/97, NStZ 1997, 485, 486) - nicht abstrakt, sondern nur in Bezug auf eine bestimmte Tat erfolgen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2015 - 1 StR 56/15, NJW 2016, 728, 729; Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 54). Beurteilungsgrundlage ist das konkrete Tatgeschehen, wobei neben der Art und Weise der Tatausführung auch die Vorgeschichte, der Anlass zur Tat, die Motivlage des Beschuldigten und sein Verhalten nach der Tat von Bedeutung sein können (vgl. BGH, Urteile vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03 aaO mwN; vom 4. Juni 1992 - 5 StR 122/91, BGHSt 37, 397, 402). An einer solchen spezifisch tatbezogenen Auseinandersetzung fehlt es hier.
9
c) Die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Beschuldigten als Grundlage für die Anordnung nach § 63 StGB bedarf daher insgesamt neuer Prüfung durch den Tatrichter.
10
3. Sollte gemäß § 416 Abs. 2 StPO das Sicherungsverfahren in das Strafverfahren überzuleiten sein (zur Möglichkeit einer Überleitung nach Zurückverweisung der Sache durch das Revisionsgericht vgl. Meyer-Goßner, StPO, 60. Aufl., § 416 Rn. 5 mwN), wird auf § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO hinge- wiesen. Der neue Tatrichter wird zudem eingehender als bislang geschehen darzulegen haben, inwieweit der Beschuldigte zur schweren Brandstiftung unmittelbar angesetzt hat. Appl Eschelbach Zeng Grube Schmidt

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 1 3 7 / 1 5
vom
1. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. Juli 2015,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Zeng,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Bartel,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 15. Dezember 2014 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen, mit Ausnahme derjenigen zum äußeren Tatgeschehen, aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Nach Aufhebung eines ersten Urteils durch Senatsbeschluss vom 17. April 2014 - 2 StR 405/12 (NJW 2014, 2738), wobei aber die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrecht erhalten wurden, hat das Landgericht den Angeklagten mit dem angefochtenen Urteil wegen Betrugs in 29 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie ausgesprochen, dass davon zwei Monate als bereits vollstreckt gelten. In den Niederlanden erlittene Auslieferungshaft hat es im Verhältnis von eins zu eins angerechnet. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten, der das Rechtsmittel in der Revisionshauptverhandlung auf den Strafausspruch beschränkt hat. Die Revision hat in diesem Umfang Erfolg.

I.

2
Nach den bindend gewordenen Feststellungen zur Tat beschloss der Angeklagte im Herbst 2005 noch während der Verbüßung einer Freiheitsstrafe wegen gleichartiger Taten, Kunden in schwierigen finanziellen Verhältnissen eine Leasingfinanzierung anzubieten und dabei Vorschusszahlungen zu verlangen. Im Februar 2006 gründete er mit dem gesondert verfolgten S. die H. mit Sitz in M. . Das Unternehmen unterbreitete Interessenten jeweils Angebote für eine Finanzierung, wobei eine Vorausgebühr ab Erteilung einer Darlehenszusage in Höhe von fünf vom Hundert der Darlehenssumme verlangt wurde. Unmittelbar nach Erbringung dieser "Sonderzahlung" übernahm eine "Refinanzierungsabteilung" des Unternehmens die Sachbearbeitung und forderte umfangreiche Bonitätsauskünfte sowie die Vorlage weiterer Unterlagen ein. Danach wurde der Vertrag jeweils mit Hinweis auf ein Verschulden des Kunden gekündigt, und die H. machte gegen die Kunden auch Schadensersatzansprüche geltend, bis diese einer Aufhebungsvereinbarung unter Verzicht auf die Rückzahlung der Vorausgebühr zustimmten. Über ausreichende Mittel oder Refinanzierungsmöglichkeiten zur Darlehensgewährung an die Kunden verfügte die H. nicht.
3
Gegenstand der Verurteilung sind Sonderzahlungen von Kunden aufgrund von Darlehenszusagen durch Mitarbeiter der H. . In einem Teil der Fälle hatte der Angeklagte, der als faktischer Geschäftsführer des Unternehmens aufgetreten war, neben anderen Personen selbst am Vertragsabschluss mitgewirkt. Andere Fälle hat ihm das Landgericht als uneigentliches Organisationsdelikt zugerechnet.

II.

4
Die Rechtsmittelbeschränkung in der Revisionshauptverhandlung, welcher der Generalbundesanwalt zugestimmt hat, ist wirksam.
5
Der Senat schließt - unbeschadet des Vorliegens eines Rechtsfehlers bei der Prüfung der §§ 20, 21 StGB (dazu sogleich unter III.) - aus, dass ein neues Tatgericht zu der Feststellung der Schuldunfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit gelangen würde. Dagegen sprechen unter anderem die Vorausplanung der Tat bereits in der Haft und die lange Dauer des komplexen Tatgeschehens.

III.

6
Die Revision hat im verbleibenden Umfang Erfolg; sie führt zur Aufhebung des Strafausspruchs mit den zugehörigen Feststellungen. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind, auch soweit sie doppelrelevant wirken , bereits bindend geworden, was der Senat klargestellt hat.
7
1. In dem vom Senat aufgehobenen ersten Urteil war das Fehlen der Fähigkeit des Angeklagten zur Einsicht in das Unrecht der Betrugshandlungen nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen worden. Nunmehr hat das Landgericht angenommen, zur Tatzeit habe der Angeklagte mit Unrechtseinsicht gehandelt. Seiner Fähigkeit zur Verhaltenssteuerung nach dieser Einsicht habe keine schwere andere seelische Abartigkeit entgegengestanden. Seine Feststellung vorhandener Unrechtseinsicht ist rechtsfehlerfrei. Jedoch unterliegt die Verneinung einer erheblichen Verminderung des Hemmungsvermögens durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
8
2. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet der heute 62jährige Angeklagte unter einer histrionischen Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und dissozialen Anteilen. Schon als Kind hatte er Geld entwendet, um sich mit Zuwendungen Freundschaften zu erkaufen. Nie nahm er später eine intime Beziehung auf. Sein gesamtes Streben als Erwachsener war darauf gerichtet, die Mitarbeiter seiner Unternehmungen an sich zu binden, die er als „Ersatzfamilie“ betrachtete und in eine Vielzahl von Freizeitaktivitäten einbezog. Er unterstützte nicht nur seine Mitarbeiter finanziell, sondern sogar die Eltern der zum Personal der H. gehörenden Brüder S. . Der Angeklagte reagierte "indigniert bis beleidigt", wenn sich die Mitarbeiter seinem Wunsch nach engem Kontakt verschlossen.
9
Das Landgericht hat ausgeführt, zwar liege das Vollbild einer Persönlichkeitsstörung vor; jedoch habe diese Störung nicht dasselbe Belastungsgewicht wie eine seelische Krankheit. Sie erfülle nicht das Eingangsmerkmal einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne von § 20 StGB.
10
Die Störung habe allerdings dazu geführt, dass der Angeklagte sich in der gesamten Tatstruktur ein Konstrukt geschaffen habe, in welchem er nicht nur beruflich, sondern auch im Persönlichen der "Chef" gewesen sei. Die Störung sei in seiner Persönlichkeit absolut prägend. Aufgrund einer Selbstwertstö- rung habe er eine Rolle eingenommen, die ihn besonders „großartig“ erschie- nen ließ. In Fantasien über einen Finanzierungserfolg und der Behandlung des gesondert verfolgten S. als seinen künftigen "Nachfolger" im Sinne dynastischer Großkonzerne seien narzisstische Züge zu erkennen. Er habe sich in Beziehungen verstrickt, über deren Motivation man nur spekulieren könne und die scheitern mussten, weil er seine "Ziehsöhne" stets nach seinen Vorstellungen "umzugestalten" versucht habe.
11
Gleichwohl habe die Störung das Leben des Angeklagten nicht vergleichbar schwer und mit ähnlichen sozialen Folgen beeinträchtigt, wie eine krankhafte seelische Störung. Sein "soziales Funktionsniveau" sei dafür zu hoch gewesen. Eine stereotype Lebensgestaltung wie bei einem Drogenabhängigen habe nicht vorgelegen, sondern ein unauffällig strukturierter Tagesablauf, der sowohl Arbeit als auch Freizeitverhalten eingeschlossen habe. Beruflich wie privat habe der Angeklagte ein Maß an Flexibilität gezeigt, das von einem Menschen mit einer krankhaften seelischen Störung nicht erwartet werden könne. Er sei auch grundsätzlich in einer Weise kontaktfähig gewesen, wie sie "von einem Patienten mit einer krankhaften seelischen Störung - etwa mit einem psychotischen Residualsyndrom - keinesfalls zu erwarten" gewesen sei. Probleme bei der Affektregulation und ähnliche störungsbedingte Beeinträchtigungen seien nicht zu beobachten gewesen. Vor diesem Hintergrund sei festzustellen , dass die Einsicht des Angeklagten in das Unrecht der Serientaten nicht ausgeschlossen gewesen sei.
12
b) Gegen diese Beurteilung bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken. Sie lenken den Blick auf die Unrechtseinsicht des Angeklagten und vernachlässigen die Frage einer Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens.
13
aa) Richtig ist zwar, dass nicht bereits die gesicherte Diagnose einer histrionischen Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und dissozialen Anteilen mit einer "schweren anderen seelischen Abartigkeit" in § 20 StGB gleichzusetzen ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52). Jedoch kann das Eingangsmerkmal im Einzelfall bei einem solchen Befund erfüllt sein. Dabei sind der Ausprägungsgrad der Störung und ihr Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit von Bedeutung.
14
Für die Bewertung der Schwere der Persönlichkeitsstörung ist im Allgemeinen maßgebend, ob es im Alltag außerhalb des Delikts zu Einschränkungen des sozialen Handlungsvermögens gekommen ist (BGH aaO). Insoweit ist die Unterscheidung von beruflichen und privaten Aktivitäten des Angeklagten dadurch erschwert, dass seine vielfältigen "privaten" Aktivitäten - "durchgängig" unter Einbeziehung der Mitglieder seiner "Ersatzfamilie" - gerade Ausdruck seiner Persönlichkeitsstörung waren. Im Vordergrund der Prüfung müssten daher die Wahrnehmung der eigenen und anderer Personen, die emotionalen Reaktionen , die konkrete Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen und die Impulskontrolle stehen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 - 4 StR 494/12, BGHR StGB § 20 seelische Abartigkeit 6). Damit hat sich das Landgericht unter einem falschen Blickwinkel beschäftigt.
15
So wäre etwa auch die Unfähigkeit des Angeklagten, eine intime Partnerschaft einzugehen und deren vollständige Ersetzung durch die intensive berufliche wie private Beziehung zu den Mitarbeitern als Ausdruck der Störung in die Gesamtschau einzubeziehen. Deshalb grenzt die landgerichtliche Annahme des Vorliegens eines normalen Sozialverhaltens mit "hohem Funktionsniveau" ein nur scheinbar intaktes Privatleben in unzutreffender Weise von Störungssymptomen ab. Zumindest hat das Landgericht die Bedeutung dieses Aspekts im Unklaren gelassen, indem es angemerkt hat, über die Gründe dafür, dass der Angeklagte zweifelhafte Beziehungen mit Personen aufgenommen hat, die ihn - wie er wusste - stets ausgenutzt haben, können "nur spekuliert" werden.
16
bb) Das Landgericht hat die Zielrichtung der Prüfung, ob ein Eingangsmerkmal im Sinne des § 20 StGB vorliegt und die Schuldfähigkeit des Angeklagten im Sinne des § 21 StGB erheblich beeinträchtigt war, im Hinblick auf die Frage des Hemmungsvermögens vernachlässigt, weil es sich auf die Frage der Unrechtseinsicht konzentriert hat. Auch deshalb hat es eine fragwürdige Gewichtung der Störung vorgenommen.
17
Die Entscheidung, ob das Hemmungsvermögen des Angeklagten zur Tatzeit aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe im Sinne von § 21 StGB erheblich vermindert war, erfolgt prinzipiell mehrstufig (vgl. BGH, Urteil vom 17. April 2012 - 1 StR 15/12, StV 2013, 694); jedoch sind die Prüfungspunkte miteinander verzahnt (vgl. zur Problematik Fischer, StGB 62. Aufl. § 20 Rn. 5, 5a m.w.N.). Zunächst ist die Feststellung erforderlich, dass bei dem Angeklagten eine Störung im psychiatrischen Sinn vorliegt, was hier mit dem "Vollbild einer Persönlichkeitsstörung" eindeutig der Fall ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung im Hinblick auf das Vorliegen eines Eingangsmerkmals und anschließend die Erheblichkeit des Einflusses auf das Hemmungsvermögen gemäß § 21 StGB zu untersuchen. Hierzu ist der Richter jeweils für die Tatsachenbewertung auf die Hilfe eines Sachverständigen angewiesen. Gleichwohl handelt es sich bei der Frage des Vorliegens eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB bei gesichertem Vorliegen eines psychiatrischen Befundes wie bei der Prüfung erheblich eingeschränkter Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit um Rechtsfragen. Diese Fragen hat das Landgericht nicht in einer nachvollziehbaren Weise beantwortet.
18
Sein Vergleich der Bedeutung der Persönlichkeitsstörung des Angeklagten mit der Beeinträchtigung eines Drogensüchtigen wirkt unpassend. Jedenfalls hat die Strafkammer nicht näher überprüft, inwieweit die störungsbedingte Sucht des Angeklagten danach, die Mitglieder seiner Ersatzfamilie an sich zu binden, sein Sozialverhalten und das hiermit auf das Engste verknüpfte Tatverhalten beherrscht hat. In diese Prüfung wäre zudem der festgestellte Konsum des angstlösenden Medikaments Lorazepam (Tavor) als konstellativer Faktor einzubeziehen gewesen.
19
Schließlich liegt der Erwägung des Landgerichts, der Angeklagte habe die Abläufe in dem - ausschließlich auf Betrug ausgerichteten - Unternehmen zu organisieren und dabei auch Verträge zu entwerfen vermocht, was ein Mensch im Residualsyndrom einer Psychose nicht hätte leisten können, ein fehlerhafter Vergleich zu Grunde. Die Fähigkeit zu einem bestimmten Handeln des Täters enthält keine abschließende Aussage über seine Möglichkeit, ausreichende Hemmungen gegen dieses Handeln aufzubauen. Fischer Krehl Eschelbach Zeng Bartel

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 65/17
vom
6. Juli 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter schwerer Brandstiftung
ECLI:DE:BGH:2017:060717U4STR65.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. Juli 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Dr. Franke, Bender, Dr. Quentin als beisitzende Richter,
Staatsanwalt als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwältin als Verteidigerin,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Siegen vom 31. August 2016 werden verworfen.
Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer Brandstiftung zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrem ebenfalls mit der Sachrüge begründeten Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus. Beide Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen wohnte der Angeklagte seit Februar 2007 in der Dachgeschosswohnung eines Mehrfamilienhauses mit insgesamt fünf Wohnungen , von denen zuletzt die beiden im Erdgeschoss gelegenen Wohnungen ebenfalls bewohnt waren. Zwischen den Mietern der Erdgeschosswohnungen und dem Angeklagten, der im Haus für den Vermieter kleinere Hausmeistertätigkeiten verrichtete, kam es seit geraumer Zeit zu erheblichen von gegenseitigem Hass und Verachtung geprägten Misshelligkeiten und Auseinandersetzungen , die im Mai 2015 zur Kündigung des Mietverhältnisses mit dem Angeklagten durch den Vermieter und in deren Folge zu einem Zivilrechtsstreit führten.
3
Am Tattag erhielt der Angeklagte von seiner Rechtsanwältin das zwischenzeitlich ergangene Räumungsurteil zugesandt. Ob des drohenden Verlustes seiner Wohnung, die er stets pedantisch sauber und aufgeräumt hielt und mit der er sich identifizierte, war der Angeklagte verzweifelt, traurig und emotional sehr aufgebracht. Im weiteren Verlauf des Tages sprach der Angeklagte mit verschiedenen Personen, unter anderem seinem Betreuer, über das ergangene Räumungsurteil, ohne dass dies zu einer nachhaltigen Änderung seiner Stimmungslage führte. Schließlich fasste der Angeklagte, der seine Wohnung auf keinen Fall verlieren und sie auch keinem anderen überlassen wollte, aus Wut und Verzweiflung den Entschluss, die Wohnung durch Inbrandsetzen zu vernichten. Dabei war es ihm gleichgültig, ob er selbst oder andere dabei verletzt oder letztlich das Haus zerstört werden würde. Seinen Entschluss in die Tat umsetzend holte der Angeklagte einen 5-Liter-Kanister mit Bioethanol in den Küchen- und Essbereich seiner Wohnung. Er schraubte den Verschluss auf und legte ihn auf den dort stehenden Esstisch. Anschließend schüttete er mittig im Zimmer etwa 2 Liter Bioethanol aus dem Kanister auf den PVC-Boden und stellte den offenen Kanister in der ausgebrachten Flüssigkeit ab. Kurz vor 20.00 Uhr brachte er die ausgeschüttete Flüssigkeit bewusst und mit dem Willen, dass sie als Brandbeschleuniger wirken, die Wohnung in Brand setzen und diese niederbrennen sollte, auf nicht näher feststellbare Weise zum Brennen.
4
Der Brand, von dem in erster Linie der Küchen- und Essbereich der Wohnung betroffen war, konnte von der Feuerwehr, die von einem den Brandausbruch bemerkenden Nachbarn alarmiert worden war, gelöscht werden, noch bevor wesentliche Gebäudeteile Feuer gefangen hatten. Es entstand ein Gebäudeschaden in Höhe von 36.500 Euro. Als der Angeklagte nach dem Verlassen des Tatanwesens auf der anderen Straßenseite die mit ihm verfeindeten Mitmieter bemerkte, wurde er wütend und brüllte in deren Richtung, sie hätten Schuld daran. Anschließend wollte er zu ihnen über die Straße laufen, wurde daran indes gehindert.
5
Der Angeklagte leidet unter einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ, weswegen er zu Impulskontrollverlusten und Grenzüberschreitungen neigt, wenn er sich angegriffen fühlt. Es kommt zu emotionalen Ausbrüchen, wenn etwas Unvorhergesehenes oder dem Willen des Angeklagten Entgegenstehendes geschieht. Auf Enttäuschungen reagiert der Angeklagte , da er unfähig ist, diese hinzunehmen, mit Aggression. Aufgrund der Persönlichkeitsstörung war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat nicht ausschließbar erheblich beeinträchtigt. Dagegen hatte die Alkoholisierung des Angeklagten (etwa 1,64 ‰ Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit) keine Auswirkungen auf seine Denk- und Handlungsfähigkeit.
6
Die sachverständig beratene Strafkammer hat die Voraussetzungen einer Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus verneint. Sie ist der Auffassung, dass nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden könne, dass die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten das Gewicht einer krankhaften seelischen Störung erreiche und das Leben des Angeklagten vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen beeinträchtige. Zudem könne nicht sicher festgestellt werden, dass der Angeklagte bei Begehung der Tat aufgrund der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ aus einem mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt habe. Schließlich fehle es an der erforderlichen Gefährlichkeit des Angeklagten für die Allgemeinheit im Sinne des § 63 StGB.

II.


7
Revision der Staatsanwaltschaft
8
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist ungeachtet des umfassenden Aufhebungsantrags ausweislich der Ausführungen in der Revisionsbegründungsschrift , die sich ausschließlich mit der unterbliebenen Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus befassen, auf die Nichtanordnung der Maßregel nach § 63 StGB beschränkt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14, NStZ-RR 2015, 88 mwN). Diese Beschränkung ist wirksam (vgl. BGH, Urteile vom 23. April 1963 – 5 StR 13/63, NJW 1963, 1414; vom 22. April 1969 – 1 StR 90/69, NJW 1969, 1578; vgl. auch Urteil vom 19. Januar 2017 – 4 StR 443/16, NStZ-RR 2017, 187; Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 318 Rn. 24). Ein Ausnahmefall, in welchem ein untrennbarer Zusammenhang zwischen Schuld- und Maßregelausspruch besteht, liegt nicht vor.
9
2. Die Revision ist unbegründet. Die Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB hat schon deshalb Bestand, weil die tatrichterliche Wertung der Strafkammer, wonach die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten bei Begehung der Tat lediglich nicht ausschließbar eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Folge hatte, einer rechtlichen Prüfung standhält.
10
a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei Begehung der Anlasstat aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht.
11
b) Die Entscheidung, ob die Schuldfähigkeit eines Angeklagten zur Tatzeit aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe ausgeschlossen oder im Sinne von § 21 StGB erheblich vermindert war, erfordert prinzipiell eine mehrstufige Prüfung (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 21. Dezember 2016 – 1 StR 399/16, Rn. 11; vom 1. Juli 2015 – 2 StR 137/15, NJW 2015, 3319, 3320; Beschluss vom 12. März 2013 – 4 StR 42/13, NStZ 2013, 519, 520). Zunächst ist die Feststellung erforderlich, dass bei dem Angeklagten eine psychische Störung vorliegt, die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters zu untersuchen. Durch die festgestellten psychopathologischen Verhaltensmuster muss die psychische Funktionsfähigkeit des Täters bei der Tatbegehung beeinträchtigt worden sein. Hierzu ist der Richter für die Tatsachenbewertung auf die Hilfe eines Sachverständigen angewiesen. Gleichwohl handelt es sich bei der Frage des Vorliegens eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB bei gesichertem Vorliegen eines psychiatrischen Befunds wie bei der Prüfung einer aufgehobenen oder erheblich beeinträchtigten Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit um Rechtsfragen. Deren Beurteilung erfordert konkretisierende und widerspruchsfreie Darlegungen dazu, in welcher Weise sich die festgestellte Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausge- wirkt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2016 – 1 StR 399/16 aaO; Beschlüsse vom 28. Januar 2016 – 3 StR 521/15, NStZ-RR 2016, 135; vom 17. Juni 2014 – 4 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 305, 306).
12
c) Die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht ohne weiteres geeignet , den für die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB vorausgesetzten Zustand zumindest erheblich verminderter Schuldfähigkeit zu belegen. Erforderlich ist vielmehr, dass sicher feststeht, dass der Täter aufgrund der Persönlichkeitsstörung aus einem mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Juli 2013 – 4 StR 168/13, NJW 2013, 3383, 3385; vom 25. Februar 2003 – 4 StR 30/03, NStZ-RR 2003, 165; vom 16. August 2000 – 2 StR 219/00, BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 36; vom 6. Februar 1997 – 4 StR 672/96, BGHSt 42, 385, 388; vom 1. August 1989 – 1 StR 290/89, BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 13).
13
d) Die Strafkammer hat auf der Grundlage der Vorgeschichte, des unmittelbaren Anlasses und der Ausführung der Tat sowie des Verhaltens des Angeklagten nach der Tat festgestellt, dass der Angeklagte die Brandlegung aus Wut und Verzweiflung über den drohenden Verlust seiner Wohnung beging, und sich dabei auch auf die Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen gestützt, wonach die Tat als impulsive Handlung zu der Tatsache passe, dass dem Angeklagten nunmehr der Entzug seiner Existenz bevorgestanden habe. Ob und in welchem Umfang die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der Tatsituation durch seine Persönlichkeitsstörung eingeschränkt waren, hat das Landgericht nicht näher aufklären können. Da der Angeklagte, der die Brandentstehung in zwei kurzen Äußerungen während der Ermittlungen als Missgeschick darstellte und in der Hauptverhandlung von seinem Schweige- recht Gebrauch gemacht hat, sich zu seiner psychischen Befindlichkeit bei der Tat nicht geäußert hat, haben sich für die Strafkammer vor dem Hintergrund einer angesichts der für den Angeklagten bestehenden Belastungssituation auch normalpsychologisch erklärbaren Tatmotivation keine konkreten Anknüpfungstatsachen ergeben, die auf ein zwanghaftes Handeln des Angeklagten bei der Brandlegung schließen lassen. Dass sie auf der Grundlage dieses Beweisergebnisses in tatrichterlicher Verantwortung zu der Wertung gelangt ist, eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat aufgrund der beim Angeklagten vorliegenden Persönlichkeitsstörung lediglich nicht ausschließen, nicht aber sicher feststellen zu können, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Bei dieser Sachlage ist entgegen dem Revisionsvorbringen auch keine weitere Darlegung der Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen geboten gewesen, zumal es sich bei der Prüfung einer erheblich verminderten Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB bei Vorliegen eines gesicherten psychiatrischen Befunds um eine vom Tatrichter zu beantwortende Rechtsfrage handelt.
14
e) Da bereits aus den dargelegten Gründen die Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB ausscheidet, bedarf es keiner Erörterung der weiteren von der Strafkammer angestellten Erwägungen zur Subsumtion der Persönlichkeitsstörung unter das Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit (vgl. zum Maßstab BGH, Urteile vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52 f.; vom 4. Juni 1991 – 5 StR 122/91, BGHSt 37, 397, 401) sowie zur Gefährlichkeitsprognose mehr.

III.


15
Revision des Angeklagten
16
Das Rechtsmittel des Angeklagten bleibt ohne Erfolg, weil die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
17
Das Landgericht ist – sachverständig beraten – aufgrund der Spurenlage am Tatort und des Verhaltens des Angeklagten nach der Tat zu der Überzeugung gelangt, dass der Brand vom Angeklagten vorsätzlich gelegt wurde. Gegen die Beweiswürdigung der Strafkammer ist aus den vom Generalbundesanwalt in seinem Zuleitungsantrag dargelegten Erwägungen revisionsrechtlich nichts zu erinnern.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 463/16
vom
30. März 2017
in der Strafsache
gegen
alias:
wegen Verdachts des versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:300317U4STR463.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. März 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Bender, Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 9. Juni 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des versuchten Mordes in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit besonders schwerer Brandstiftung und versuchter Brandstiftung mit Todesfolge freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
Mit der zugelassenen Anklage vom 12. April 2016 legt die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zur Last, er habe am 27. November 2015 in seinem Zimmer im zweiten Obergeschoss einer Flüchtlingsunterkunft in der B. er Innenstadt auf unbekannte Weise vorsätzlich ein Feuer gelegt. Der Brand habe sich über die Möbel in seinem Zimmer ausgebreitet, dieses vollständig zerstört und dabei unter anderem die Dachvertäfelung, die hölzernen Fensterrahmen sowie die Türzargen und -blätter ergriffen. Wie vom Angeklagten vorhergesehen oder zumindest billigend in Kauf genommen, habe die starke Rauchentwicklung den Bewohnern der höheren Geschosse den Fluchtweg versperrt, deren Tod der Angeklagte somit in Kauf genommen habe. Zwei Hausbewohner hätten wegen des starken Rauchs auf das nasse Hausdach fliehen müssen und seien mittels einer Drehleiter gerettet worden.

II.


3
1. Nach den Feststellungen meldete sich der in G. geborene Angeklagte im Juli 2013 in Deutschland als Asylsuchender und bekam nach wenigen Monaten einen Platz in einer Flüchtlingsunterkunft in B. zugewiesen.
4
Der Angeklagte hatte ab dem 22. Lebensjahr gelegentlich – etwa alle ein bis zwei Monate, teilweise auch mit längeren Pausen – Marihuana konsumiert, ohne hiervon abhängig zu werden. Aufgrund dieses gelegentlichen Marihuanakonsums entwickelte sich bei ihm ab dem Sommer 2015 eine drogeninduzierte Psychose. Diese äußerte sich u.a. durch Größenideen, enthemmtes Verhalten und „fehlendes Risikobewusstsein im Umgang mit Feuer“. Am 19. Oktober 2015 wurde der Angeklagte nach Konflikten mit Mitbewohnern erstmals nach dem PsychKG NW in der Klinik in Be. stationär untergebracht. Der Angeklagte zeigte deutliche psychotische Symptome, wurde jedoch bereits am 20. Oktober 2015 mangels akuter Eigen- oder Fremdgefährdung wieder entlassen. Am 14. November 2015 wurde er abermals in die vorgenannte Klinik eingewiesen, nachdem er in der Küche seiner Unterkunft ein Feuer in einem Papierkorb entfacht hatte. Während der Unterbringung zeigte sich der Angeklagte erneut deutlich psychotisch mit Größenwahn und ent- hemmtem Verhalten, weshalb er zwangsweise medikamentös behandelt wurde. Am 24. November 2015 wurde er bei fehlender Behandlungseinsicht und ohne Hinweise auf eine fortbestehende akute Eigen- und Fremdgefährdung entlassen.
5
Am 27. November 2015 kam es in der Flüchtlingsunterkunft, in der zu dieser Zeit insgesamt 26 Bewohner untergebracht waren, zu einem Brand, dessen Ursache die Strafkammer nicht festzustellen vermocht hat. Brandzentrum war das im zweiten Obergeschoss gelegene Zimmer des Angeklagten, welches durch das Feuer vollständig zerstört wurde. Die starke Rauchentwicklung versperrte den Fluchtweg für die Bewohner der höheren Geschosse. Zwei Personen wurden durch die Feuerwehr vom Dach des Hauses gerettet, drei Personen mussten mit Rauchgasvergiftungen in ein Krankenhaus gebrachtwerden. Es entstand ein Sachschaden in Höhe von etwa 150.000 Euro. Der Angeklagte wurde noch während der Löscharbeiten von der Polizei vor dem Haupteingang des Supermarktes gegenüber der Unterkunft angetroffen und vorläufig festge- nommen. Er war „zur Tatzeit“ krankheitsbedingtnicht in der Lage einzusehen, dass die Verursachung eines Brandes gefährlich, geschweige denn verboten ist.
6
Nach dem Brand wurde der Angeklagte erneut nach dem PsychKG NW in der Klinik in Be. untergebracht, wo er sich wiederum psychotisch zeigte. Nachdem er am 10. Dezember 2015 in der forensischen Psychiatrie in L. einstweilig untergebracht worden war, verschwanden die psychotischen Symptome ohne medikamentösen Einfluss nach zehn bis 14 Tagen vollständig und traten nicht wieder auf.
7
2. Die Schwurgerichtskammer hat die Frage der Täterschaft des Ange- klagten offengelassen, da „der Angeklagte mangels Schuldfähigkeit zur Tatzeit im Ergebnis ohnehin aus rechtlichen Gründen freizusprechen“ sei.
8
Nach den Ausführungen des psychiatrischen und des psychologischen Sachverständigen, denen sich das Landgericht angeschlossen hat, habe der Angeklagte im Tatzeitraum – zurückgehend auf seinen gelegentlichen Konsum von Marihuana – an einer drogeninduzierten Psychose gelitten. Diese Erkrankung habe dazu geführt, dass der Angeklagte der normalen Realitätswahrnehmung entrückt gewesen sei. Er habe eigene Wahrnehmungen in wahnhafte Vorstellungen eingebaut, ohne die Möglichkeit zur Korrektur gehabt zu haben. Wenn er Feuer gelegt habe, sei er nicht in der Lage gewesen, die Konsequenzen seiner Handlungen einzuschätzen. Dass er immer wieder Feuer entzündet habe, auch wenn er dabei gesehen worden sei, zeige, dass er nicht in der Lage gewesen sei einzusehen, dass sein Verhalten gefährlich und verboten sei. Auch zum Zeitpunkt der Brandlegung in der Unterkunft sei die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten aufgehoben gewesen. Selbst wenn „ein Rest an Einsichtsfähigkeit und Unrechtseinsicht“ vorhanden gewesen wäre, habe es jedenfalls an der Fä- higkeit des Angeklagten gefehlt, nach dieser Einsicht zu handeln, da er „krankheitsbedingten raptusartigen Impulsen keine hemmenden Kontrollen habe ent- gegensetzen können“.

III.


9
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Der Freispruch des Angeklagten kann nicht bestehen bleiben, weil der vom Landgericht vorgenommenen Schuldfähigkeitsbeurteilung durchgreifende rechtliche Bedenken begegnen.
10
1. Die Entscheidung, ob die Schuldfähigkeit eines Angeklagten zur Tatzeit aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe ausgeschlossen oder im Sinne von § 21 StGB erheblich vermindert war, erfordert prinzipiell eine mehrstufige Prüfung (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 21. Dezember 2016 – 1 StR 399/16 Rn. 11; vom 1. Juli 2015 – 2 StR 137/15, NJW 2015, 3319, 3320; Beschluss vom 12. März 2013 – 4 StR 42/13, NStZ 2013, 519, 520; vgl. auch Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß, NStZ 2005, 57). Zunächst ist die Feststellung erforderlich, dass bei dem Angeklagten eine psychische Störung vorliegt , die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters zu untersuchen. Durch die festgestellten psychopathologischen Verhaltensmuster muss die psychische Funktionsfähigkeit des Täters bei der Tatbegehung beeinträchtigt worden sein. Hierzu ist der Richter für die Tatsachenbewertung auf die Hilfe eines Sachverständigen angewiesen. Gleichwohl handelt es sich bei der Frage des Vorliegens eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB bei gesichertem Vorliegen eines psychiatrischen Befunds wie bei der Prüfung einer aufgehobenen oder erheblich beeinträchtigten Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit um Rechtsfragen. Deren Beurteilung erfordert konkretisierende und widerspruchsfreie Darlegungen dazu, in welcher Weise sich die festgestellte Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2016 – 1 StR 399/16 aaO; Beschlüsse vom 28. Januar 2016 – 3 StR 521/15, NStZ-RR 2016, 135; vom 17. Juni 2014 – 4 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 305, 306).
11
2. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.
12
a) Bereits die Annahme, der Angeklagte habe im Tatzeitraum an einer drogeninduzierten Psychose gelitten, wird durch das Landgericht im Rahmen seiner Ausführungen zur Beweiswürdigung nicht tragfähig begründet.
13
Schließt sich der Tatrichter – wie hier – den Ausführungen eines Sachverständigen an, müssen dessen wesentliche Anknüpfungspunkte und Darlegungen im Urteil so wiedergegeben werden, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 19. Januar 2017 – 4 StR 595/16 Rn. 8; vom 28. Januar 2016 – 3 StR 521/15 aaO; vom 27. Januar 2016 – 2 StR 314/15, NStZ-RR 2016, 167 [Ls]; vom 17. Juni 2014 – 4 StR 171/14 aaO).
14
Die Strafkammer beschränkt sich darauf, die Diagnose der Sachverständigen wiederzugeben. Welche Anknüpfungs- und Befundtatsachen die Sachverständigen ihrer Bewertung zugrunde gelegt haben, wird dagegen nicht mitgeteilt. Es bleibt daher unklar, auf welcher tatsächlichen Grundlage die Sachverständigen von einer drogeninduzierten Psychose ausgegangen sind. Dies hätte nicht zuletzt mit Blick auf den festgestellten nur gelegentlichen Marihuanakonsum des Angeklagten einer näheren Erläuterung bedurft. Die erfolgten Unterbringungen des Angeklagten im psychiatrischen Krankenhaus und die hierbei gestellte Diagnose deuten zwar auf das Vorliegen einer psychischen Störung hin, vermögen aber eine konkrete Darlegung des Krankheitsbildes nicht zu ersetzen. Weder verhalten sich die Urteilsgründe zum Inhalt der Wahnvorstellungen des Angeklagten und zur konkreten Ausprägung des von ihm gezeigten enthemmten Verhaltens noch wird näher dargelegt, in welcher Weise sich das beim Angeklagten vorhandene Störungsbild auf dessen Umgang mit Feuer ausgewirkt hat. Soweit die Sachverständigen in Bezug auf die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten auf krankheitsbedingte raptusartige Impulse verwiesen haben, denen der Angeklagte keine hemmenden Kontrollen habe entgegensetzen können, fehlt hierfür jeglicher tatsachengestützter Beleg.
15
b) Das angefochtene Urteil lässt ferner eine Auseinandersetzung mit dem Schweregrad der angenommenen psychischen Störung vermissen und benennt nicht, welches Eingangsmerkmal im Sinne des § 20 StGB es als erfüllt ansieht. Letzteres darf nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch regelmäßig nicht offenbleiben (vgl. BGH, Urteil vom 29. September2015 – 1 StR 287/15, NJW 2016, 341; Beschlüsse vom 22. April 2008 – 4 StR 136/08, NStZ-RR 2009, 46; vom 12. November 2004 – 2 StR 367/04, BGHSt 49, 347, 351).
16
c) Schließlich hätte die Schwurgerichtskammer die Täterschaft des Angeklagten nicht offenlassen dürfen. Für die Frage eines Ausschlusses oder einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit kommt es maßgeblich darauf an, in welcher Weise sich die festgestellte und unter eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumierende psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation ausgewirkt hat. Die Beurteilung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten kann daher – von offenkundigen Ausnahmefällen abgesehen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Mai 1997 – 1 StR 17/97, NStZ 1997, 485, 486) – nicht abstrakt, sondern nur in Bezug auf eine bestimmte Tat erfolgen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 1 StR 56/15, NJW 2016, 728, 729; Urteile vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 54; vom 21. Dezember 2006 – 3 StR 436/06, NStZ-RR 2007, 105, 106; vom 6. Mai 1997 – 1 StR 17/97 aaO; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 20 Rn. 20a mwN; Perron/Weißer in Schönke/ Schröder, StGB, 29. Aufl., § 20 Rn. 31 mwN). Beurteilungsgrundlage ist das konkrete Tatgeschehen, wobei neben der Art und Weise der Tatausführung auch die Vorgeschichte, der Anlass zur Tat, die Motivlage des Angeklagten und sein Verhalten nach der Tat von Bedeutung sein können (vgl. BGH, Urteile vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03 aaO mwN; vom 4. Juni 1991 – 5 StR 122/91, BGHSt 37, 397, 402). Ohne entsprechende Feststellungen zum Tatgeschehen und damit auch zur Täterschaft des Angeklagten ist eine sachgerechte Prüfung der Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht möglich.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 521/15
vom
28. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:280116B3STR521.15.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 28. Januar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 29. Juni 2015 - mit Ausnahme der Adhäsionsentscheidung - mit den Feststellungen aufgehoben ; jedoch bleiben die Feststellungen zu den äußeren Tatgeschehen aufrecht erhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten des Fahrens ohne Fahrerlaubnis in vier Fällen, des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in zwei Fällen, der Zuwiderhandlung gegen eine vollstreckbare Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz , der Körperverletzung in Tateinheit mit einer Zuwiderhandlung gegen eine vollstreckbare Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz sowie der Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte schuldig und ihn im Übrigen freigesprochen. Es hat wegen eines Teils der De- likte unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer Vorverurteilung eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verhängt und wegen der übrigen Straftaten auf eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten erkannt. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafen und der Unterbringung hat es zur Bewährung ausgesetzt. Schließlich hat es eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.
2
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen leidet der Angeklagte an einer paranoid-psychotischen Störung bei affektiver Grunderkrankung mit umschriebener Wahnbildung. Die affektive Grunderkrankung verursacht überwiegend manische, teils auch depressive Phasen. In der Zeit vom 20. November 2010 bis zum 22. September 2013 beging er die abgeurteilten Übergriffe gegen Polizeibeamte, einen Bekannten und Familienangehörige. Die Strafkammer hat dem gehörten Sachverständigen folgend für den gesamten Tatzeitraum nicht auszuschließen vermocht, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund seiner Grunderkrankung erheblich eingeschränkt war; bei einem Teil der Taten hat sie eine solche Einschränkung positiv festgestellt. Bei zwei Vorfällen hat sie nicht ausschließen können, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgehoben und seine Einsichtsfähigkeit erheblich eingeschränkt war.
3
2. Der Schuldspruch kann insgesamt nicht bestehen bleiben; denn die Ausführungen des Landgerichts zur Schuldfähigkeit des Angeklagten sind rechtsfehlerhaft. Letzteres bedingt auch die Aufhebung des Strafausspruchs und der Unterbringungsanordnung.
4
a) Wenn sich das Tatgericht - wie hier - darauf beschränkt, sich der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit anzuschließen, muss es dessen wesentliche Anknüpfungspunkte und Darlegungen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2007 - 3 StR 412/07, NStZ-RR 2008, 39). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall in mehrfacher Hinsicht:
5
Das Landgericht hat es bereits unterlassen, das vom Sachverständigen diagnostizierte Störungsbild einem der Eingangsmerkmale der §§ 20, 21 StGB zuzuordnen. Sodann fehlt die Darlegung, wie die paranoid-psychotische Störung auf den Angeklagten und seine Handlungsmöglichkeiten in den konkreten Tatsituationen eingewirkt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 2014 - 3 StR 274/14, juris Rn. 4). Die §§ 20, 21 StGB setzen voraus, dass die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit "bei Begehung der Tat" aufgehoben bzw. erheblich vermindert sind. Die Schuldfähigkeit ist deshalb in Bezug auf jede einzelne Tat zu prüfen. Erforderlich ist stets die konkretisierende Darstellung, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Taten auf die Einsichts - oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 - 4 StR 417/12, NStZ-RR 2013, 145, 146). Hierauf kann allein unter Hinweis auf die allgemeine Diagnose nicht verzichtet werden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 13. August 2013 - 2 StR 128/13, NStZ-RR 2013, 368, 369; vom 23. August 2012 - 1 StR 389/12, NStZ 2013, 98; vom 2. Oktober 2007, aaO), denn deren Feststellung ist insbesondere auch bei bipolaren Störungen, bei denen eine große Bandbreite von Ausprägungen und Schweregraden besteht, für die Frage der Schuldfähigkeit nicht ausreichend aussagekräftig. In manischen Phasen kann es, je nach Ausprägung und Schwere, zur Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit, aber auch der Ein- sichtsfähigkeit kommen. Vor diesem Hintergrund genügen die Ausführungen in den Urteilsgründen nicht, die sich in den Verurteilungsfällen insoweit im Wesentlichen in der Mitteilung im Rahmen der Beweiswürdigung erschöpfen, der Sachverständige habe bei vier Taten eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit positiv festgestellt und im Übrigen auf der Grundlage der festgestellten Grunderkrankung nicht ausschließen können, dass der Angeklagte im gesamten Tatzeitraum krankheitsbedingt in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt gewesen sei.
6
b) Da deshalb weder auszuschließen ist, dass der Angeklagte in den Verurteilungsfällen voll schuldfähig war, noch dass er im Zustand der Schuldunfähigkeit handelte, muss über den Schuldspruch und die strafrechtlichen Rechtsfolgen der Tat insgesamt neu verhandelt und entschieden werden. Der Umstand, dass allein der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Aufhebung auch des freisprechenden Teils des Urteils nicht; denn nach § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO ist es möglich, in einer neuen Hauptverhandlung an Stelle der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus den Täter schuldig zu sprechen und eine Strafe zu verhängen (BGH, Beschlüsse vom 29. Juli 2015 - 4 StR 293/15, NStZ-RR 2015, 315, 316; vom 5. August 2014 - 3 StR 271/14, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Satz 2 Freispruch 1). Die jeweiligen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bei den einzelnen Taten beruhen auf einer mangelfreien Beweiswürdigung und sind von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen; sie können deshalb bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann insoweit ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen. Der Adhäsionsausspruch unterliegt ebenfalls nicht der Aufhebung (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 406a Rn. 8 mwN).
7
3. Im Übrigen ist das neue Tatgericht auf Folgendes hinzuweisen:
8
a) Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen der Zuwiderhandlung gegen eine vollstreckbare Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz verurteilt hat, belegen die bisherigen Feststellungen in den Fällen II. 2. und II. 3. der Urteilsgründe bereits die Voraussetzungen des § 4 GewSchG nicht. Die Verurteilung nach § 4 Satz 1 GewSchG wegen Zuwiderhandlung gegen eine Anordnung nach § 1 GewSchG setzt u.a. voraus, dass das Strafgericht die materielle Rechtmäßigkeit der Anordnung überprüft und dabei deren tatbestandliche Voraussetzungen eigenständig feststellt; an die Entscheidung des Familiengerichts ist es insoweit nicht gebunden (BGH, Beschluss vom 28. November 2013 - 3 StR 40/13, BGHSt 59, 94). Tragfähige diesbezügliche Ausführungen enthalten die bisherigen Urteilsgründe - auch in ihrem Gesamtzusammenhang - nicht.
9
b) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme , die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht , dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat (en) zu entwickeln. Dabei sind an die Darlegungen umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt um einen Grenzfall handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 2012 - 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338 mwN). Der Tatrichter muss die eine Unterbringung tragenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darstellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2013 - 3 StR 349/13, juris Rn. 5). Hieran gemessen erscheinen die bisherigen, eher knappen Urteilsausführungen nicht bedenkenfrei.
10
c) Sollte das neue Tatgericht für die einzelnen Taten ebenfalls Freiheitsstrafen von unter sechs Monaten verhängen, wird es § 47 StGB und die diesbezüglichen Darlegungsanforderungen zu beachten haben.
Becker Schäfer Gericke
Spaniol Tiemann

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 399/16
vom
21. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:211216U1STR399.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 20. Dezember 2016 in der Sitzung am 21. Dezember 2016, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum, der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, die Richterin am Bundesgerichtshof Cirener und die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Mosbacher, Dr. Bär,
Staatsanwalt - in der Verhandlung vom 20. Dezember 2016 -, Staatsanwältin - bei der Verkündung am 21. Dezember 2016 - als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt , - in der Verhandlung vom 20. Dezember 2016 - als Verteidiger des Angeklagten,
Justizangestellte - in der Verhandlung vom 20. Dezember 2016 -, Justizobersekretärin - bei der Verkündung am 21. Dezember 2016 - als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 15. Februar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben. Ausgenommen sind die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben , soweit das Landgericht von einer Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgesehen hat. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der beiden Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit zwei tateinheitlichen Fällen der Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung in Tatmehrheit mit zwei tatmehrheitlichen Fällen der Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Mit ihrer auf die Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus beschränkten Revision rügt die Staatsanwaltschaft ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts.

I.

2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Angeklagte hatte sich geweigert, in einem gegen Unbekannt geführten Ermittlungsverfahren freiwillig eine Speichelprobe abzugeben, weshalb seine Wohnung am 26. März 2015 gegen 6.00 Uhr von Spezialkräften der Polizei gewaltsam geöffnet wurde, um eine gerichtlich angeordnete zwangsweise Blutentnahme durchzuführen. In diesem Rahmen beleidigte der zu diesem Zweck fixierte und gesicherte Angeklagte zwei Polizeibeamte und drohte einem Beamten, dass er ihn umbringen werde, wenn er die Möglichkeit dazu bekomme.
4
Nachdem die Blutentnahme durchgeführt, die Sicherung gelöst worden war und die eingesetzten Polizeibeamten die Wohnung sukzessive verlassen hatten, verhielt sich der Angeklagte zunächst ruhig, versetzte aber an der Wohnungstür unvermittelt einem Polizeibeamten mit der rechten geballten Faust einen sehr wuchtigen Schlag ins Gesicht, so dass dieser in die Hocke ging. Der Beamte erlitt dadurch ein Schwindelgefühl, eine rechtsseitige Gesichtsprellung mit leichter Schwellung sowie eine leichte Halswirbeldistorsion mit starken Schmerzen, die mehrere Tage anhielten.
5
Nach erneuter Sicherung des Angeklagten durch die Polizeibeamten zeigte dieser einem Polizeibeamten seinen ausgestreckten rechten Mittelfinger und äußerte: „Fick‘ Dich in den Arsch, wir sind Feinde“. Nachdem der Angeklag- te auf Grund einer vorläufigen Festnahme zum Polizeipräsidium verbracht worden war, bezeichnete er einen am vorherigen Einsatz nicht beteiligten Polizei- beamten als „Du Arschloch“ und spuckte ihm zudem aus ein bis zwei Meter Entfernung in das Gesicht sowie auf dessen Kleidung.
6
2. Der Angeklagte ist bisher wegen Erschleichens von Leistungen in vier Fällen vorgeahndet und im Jahr 2013 zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt worden. Vor den verfahrensgegenständlichen Taten gab es gegen den Angeklagten in den Jahren 2012 bis 2014 mehrere Ermittlungsverfahren , die jeweils nach § 153 oder § 154 StPO eingestellt wurden und deshalb nicht zu weiteren Verurteilungen führten. Insoweit hat das Landgericht gleichwohl folgende Feststellungen getroffen (UA S. 73-75): So hat der Angeklagte im Rahmen eines Gerangels nach einer Fahrscheinkontrolle einen Mitarbeiter der U-Bahn-Wache beleidigt und so in den Unterarm gebissen, dass dieser dadurch eine blutende Wunde erlitt. Bei einer weiteren Kontrolle in der U-Bahn hat der Angeklagte einem Mitarbeiter einen Schlag ins Gesicht sowie jeweils links und rechts in den Rumpf versetzt, wodurch dieser eine leichte Prellung im Gesicht und Schmerzen erlitt. In weiteren Ermittlungsverfahren setzte der Angeklagte mehrfach Notrufe ab, beleidigte die Beamten, die diese Gespräche entgegennahmen, und kündigte an, jeden „abzuschlachten“, der versuche seine Mutter zu töten, wobei er ein Messer zu Hause habe. Es erfolgten auch Bedrohungen und Beleidigungen eines Mitarbeiters des Kreisverwaltungsreferats. In der Wohnung des Angeklagten konnten bei Durchsuchungsmaßnahmen Munition für Langwaffen und pyrotechnische Gegenstände sichergestellt werden.
7
3. Der Angeklagte erkrankte im Jahr 2009 erstmals an Schizophrenie, weshalb eine stationär-psychiatrische Behandlung erforderlich war, wobei er auch medikamentös behandelt wurde. Im Anschluss an die stationäre Therapie folgte eine mehrere Monate andauernde weitere ambulante Behandlung. Das sachverständig beratene Landgericht geht davon aus, dass der Angeklagte auch im Tatzeitraum an einer paranoiden Schizophrenie mit unvollständiger Remission und damit an einer krankhaften seelischen Störung als Eingangsmerkmal i.S.d. § 20 StGB litt. Da es sich hierbei um ein Störungsbild handele, welches das Motivationsgefüge und Tatverhalten entscheidend geprägt habe, sei beim Angeklagten von einer erheblichen Minderung der Steuerungsfähigkeit i.S.d. § 21 StGB auszugehen. Im Rahmen der einstweiligen Unterbringung im zu Grunde liegenden Verfahren verweigerte der Angeklagte jegliche Medikation und zeigte keine Krankheitseinsicht.
8
4. Im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 63 StGB für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus kommt das Landgericht zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte zwar die rechtswidrigen Taten im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit begangen habe. Nach umfangreicher Gesamtwürdigung verneint das Landgericht aber die erforderliche Gefährlichkeitsprognose , da es an der notwendigen Erheblichkeit der für die Zukunft vom Angeklagten zu erwartenden Straftaten mangele. Zwar rage auch die verfahrensgegenständliche vorsätzliche Körperverletzung grundsätzlich in den Bereich mittlerer Kriminalität hinein. Ihr könne aber im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose nur ein geringes Gewicht beigemessen werden, da die Aggression einer Ausnahmesituation entspringe (UA S. 71). Auch aus den jeweils gemäß § 153 oder § 154 StPO eingestellten weiteren staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren ergebe sich keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für schwere Störungen des Rechtsfriedens durch den Angeklagten.

II.

9
Die Revision des Angeklagten ist überwiegend begründet. Die Schuldfähigkeitsprüfung des Landgerichts begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
10
1. Die Ausführungen des Landgerichts zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Angeklagten sind rechtsfehlerhaft und ermöglichen dem Senat keine Nachprüfung, ob es zu Recht eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt ausgeschlossen und eine erhebliche Verminderung der Schuld bejaht hat.
11
a) Die Entscheidung, ob die Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe ausgeschlossen oder im Sinne von § 21 StGB erheblich vermindert war, erfolgt prinzipiell mehrstufig (BGH, Urteil vom 1. Juli 2015 – 2 StR 137/15, NJW 2015, 3319 und Beschluss vom 12. März 2013 – 4 StR 42/13, NStZ 2013, 519 jeweils mwN). Zunächst ist die Feststellung erforderlich, dass bei dem Angeklagten eine psychische Störung vorliegt, die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters zu untersuchen. Durch die festgestellten psychopathologischen Verhaltensmuster muss die psychische Funktionsfähigkeit des Täters bei der Tatbegehung beeinträchtigt worden sein. Hierzu ist der Richter für die Tatsachenbewertung jeweils auf die Hilfe eines Sachverständigen angewiesen. Gleichwohl handelt es sich bei der Frage des Vorliegens eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB bei gesichertem Vorliegen eines psychiatrischen Befunds wie bei der Prüfung der erheblich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit um Rechtsfragen. Deren Beur- teilung erfordert konkretisierende und widerspruchsfreie Darlegungen dazu, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (BGH, Beschlüsse vom 28. Januar 2016 – 3 StR 521/15, NStZ-RR 2016, 135 und vom 19. Dezember 2012 – 4 StR 417/12, NStZ-RR 2013, 145, 146).
12
b) Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe im vorliegenden Fall nicht gerecht.
13
Zwar ist das Landgericht zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die beim Angeklagten durch den Sachverständigen diagnostizierte paranoide Schizophrenie mit unvollständiger Remission unter das Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung i.S.d. § 20 StGB eingeordnet werden kann. Die weiteren Ausführungen des Landgerichts zu den Auswirkungen und zum Schweregrad dieser Erkrankung sind aber widersprüchlich. So wird einerseits davon ausgegangen, dass beim Angeklagten eine wahnhafte Störung bestanden habe, die sowohl zum Vorliegen einer Wahnstimmung als auch zu einer Wahnwahrnehmung geführt habe, so dass letztlich eine konstruktive Auseinandersetzung mit ihm nicht möglich gewesen sei. Durch die vom Angeklagten geführte Diskussion habe sich der Wahn verhärtet und die Erkrankung verstärkt (UA S. 42 und 47). Anderseits kommt das Landgericht aber letztlich zum Ergebnis , dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit „weder voll- ständig aufgehoben noch die Einsichtsfähigkeit beeinträchtigt gewesen“ sein soll, weil der Angeklagte „insbesondere zu ruhig und zu klar gewesen“ sei (UA S. 46), wobei diese Wertung in einem Spannungsverhältnis zu den Bekundungen des Sachverständigen Dr. Dr. C. steht. Dieser hat den nach der Tat inhaftierten Angeklagten aufgesucht und ihn nicht nur als laut, sondern als „hasserfüllt, ablehnend und furchteinflößend“ (UA S. 47aE) geschildert. Damit bleibt auf Grund dieser widersprüchlichen Wertungen letztlich offen, in welchem Umfang sich die vom Sachverständigen attestierte Erkrankung des Angeklagten bei der Begehung der konkreten Tat ausgewirkt hat.
14
2. Da der Senat deshalb nicht auszuschließen vermag, dass der Angeklagte im Zustand der Schuldunfähigkeit und nicht nur im Zustand verminderter Schuldfähigkeit handelte, muss über den Schuldspruch und die strafrechtlichen Rechtsfolgen der Tat insgesamt neu verhandelt und entschieden werden.
15
3. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen beruhen aber auf einer mangelfreien Beweiswürdigung und sind von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen; sie können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann insoweit aber ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.

III.

16
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat ebenfalls Erfolg. Die Nichtanordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
17
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf die Nichtanordnung der Maßregel nach § 63 StGB beschränkt (§ 344 Abs. 1 StPO).
18
2. Die Nichtanordnung der Maßregel nach § 63 StGB ist rechtsfehlerhaft. Zwar ist das Landgericht von einer zumindest erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt i.S.d. § 21 StGB ausgegangen, jedoch weist die zur Verneinung der Maßregel führende Gefährlichkeitsprognose des Landgerichts durchgreifende Wertungsfehler auf.
19
a) Eine Unterbringung nach § 63 StGB darf lediglich dann angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird, also solche, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, NStZ-RR 2016, 198 mwN; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 63 Rn. 15 und 16 mwN). Dies setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass die zu erwartenden Delikte wenigstens in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichen, den Rechtsfrieden empfindlich stören und geeignet sind, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 13. Oktober 2016 – 1 StR 445/16; vom 18. Juli 2013 – 4 StR 168/13, NJW 2013, 3383; vom 16. Juni 2014 – 4 StR 111/14, NStZ 2014, 571; vom 19. August 2014 – 3 StR 243/14, StV 2016, 732; Urteil vom 28. Oktober 2015 – 1 StR 142/15, NStZ-RR 2016, 40; BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 2013 – 2 BvR 298/12, NStZ-RR 2014, 305).
20
Diese durch die Rechtsprechung herausgebildeten Anforderungen sind durch die neue Fassung des § 63 Satz 1 StGB dahingehend konkretisiert worden , dass nur die Erwartung solcher erheblicher rechtswidriger Taten ausreicht, durch die die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird. Erreichen die Anlasstaten ihrem Gewicht nach nicht einmal diesen Bereich, ist eine Anordnung der Maßregel gemäß § 63 StGB nicht von vornherein ausgeschlossen; das Tatgericht muss in solchen Fällen allerdings die erforderliche Gefährlichkeitsprognose besonders sorgfältig darlegen (BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241; Beschlüsse vom 6. März 2013 – 1 StR 654/12, NStZ-RR 2013, 303, 304 f.; vom 18. November 2013 – 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 76 f.).
21
b) Die Gefährlichkeitsprognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 13. Oktober 2016 – 1 StR 445/16; vom 16. Januar 2013 – 4 StR 520/12, NStZ-RR 2013, 141; vom 1. Oktober 2013 – 3 StR 311/13, NStZ-RR 2014, 42; vom 2. September 2015 – 2 StR 239/15; vom 3. Juni 2015 – 4 StR 167/15, StV 2016, 724) und hat sich darauf zu erstrecken, ob und welche Taten von ihm infolge seines Zustands drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt (BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 2013 – 2 BvR 298/12, NStZ-RR 2014, 134; BGH, Beschluss vom 7. Juni 2016 – 4 StR 79/16, NStZ-RR 2016, 306). Diesem schon von der Rechtsprechung entwickelten besonderen Darlegungserfordernis gibt die seit dem 1. August 2016 geltende und über § 2 Abs. 6 StGB anzuwendende Neuregelung in § 63 Satz 2 StGB eine klare gesetzliche Fassung (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften, BT-Drucks. 18/7244, S. 22-24).
22
c) Diesen aufgezeigten Anforderungen genügt die Gefährlichkeitsprognose des Landgerichts nicht, da sie in sich widersprüchlich ist und den festgestellten Sachverhalt nur unzureichend würdigt.
23
Das Landgericht hat im Rahmen seiner Erwägungen zwar auf der einen Seite zutreffend beachtet, dass im Rahmen der Gesamtabwägung zur Gefährlichkeit des Angeklagten einer in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichenden Tat nur eingeschränktes Gewicht beizumessen sein kann, wenn Auslöser für diese Tat eine vom Angeklagten als äußerst bedrohlich empfundene Ausnahmesituation war (BGH, Urteil vom 8. Juni 2011 – 5 StR 134/11, RuP 2011, 245). Auf der anderen Seite geht das Landgericht auch rechtsfehlerfrei davon aus, dass bei der Gefährlichkeitsprognose im Rahmen der Gesamtwürdigung von Tat und Täter neben den verfahrensgegenständlichen auch frühere Taten mit zu berücksichtigen sind, selbst wenn die diesbezüglichen Verfahren nach § 153 oder § 154 StPO eingestellt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 2004 – 1 StR 437/03).
24
Die diese beiden Gesichtspunkte berücksichtigenden Wertungen des Landgerichts dürfen jedoch nicht – wie hier – in Widerspruch zueinander stehen. Unabhängig von der Frage, ob es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Polizeieinsatz bereits um eine derartige Ausnahmesituation für den Angeklagten handelte, belegen die Feststellungen des Landgerichts zu den weiteren Ermittlungsverfahren, dass der Angeklagte durch die Begehung vorsätzlicher Körperverletzungen im Bereich der mittleren Kriminalität in Erscheinung getreten ist. Bei beiden Vorfällen im Zusammenhang mit Fahrscheinkontrollen handelte es sich jedenfalls um keine Ausnahmesituationen im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung, sondern um ganz gewöhnliche Geschehnisse im Alltag. Alle bisherigen Taten des Angeklagten stellen sich damit – wie vom Sachverständigen auch ausgeführt – als unmittelbare Reaktion auf eine be- stimmte vorangegangene, vom Angeklagten „krankheitsbedingt als vermeintli- ches Unrecht empfundener Situationen“ dar (UA S. 68) und belegen den vom Landgericht angenommenen Obersatz, dass „vom Angeklagten auch in Zukunft Straftaten von ähnlicher Schwere zu erwarten sind, wie sie vom Angeklagten auch in der Vergangenheit begangen worden sind“ (UA S. 67). Das einseitige Abstellen des Landgerichts auf die „Ausnahmesituation“ bei den verfahrensgegenständlichen Taten zur Verneinung der Gefährlichkeitsprognose steht damit in Widerspruch zu den Feststellungen des Landgerichts in Bezug auf die übrigen Taten, denen nur eine völlig untergeordnete Bedeutung beigemessen wird. Völlig unberücksichtigt im Rahmen der Gesamtabwägung bleibt zudem, dass der Angeklagte auch mehrfach Notrufe absetzte und ankündigte, jeden „abzu- schlachten“, der versuche seine Mutter zu töten, wobei sich in seiner Wohnung Munition und pyrotechnische Gegenstände befanden. Gleiches gilt für die Feststellung des Landgerichts, dass der Angeklagte im Rahmen der Begutachtung durch den Sachverständigen ein Klappmesser mit sich führte, dieses aber nicht als Waffe verwendete, sondern auf den Tisch legte (UA S. 74). Ausgehend von den beim Angeklagten festgestellten Wahngedanken mit inadäquaten Affekten in Form von erheblich verminderter Impulskontrolle (UA S. 44) sind die abschließenden Wertungen des Landgerichts, dass beim Angeklagten zwar mit erneuten Beleidigungen und Bedrohungen zu rechnen sei, aber nicht mit weiteren schwerwiegenderen Straftaten (UA S. 76), nicht tragfähig. Dies gilt umso mehr als das Landgericht auch im Rahmen der Prognoseentscheidung zur Ablehnung der Strafaussetzung zur Bewährung ebenfalls davon ausgeht, dass der Angeklagte krankheitsbedingt weitere Straftaten begehen wird (UA S. 63).
25
Mit aufzuheben sind auch die insoweit getroffenen Feststellungen des Landgerichts, um dem neuen Tatrichter eine umfassende und widerspruchsfreie Entscheidung zu ermöglichen.

IV.

26
Für die neue Hauptverhandlung, die auch das bis dahin gezeigte Verhalten des Angeklagten in den Blick zu nehmen hat, weist der Senat ergänzend auf Folgendes hin: Da sich der Angeklagte nach den bisherigen Feststellungen des Landgerichts in der Zeit vom 26. März 2015 bis zum 15. Februar 2016 über zehn Monate in der einstweiligen Unterbringung nach § 126a StPO befunden hat, ist diese Freiheitsentziehung gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB auf eine etwaige im neuen Verfahren zu verhängende Freiheitsstrafe anzurechnen, so dass eine Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung schon begrifflich ausscheidet. Ohne dass es auf die bedenklichen Ausführungen des Landgerichts zur Sozialprognose oder Verteidigung der Rechtsordnung (§ 56 Abs. 3 StGB) ankäme, müsste die dann bereits vollzogene Freiheitsstrafe als unbedingte ausgeurteilt werden (BGH, Beschluss vom 12. Februar 2014 – 1 StR 36/14, NStZ-RR 2014, 138). Im Fall der Anordnung einer Maßregel nach § 63 StGB hätte der Angeklagte i.S.d. § 67b Abs. 1 Satz 2 StGB auch keine „Frei- heitsstrafe zu verbüßen“, weil diese durch Anrechnung des erlittenen Freiheits- entzugs nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB erledigt wäre (BGH, Beschluss vom 25. August 1993 – 5 StR 500/93, StV 1994, 260).
Raum Jäger RinBGH Cirener ist krankheitsbedingt an der Unterschriftsleistung gehindert. Raum
Mosbacher Bär

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 521/15
vom
28. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:280116B3STR521.15.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 28. Januar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 29. Juni 2015 - mit Ausnahme der Adhäsionsentscheidung - mit den Feststellungen aufgehoben ; jedoch bleiben die Feststellungen zu den äußeren Tatgeschehen aufrecht erhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten des Fahrens ohne Fahrerlaubnis in vier Fällen, des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in zwei Fällen, der Zuwiderhandlung gegen eine vollstreckbare Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz , der Körperverletzung in Tateinheit mit einer Zuwiderhandlung gegen eine vollstreckbare Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz sowie der Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte schuldig und ihn im Übrigen freigesprochen. Es hat wegen eines Teils der De- likte unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer Vorverurteilung eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verhängt und wegen der übrigen Straftaten auf eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten erkannt. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafen und der Unterbringung hat es zur Bewährung ausgesetzt. Schließlich hat es eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.
2
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen leidet der Angeklagte an einer paranoid-psychotischen Störung bei affektiver Grunderkrankung mit umschriebener Wahnbildung. Die affektive Grunderkrankung verursacht überwiegend manische, teils auch depressive Phasen. In der Zeit vom 20. November 2010 bis zum 22. September 2013 beging er die abgeurteilten Übergriffe gegen Polizeibeamte, einen Bekannten und Familienangehörige. Die Strafkammer hat dem gehörten Sachverständigen folgend für den gesamten Tatzeitraum nicht auszuschließen vermocht, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund seiner Grunderkrankung erheblich eingeschränkt war; bei einem Teil der Taten hat sie eine solche Einschränkung positiv festgestellt. Bei zwei Vorfällen hat sie nicht ausschließen können, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgehoben und seine Einsichtsfähigkeit erheblich eingeschränkt war.
3
2. Der Schuldspruch kann insgesamt nicht bestehen bleiben; denn die Ausführungen des Landgerichts zur Schuldfähigkeit des Angeklagten sind rechtsfehlerhaft. Letzteres bedingt auch die Aufhebung des Strafausspruchs und der Unterbringungsanordnung.
4
a) Wenn sich das Tatgericht - wie hier - darauf beschränkt, sich der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit anzuschließen, muss es dessen wesentliche Anknüpfungspunkte und Darlegungen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2007 - 3 StR 412/07, NStZ-RR 2008, 39). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall in mehrfacher Hinsicht:
5
Das Landgericht hat es bereits unterlassen, das vom Sachverständigen diagnostizierte Störungsbild einem der Eingangsmerkmale der §§ 20, 21 StGB zuzuordnen. Sodann fehlt die Darlegung, wie die paranoid-psychotische Störung auf den Angeklagten und seine Handlungsmöglichkeiten in den konkreten Tatsituationen eingewirkt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 2014 - 3 StR 274/14, juris Rn. 4). Die §§ 20, 21 StGB setzen voraus, dass die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit "bei Begehung der Tat" aufgehoben bzw. erheblich vermindert sind. Die Schuldfähigkeit ist deshalb in Bezug auf jede einzelne Tat zu prüfen. Erforderlich ist stets die konkretisierende Darstellung, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Taten auf die Einsichts - oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 - 4 StR 417/12, NStZ-RR 2013, 145, 146). Hierauf kann allein unter Hinweis auf die allgemeine Diagnose nicht verzichtet werden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 13. August 2013 - 2 StR 128/13, NStZ-RR 2013, 368, 369; vom 23. August 2012 - 1 StR 389/12, NStZ 2013, 98; vom 2. Oktober 2007, aaO), denn deren Feststellung ist insbesondere auch bei bipolaren Störungen, bei denen eine große Bandbreite von Ausprägungen und Schweregraden besteht, für die Frage der Schuldfähigkeit nicht ausreichend aussagekräftig. In manischen Phasen kann es, je nach Ausprägung und Schwere, zur Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit, aber auch der Ein- sichtsfähigkeit kommen. Vor diesem Hintergrund genügen die Ausführungen in den Urteilsgründen nicht, die sich in den Verurteilungsfällen insoweit im Wesentlichen in der Mitteilung im Rahmen der Beweiswürdigung erschöpfen, der Sachverständige habe bei vier Taten eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit positiv festgestellt und im Übrigen auf der Grundlage der festgestellten Grunderkrankung nicht ausschließen können, dass der Angeklagte im gesamten Tatzeitraum krankheitsbedingt in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt gewesen sei.
6
b) Da deshalb weder auszuschließen ist, dass der Angeklagte in den Verurteilungsfällen voll schuldfähig war, noch dass er im Zustand der Schuldunfähigkeit handelte, muss über den Schuldspruch und die strafrechtlichen Rechtsfolgen der Tat insgesamt neu verhandelt und entschieden werden. Der Umstand, dass allein der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Aufhebung auch des freisprechenden Teils des Urteils nicht; denn nach § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO ist es möglich, in einer neuen Hauptverhandlung an Stelle der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus den Täter schuldig zu sprechen und eine Strafe zu verhängen (BGH, Beschlüsse vom 29. Juli 2015 - 4 StR 293/15, NStZ-RR 2015, 315, 316; vom 5. August 2014 - 3 StR 271/14, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Satz 2 Freispruch 1). Die jeweiligen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bei den einzelnen Taten beruhen auf einer mangelfreien Beweiswürdigung und sind von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen; sie können deshalb bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann insoweit ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen. Der Adhäsionsausspruch unterliegt ebenfalls nicht der Aufhebung (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 406a Rn. 8 mwN).
7
3. Im Übrigen ist das neue Tatgericht auf Folgendes hinzuweisen:
8
a) Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen der Zuwiderhandlung gegen eine vollstreckbare Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz verurteilt hat, belegen die bisherigen Feststellungen in den Fällen II. 2. und II. 3. der Urteilsgründe bereits die Voraussetzungen des § 4 GewSchG nicht. Die Verurteilung nach § 4 Satz 1 GewSchG wegen Zuwiderhandlung gegen eine Anordnung nach § 1 GewSchG setzt u.a. voraus, dass das Strafgericht die materielle Rechtmäßigkeit der Anordnung überprüft und dabei deren tatbestandliche Voraussetzungen eigenständig feststellt; an die Entscheidung des Familiengerichts ist es insoweit nicht gebunden (BGH, Beschluss vom 28. November 2013 - 3 StR 40/13, BGHSt 59, 94). Tragfähige diesbezügliche Ausführungen enthalten die bisherigen Urteilsgründe - auch in ihrem Gesamtzusammenhang - nicht.
9
b) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme , die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht , dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat (en) zu entwickeln. Dabei sind an die Darlegungen umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt um einen Grenzfall handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 2012 - 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338 mwN). Der Tatrichter muss die eine Unterbringung tragenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darstellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2013 - 3 StR 349/13, juris Rn. 5). Hieran gemessen erscheinen die bisherigen, eher knappen Urteilsausführungen nicht bedenkenfrei.
10
c) Sollte das neue Tatgericht für die einzelnen Taten ebenfalls Freiheitsstrafen von unter sechs Monaten verhängen, wird es § 47 StGB und die diesbezüglichen Darlegungsanforderungen zu beachten haben.
Becker Schäfer Gericke
Spaniol Tiemann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 161/16
vom
21. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer sexueller Nötigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:210616B4STR161.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 21. Juni 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 2. Dezember 2015 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist und soweit die Strafkammer von einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei der Tat vom 11. April 2015 ausgegangen ist. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer sexueller Nötigung und wegen Wohnungseinbruchdiebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich seine auf die Sachrüge gestützte Revision, die in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg hat.

I.


2
1. Zum Tatgeschehen hat die Strafkammer im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte hatte an der Nebenklägerin, die im Hochparterre eines seiner Wohnung gegenüber gelegenen Gebäudes wohnte und zu deren Wohnzimmer er Sichtkontakt hatte, Gefallen gefunden, obwohl zwischen ihnen keinerlei Kontakt bestand. Zwischen dem 14. und dem 20. März 2015 brach der Angeklagte während einer Urlaubsabwesenheit der Nebenklägerin in deren Wohnung ein und entwendete neben Wertgegenständen, die er für sich behal- ten wollte, auch Unterwäsche „als Erinnerungsstücke“ (abgeurteilt als Woh- nungseinbruchdiebstahl mit einer Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten).
4
Am frühen Morgen des 11. April 2015 fasste der alkoholisierte Angeklagte den Entschluss, bei der inzwischen aus dem Urlaub zurückgekehrten Nebenklägerin erneut einzubrechen und mit ihr ungeachtet eines entgegenstehenden Willens den Geschlechtsverkehr auszuüben. Er drang in die Wohnung ein, hielt der im Bett liegenden Nebenklägerin den Mund zu und befahl ihr, ruhig zu sein. Anschließend berührte er den Körper der mit T-Shirt und Unterwäsche bekleideten Nebenklägerin, die daraufhin laut zu schreien begann. Um die Schreie zu unterbinden, schlug der Angeklagte der Nebenklägerin kräftig mit der Hand ins Gesicht. Sodann berührte er sie wieder am Körper, unter anderem an den Beinen , an dem mit einem Slip bekleideten Bereich zwischen den Beinen und an der Brust. Versuche, auch unter die Kleidung zu greifen, misslangen, weil sich die Nebenklägerin wand und wegdrehte. Auch einen Kuss wehrte die Nebenklägerin durch Beißen und Kratzen ab. Hierüber in Wut geraten schlug der Angeklagte der Nebenklägerin mehrfach heftig mit der Faust ins Gesicht, wodurch diese unter anderem einen Nasenbeinbruch erlitt. Nach weiteren sexuellen Handlungen, während derer der Angeklagte die Nebenklägerin weiter schlug und ihr androhte, sie zu töten, gelang der Nebenklägerin schließlich die Flucht ins Wohnzimmer, wo sie das Fenster öffnete und laut nach Hilfe rief. Dabei ergriff sie der Angeklagte, schlug erneut auf sie ein, warf sie zu Boden und würgte sie. Schließlich flüchtete er durch das Fenster und lief davon (abgeurteilt als besonders schwere sexuelle Nötigung mit einer Einzelfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten).
5
2. Während die Strafkammer hinsichtlich des Wohnungseinbruchdiebstahls eine (erhebliche) Verminderung des Einsichts- und Steuerungsvermögens beim Angeklagten verneinte, bejahte sie hinsichtlich der Tat vom 11. April 2015 die Voraussetzungen des § 21 StGB. Bei dieser Tat sei das Steuerungsvermögen des Angeklagten durch seine alkoholbedingte Enthemmung bereits (wenn auch noch nicht erheblich) vermindert gewesen. Erheblich sei die Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit (erst) geworden, als die Nebenklägerin geschrien und sich gewehrt habe. Denn diese Entwicklung habe den Angeklagten überfordert und es habe sich die durch die Alkoholisierung verstärkte Symptomatik der – schon seit langem bestehenden – ADHS-Erkrankung in einer Impulsivität und mangelnden Selbstkontrolle derart geäußert, dass es ihm erheblich schwerer gefallen sei, seine Gewalthandlungen zu unterdrücken und zu dosieren.
6
Da aufgrund der ADHS-Erkrankung des Angeklagten auch in Zukunft mit weiteren erheblichen rechtswidrigen Taten des Angeklagten vor allem gegen die körperliche Unversehrtheit, nämlich mit Gewalt- und Sexualdelikten (UA S. 51), zu rechnen sei, sei er vor allem dann für die Allgemeinheit gefährlich, wenn sich die Krankheitssymptome durch Alkohol verstärkten, zu welchem der Angeklagte gerade aufgrund seiner ADHS-Erkrankung neige (UA S. 50).
7
3. Auch in einem gegen den Angeklagten am 13. März 2013 unter anderem wegen besonders schweren Raubes ergangenen (Berufungs-)Urteil des Landgerichts Bielefeld war die dortige Strafkammer von einem erheblich verminderten Steuerungsvermögen des Angeklagten aufgrund seiner ADHSErkrankung im Zusammenwirken mit einer akuten Alkoholintoxikation ausgegangen. Eine Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB sah sie damals jedoch als unverhältnismäßig an.

II.


8
1. Das Urteil hält rechtlicher Überprüfung nicht stand, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet worden ist.
9
a) Denn die Feststellungen der Strafkammer belegen nicht, dass beim Angeklagten bei Begehung der Tat vom 11. April 2015 und auch noch in der Hauptverhandlung ein dauerhafter Zustand im Sinn des § 63 StGB vorlag.
10
aa) Die Anordnung der Unterbringung gemäß § 63 StGB setzt die positive Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden Defekts voraus, der zumindest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit zur Tatzeit im Sinne des § 21 StGB begründet. Dabei bedeutet ein länger dauernder Zustand nicht eine ununterbrochene Befindlichkeit. Entscheidend und für die Maßregelanordnung ausreichend ist vielmehr, dass der Zustand der Grund- erkrankung länger andauert, sofern er dazu führt, dass schon alltägliche Ereignisse die akute erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auslösen können (vgl. BGH, Urteile vom 17. Februar 1999 – 2 StR 483/98, BGHSt 44, 369, 375 f., juris Rn. 32; vom 10. August 2005 – 2 StR 209/05, BGHR StGB § 63 Ablehnung 2, juris Rn. 17; vom 3. Dezember 2015 – 4 StR 387/15, juris Rn. 25; Beschlüsse vom 14. Januar 2009 – 2 StR 565/08, NStZ-RR 2009, 136, juris Rn. 9; vom 21. November 2012 – 4 StR 257/12, juris Rn. 7 jeweils mwN).
11
War der Täter bei Begehung der Tat alkoholisiert und hat „letztlich“ der Konsum von Alkohol seine Schuldfähigkeit bei Begehung der Tat aufgehoben oder erheblich vermindert, so ist für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zwar grundsätzlich nur Raum, wenn er an einer krankhaften Alkoholsucht leidet oder in krankhafter Weise alkoholüberempfindlich ist (vgl. etwa BGH, Urteil vom 17. Februar 1999 – 2 StR 483/98, BGHSt 44, 369, 372 f., juris Rn. 19; Beschluss vom 9. Juni 2010 – 2 StR 201/10, juris Rn. 6, jeweils mwN). Ein Zustand im Sinne des § 63 StGB liegt aber – entsprechend obiger Rechtsprechung – auch vor, wenn der Täter an einer länger dauernden geistigseelischen Störung leidet, bei der bereits geringer Alkoholkonsum oder andere alltägliche Ereignisse die akute erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auslösen können und dies getan haben (vgl. BGH, Urteile vom 17. Februar 1999 – 2 StR 483/98, BGHSt 44, 369, 374, juris Rn. 27; vom 29. September 2015 – 1 StR 287/15, NJW 2016, 341 f., juris Rn. 11; Beschlüsse vom 1. April 2014 – 2 StR 602/13, juris Rn. 5; vom 5. Juli 2011 – 3 StR 173/11, NStZ 2012, 209, juris Rn. 5; vom 23. September 2015 – 4 StR 371/15, juris Rn. 9), wenn tragender Grund seines Zustandes mithin die länger andauernde krankhafte geistig-seelische Störung und die Alkoholisierung lediglich der auslösende Faktor war und ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 1999 – 2 StR 483/98, BGHSt 44, 369, 374, juris Rn. 25 f.).
12
bb) Dies zugrunde gelegt, belegen die Feststellungen die Annahme der Strafkammer nicht, beim Angeklagten habe bei Begehung der Tat vom 11. April 2015 und auch noch in der Hauptverhandlung ein dauerhafter Zustand im Sinn des § 63 StGB vorgelegen.
13
(1) Insofern ist bereits zu besorgen, dass die Strafkammer ihrer rechtlichen Würdigung miteinander nicht vereinbare, jedenfalls in einer Alternative die Maßregelanordnung nicht tragende Feststellungen zugrunde gelegt hat.
14
Denn sie geht einerseits davon aus, dass aufgrund der ADHSErkrankung des Angeklagten auch in Zukunft mit weiteren erheblichen rechtswidrigen Taten des Angeklagten zu rechnen sei, wenn sich die Krankheitssymptome durch Alkohol verstärkten, zu welchem der Angeklagte gerade aufgrund seiner ADHS-Erkrankung neige (UA S. 50). Andererseits legt das Landgericht dar, dass die ADHS-Erkrankung und der Einfluss von Alkohol nicht ausreichen, um beim Angeklagten den von § 63 StGB vorausgesetzten Zustand einer zumindest erheblich verminderten Schuldfähigkeit zu begründen. Vielmehr erreiche die ADHS-Symptomatik erst im Zusammenwirken mit Alkohol und den Angeklagten überfordernden Geschehensabläufen ein erhebliches Ausmaß (UA S. 37); das Steuerungsvermögen des Angeklagten bei der Tat vom 11. April 2015 sei deshalb erst dann erheblich beeinträchtigt gewesen, als die Nebenklägerin geschrien und sich gewehrt habe und der Angeklagte hierdurch überfordert gewesen sei (UA S. 24, 39).
15
(2) Reichte hiernach aber die Grunderkrankung auch in Verbindung mit den Folgen des Alkoholkonsums für die Annahme einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit beim Angeklagten nicht aus (so ausdrücklich UA S. 39), sondern wurde diese erst durch das Hinzutreten weiterer Umstände begründet, muss es sich bei diesen um „alltägliche Ereignisse“ gehandelt haben, um einen dauerhaften Zustand im Sinn des § 63 StGB zu begründen. Denn eine allein auf eine geistig-seelische Störung und Alkoholkonsum zurückzuführende Disposition , nicht aufgrund von alltäglichen Ereignissen, sondern lediglich in bestimmten Belastungssituationen wegen mangelnder Fähigkeit zur Impulskontrolle in den Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit zu geraten, stellt keinen dauerhaften Zustand im Sinn des § 63 StGB dar (vgl. BGH, Urteile vom 17. Juni 2015 – 2 StR 358/14, juris Rn. 7, sowie vom 3. Dezember 2015 – 4 StR 387/15, juris Rn. 24; Beschlüsse vom 21. November 2012 – 4 StR 257/12, juris Rn. 7; vom 29. Januar 2008 – 4 StR 595/07, juris Rn. 12 jeweils mwN).
16
Dass der Angeklagte bereits durch „alltägliche Ereignisse“ in einen dau- erhaften Zustand im Sinn des § 63 StGB gerät, hat die Strafkammer indes nicht tragfähig festgestellt. Auch lässt sich dies dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht hinreichend sicher entnehmen. Zwar verweist die Strafkammer insofern darauf, dass die im Zusammenhang mit der ADHSErkrankung zu sehenden Aggressionsmuster bereits seit seinem Jugendalter zu beobachten seien (UA S. 52). Andererseits legt sie aber dar, dass diese Proble- matik „im normalen Alltag ... noch nicht so ausgeprägt“ sei (UA S. 37). Ihre Be- wertung, dass die ADHS-Erkrankung des Angeklagten in Verbindung mit Alkoholkonsum und mit Situationen, die ihn überfordern, zu einer deutlich herabgesetzten Kontrollierbarkeit der Impulsivität führe (vgl. etwa UA S. 37, 39, 40), be- gründet sie sodann mit den „in der wiederholten Straffälligkeit des Verurteilten erkennbaren Verhaltensweisen“ (UA S. 51) des Angeklagten, für die sie konkret neben einer Tat vom 9. Dezember 2007 und der abgeurteilten sexuellen Nötigung lediglich auf die dem Berufungsurteil vom 13. März 2013 zugrunde liegende Tat Bezug nimmt. Hinsichtlich dieses Raubes ist indes ein den Anklagten „überfordernder Geschehensablauf“ weder belegt, noch ist ein solcher aufgrund der Tatschilderung (UA S. 8 f.) ersichtlich. Vielmehr ist dort ausgeführt, dass der Angeklagte in seinem Steuerungsvermögen erheblich vermindert gewesen sei, weil er in seiner Fähigkeit eingeschränkt gewesen sei, „sich dem Reiz zu entziehen , anlässlich der (geplanten) Gewaltanwendung auch noch Sachen aus der Wohnung des Geschädigten mitzunehmen“ (UA S. 15). Hinsichtlich der „im Rahmen eines Streitgesprächs“ mit seinem Vater begangenen Tat vom 9. Dezember 2007 (UA S. 6) nimmt die Strafkammer selbst lediglich an, dass diese auf eine gesteigerte Impulsivität in Situationen emotionaler Anspannung „hindeute“ (UA S. 39).
17
b) Ferner belegen die Feststellungen nicht hinreichend, dass beim Angeklagten bei Begehung der Tat vom 11. April 2015 die Voraussetzungen des § 21 StGB sicher vorlagen.
18
aa) Die richterliche Entscheidung, ob die Fähigkeit des Angeklagten, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert ist, erfolgt in einem aus mehreren Schritten bestehenden Verfahren. Zunächst ist die Feststellung erforderlich, dass bei dem Angeklagten eine psychische Störung vorliegt, die unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind in einem weiteren Schritt der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Angeklagten zu untersuchen (BGH, Urteile vom 12. Juni 2008 – 3 StR 154/08, NStZ-RR 2008, 338, 339, juris Rn. 7; vom 17. April 2012 – 1 StR 15/12, NStZ 2013, 53, 54, juris Rn. 24; Beschluss vom 12. März 2013 – 4 StR 42/13, NStZ 2013, 519, 520, juris Rn. 7). Haben bei der Tat mehrere Faktoren zusammengewirkt und kommen mehrere Eingangsmerkmale gleichzeitig in Betracht, so dürfen diese hierbei nicht isoliert abgehandelt , sondern müssen einer Gesamtbetrachtung unterzogen werden (BGH, Beschluss vom 12. März 2013 – 4 StR 42/13, NStZ 2013, 519, 520, juris Rn. 7, mwN).
19
bb) Es bedarf keiner Entscheidung, ob eine ADHS-Erkrankung als krankhafte seelische Störung (so UA S. 12, offen gelassen auf UA S. 36) oder als eine schwere andere seelische Abartigkeit einzuordnen ist (so UA S. 44; vgl. dazu auch Nedopil/Müller, Forensische Psychiatrie, 4. Aufl., S. 136, und OLG Hamm, Beschluss vom 5. November 2007 – 3 Ss 461/07, NStZ-RR 2008,138, juris Rn. 13). Denn keines dieser Eingangsmerkmale des § 20 StGB ist von der Strafkammer tragfähig festgestellt.
20
(1) Allein eine psychiatrische Diagnose ist nicht mit einem Eingangsmerkmal des § 20 StGB gleichzusetzen. Hierfür sind vielmehr – wie oben dargelegt – der Ausprägungsgrad der Störung und ihr Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit entscheidend (BGH, Beschlüsse vom 22. Mai 2013 – 1 StR 71/13, juris Rn. 6; vom 19. Dezember 2013 – 2 StR 534/13, BGHR StGB § 20 Wahnvorstellungen 1, juris Rn. 4; vom 8. Januar 2014 – 2 StR 514/13, juris Rn. 8; Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß, NStZ 2005, 57, 58). Die positive Feststellung , dass der Angeklagte eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder der erheblich verminderten Schuldfähigkeit begangen hat, setzt dabei voraus, dass in der Person des Angeklagten letztlich nicht nur Eigenschaften und Verhaltensweisen hervorgetreten sind, die sich im Rahmen dessen halten, was bei schuldfähigen Menschen anzutreffen und übliche Ursache für strafbares Verhalten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Februar 2015 – 2 StR 420/14, juris Rn. 7; ferner Urteil vom 2. April 1997 – 2 StR 53/97, BGHR StGB § 21 Psychose 1, juris Rn. 7; Beschluss vom 15. Juli 1997 – 4 StR 303/97, BGHR StGB § 63 Zustand 26, juris Rn. 6). Hierzu gehören etwa Eigenschaften wie Stimmungsschwankungen, geringe Frustrationstoleranz, Tendenz zu Strei- tereien und Impulsivität; diese sind nicht ohne weiteres dazu geeignet, eine Person in einen Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit zu versetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2006 – 2 StR 349/06, NStZ 2007, 29 f., juris Rn. 4).
21
Für die Bewertung der Schwere einer krankhaften seelischen Störung ist vielmehr insbesondere maßgebend, ob es im Alltag außerhalb der beschuldigten Delikte zu Einschränkungen des beruflichen und sozialen Handlungsvermögens gekommen ist (BGH, Beschluss vom 22. Mai 2013 – 1 StR 71/13, juris Rn. 6; Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß, NStZ 2005, 57, 58). Dies gilt in gleicher Weise, wenn es um die Einordnung als schwere andere seelische Abartigkeit geht. Auch für die Bewertung deren Schwere ist im Allgemeinen maßgebend, ob es im Alltag außerhalb des Delikts zu Einschränkungen des beruflichen und sozialen Handlungsvermögens gekommen ist (vgl. BGH, Urteile vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52, juris Rn. 31; vom 1. Juli 2015 – 2 StR 137/15, NJW 2015, 3319, 3320, juris Rn. 14; OLG Hamm aaO juris Rn. 13; vgl. auch Nedopil/Müller aaO S. 139). Erst wenn das Muster des Denkens, Fühlens oder Verhaltens sich im Zeitverlauf als stabil erwiesen hat, können die psychiatrischen Voraussetzungen vorliegen, die an krankhafte seelische Störungen oder an eine – dieser gleichzustellenden – schwere andere seelische Abartigkeit zu stellen sind (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52, juris Rn. 31).
22
(2) Eine solche Prüfung, ob es im Alltag außerhalb der beschuldigten Delikte zu Einschränkungen des beruflichen und sozialen Handlungsvermögens gekommen ist, lässt das Urteil – wie oben dargelegt – indes vermissen (vgl. insbesondere UA S. 44).
23
Hinzu kommt, dass das von der Strafkammer festgestellte Tatgeschehen jedenfalls in weiten Teilen nicht die typischen Merkmale eines auf einer Impulskontrollstörung beruhenden Geschehens aufweist (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52, juris Rn. 32). Vielmehr hat der Angeklagte seinen Entschluss, mit der Nebenklägerin auch gegen deren Willen den Geschlechtsverkehrs auszuüben, umgesetzt, indem er sich zur Wohnung der Nebenklägerin begab, zu dem gekippten Fenster kletterte, dieses öffnete, ihr den Mund zuhielt, ihr das Mobiltelefon abnahm, um dessen Benutzung zu verhindern, auf das Einschalten des Lichts dadurch reagierte, dass er die Kapuze seines Sweatshirts aufsetzte und anschließend das Licht wieder ausschaltete, und schließlich auch auf die Flucht der Nebenklägerin ins Wohnzimmer noch interessengerecht reagierte. Zudem handelte er bei dem ersten Schlag, um die Schreie der Nebenklägerin zu unterbinden, bei den weiteren, zu dem Nasenbeinbruch führenden Gewalthandlungen schlug er aus Wut über die körperliche Gegenwehr der Nebenklägerin und damit ebenfalls aus „einem gewissen Beweggrund“ zu (vgl. BGH, Beschluss vom 30. September 2008 – 5 StR 305/08, juris Rn. 4). Nicht für eine Überforderung, sondern ein plau- sibles Motiv der Misshandlungen spricht auch, dass der Angeklagte selbst ein- geräumt hat, dass „Ziel seiner Schläge ... gewesen (sei), die Schreie und Hilfe- rufe der Nebenklägerin zu unterbinden, damit keine Dritten auf die Situation aufmerksam werden würden“ (UA S. 29).
24
c) Die Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen , soweit die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist und soweit die Strafkammer von einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei der Tat vom 11. April 2015 ausgegangen ist.
25
2. Im Übrigen weist das Urteil aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 11. Mai 2016 dargelegten Gründen keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Senat schließt im Hinblick auf obige Ausführungen aus, dass im neuen Verfahren eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten festgestellt wird oder dass der Tatrichter geringere Einzelstrafen oder eine mildere Gesamtstrafe festgesetzt hätte (zumal der Angeklagte über die Maßregelanordnung hinaus durch die Anwendung von § 21 StGB in Verbindung mit § 49 Abs. 1 StGB nicht beschwert ist) oder im neuen Verfahren festsetzen würde, auch wenn er erneut eine Maßregel nach § 63 StGB verhängt.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 364/17
vom
12. Oktober 2017
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:121017B5STR364.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 12. Oktober 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 18. April 2017 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einem Strafbefehl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten sowie wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung zu einer weiteren Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Ferner hat es seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat im Umfang der Beschlussformel Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen leidet der Angeklagte wahrscheinlich seit 2011, aber auf jeden Fall seit 2015 an einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ (ICD-10: F 60.30). Wegen psychischer Störungen , zunächst wegen Angststörungen, war er seit 2010/2011 wiederholt in Behandlung eines niedergelassenen Psychiaters, der bei ihm eine schwere Depression diagnostizierte und ihn medikamentös therapierte. Im Jahr 2008 fiel der Angeklagte erstmals durch Gewalttätigkeiten gegen seine mittlerweile geschiedene Ehefrau auf. Wegen weiterer gewalttätiger Übergriffe im Mai 2009 und im Januar 2010 sowie auch nach der Trennung ihr gegenüber geäußerter Beleidigungen und Bedrohungen wurde er im Jahr 2014 unter anderem wegen Körperverletzung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Vor dem Hintergrund seiner Persönlichkeitsstö- rung, die sich dahin auswirkt, „dass sich der Angeklagte, gegebenenfalls auch aus nichtigem Anlass, in eine kaum mehr beherrschbare Spirale an Aggression hineinsteigert“ (UA S. 9), beging er die beiden Anlasstaten:
3
Im August 2015 griff er zunächst verbal eine Mitarbeiterin der städtischen Verkehrsüberwachung an, die den verbotswidrig und behindernd geparkten Pkw eines Bekannten des Angeklagten abschleppen lassen wollte. Dann „schrie der wild gestikulierende Angeklagte nur noch unverständlich herum“ und stieß die Zeugin gegen die Schulter. Er beruhigte sich nicht, als drei uniformierte Polizeibeamte eintrafen. Gegen einen Platzverweis setzte er sich brüllend zur Wehr. Als ein Polizist ihn wegzuführen versuchte, schlug er mit der Faust nach diesem. Weiteren Beamten gelang es, dem sich heftig wehrenden Angeklagten Handschellen anzulegen und ihn in einen Streifenwagen zu bringen. Auf der Fahrt zur Dienststelle trat er um sich, wobei zwei der ihn begleitenden Polizeibeamten leicht, ein weiterer erheblich verletzt wurden.
4
Im April 2016 griff der Angeklagte einen Bruder seiner früheren Ehefrau sowie deren neuen Lebensgefährten an. Er konnte die Trennung von seiner Ehefrau nicht überwinden und war verärgert darüber, dass ihre Familie ihre neue Beziehung zu G. billigte. Am Tattag brachte er in Erfahrung, dass sich Teile ihrer Familie und ihr neuer Lebensgefährte in einem Café aufhielten. Nachdem er einen Bruder seiner früheren Ehefrau bereits vor dem Café geschlagen hatte, folgte er diesem in den Gastraum und entdeckte dort den Zeugen G. . Unvermittelt zog er einen Schraubendreher, den er zufällig da- bei hatte, und „fuchtelte“ damit vor dessen Oberkörper hin und her. Dabei fügte er ihm eine oberflächliche Wunde auf der Brust zu. Der körperlich überlegene G. wehrte sich. Der Angeklagte wurde von weiteren Gästen aus dem Café gedrängt, schlug jedoch von außen gegen die Fensterscheiben, so dass sich G. mit einigen Gästen vor die Tür begab. Obwohl G. drohte, den Angeklagten mit einem Holzbrett zu schlagen, stürmte dieser mit dem Schraubendreher auf den Zeugen zu und fügte ihm damit weitere oberflächliche Wunden zu. Erst nachdem G. ein Messer aus dem Café geholt hatte, dessen Einsatz er dem Angeklagten androhte, ergriff dieser die Flucht. Im Rahmen eines nicht verfahrensgegenständlichen Nachtatgeschehens kam es kurz darauf zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen einem weiteren Bruder der früheren Ehefrau und dem Angeklagten, in dessen Verlauf der Angeklagte den Bruder mit dem Schraubendreher in den Rumpf stach.
5
Aufgrund seiner psychischen „Erkrankung“ war der Angeklagte nach Auffassung des sachverständig beratenen Landgerichts zum Zeitpunkt der Taten „massiv eingeschränkt, sein Verhalten zu modulieren und seine Aggressivität zu kontrollieren“. Er steigerte sich weiter in eine Aggression hinein, „die nicht zielführend sein konnte“ (UA S. 17). Dies führte dazu, dass seine Steuerungsfähigkeit zu den Tatzeitpunkten erheblich vermindert war.
6
2. Der Maßregelausspruch hält einer sachlich-rechtlichen Prüfung nicht stand.
7
Die Anordnung nach § 63 StGB bedarf einer besonders sorgfältigen Begründung , weil sie eine schwerwiegende und gegebenenfalls langfristig in das Leben des Betroffenen eingreifende Maßnahme darstellt. Den danach zu erhebenden Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht.
8
a) Bereits das Vorliegen eines Eingangsmerkmals des § 20 StGB ist nicht hinreichend belegt.
9
Die Sachverständige und ihr folgend das Landgericht ordnen die beim Angeklagten diagnostizierte Persönlichkeitsstörung dem Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung des § 20 StGB zu. Derartige Defekte sind jedoch am Merkmal der „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ zu messen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. November 2013 – 2 StR 463/13, NStZ-RR 2014, 72, und vom 21. Juli 2015 – 2 StR 163/15; SSW-StGB/Kaspar, 3. Aufl., § 20 Rn. 71, 79 ff.). Dieses Eingangsmerkmal wird allein durch den Befund einer Persönlichkeitsstörung nicht belegt. Erforderlich ist bei einer nicht pathologisch begründeten Persönlichkeitsstörung, dass sie in ihrem Gewicht einer krankhaften seelischen Störung gleichkommt. Dabei sind der Ausprägungsgrad der Störung und ihr Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters von Bedeutung. Für die Bewertung der Schwere der Persönlichkeitsstörung ist im Allgemeinen maßgebend, ob es im Alltag außerhalb des Deliktes zu Einschränkungen des sozialen Handlungsvermögens gekommen ist (vgl. zum Ganzen BGH, Urteile vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45,52 und vom 1. Juli 2015 – 2 StR 137/15, NJW 2015, 3319 f.; Beschluss vom 4. Dezember 2007 – 5 StR 398/07, NStZ-RR 2008, 104).
10
Hierzu verhält sich das angefochtene Urteil nicht. Es wird lediglich die Einschätzung der Sachverständigen wiedergegeben, dass es sich bei der emotional -instabilen Persönlichkeitsstörung um eine schwere Störung der charakter- lichen Konstitution und des Verhaltens handele, die „zumeist“ mit persönlichen und sozialen Beeinträchtigungen einhergehe (UA S. 18). Ob und inwieweit dies beim Angeklagten der Fall ist, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. Die vor 2015 aufgetretenen Auffälligkeiten (Aggressionstaten zum Nachteil der Ehefrau; Konsultationen eines niedergelassenen Psychiaters wegen Angststörungen) müssen insoweit außer Betracht bleiben, da das Landgericht erst beginnend mit dem Jahr 2015 das sichere Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung festgestellt hat.
11
b) Zur Bejahung eines dauernden Zustands im Sinne von § 63 StGB reicht die auf eine Persönlichkeitsstörung zurückzuführende Disposition nicht aus, in bestimmten Belastungssituationen wegen mangelnder Fähigkeit zur Impulskontrolle in den Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit zu geraten (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Januar 2008 – 4 StR 595/07 mwN). Dies hat das Landgericht im Grundsatz erkannt und gestützt auf die entsprechende Beurteilung der Sachverständigen – darauf abgestellt, dass für den Angeklagten bereits alltägliche Situationen ausreichende Anreize „für einen erneuten krankheitsbedingten Aggressionsschub mit gewalttätigem Verhalten“ böten (UA S. 43). Allerdings ist diese Einschätzung der Sachverständigen und des Landgerichts bislang lediglich durch die Anlasstat vom August 2015 und damit unzureichend belegt.
12
3. Da über die Voraussetzungen des § 21 StGB neu entschieden werden muss, war auch der Strafausspruch aufzuheben. Unabhängig hiervon hätte er einer rechtlichen Überprüfung nicht standgehalten. Das Landgericht hat zu Las- ten des Angeklagten gewertet, dass im Fall 1 die Widerstandshandlung von erheblicher Brutalität gekennzeichnet war und weit über das hinausgegangen sei, was Polizeibeamte „an Widerstandshandlungen üblicherweise erleiden“ müssten. Im Fall 2 hat es negativ berücksichtigt, dass der Angeklagte den Zeugen G. mehrfach attackierte. Diese Umstände sind jedoch nach den Urteilsausführungen (UA S. 30 f.) gerade durch die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten bedingt. Sofern diese sich im Sinne des § 21 StGB schuldmindernd ausgewirkt hat, durften sie dem Angeklagten jedenfalls nicht uneingeschränkt strafschärfend angelastet werden (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 1961 – 4 StR 373/61, BGHSt 16, 360, 364; Beschlüsse vom 25. Oktober 2012 – 5 StR 512/12; vom 9. Oktober 1996 – 3 StR 454/96, NStZ-RR 1997, 66 mwN).
Mutzbauer Sander Schneider
König Mosbacher
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung ja
Zur Beurteilung des Schweregrads einer anderen seelischen Abartigkeit (hier
„dissoziale und schizoide Persönlichkeitsstörung“) und der Erheblichkeit der
Einschränkung der Steuerungsfähigkeit bei der Tat (Fortführung von BGHSt
37, 397).
BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03 – LG Stuttgart

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 346/03
vom
21. Januar 2004
in der Strafsache
gegen
wegen erpresserischen Menschenraubs u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. Januar
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 8. April 2003 wird verworfen. 2. Die Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels sowie die durch dieses Rechtsmittel entstandenen notwendigen Ausla- gen der Nebenklägerin zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen räuberischen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

Die Überprüfung des Schuldspruchs aufgrund der Sachrüge hat keinen die Angeklagte belastenden Rechtsfehler ergeben.

II.

Die Beschwerdeführerin deckt mit ihrem Revisionsvorbringen auch im Strafausspruch keinen Rechtsfehler auf. Näherer Erörterung bedarf allerdings die Rüge, die Angeklagte leide unter einer schweren Persönlichkeitsstörung
und habe sowohl bei dem verfahrensgegenständlichen räuberischen Diebstahl im Oktober 2001 als auch beim erpresserischen Menschenraub im Juli 2002 unter einem so starken Motivationsdruck gestanden, daß sie für beide Taten - anders als vom Landgericht angenommen - strafrechtlich nicht voll verantwortlich gewesen sei. 1. Die sachverständig beratene Strafkammer hat zur Persönlichkeitsentwicklung der Angeklagten und zum Tatgeschehen folgende Feststellungen getroffen :
a) Die Angeklagte, deren Eltern aus Kroatien stammen, wuchs in Deutschland gemeinsam mit einer Schwester auf. Sie hatte trotz durchschnittlicher Begabung bereits früh Probleme in der Grundschule. Nachdem sie die zweite Klasse wiederholen mußte, kam sie in die Sonderschule. Diese verließ sie im Jahre 1988 nach der 9. Klasse ohne Abschluß und besuchte danach ein Jahr eine Hauswirtschaftsschule. Die Kammer hat zu Gunsten der Angeklagten als wahr unterstellt, sie sei von ihrem Vater seit ihrem siebten Lebensjahr bis kurz vor ihrer Verhaftung immer wieder sexuell mißbraucht und regelmäßig geschlagen worden. Ab dem zehnten Lebensjahr unternahm sie mehrere Suizidversuche. Im Jugendalter wurde sie dreimal in stationäre psychiatrische Behandlung nach Kroatien gebracht, wurde allerdings nach wenigen Tagen wieder entlassen, ohne daß eine klare Diagnose gestellt werden konnte. Es wurden ihr Antidepressiva und regelmäßig ein Schmerzmittel verschrieben. Sie konsumierte außerdem seit dem 14. Lebensjahr in erheblichem Umfang Alkohol , ohne daß sich jedoch eine Suchtproblematik herausgebildet hätte. Gelegentlich konsumierte die Angeklagte auch Haschisch. Im Jahre 1991 heiratete die Angeklagte. Aus der Ehe gingen zwei Kinder im Alter von nunmehr elf und sechs Jahren hervor. Nach der Heirat arbeitete
sie halbtags als Textilverkäuferin; später übte sie verschiedene Tätigkeiten aus, zuletzt war sie in einem Fitneß-Studio tätig, wo sie rund 500 Euro im Monat verdiente. Etwa Mitte der neunziger Jahre spitzten sich ihre persönlichen Probleme zu. Sie praktizierte einen gehobenen Lebensstil, der nicht ihren bescheidenen finanziellen Verhältnissen entsprach, unter anderem mit häufigen Urlauben, teurer Kleidung für sich und ihre Kinder und häufigem Ausgehen mit Einladungen von Freunden. Diesen Lebensstil konnte sie nur durch zahlreiche Vermögensstraftaten finanzieren. Deshalb wurde sie am 24. Mai 1995 u. a. wegen Diebstahls in vier Fällen sowie wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug in 104 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Die Strafe wurde 1999 erlassen. Am 23. Mai 2000 wurde sie wegen Betrugs in zehn Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung in neun Fällen und wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe wurde nochmals zur Bewährung ausgesetzt. Im Jahr 1999 lernte sie während eines Urlaubs in Tunesien einen Tunesier kennen, der Mitglied einer sektenartigen Bewegung war, in der sich die Angeklagte aufgehoben fühlte. Seit 2000 leben die Eheleute getrennt.
b) Der räuberische Diebstahl Im Oktober 2001 betrat die Angeklagte gegen Mittag ein Schreibwarengeschäft mit Lottoannahmestelle und ließ sich einschließen. Sie entnahm der Lottokasse Bargeld in Höhe von mindestens 1.200 DM und packte drei Plastiktüten mit rund 320 Schachteln Zigaretten ein. Als die Ladenbesitzerin nach der Pause das Geschäftslokal betrat, gab die Angeklagte vor, versehentlich eingeschlossen worden zu sein. Die Ladenbesitzerin wollte die Angeklagte einschließen und die Polizei benachrichtigen. Dies verhinderte die Angeklagte
mit einem kräftigen Stoß, bei der die Frau zu Boden ging. Sie forderte nach einem Faustschlag von ihr das Mobilteil des Telefons, das sie in die Tasche steckte. Dann flüchtete sie. Die Angeklagte konnte aufgrund von Fingerabdrükken ermittelt und am 12. März 2002 festgenommen werden. Nach einem über ihren Verteidiger abgegebenen Geständnis wurde sie am 26. März 2002 wieder auf freien Fuß gesetzt. Die Angeklagte rechnete wegen dieser Tat mit einer erheblichen Freiheitsstrafe ohne Bewährung und befürchtete den Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung aus einer früheren Verurteilung. Außerdem hatte sie Probleme mit ihrem Vater, der sich im Jahre 2001 von ihrer Mutter getrennt hatte und seitdem bei ihr der Wohnung wohnte. Die Probleme trieben einem Höhepunkt zu, als der Vater den Wunsch äußerte, mit ihrer Tochter ein Wochenende allein im Schwarzwald zu verbringen. Die Kammer hat zu Gunsten der Angeklagten angenommen, sie habe befürchtet, der Vater könne sich auch an ihrer Tochter vergehen. Um den Problemen zu entgehen, faßte die Angeklagte den Plan, Deutschland zu verlassen und in Tunesien eine neue Existenz aufzubauen. Nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft feierte sie dort aufwendig die Verlobung mit dem Tunesier, obwohl sie noch verheiratet war. Sie versprach dem Verlobten, dem gegenüber sie sich als wohlhabend ausgab, daß sie im Juli 2002 mit ihren Kindern endgültig zu ihm nach Tunesien ziehen werde. Dabei werde sie einen großen Geldbetrag mitbringen, mit dem man dort gemeinsam ein Mietwagenunternehmen aufbauen könne.
c) Die Kindesentführung
Anfang Juli 2002 faßte die Angeklagte den Entschluß, sich die Mittel zur Durchführung ihrer Tunesien-Pläne durch eine Kindesentführung mit Lösegeldforderung zu beschaffen. Als Erpressungsopfer erschien ihr hierfür die als wohlhabend geltende Familie R. geeignet, die nach ihren Informationen in der Lage sein würde, einen größeren Geldbetrag auch kurzfristig besorgen zu können. Der Plan der Angeklagten ging dahin, die 7jährige Tochter J. auf dem Schulweg in ihre Gewalt zu bringen und für ihre Freilassung ein "Löse- ! " # %$ &' ( &' *)+ , - ' . 0/1& geld" von 250.000 dem Geld sofort nach Tunesien absetzen. Zur Vorbereitung der Tat observierte die Angeklagte ab Anfang Juli 2002 die Verhaltensgewohnheiten der Familie R. . Insbesondere erforschte sie durch zahlreiche Anrufe, bei denen sie sich nicht meldete, zu welchem Zeitpunkt sich die Mitglieder der Familie zu Hause aufhielten. Zur Durchführung der Tat, die zunächst für den 12. Juli 2002 geplant war, kaufte sie einen gebrauchten Pkw BMW der 7er-Klasse. Da sie das Fahrzeug mit nach Tunesien mitnehmen wollte, ließ sie das Fahrzeug mit Ausfuhrkennzeichen zu. Am gleichen Tag buchte sie unter ihrem eigenen Namen zwei Flugreisen für den 12. Juli 2002 von Stuttgart nach Tunesien. Als Passagiere gab sie ihren Sohn und eine Person namens E. an. Sie war auf unbekannte Weise in Besitz eines Personalausweises mit diesem Namen gelangt und wollte unter diesem Namen nach Tunesien reisen. Am 10. Juli 2002 suchte sie ihre Cousine und deren Ehemann auf und teilte diesen mit, sie habe die Absicht nach Tunesien auszuwandern. Beide erklärten sich bereit, das Fahrzeug nach Tunesien zu überführen und die Tochter der Angeklagten mitzunehmen. Am 12. Juli 2002 gab sich die Angeklagte gegenüber der Sekretärin der Schule, in der J. in die erste Klasse ging, als deren Mutter aus und forderte sie auf, das Kind nach Hause zu schicken. Da J. jedoch krankheits-
bedingt nicht in der Schule war, brach die Angeklagte den Entführungsversuch an diesem Tag ab. Sie stornierte den geplanten Flug nach Tunesien und buchte den Flug auf den nächsten Tag um, in der Hoffnung die Tat an diesem Tag durchzuführen. Der Entführungsversuch fand aus nicht feststellbaren Gründen jedoch nicht statt.
Am 15. Juli 2002 überlegte die Angeklagte, wie sie auf anderer Weise Jasmin in ihre Gewalt bringen könnte. Sie wurde dabei gesehen, wie sie gegen 8.00 Uhr morgens aus ihrem Fahrzeug das Wohnhaus der Eheleute R. beobachtete. Die Angeklagte entschloß sich schließlich, die Entführung am 18. Juli 2002 durchzuführen. Sie buchte am 16. Juli 2002 für dieselben Personen einen Flug nach Tunesien für den 19. Juli 2002. Der Flug sollte jedoch von München stattfinden, wo sie die Nacht verbringen wollte. Sie buchte für sich und ihre Tochter eine Übernachtung im Hotel K. . Nachdem die Angeklagte am 18. Juli 2002 mehrere Kontrollanrufe bei der Familie R. getätigt hatte, fuhr sie mit ihrem Fahrzeug, in dem sie eine geladene Schreckschußpistole und ein Elektroschockgerät mit sich führte, gegen 8.00 Uhr zu der Schule. Gegen 9.00 Uhr sprach sie auf dem Schulgelände zwei 8jährige Schüler an und bat sie, J. aus dem Klassenzimmer zu holen ; sie solle zu der Sekretärin ins Rektorat kommen. Die Schüler, die die Angeklagte als Mutter von J. ansahen, holten J. mit Zustimmung der Klassenlehrerin heraus und begleiteten sie in Richtung Rektorat. Die Angeklagte paßte die beiden Schüler und J. zwischen dem Klassenraum und dem Rektorat ab. Die arglosen Jungen ließen J. mit der Angeklagten al-
lein. Sie vergewisserte sich, ob es sich bei dem Kind um J. handele und schüchterte es mit dem mitgebrachten Elektroschockgerät ein, indem sie dieses am Hals des Mädchens auslöste. Als J. zu schreien begann, drohte ihr die Angeklagte, sie werde sie töten, wenn sie nicht ruhig sei. Das Kind verhielt sich ruhig, weigerte sich aber, mit der Angeklagten zu gehen. Die Angeklagte nahm es unter den Arm und trug es zu ihrem Fahrzeug. J. wehrte sich dagegen mit Strampeln und verlor dabei ihre Sandalen und ihre Brille. Die Angeklagte setzte J. zunächst auf den Beifahrersitz und drückte das Kind nach unten, um zu verhindern, daß es bei der Abfahrt gesehen wurde. Um J. weiterhin gefügig zu machen, löste die Angeklagte das Elektroschockgerät nochmals an ihrer Wange aus, wodurch es zu einer leichten Verbrennung kam. Gegen 9.50 Uhr rief die Angeklagte J. s Vater an und forderte ihn auf nach Hause zu kommen, weil J. nach Hause gegangen sei. Er begab sich sofort nach Hause. Dort rief die Angeklagte den Vater erneut an und teilte ihm mit, daß sie J. in ihrer Gewalt habe. Er solle ruhig sein und keine Polizei rufen. Für den Fall, daß er sich nicht an ihre Anweisungen halte, drohte die Angeklagte, es würde für seine Tochter auf dem Markt einen guten Preis geben. Der Vater sollte die Befürchtung haben, sie wolle J. an einen Mädchenhändler verkaufen. Der Vater fuhr danach sofort in die Schule, wo inzwischen die Schuhe und die Brille des Kindes gefunden waren. Die Angeklagte fuhr mit dem Wagen ziellos im Raum L. herum. Da das Kind verängstigt und verzweifelt jammerte, verbrachte sie es spätestens gegen 11.00 Uhr in den Kofferraum des Fahrzeugs, wo es bis zu seiner Befreiung bis gegen 16.00 Uhr verblieb. Gegen 11.50 Uhr rief die Angeklagte den Vater J. s an und forderte ihn auf, binnen einer Stunde 250.000 243 die Freilassung seiner Tochter bereitzustellen. Nachdem der Vater einwandte, er benötige für die Beschaffung des Geldes Zeit bis 16.00 Uhr, erklärte sie sich
bereit, abzuwarten. In der Folgezeit rief sie mehrfach beim Vater an, um sich nach dem Stand der Vorbereitungen für die Geldübergabe zu erkundigen. Um 14.25 Uhr sprach die Angeklagte am Bahnhof in L. einen Taxifahrer an und forderte ihn auf, zum Haus der Familie R. zu fahren, dort ein Päckchen abzuholen und zu ihr zu bringen. Sie einigte sich mit dem Taxifahrer auf 50 Euro für die Fahrt. Um 14.40 Uhr teilte die Angeklagte dem Vater von J. mit, daß sie einen Boten schicken werde, der das Geld abholen werde. Um 14.50 Uhr rief sie den Vater erneut an und erklärte, er werde seine Tochter nicht wiedersehen, da er die Polizei eingeschaltet habe. In Absprache mit der inzwischen eingeschalteten Polizei gab der Vater gegenüber dem Taxifahrer an, daß das Paket noch nicht da sei, er möge noch etwas warten. Der Vater erfuhr dabei, daß der Taxifahrer das Paket zum Bahnhof nach L. bringen solle. Daraufhin begann die Polizei mit der Observation des Bahnhofsgebietes in L. . Dort entdeckte die Polizei die Angeklagte gegen 15.19 Uhr in ihrem Fahrzeug; bis zu ihrer Festnahme um 15.48 Uhr wurde sie lückenlos observiert. J. wurde im Kofferraum des Fahrzeugs in einem zwar erschöpften, jedoch insgesamt zufriedenstellenden Zustand aufgefunden.
2. Die sachverständig beratene Strafkammer hat eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei der Angeklagten verneint und sie für beide Taten für strafrechtlich voll verantwortlich gehalten. Die Kammer ist dem psychiatrischen Sachverständigen darin gefolgt, die Angeklagte leide an einer schweren gemischten Persönlichkeitsstörung mit dissozialen und schizoiden Anteilen, die weitgehend auf einem hochproblema-
tischen Verhältnis zum Vater beruhe. Dazu ist in den Urteilsgründen näher ausgeführt, die Störung äußere sich in einer unausgeglichenen Affektivität mit autoaggressiven Zügen, einer gestörten Beziehungsfähigkeit und einer Neigung , insbesondere problematische Dinge von sich abzuspalten. Die Persönlichkeitsstörung , die auch durch sexuelle Mißbrauchserlebnisse mitbedingt sein könne, sei deshalb so erheblich, daß Symptome vorlägen, die rechtlich als "schwere andere seelische Abartigkeit" im Sinne des § 20 StGB eingeordnet würden. Die Strafkammer ist den Ausführungen des Sachverständigen auch insoweit gefolgt, als keine Anhaltspunkte dafür bestünden, daß sich die Persönlichkeitsstörung bei der konkreten Tat auf ihre Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ausgewirkt habe. Die Angeklagte sei in der Lage, die Realität zu erkennen und richtig einzuschätzen. Angesichts der hohen Komplexität der Tatabläufe , insbesondere der umfänglichen Tatplanung und der Vorbereitungshandlungen , sowie der Tatsache, daß die Angeklagte längerfristige, zukunftsgerichtete Pläne verfolgt habe, lägen keine Hinweise dafür vor, daß sie ihr Verhalten nicht habe steuern können. Dagegen hat die die Revision eingewendet, die Beurteilung der Schuldfähigkeit sei in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaft. Die Strafkammer habe bezüglich des ersten Tatvorwurfs, dem räuberischen Diebstahl, die Frage der erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit überhaupt nicht geprüft. Hinsichtlich der Kindesentführung habe sie sich zwar mit der Problematik auseinandergesetzt , jedoch schon verkannt, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofes die Annahme einer schweren seelischen Abartigkeit eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit zumindest nahe lege. Ein überlegtes, geplantes, logisches und zielgerichtetes Handeln schließe eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit nicht aus, da auch "bei geplantem und geordnetem Vorgehen" die Fähigkeit erheblich eingeschränkt sein könne,
Anreize zu einem bestimmten Verhalten und Hemmungsvorstellungen gegen- einander abzuwägen und danach den Willensentschluß zu bilden. Deshalb habe die Kammer in erster Linie prüfen müssen, ob die Angeklagte infolge ihrer Persönlichkeitsstörung in der fraglichen Zeit einem zur Tat führenden starken Motivationsdruck ausgesetzt gewesen sei, wie er sonst in vergleichbaren Situationen bei anderen Straftätern nicht vorhanden sei, und ob dadurch ihre Fähigkeit , sich normgerecht zu verhalten, deutlich vermindert gewesen sei. Die Kammer sei zwar davon ausgegangen, daß die schwere Persönlichkeitsstörung möglicherweise auf dem hochproblematischen Verhältnis zum Vater beruhe , habe jedoch außer acht gelassen, daß die Angeklagte mit ihrer Tochter und ihrem Sohn Deutschland verlassen und nach Tunesien auswandern wollte, „weil ihr Vater - der bereits sie über Jahre sexuell mißbraucht und geschlagen hatte - den Wunsch äußerte, mit der Tochter der Angeklagten ein Wochenende allein im Schwarzwald verbringen zu wollen und die Angeklagte befürchtete, daß ihr Vater sich auch an ihrer Tochter vergehen würde“ (UA S. 5, 20). 3. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß die Strafkammer die Angeklagte trotz der angenommenen Persönlichkeitsstörung für beide Taten als strafrechtlich voll verantwortlich angesehen hat.
a) Persönlichkeitsstörung als andere seelische Abartigkeit
aa) Ersichtlich ist der Sachverständige bei der Beurteilung der persönlichen Entwicklung der Angeklagten und ihrer strafrechtlichen Verantwortlichkeit nach den Kriterien der in der forensischen Psychiatrie gebräuchlichen diagnostischen und statistischen Klassifikationssysteme vorgegangen (ICD-10 Kapitel V (F), Internationale Klassifikation psychischer Störungen, Dil-
ling/Mombour/Schmidt [Hrsg.], 4. Aufl.; DSM-IV, Diagnostisches und Statisti- sches Manual Psychischer Störungen 2. Aufl., Saß/Wittchen/Zaudig [Hrsg.].).
bb) Bei der in ICD-10 F 60.0 (DSM-IV 301.0) genannten Störungsgruppe „Persönlichkeitsstörung“ handelt es sich um einen Oberbegriff. Es werden völlig unterschiedliche typologisch definierte Varianten beschrieben, die je nach Ausprägung als normal oder abnorm zugeordnet werden. Sie reichen von einer Vielzahl normalpsychologisch wirksamer Ausprägungen und Beeinträchtigungen des Empfindens und Verhaltens bis zu einer abnormen Persönlichkeit, die von ihrem Gewicht her durchaus Krankheitswert erreichen kann (Rasch, Forensische Psychiatrie 2. Aufl. S. 261 f.). Der Begriff der Persönlichkeitsstörung beschreibt abnorme Persönlichkeiten, deren Eigenschaften von einer nicht näher bezeichneten gesellschaftlichen Norm abweichen. Von psychopathischen Persönlichkeiten wird dann gesprochen, wenn die Person an ihrer Abnormität leidet oder wenn die Gesellschaft unter ihrer Abnormität leidet (vgl. Venzlaff und Pfäfflin in Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung 4. Aufl. S. 248, 250; Rasch, StV 1991, 126, 127; Nedopil, Forensische Psychiatrie 2. Aufl. S. 149, 152 f.; Saß in Saß/Herpertz, Persönlichkeitsstörungen S. 177, 180).
cc) Für die forensische Unterscheidung zwischen strafrechtlich nicht relevanten Auffälligkeiten in Charakter und Verhalten einer Persönlichkeit und einer psychopathologischen Persönlichkeitsstörung, die Symptome aufweist, die in einer Beziehung zu psychischen Erkrankungen im engeren Sinne bestehen , enthalten die Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM-IV eine Vielzahl diagnostischer Kriterien, anhand derer der psychiatrische Sachverständige einzelne Persönlichkeitsstörungen spezifizieren und deren Ausprägungsgrad bewerten kann. Diagnostische Hilfsmittel bei psychischen Störungen sind ne-
ben technischen Untersuchungen (EEG, Laboruntersuchungen etc.) sowie den Selbst- und Fremdbeurteilungen vor allem strukturierte Checklisten und diagnostische Interviews (vgl. DSM-IV aaO S. XVII). Bei der forensischen Begut- achtung hat sich der Sachverständige methodischer Mittel zu bedienen, die dem jeweils aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand gerecht werden. Existieren mehrere anerkannte und indizierte Verfahren, so steht deren Auswahl in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Dabei ist der Sachverständige – unbeschadet der Sachleitungsbefugnis durch das Gericht - frei, von welchen inhaltlichen Überlegungen und wissenschaftlichen Methoden er bei Erhebung der maßgeblichen Informationen ausgeht und welche Gesichtspunkte er für seine Bewertung des Ausprägungsgrades für maßgeblich hält. In seinem Gutachten hat er nach den Geboten der Nachvollziehbarkeit und der Transparenz für alle Verfahrensbeteiligten nach Möglichkeit darzulegen, aufgrund welcher Anknüpfungstatsachen und auf welchem Weg er zu den von ihm gefundenen Ergebnissen gelangt ist (vgl. BGHSt 44, 26, 33; 45, 164, 169; st. Rspr.).
dd) Der Senat hat der forensisch-psychiatrischen Literatur entnommen, daß sich nach dem bestehenden wissenschaftlichen Kenntnisstand für die forensische Schuldfähigkeitsbeurteilung von Persönlichkeitsstörungen folgende Vorgehensweise anbietet, ohne daß die Nichteinhaltung einzelner Schritte nach rechtlichen Maßstäben fehlerhaft sein muß. Dazu gehört, daß der Sachverständige die sozialen und biographischen Merkmale unter besonderer Berücksichtigung der zeitlichen Konstanz der pathologischen Auffälligkeiten erhebt. Darüber hinaus bedarf es der Darstellung der pathologischen Reaktionsweisen unter konflikthaften Belastungen und deren Veränderungen infolge der natürlichen Reifungs- und Entwicklungsschritte sowie der therapeutischen Maßnahmen (Saß in Saß/Herpertz, Persönlichkeitsstörungen, 2003, S. 177,
178). Weist die untersuchte Person Persönlichkeitszüge auf, die nur auf ein unangepaßtes Verhalten oder auf eine akzentuierte Persönlichkeit hindeuten und die Schwelle einer Persönlichkeitsstörung nicht erreichen, wird schon aus psychiatrischer Sicht eine Zuordnung zum vierten Merkmal des § 20 StGB auszuschließen sein.

b) Schweregrad der Abartigkeit
Gelangt der Sachverständige – wie hier - zur Diagnose einer „dissozialen oder antisoziale Persönlichkeitsstörung“ (ICD-10 F 60.2 und DSM-IV 301.7: „Mißachtung sozialer Normen“) und einer „schizoiden Persönlichkeitsstörung“ (ICD-10 F 60.1. und DSM-IV 301.20: „Distanziertheit in sozialen Beziehungen, eingeschränkte emotionale Ausdrucksmöglichkeiten“), so ist diese psychiatrische Diagnose indes nicht mit der „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ in § 20 StGB gleichzusetzen. Für die forensische Praxis ist mit der bloßen Feststellung, bei dem Angeklagten liege eine Persönlichkeitsstörung vor, nichts gewonnen. Vielmehr sind der Ausprägungsgrad der Störung und der Einfluß auf die soziale Anpassungsfähigkeit entscheidend für die Beurteilung der Schuldfähigkeit (Rasch, Die psychiatrisch-psychologische Beurteilung der sogenannten schweren anderen seelischen Abartigkeit, StV 1991 S. 126, 127). Hierfür sind die Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit (etwa hinsichtlich der Wahrnehmung der eigenen und dritter Personen, der emotionalen Reaktionen, der Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen und der Impulskontrolle) durch die festgestellten pathologischen Verhaltensmuster im Vergleich mit jenen krankhaft seelischer Störungen zu untersuchen (vgl. Kröber NStZ 1998, 80 f.). Für die Bewertung der Schwere der Persönlichkeitsstörung ist maßgebend, ob es im Alltag außerhalb des angeklagten Deliktes zu Einschränkungen des
beruflichen und sozialen Handlungsvermögens gekommen ist (DSM-IV aaO S. 715, 716; Nedopil aaO S. 152). Erst wenn das Muster des Denkens, Fühlens oder Verhaltens, das gewöhnlich im frühen Erwachsenenalter in Erscheinung tritt, sich im Zeitverlauf als stabil erwiesen hat, können die psychiatrischen Voraussetzungen vorliegen, die rechtlich als viertes Merkmal des § 20 StGB, der „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ angesehen werden.
Für das Vorliegen der Voraussetzungen einer „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ werden aus psychiatrischer Sicht genannt: Hervorgehen der Tat aus neurotischen Konflikten; konflikthafte Zuspitzung und emotionale Labilisierung in der Zeit vor der Tat; abrupter, impulshafter Tatablauf; aktuelle konstellative Faktoren wie z. B. Alkohol und andere Drogen, Ermüdung, affektive Erregung. Gegen das Vorliegen des vierten Merkmals des § 20 StGB können sprechen: Tatvorbereitung; planmäßiges Vorgehen bei der Tat; Fähigkeit zu warten; lang hingezogenes Tatgeschehen; komplexer Handlungsablauf in Etappen; Vorsorge gegen Entdeckung; Möglichkeit anderen Verhaltens unter vergleichbaren Umständen; Hervorgehen des Delikts aus dissozialen Charakterzügen (Saß in Saß/Herpertz aaO S. 179, 180; Versuche einer empirischwissenschaftlichen Auswertung der am häufigsten in forensischen Gutachten vorkommenden Indikatoren bei Scholz/Schmidt, Schuldfähigkeit bei schwerer anderer seelischer Abartigkeit, 2003).

c) Erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei der Tat
Ob die Steuerungsfähigkeit wegen des Vorliegens einer schweren anderen seelischen Abartigkeit bei Begehung der Tat "erheblich" im Sinne des § 21 StGB vermindert war, ist eine Rechtsfrage. Diese hat der Tatrichter ohne Bin-
dung an Äußerungen von Sachverständigen in eigener Verantwortung zu beantworten. Hierbei fließen normative Gesichtspunkte ein. Entscheidend sind die Anforderungen, die die Rechtsordnung an jedermann stellt (vgl. für den „berauschten Täter“ BGHSt 43, 66, 77; BGH NStZ-RR 1999, 295, 296 jew. m.w.N.). Diese Anforderungen sind um so höher, je schwerwiegender das in Rede stehende Delikt ist (BGH, Urt. v. 21. März 2001 - 1 StR 32/01).
Da Persönlichkeitsstörungen in der Regel die Einsichts- oder die Steuerungsfähigkeit nicht vollständig aufheben, wird der Tatrichter Gesichtspunkte bewerten, die für oder gegen eine Einschränkung der Steuerungsfähigkeit sprechen können, ohne daß es wegen der fließenden Übergänge zwischen Normalität sowie allen Schweregraden und Konstellationen abnormer Persönlichkeit feste skalierbare Regelungen gibt (Saß in Saß/Herpertz aaO S. 179).
aa) Zudem kommt es nach dem Gesetz nicht darauf an, ob die Steuerungsfähigkeit generell eingeschränkt ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob sie bei Begehung der Tat – und zwar erheblich – eingeschränkt war. Zur Beurteilung dieser Rechtsfrage wird der Tatrichter auf der Grundlage des Beweisergebnisses über den Ablauf der Tathandlung – auch unter Beachtung möglicher alternativer Tatvarianten - die vom Sachverständigen gestellte Diagnose, den Schweregrad der Störung und deren innere Beziehung zur Tat in eigener Verantwortung nachprüfen. Stellt er in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen fest, daß das Störungsbild die Merkmale eines oder mehrerer Muster oder einer Mischform die Klassifikationen in ICD-10 oder DSM-IV erfüllen, besagt dies rechtlich noch nichts über das Ausmaß psychischer Störungen (vgl. BGH NStZ 1997, 383). Eine solche Zuordnung hat eine Indizwirkung dafür, daß eine nicht ganz geringfügige Beeinträchtigung vorliegt (vgl. zu bestimmten Fallgrup-
pen BGH StV 1998, 342; StV 2002, 17, 18; BGH, Urt. vom 27. August 2003 – 2 StR 267/03). Der Tatrichter wird in einer Gesamtbetrachtung die Persönlichkeit des Angeklagten und dessen Entwicklung bewerten, wobei auch Vorgeschichte , unmittelbarer Anlaß und Ausführung der Tat sowie das Verhalten danach von Bedeutung sind (st. Rspr.; vgl. BGHSt 37, 397, 401 f.; BGH NStZ 1997, 485; BGH, BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 10, 20, 23, 36; BGH NStZ 1996, 380; BGH StraFo 2001, 249; BGH StV 2002, 17, 18; vgl. in diesem Sinne auch Venzlaff und Pfäfflin in Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung aaO S. 270 f.; Saß in Saß/Herpertz, Persönlichkeitsstörungen S. 177, 180).
bb) Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die mitgeteilte Diagnose des Sachverständigen zum Vorliegen einer schweren Persönlichkeitsstörung zutreffend war. Dagegen könnte sprechen, daß die in den Urteilsgründen mitgeteilte Tatsachengrundlage wenig tragfähig erscheint. Der Sachverständige hat seine Diagnose im wesentlichen auf die persönlichen Angaben der Angeklagten bei der Exploration gestützt und ausgeführt, „die Persönlichkeitsstörung die durchaus auch auf sexuelle Mißbrauchserlebnisse mitbedingt sein könne, sei auch so erheblich, daß eine schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB anzunehmen sei“. Auch die Strafkammer ist „ entsprechend ihren Angaben zu ihren Gunsten davon ausgegangen“, die Angeklagte sei vom Vater seit ihrem siebten Lebensjahr immer wieder sexuell mißbraucht worden. Konkrete Feststellungen oder objektivierbare Indizien, die die Behauptungen der Angeklagten stützen, enthalten die Urteilsgründe nicht. Die als Zeugen vernommenen Mutter und Schwester haben sogar ausgesagt, sie hätten zu keinem Zeitpunkt Anhaltspunkte für einen sexuellen Mißbrauch der Angeklagten gehabt (UA S. 15).
Die Strafkammer hat zum räuberischen Diebstahl im Oktober 2001 keine näheren Ausführungen zu einer möglichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit gemacht. Eine solche lag auch eher fern, denn hinsichtlich dieser Tat behauptet die Revision selbst nicht, daß die Angeklagte infolge ihrer Persönlichkeitsstörung schon zu diesem Zeitpunkt einem so starken Motivationsdruck ausgesetzt war, daß sie die Wegnahme des Geldes und dessen Sicherung durch Gewaltanwendung nicht habe steuern können.
Die Strafkammer hat auch hinsichtlich der im Juli 2002 begangenen Entführung der siebenjährigen J. nachvollziehbar einen erheblichen Einfluß der Persönlichkeitsstörung auf das komplexe Tatgeschehen ausgeschlossen. Die Angeklagte sei zwar aufgrund ihrer Lebensgeschichte, zu der auch die Mißbrauchsgeschichte gehören könne, in vieler Hinsicht kritikgemindert. Sie sei aber in der Lage, die Realität zu erkennen und richtig einzuschätzen. Ihre gelegentliche Impulsivität sei keine pathologisch überhöhte Erregbarkeit, insbesondere sei auch keine hirnorganisch begründete Affektlabilität festzustellen.
Als Beleg für eine vollständig erhaltene Steuerungsfähigkeit hat die Strafkammer herangezogen, daß es der Angeklagten bei ihrer Tat in erster Linie darum ging, sich mittels des erwarteten Lösegeldes die Basis für ihr zukünftiges Leben in Tunesien zu schaffen. Die Behauptung der Angeklagten, sie habe wegen eines möglichen Übergriffs des Vaters auf ihre Tochter unter einem schwer beherrschbaren Motivationsdruck gestanden, darf die Kammer als widerlegt ansehen. Sie hat ausgeführt, die Angeklagte habe diese Pläne schon seit ihrem Besuch und ihrer Verlobung in Tunesien im April 2002 verfolgt und
sich endgültig im Juli 2002 zu dieser Straftat entschlossen. Das Lösegeld sollte das ihrem neuen Lebensgefährten zugesagte Startkapital sein.
Gegen die erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit bei der Tat sprachen hier die bis ins einzelne gehende Planung der Entführung, die vorbereitende Beobachtung der Familie über mehrere Tage sowie das mehrmalige Umbuchen der Flüge nach Tunesien. Die Kammer hat mit Recht auch als überlegtes kriminelles Handeln angesehen, daß die Angeklagte dem Vater des Entführungsopfers jeweils nur kurze Fristen zur Geldbeschaffung setzte, um ihn aus Furcht um sein Kind unter Druck zu setzen. Die Strafkammer konnte schließlich als Belege für ein kontrolliertes und zielgerichtetes Handeln der Angeklagten auch die kaltblütige Durchführung der Entführung auf dem öffentlichen Schulgelände heranziehen. Sie hat ausgeführt, das Sichbemächtigen des Kindes auf dem Schulgelände zeige, in welchem Maße die Angeklagte in der Lage war, situationsadäquat zu handeln und ihre Impulse instrumental zu steuern. Obwohl sie auf dem Schulgelände mit Zeugen rechnen mußte, habe sie das Kind in der Nähe des Rektorats abgefangen und gezielt - und für das Kind J. äußerst schmerzhaft - das Elektroschockgerät einsetzte und das sich wehrende Kind in den bereitgestellten Pkw verbracht. Damit ist die Strafkammer zu Recht davon ausgegangen, daß bei der Angeklagten eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nicht vorlag.
Nack Wahl Boetticher Schluckebier Hebenstreit

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung ja
Zur Beurteilung des Schweregrads einer anderen seelischen Abartigkeit (hier
„dissoziale und schizoide Persönlichkeitsstörung“) und der Erheblichkeit der
Einschränkung der Steuerungsfähigkeit bei der Tat (Fortführung von BGHSt
37, 397).
BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03 – LG Stuttgart

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 346/03
vom
21. Januar 2004
in der Strafsache
gegen
wegen erpresserischen Menschenraubs u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. Januar
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 8. April 2003 wird verworfen. 2. Die Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels sowie die durch dieses Rechtsmittel entstandenen notwendigen Ausla- gen der Nebenklägerin zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen räuberischen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

Die Überprüfung des Schuldspruchs aufgrund der Sachrüge hat keinen die Angeklagte belastenden Rechtsfehler ergeben.

II.

Die Beschwerdeführerin deckt mit ihrem Revisionsvorbringen auch im Strafausspruch keinen Rechtsfehler auf. Näherer Erörterung bedarf allerdings die Rüge, die Angeklagte leide unter einer schweren Persönlichkeitsstörung
und habe sowohl bei dem verfahrensgegenständlichen räuberischen Diebstahl im Oktober 2001 als auch beim erpresserischen Menschenraub im Juli 2002 unter einem so starken Motivationsdruck gestanden, daß sie für beide Taten - anders als vom Landgericht angenommen - strafrechtlich nicht voll verantwortlich gewesen sei. 1. Die sachverständig beratene Strafkammer hat zur Persönlichkeitsentwicklung der Angeklagten und zum Tatgeschehen folgende Feststellungen getroffen :
a) Die Angeklagte, deren Eltern aus Kroatien stammen, wuchs in Deutschland gemeinsam mit einer Schwester auf. Sie hatte trotz durchschnittlicher Begabung bereits früh Probleme in der Grundschule. Nachdem sie die zweite Klasse wiederholen mußte, kam sie in die Sonderschule. Diese verließ sie im Jahre 1988 nach der 9. Klasse ohne Abschluß und besuchte danach ein Jahr eine Hauswirtschaftsschule. Die Kammer hat zu Gunsten der Angeklagten als wahr unterstellt, sie sei von ihrem Vater seit ihrem siebten Lebensjahr bis kurz vor ihrer Verhaftung immer wieder sexuell mißbraucht und regelmäßig geschlagen worden. Ab dem zehnten Lebensjahr unternahm sie mehrere Suizidversuche. Im Jugendalter wurde sie dreimal in stationäre psychiatrische Behandlung nach Kroatien gebracht, wurde allerdings nach wenigen Tagen wieder entlassen, ohne daß eine klare Diagnose gestellt werden konnte. Es wurden ihr Antidepressiva und regelmäßig ein Schmerzmittel verschrieben. Sie konsumierte außerdem seit dem 14. Lebensjahr in erheblichem Umfang Alkohol , ohne daß sich jedoch eine Suchtproblematik herausgebildet hätte. Gelegentlich konsumierte die Angeklagte auch Haschisch. Im Jahre 1991 heiratete die Angeklagte. Aus der Ehe gingen zwei Kinder im Alter von nunmehr elf und sechs Jahren hervor. Nach der Heirat arbeitete
sie halbtags als Textilverkäuferin; später übte sie verschiedene Tätigkeiten aus, zuletzt war sie in einem Fitneß-Studio tätig, wo sie rund 500 Euro im Monat verdiente. Etwa Mitte der neunziger Jahre spitzten sich ihre persönlichen Probleme zu. Sie praktizierte einen gehobenen Lebensstil, der nicht ihren bescheidenen finanziellen Verhältnissen entsprach, unter anderem mit häufigen Urlauben, teurer Kleidung für sich und ihre Kinder und häufigem Ausgehen mit Einladungen von Freunden. Diesen Lebensstil konnte sie nur durch zahlreiche Vermögensstraftaten finanzieren. Deshalb wurde sie am 24. Mai 1995 u. a. wegen Diebstahls in vier Fällen sowie wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug in 104 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Die Strafe wurde 1999 erlassen. Am 23. Mai 2000 wurde sie wegen Betrugs in zehn Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung in neun Fällen und wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe wurde nochmals zur Bewährung ausgesetzt. Im Jahr 1999 lernte sie während eines Urlaubs in Tunesien einen Tunesier kennen, der Mitglied einer sektenartigen Bewegung war, in der sich die Angeklagte aufgehoben fühlte. Seit 2000 leben die Eheleute getrennt.
b) Der räuberische Diebstahl Im Oktober 2001 betrat die Angeklagte gegen Mittag ein Schreibwarengeschäft mit Lottoannahmestelle und ließ sich einschließen. Sie entnahm der Lottokasse Bargeld in Höhe von mindestens 1.200 DM und packte drei Plastiktüten mit rund 320 Schachteln Zigaretten ein. Als die Ladenbesitzerin nach der Pause das Geschäftslokal betrat, gab die Angeklagte vor, versehentlich eingeschlossen worden zu sein. Die Ladenbesitzerin wollte die Angeklagte einschließen und die Polizei benachrichtigen. Dies verhinderte die Angeklagte
mit einem kräftigen Stoß, bei der die Frau zu Boden ging. Sie forderte nach einem Faustschlag von ihr das Mobilteil des Telefons, das sie in die Tasche steckte. Dann flüchtete sie. Die Angeklagte konnte aufgrund von Fingerabdrükken ermittelt und am 12. März 2002 festgenommen werden. Nach einem über ihren Verteidiger abgegebenen Geständnis wurde sie am 26. März 2002 wieder auf freien Fuß gesetzt. Die Angeklagte rechnete wegen dieser Tat mit einer erheblichen Freiheitsstrafe ohne Bewährung und befürchtete den Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung aus einer früheren Verurteilung. Außerdem hatte sie Probleme mit ihrem Vater, der sich im Jahre 2001 von ihrer Mutter getrennt hatte und seitdem bei ihr der Wohnung wohnte. Die Probleme trieben einem Höhepunkt zu, als der Vater den Wunsch äußerte, mit ihrer Tochter ein Wochenende allein im Schwarzwald zu verbringen. Die Kammer hat zu Gunsten der Angeklagten angenommen, sie habe befürchtet, der Vater könne sich auch an ihrer Tochter vergehen. Um den Problemen zu entgehen, faßte die Angeklagte den Plan, Deutschland zu verlassen und in Tunesien eine neue Existenz aufzubauen. Nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft feierte sie dort aufwendig die Verlobung mit dem Tunesier, obwohl sie noch verheiratet war. Sie versprach dem Verlobten, dem gegenüber sie sich als wohlhabend ausgab, daß sie im Juli 2002 mit ihren Kindern endgültig zu ihm nach Tunesien ziehen werde. Dabei werde sie einen großen Geldbetrag mitbringen, mit dem man dort gemeinsam ein Mietwagenunternehmen aufbauen könne.
c) Die Kindesentführung
Anfang Juli 2002 faßte die Angeklagte den Entschluß, sich die Mittel zur Durchführung ihrer Tunesien-Pläne durch eine Kindesentführung mit Lösegeldforderung zu beschaffen. Als Erpressungsopfer erschien ihr hierfür die als wohlhabend geltende Familie R. geeignet, die nach ihren Informationen in der Lage sein würde, einen größeren Geldbetrag auch kurzfristig besorgen zu können. Der Plan der Angeklagten ging dahin, die 7jährige Tochter J. auf dem Schulweg in ihre Gewalt zu bringen und für ihre Freilassung ein "Löse- ! " # %$ &' ( &' *)+ , - ' . 0/1& geld" von 250.000 dem Geld sofort nach Tunesien absetzen. Zur Vorbereitung der Tat observierte die Angeklagte ab Anfang Juli 2002 die Verhaltensgewohnheiten der Familie R. . Insbesondere erforschte sie durch zahlreiche Anrufe, bei denen sie sich nicht meldete, zu welchem Zeitpunkt sich die Mitglieder der Familie zu Hause aufhielten. Zur Durchführung der Tat, die zunächst für den 12. Juli 2002 geplant war, kaufte sie einen gebrauchten Pkw BMW der 7er-Klasse. Da sie das Fahrzeug mit nach Tunesien mitnehmen wollte, ließ sie das Fahrzeug mit Ausfuhrkennzeichen zu. Am gleichen Tag buchte sie unter ihrem eigenen Namen zwei Flugreisen für den 12. Juli 2002 von Stuttgart nach Tunesien. Als Passagiere gab sie ihren Sohn und eine Person namens E. an. Sie war auf unbekannte Weise in Besitz eines Personalausweises mit diesem Namen gelangt und wollte unter diesem Namen nach Tunesien reisen. Am 10. Juli 2002 suchte sie ihre Cousine und deren Ehemann auf und teilte diesen mit, sie habe die Absicht nach Tunesien auszuwandern. Beide erklärten sich bereit, das Fahrzeug nach Tunesien zu überführen und die Tochter der Angeklagten mitzunehmen. Am 12. Juli 2002 gab sich die Angeklagte gegenüber der Sekretärin der Schule, in der J. in die erste Klasse ging, als deren Mutter aus und forderte sie auf, das Kind nach Hause zu schicken. Da J. jedoch krankheits-
bedingt nicht in der Schule war, brach die Angeklagte den Entführungsversuch an diesem Tag ab. Sie stornierte den geplanten Flug nach Tunesien und buchte den Flug auf den nächsten Tag um, in der Hoffnung die Tat an diesem Tag durchzuführen. Der Entführungsversuch fand aus nicht feststellbaren Gründen jedoch nicht statt.
Am 15. Juli 2002 überlegte die Angeklagte, wie sie auf anderer Weise Jasmin in ihre Gewalt bringen könnte. Sie wurde dabei gesehen, wie sie gegen 8.00 Uhr morgens aus ihrem Fahrzeug das Wohnhaus der Eheleute R. beobachtete. Die Angeklagte entschloß sich schließlich, die Entführung am 18. Juli 2002 durchzuführen. Sie buchte am 16. Juli 2002 für dieselben Personen einen Flug nach Tunesien für den 19. Juli 2002. Der Flug sollte jedoch von München stattfinden, wo sie die Nacht verbringen wollte. Sie buchte für sich und ihre Tochter eine Übernachtung im Hotel K. . Nachdem die Angeklagte am 18. Juli 2002 mehrere Kontrollanrufe bei der Familie R. getätigt hatte, fuhr sie mit ihrem Fahrzeug, in dem sie eine geladene Schreckschußpistole und ein Elektroschockgerät mit sich führte, gegen 8.00 Uhr zu der Schule. Gegen 9.00 Uhr sprach sie auf dem Schulgelände zwei 8jährige Schüler an und bat sie, J. aus dem Klassenzimmer zu holen ; sie solle zu der Sekretärin ins Rektorat kommen. Die Schüler, die die Angeklagte als Mutter von J. ansahen, holten J. mit Zustimmung der Klassenlehrerin heraus und begleiteten sie in Richtung Rektorat. Die Angeklagte paßte die beiden Schüler und J. zwischen dem Klassenraum und dem Rektorat ab. Die arglosen Jungen ließen J. mit der Angeklagten al-
lein. Sie vergewisserte sich, ob es sich bei dem Kind um J. handele und schüchterte es mit dem mitgebrachten Elektroschockgerät ein, indem sie dieses am Hals des Mädchens auslöste. Als J. zu schreien begann, drohte ihr die Angeklagte, sie werde sie töten, wenn sie nicht ruhig sei. Das Kind verhielt sich ruhig, weigerte sich aber, mit der Angeklagten zu gehen. Die Angeklagte nahm es unter den Arm und trug es zu ihrem Fahrzeug. J. wehrte sich dagegen mit Strampeln und verlor dabei ihre Sandalen und ihre Brille. Die Angeklagte setzte J. zunächst auf den Beifahrersitz und drückte das Kind nach unten, um zu verhindern, daß es bei der Abfahrt gesehen wurde. Um J. weiterhin gefügig zu machen, löste die Angeklagte das Elektroschockgerät nochmals an ihrer Wange aus, wodurch es zu einer leichten Verbrennung kam. Gegen 9.50 Uhr rief die Angeklagte J. s Vater an und forderte ihn auf nach Hause zu kommen, weil J. nach Hause gegangen sei. Er begab sich sofort nach Hause. Dort rief die Angeklagte den Vater erneut an und teilte ihm mit, daß sie J. in ihrer Gewalt habe. Er solle ruhig sein und keine Polizei rufen. Für den Fall, daß er sich nicht an ihre Anweisungen halte, drohte die Angeklagte, es würde für seine Tochter auf dem Markt einen guten Preis geben. Der Vater sollte die Befürchtung haben, sie wolle J. an einen Mädchenhändler verkaufen. Der Vater fuhr danach sofort in die Schule, wo inzwischen die Schuhe und die Brille des Kindes gefunden waren. Die Angeklagte fuhr mit dem Wagen ziellos im Raum L. herum. Da das Kind verängstigt und verzweifelt jammerte, verbrachte sie es spätestens gegen 11.00 Uhr in den Kofferraum des Fahrzeugs, wo es bis zu seiner Befreiung bis gegen 16.00 Uhr verblieb. Gegen 11.50 Uhr rief die Angeklagte den Vater J. s an und forderte ihn auf, binnen einer Stunde 250.000 243 die Freilassung seiner Tochter bereitzustellen. Nachdem der Vater einwandte, er benötige für die Beschaffung des Geldes Zeit bis 16.00 Uhr, erklärte sie sich
bereit, abzuwarten. In der Folgezeit rief sie mehrfach beim Vater an, um sich nach dem Stand der Vorbereitungen für die Geldübergabe zu erkundigen. Um 14.25 Uhr sprach die Angeklagte am Bahnhof in L. einen Taxifahrer an und forderte ihn auf, zum Haus der Familie R. zu fahren, dort ein Päckchen abzuholen und zu ihr zu bringen. Sie einigte sich mit dem Taxifahrer auf 50 Euro für die Fahrt. Um 14.40 Uhr teilte die Angeklagte dem Vater von J. mit, daß sie einen Boten schicken werde, der das Geld abholen werde. Um 14.50 Uhr rief sie den Vater erneut an und erklärte, er werde seine Tochter nicht wiedersehen, da er die Polizei eingeschaltet habe. In Absprache mit der inzwischen eingeschalteten Polizei gab der Vater gegenüber dem Taxifahrer an, daß das Paket noch nicht da sei, er möge noch etwas warten. Der Vater erfuhr dabei, daß der Taxifahrer das Paket zum Bahnhof nach L. bringen solle. Daraufhin begann die Polizei mit der Observation des Bahnhofsgebietes in L. . Dort entdeckte die Polizei die Angeklagte gegen 15.19 Uhr in ihrem Fahrzeug; bis zu ihrer Festnahme um 15.48 Uhr wurde sie lückenlos observiert. J. wurde im Kofferraum des Fahrzeugs in einem zwar erschöpften, jedoch insgesamt zufriedenstellenden Zustand aufgefunden.
2. Die sachverständig beratene Strafkammer hat eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei der Angeklagten verneint und sie für beide Taten für strafrechtlich voll verantwortlich gehalten. Die Kammer ist dem psychiatrischen Sachverständigen darin gefolgt, die Angeklagte leide an einer schweren gemischten Persönlichkeitsstörung mit dissozialen und schizoiden Anteilen, die weitgehend auf einem hochproblema-
tischen Verhältnis zum Vater beruhe. Dazu ist in den Urteilsgründen näher ausgeführt, die Störung äußere sich in einer unausgeglichenen Affektivität mit autoaggressiven Zügen, einer gestörten Beziehungsfähigkeit und einer Neigung , insbesondere problematische Dinge von sich abzuspalten. Die Persönlichkeitsstörung , die auch durch sexuelle Mißbrauchserlebnisse mitbedingt sein könne, sei deshalb so erheblich, daß Symptome vorlägen, die rechtlich als "schwere andere seelische Abartigkeit" im Sinne des § 20 StGB eingeordnet würden. Die Strafkammer ist den Ausführungen des Sachverständigen auch insoweit gefolgt, als keine Anhaltspunkte dafür bestünden, daß sich die Persönlichkeitsstörung bei der konkreten Tat auf ihre Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ausgewirkt habe. Die Angeklagte sei in der Lage, die Realität zu erkennen und richtig einzuschätzen. Angesichts der hohen Komplexität der Tatabläufe , insbesondere der umfänglichen Tatplanung und der Vorbereitungshandlungen , sowie der Tatsache, daß die Angeklagte längerfristige, zukunftsgerichtete Pläne verfolgt habe, lägen keine Hinweise dafür vor, daß sie ihr Verhalten nicht habe steuern können. Dagegen hat die die Revision eingewendet, die Beurteilung der Schuldfähigkeit sei in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaft. Die Strafkammer habe bezüglich des ersten Tatvorwurfs, dem räuberischen Diebstahl, die Frage der erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit überhaupt nicht geprüft. Hinsichtlich der Kindesentführung habe sie sich zwar mit der Problematik auseinandergesetzt , jedoch schon verkannt, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofes die Annahme einer schweren seelischen Abartigkeit eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit zumindest nahe lege. Ein überlegtes, geplantes, logisches und zielgerichtetes Handeln schließe eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit nicht aus, da auch "bei geplantem und geordnetem Vorgehen" die Fähigkeit erheblich eingeschränkt sein könne,
Anreize zu einem bestimmten Verhalten und Hemmungsvorstellungen gegen- einander abzuwägen und danach den Willensentschluß zu bilden. Deshalb habe die Kammer in erster Linie prüfen müssen, ob die Angeklagte infolge ihrer Persönlichkeitsstörung in der fraglichen Zeit einem zur Tat führenden starken Motivationsdruck ausgesetzt gewesen sei, wie er sonst in vergleichbaren Situationen bei anderen Straftätern nicht vorhanden sei, und ob dadurch ihre Fähigkeit , sich normgerecht zu verhalten, deutlich vermindert gewesen sei. Die Kammer sei zwar davon ausgegangen, daß die schwere Persönlichkeitsstörung möglicherweise auf dem hochproblematischen Verhältnis zum Vater beruhe , habe jedoch außer acht gelassen, daß die Angeklagte mit ihrer Tochter und ihrem Sohn Deutschland verlassen und nach Tunesien auswandern wollte, „weil ihr Vater - der bereits sie über Jahre sexuell mißbraucht und geschlagen hatte - den Wunsch äußerte, mit der Tochter der Angeklagten ein Wochenende allein im Schwarzwald verbringen zu wollen und die Angeklagte befürchtete, daß ihr Vater sich auch an ihrer Tochter vergehen würde“ (UA S. 5, 20). 3. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß die Strafkammer die Angeklagte trotz der angenommenen Persönlichkeitsstörung für beide Taten als strafrechtlich voll verantwortlich angesehen hat.
a) Persönlichkeitsstörung als andere seelische Abartigkeit
aa) Ersichtlich ist der Sachverständige bei der Beurteilung der persönlichen Entwicklung der Angeklagten und ihrer strafrechtlichen Verantwortlichkeit nach den Kriterien der in der forensischen Psychiatrie gebräuchlichen diagnostischen und statistischen Klassifikationssysteme vorgegangen (ICD-10 Kapitel V (F), Internationale Klassifikation psychischer Störungen, Dil-
ling/Mombour/Schmidt [Hrsg.], 4. Aufl.; DSM-IV, Diagnostisches und Statisti- sches Manual Psychischer Störungen 2. Aufl., Saß/Wittchen/Zaudig [Hrsg.].).
bb) Bei der in ICD-10 F 60.0 (DSM-IV 301.0) genannten Störungsgruppe „Persönlichkeitsstörung“ handelt es sich um einen Oberbegriff. Es werden völlig unterschiedliche typologisch definierte Varianten beschrieben, die je nach Ausprägung als normal oder abnorm zugeordnet werden. Sie reichen von einer Vielzahl normalpsychologisch wirksamer Ausprägungen und Beeinträchtigungen des Empfindens und Verhaltens bis zu einer abnormen Persönlichkeit, die von ihrem Gewicht her durchaus Krankheitswert erreichen kann (Rasch, Forensische Psychiatrie 2. Aufl. S. 261 f.). Der Begriff der Persönlichkeitsstörung beschreibt abnorme Persönlichkeiten, deren Eigenschaften von einer nicht näher bezeichneten gesellschaftlichen Norm abweichen. Von psychopathischen Persönlichkeiten wird dann gesprochen, wenn die Person an ihrer Abnormität leidet oder wenn die Gesellschaft unter ihrer Abnormität leidet (vgl. Venzlaff und Pfäfflin in Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung 4. Aufl. S. 248, 250; Rasch, StV 1991, 126, 127; Nedopil, Forensische Psychiatrie 2. Aufl. S. 149, 152 f.; Saß in Saß/Herpertz, Persönlichkeitsstörungen S. 177, 180).
cc) Für die forensische Unterscheidung zwischen strafrechtlich nicht relevanten Auffälligkeiten in Charakter und Verhalten einer Persönlichkeit und einer psychopathologischen Persönlichkeitsstörung, die Symptome aufweist, die in einer Beziehung zu psychischen Erkrankungen im engeren Sinne bestehen , enthalten die Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM-IV eine Vielzahl diagnostischer Kriterien, anhand derer der psychiatrische Sachverständige einzelne Persönlichkeitsstörungen spezifizieren und deren Ausprägungsgrad bewerten kann. Diagnostische Hilfsmittel bei psychischen Störungen sind ne-
ben technischen Untersuchungen (EEG, Laboruntersuchungen etc.) sowie den Selbst- und Fremdbeurteilungen vor allem strukturierte Checklisten und diagnostische Interviews (vgl. DSM-IV aaO S. XVII). Bei der forensischen Begut- achtung hat sich der Sachverständige methodischer Mittel zu bedienen, die dem jeweils aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand gerecht werden. Existieren mehrere anerkannte und indizierte Verfahren, so steht deren Auswahl in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Dabei ist der Sachverständige – unbeschadet der Sachleitungsbefugnis durch das Gericht - frei, von welchen inhaltlichen Überlegungen und wissenschaftlichen Methoden er bei Erhebung der maßgeblichen Informationen ausgeht und welche Gesichtspunkte er für seine Bewertung des Ausprägungsgrades für maßgeblich hält. In seinem Gutachten hat er nach den Geboten der Nachvollziehbarkeit und der Transparenz für alle Verfahrensbeteiligten nach Möglichkeit darzulegen, aufgrund welcher Anknüpfungstatsachen und auf welchem Weg er zu den von ihm gefundenen Ergebnissen gelangt ist (vgl. BGHSt 44, 26, 33; 45, 164, 169; st. Rspr.).
dd) Der Senat hat der forensisch-psychiatrischen Literatur entnommen, daß sich nach dem bestehenden wissenschaftlichen Kenntnisstand für die forensische Schuldfähigkeitsbeurteilung von Persönlichkeitsstörungen folgende Vorgehensweise anbietet, ohne daß die Nichteinhaltung einzelner Schritte nach rechtlichen Maßstäben fehlerhaft sein muß. Dazu gehört, daß der Sachverständige die sozialen und biographischen Merkmale unter besonderer Berücksichtigung der zeitlichen Konstanz der pathologischen Auffälligkeiten erhebt. Darüber hinaus bedarf es der Darstellung der pathologischen Reaktionsweisen unter konflikthaften Belastungen und deren Veränderungen infolge der natürlichen Reifungs- und Entwicklungsschritte sowie der therapeutischen Maßnahmen (Saß in Saß/Herpertz, Persönlichkeitsstörungen, 2003, S. 177,
178). Weist die untersuchte Person Persönlichkeitszüge auf, die nur auf ein unangepaßtes Verhalten oder auf eine akzentuierte Persönlichkeit hindeuten und die Schwelle einer Persönlichkeitsstörung nicht erreichen, wird schon aus psychiatrischer Sicht eine Zuordnung zum vierten Merkmal des § 20 StGB auszuschließen sein.

b) Schweregrad der Abartigkeit
Gelangt der Sachverständige – wie hier - zur Diagnose einer „dissozialen oder antisoziale Persönlichkeitsstörung“ (ICD-10 F 60.2 und DSM-IV 301.7: „Mißachtung sozialer Normen“) und einer „schizoiden Persönlichkeitsstörung“ (ICD-10 F 60.1. und DSM-IV 301.20: „Distanziertheit in sozialen Beziehungen, eingeschränkte emotionale Ausdrucksmöglichkeiten“), so ist diese psychiatrische Diagnose indes nicht mit der „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ in § 20 StGB gleichzusetzen. Für die forensische Praxis ist mit der bloßen Feststellung, bei dem Angeklagten liege eine Persönlichkeitsstörung vor, nichts gewonnen. Vielmehr sind der Ausprägungsgrad der Störung und der Einfluß auf die soziale Anpassungsfähigkeit entscheidend für die Beurteilung der Schuldfähigkeit (Rasch, Die psychiatrisch-psychologische Beurteilung der sogenannten schweren anderen seelischen Abartigkeit, StV 1991 S. 126, 127). Hierfür sind die Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit (etwa hinsichtlich der Wahrnehmung der eigenen und dritter Personen, der emotionalen Reaktionen, der Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen und der Impulskontrolle) durch die festgestellten pathologischen Verhaltensmuster im Vergleich mit jenen krankhaft seelischer Störungen zu untersuchen (vgl. Kröber NStZ 1998, 80 f.). Für die Bewertung der Schwere der Persönlichkeitsstörung ist maßgebend, ob es im Alltag außerhalb des angeklagten Deliktes zu Einschränkungen des
beruflichen und sozialen Handlungsvermögens gekommen ist (DSM-IV aaO S. 715, 716; Nedopil aaO S. 152). Erst wenn das Muster des Denkens, Fühlens oder Verhaltens, das gewöhnlich im frühen Erwachsenenalter in Erscheinung tritt, sich im Zeitverlauf als stabil erwiesen hat, können die psychiatrischen Voraussetzungen vorliegen, die rechtlich als viertes Merkmal des § 20 StGB, der „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ angesehen werden.
Für das Vorliegen der Voraussetzungen einer „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ werden aus psychiatrischer Sicht genannt: Hervorgehen der Tat aus neurotischen Konflikten; konflikthafte Zuspitzung und emotionale Labilisierung in der Zeit vor der Tat; abrupter, impulshafter Tatablauf; aktuelle konstellative Faktoren wie z. B. Alkohol und andere Drogen, Ermüdung, affektive Erregung. Gegen das Vorliegen des vierten Merkmals des § 20 StGB können sprechen: Tatvorbereitung; planmäßiges Vorgehen bei der Tat; Fähigkeit zu warten; lang hingezogenes Tatgeschehen; komplexer Handlungsablauf in Etappen; Vorsorge gegen Entdeckung; Möglichkeit anderen Verhaltens unter vergleichbaren Umständen; Hervorgehen des Delikts aus dissozialen Charakterzügen (Saß in Saß/Herpertz aaO S. 179, 180; Versuche einer empirischwissenschaftlichen Auswertung der am häufigsten in forensischen Gutachten vorkommenden Indikatoren bei Scholz/Schmidt, Schuldfähigkeit bei schwerer anderer seelischer Abartigkeit, 2003).

c) Erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei der Tat
Ob die Steuerungsfähigkeit wegen des Vorliegens einer schweren anderen seelischen Abartigkeit bei Begehung der Tat "erheblich" im Sinne des § 21 StGB vermindert war, ist eine Rechtsfrage. Diese hat der Tatrichter ohne Bin-
dung an Äußerungen von Sachverständigen in eigener Verantwortung zu beantworten. Hierbei fließen normative Gesichtspunkte ein. Entscheidend sind die Anforderungen, die die Rechtsordnung an jedermann stellt (vgl. für den „berauschten Täter“ BGHSt 43, 66, 77; BGH NStZ-RR 1999, 295, 296 jew. m.w.N.). Diese Anforderungen sind um so höher, je schwerwiegender das in Rede stehende Delikt ist (BGH, Urt. v. 21. März 2001 - 1 StR 32/01).
Da Persönlichkeitsstörungen in der Regel die Einsichts- oder die Steuerungsfähigkeit nicht vollständig aufheben, wird der Tatrichter Gesichtspunkte bewerten, die für oder gegen eine Einschränkung der Steuerungsfähigkeit sprechen können, ohne daß es wegen der fließenden Übergänge zwischen Normalität sowie allen Schweregraden und Konstellationen abnormer Persönlichkeit feste skalierbare Regelungen gibt (Saß in Saß/Herpertz aaO S. 179).
aa) Zudem kommt es nach dem Gesetz nicht darauf an, ob die Steuerungsfähigkeit generell eingeschränkt ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob sie bei Begehung der Tat – und zwar erheblich – eingeschränkt war. Zur Beurteilung dieser Rechtsfrage wird der Tatrichter auf der Grundlage des Beweisergebnisses über den Ablauf der Tathandlung – auch unter Beachtung möglicher alternativer Tatvarianten - die vom Sachverständigen gestellte Diagnose, den Schweregrad der Störung und deren innere Beziehung zur Tat in eigener Verantwortung nachprüfen. Stellt er in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen fest, daß das Störungsbild die Merkmale eines oder mehrerer Muster oder einer Mischform die Klassifikationen in ICD-10 oder DSM-IV erfüllen, besagt dies rechtlich noch nichts über das Ausmaß psychischer Störungen (vgl. BGH NStZ 1997, 383). Eine solche Zuordnung hat eine Indizwirkung dafür, daß eine nicht ganz geringfügige Beeinträchtigung vorliegt (vgl. zu bestimmten Fallgrup-
pen BGH StV 1998, 342; StV 2002, 17, 18; BGH, Urt. vom 27. August 2003 – 2 StR 267/03). Der Tatrichter wird in einer Gesamtbetrachtung die Persönlichkeit des Angeklagten und dessen Entwicklung bewerten, wobei auch Vorgeschichte , unmittelbarer Anlaß und Ausführung der Tat sowie das Verhalten danach von Bedeutung sind (st. Rspr.; vgl. BGHSt 37, 397, 401 f.; BGH NStZ 1997, 485; BGH, BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 10, 20, 23, 36; BGH NStZ 1996, 380; BGH StraFo 2001, 249; BGH StV 2002, 17, 18; vgl. in diesem Sinne auch Venzlaff und Pfäfflin in Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung aaO S. 270 f.; Saß in Saß/Herpertz, Persönlichkeitsstörungen S. 177, 180).
bb) Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die mitgeteilte Diagnose des Sachverständigen zum Vorliegen einer schweren Persönlichkeitsstörung zutreffend war. Dagegen könnte sprechen, daß die in den Urteilsgründen mitgeteilte Tatsachengrundlage wenig tragfähig erscheint. Der Sachverständige hat seine Diagnose im wesentlichen auf die persönlichen Angaben der Angeklagten bei der Exploration gestützt und ausgeführt, „die Persönlichkeitsstörung die durchaus auch auf sexuelle Mißbrauchserlebnisse mitbedingt sein könne, sei auch so erheblich, daß eine schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB anzunehmen sei“. Auch die Strafkammer ist „ entsprechend ihren Angaben zu ihren Gunsten davon ausgegangen“, die Angeklagte sei vom Vater seit ihrem siebten Lebensjahr immer wieder sexuell mißbraucht worden. Konkrete Feststellungen oder objektivierbare Indizien, die die Behauptungen der Angeklagten stützen, enthalten die Urteilsgründe nicht. Die als Zeugen vernommenen Mutter und Schwester haben sogar ausgesagt, sie hätten zu keinem Zeitpunkt Anhaltspunkte für einen sexuellen Mißbrauch der Angeklagten gehabt (UA S. 15).
Die Strafkammer hat zum räuberischen Diebstahl im Oktober 2001 keine näheren Ausführungen zu einer möglichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit gemacht. Eine solche lag auch eher fern, denn hinsichtlich dieser Tat behauptet die Revision selbst nicht, daß die Angeklagte infolge ihrer Persönlichkeitsstörung schon zu diesem Zeitpunkt einem so starken Motivationsdruck ausgesetzt war, daß sie die Wegnahme des Geldes und dessen Sicherung durch Gewaltanwendung nicht habe steuern können.
Die Strafkammer hat auch hinsichtlich der im Juli 2002 begangenen Entführung der siebenjährigen J. nachvollziehbar einen erheblichen Einfluß der Persönlichkeitsstörung auf das komplexe Tatgeschehen ausgeschlossen. Die Angeklagte sei zwar aufgrund ihrer Lebensgeschichte, zu der auch die Mißbrauchsgeschichte gehören könne, in vieler Hinsicht kritikgemindert. Sie sei aber in der Lage, die Realität zu erkennen und richtig einzuschätzen. Ihre gelegentliche Impulsivität sei keine pathologisch überhöhte Erregbarkeit, insbesondere sei auch keine hirnorganisch begründete Affektlabilität festzustellen.
Als Beleg für eine vollständig erhaltene Steuerungsfähigkeit hat die Strafkammer herangezogen, daß es der Angeklagten bei ihrer Tat in erster Linie darum ging, sich mittels des erwarteten Lösegeldes die Basis für ihr zukünftiges Leben in Tunesien zu schaffen. Die Behauptung der Angeklagten, sie habe wegen eines möglichen Übergriffs des Vaters auf ihre Tochter unter einem schwer beherrschbaren Motivationsdruck gestanden, darf die Kammer als widerlegt ansehen. Sie hat ausgeführt, die Angeklagte habe diese Pläne schon seit ihrem Besuch und ihrer Verlobung in Tunesien im April 2002 verfolgt und
sich endgültig im Juli 2002 zu dieser Straftat entschlossen. Das Lösegeld sollte das ihrem neuen Lebensgefährten zugesagte Startkapital sein.
Gegen die erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit bei der Tat sprachen hier die bis ins einzelne gehende Planung der Entführung, die vorbereitende Beobachtung der Familie über mehrere Tage sowie das mehrmalige Umbuchen der Flüge nach Tunesien. Die Kammer hat mit Recht auch als überlegtes kriminelles Handeln angesehen, daß die Angeklagte dem Vater des Entführungsopfers jeweils nur kurze Fristen zur Geldbeschaffung setzte, um ihn aus Furcht um sein Kind unter Druck zu setzen. Die Strafkammer konnte schließlich als Belege für ein kontrolliertes und zielgerichtetes Handeln der Angeklagten auch die kaltblütige Durchführung der Entführung auf dem öffentlichen Schulgelände heranziehen. Sie hat ausgeführt, das Sichbemächtigen des Kindes auf dem Schulgelände zeige, in welchem Maße die Angeklagte in der Lage war, situationsadäquat zu handeln und ihre Impulse instrumental zu steuern. Obwohl sie auf dem Schulgelände mit Zeugen rechnen mußte, habe sie das Kind in der Nähe des Rektorats abgefangen und gezielt - und für das Kind J. äußerst schmerzhaft - das Elektroschockgerät einsetzte und das sich wehrende Kind in den bereitgestellten Pkw verbracht. Damit ist die Strafkammer zu Recht davon ausgegangen, daß bei der Angeklagten eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nicht vorlag.
Nack Wahl Boetticher Schluckebier Hebenstreit

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 1 3 7 / 1 5
vom
1. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. Juli 2015,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Zeng,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Bartel,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 15. Dezember 2014 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen, mit Ausnahme derjenigen zum äußeren Tatgeschehen, aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Nach Aufhebung eines ersten Urteils durch Senatsbeschluss vom 17. April 2014 - 2 StR 405/12 (NJW 2014, 2738), wobei aber die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrecht erhalten wurden, hat das Landgericht den Angeklagten mit dem angefochtenen Urteil wegen Betrugs in 29 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie ausgesprochen, dass davon zwei Monate als bereits vollstreckt gelten. In den Niederlanden erlittene Auslieferungshaft hat es im Verhältnis von eins zu eins angerechnet. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten, der das Rechtsmittel in der Revisionshauptverhandlung auf den Strafausspruch beschränkt hat. Die Revision hat in diesem Umfang Erfolg.

I.

2
Nach den bindend gewordenen Feststellungen zur Tat beschloss der Angeklagte im Herbst 2005 noch während der Verbüßung einer Freiheitsstrafe wegen gleichartiger Taten, Kunden in schwierigen finanziellen Verhältnissen eine Leasingfinanzierung anzubieten und dabei Vorschusszahlungen zu verlangen. Im Februar 2006 gründete er mit dem gesondert verfolgten S. die H. mit Sitz in M. . Das Unternehmen unterbreitete Interessenten jeweils Angebote für eine Finanzierung, wobei eine Vorausgebühr ab Erteilung einer Darlehenszusage in Höhe von fünf vom Hundert der Darlehenssumme verlangt wurde. Unmittelbar nach Erbringung dieser "Sonderzahlung" übernahm eine "Refinanzierungsabteilung" des Unternehmens die Sachbearbeitung und forderte umfangreiche Bonitätsauskünfte sowie die Vorlage weiterer Unterlagen ein. Danach wurde der Vertrag jeweils mit Hinweis auf ein Verschulden des Kunden gekündigt, und die H. machte gegen die Kunden auch Schadensersatzansprüche geltend, bis diese einer Aufhebungsvereinbarung unter Verzicht auf die Rückzahlung der Vorausgebühr zustimmten. Über ausreichende Mittel oder Refinanzierungsmöglichkeiten zur Darlehensgewährung an die Kunden verfügte die H. nicht.
3
Gegenstand der Verurteilung sind Sonderzahlungen von Kunden aufgrund von Darlehenszusagen durch Mitarbeiter der H. . In einem Teil der Fälle hatte der Angeklagte, der als faktischer Geschäftsführer des Unternehmens aufgetreten war, neben anderen Personen selbst am Vertragsabschluss mitgewirkt. Andere Fälle hat ihm das Landgericht als uneigentliches Organisationsdelikt zugerechnet.

II.

4
Die Rechtsmittelbeschränkung in der Revisionshauptverhandlung, welcher der Generalbundesanwalt zugestimmt hat, ist wirksam.
5
Der Senat schließt - unbeschadet des Vorliegens eines Rechtsfehlers bei der Prüfung der §§ 20, 21 StGB (dazu sogleich unter III.) - aus, dass ein neues Tatgericht zu der Feststellung der Schuldunfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit gelangen würde. Dagegen sprechen unter anderem die Vorausplanung der Tat bereits in der Haft und die lange Dauer des komplexen Tatgeschehens.

III.

6
Die Revision hat im verbleibenden Umfang Erfolg; sie führt zur Aufhebung des Strafausspruchs mit den zugehörigen Feststellungen. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind, auch soweit sie doppelrelevant wirken , bereits bindend geworden, was der Senat klargestellt hat.
7
1. In dem vom Senat aufgehobenen ersten Urteil war das Fehlen der Fähigkeit des Angeklagten zur Einsicht in das Unrecht der Betrugshandlungen nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen worden. Nunmehr hat das Landgericht angenommen, zur Tatzeit habe der Angeklagte mit Unrechtseinsicht gehandelt. Seiner Fähigkeit zur Verhaltenssteuerung nach dieser Einsicht habe keine schwere andere seelische Abartigkeit entgegengestanden. Seine Feststellung vorhandener Unrechtseinsicht ist rechtsfehlerfrei. Jedoch unterliegt die Verneinung einer erheblichen Verminderung des Hemmungsvermögens durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
8
2. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet der heute 62jährige Angeklagte unter einer histrionischen Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und dissozialen Anteilen. Schon als Kind hatte er Geld entwendet, um sich mit Zuwendungen Freundschaften zu erkaufen. Nie nahm er später eine intime Beziehung auf. Sein gesamtes Streben als Erwachsener war darauf gerichtet, die Mitarbeiter seiner Unternehmungen an sich zu binden, die er als „Ersatzfamilie“ betrachtete und in eine Vielzahl von Freizeitaktivitäten einbezog. Er unterstützte nicht nur seine Mitarbeiter finanziell, sondern sogar die Eltern der zum Personal der H. gehörenden Brüder S. . Der Angeklagte reagierte "indigniert bis beleidigt", wenn sich die Mitarbeiter seinem Wunsch nach engem Kontakt verschlossen.
9
Das Landgericht hat ausgeführt, zwar liege das Vollbild einer Persönlichkeitsstörung vor; jedoch habe diese Störung nicht dasselbe Belastungsgewicht wie eine seelische Krankheit. Sie erfülle nicht das Eingangsmerkmal einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne von § 20 StGB.
10
Die Störung habe allerdings dazu geführt, dass der Angeklagte sich in der gesamten Tatstruktur ein Konstrukt geschaffen habe, in welchem er nicht nur beruflich, sondern auch im Persönlichen der "Chef" gewesen sei. Die Störung sei in seiner Persönlichkeit absolut prägend. Aufgrund einer Selbstwertstö- rung habe er eine Rolle eingenommen, die ihn besonders „großartig“ erschie- nen ließ. In Fantasien über einen Finanzierungserfolg und der Behandlung des gesondert verfolgten S. als seinen künftigen "Nachfolger" im Sinne dynastischer Großkonzerne seien narzisstische Züge zu erkennen. Er habe sich in Beziehungen verstrickt, über deren Motivation man nur spekulieren könne und die scheitern mussten, weil er seine "Ziehsöhne" stets nach seinen Vorstellungen "umzugestalten" versucht habe.
11
Gleichwohl habe die Störung das Leben des Angeklagten nicht vergleichbar schwer und mit ähnlichen sozialen Folgen beeinträchtigt, wie eine krankhafte seelische Störung. Sein "soziales Funktionsniveau" sei dafür zu hoch gewesen. Eine stereotype Lebensgestaltung wie bei einem Drogenabhängigen habe nicht vorgelegen, sondern ein unauffällig strukturierter Tagesablauf, der sowohl Arbeit als auch Freizeitverhalten eingeschlossen habe. Beruflich wie privat habe der Angeklagte ein Maß an Flexibilität gezeigt, das von einem Menschen mit einer krankhaften seelischen Störung nicht erwartet werden könne. Er sei auch grundsätzlich in einer Weise kontaktfähig gewesen, wie sie "von einem Patienten mit einer krankhaften seelischen Störung - etwa mit einem psychotischen Residualsyndrom - keinesfalls zu erwarten" gewesen sei. Probleme bei der Affektregulation und ähnliche störungsbedingte Beeinträchtigungen seien nicht zu beobachten gewesen. Vor diesem Hintergrund sei festzustellen , dass die Einsicht des Angeklagten in das Unrecht der Serientaten nicht ausgeschlossen gewesen sei.
12
b) Gegen diese Beurteilung bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken. Sie lenken den Blick auf die Unrechtseinsicht des Angeklagten und vernachlässigen die Frage einer Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens.
13
aa) Richtig ist zwar, dass nicht bereits die gesicherte Diagnose einer histrionischen Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und dissozialen Anteilen mit einer "schweren anderen seelischen Abartigkeit" in § 20 StGB gleichzusetzen ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52). Jedoch kann das Eingangsmerkmal im Einzelfall bei einem solchen Befund erfüllt sein. Dabei sind der Ausprägungsgrad der Störung und ihr Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit von Bedeutung.
14
Für die Bewertung der Schwere der Persönlichkeitsstörung ist im Allgemeinen maßgebend, ob es im Alltag außerhalb des Delikts zu Einschränkungen des sozialen Handlungsvermögens gekommen ist (BGH aaO). Insoweit ist die Unterscheidung von beruflichen und privaten Aktivitäten des Angeklagten dadurch erschwert, dass seine vielfältigen "privaten" Aktivitäten - "durchgängig" unter Einbeziehung der Mitglieder seiner "Ersatzfamilie" - gerade Ausdruck seiner Persönlichkeitsstörung waren. Im Vordergrund der Prüfung müssten daher die Wahrnehmung der eigenen und anderer Personen, die emotionalen Reaktionen , die konkrete Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen und die Impulskontrolle stehen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 - 4 StR 494/12, BGHR StGB § 20 seelische Abartigkeit 6). Damit hat sich das Landgericht unter einem falschen Blickwinkel beschäftigt.
15
So wäre etwa auch die Unfähigkeit des Angeklagten, eine intime Partnerschaft einzugehen und deren vollständige Ersetzung durch die intensive berufliche wie private Beziehung zu den Mitarbeitern als Ausdruck der Störung in die Gesamtschau einzubeziehen. Deshalb grenzt die landgerichtliche Annahme des Vorliegens eines normalen Sozialverhaltens mit "hohem Funktionsniveau" ein nur scheinbar intaktes Privatleben in unzutreffender Weise von Störungssymptomen ab. Zumindest hat das Landgericht die Bedeutung dieses Aspekts im Unklaren gelassen, indem es angemerkt hat, über die Gründe dafür, dass der Angeklagte zweifelhafte Beziehungen mit Personen aufgenommen hat, die ihn - wie er wusste - stets ausgenutzt haben, können "nur spekuliert" werden.
16
bb) Das Landgericht hat die Zielrichtung der Prüfung, ob ein Eingangsmerkmal im Sinne des § 20 StGB vorliegt und die Schuldfähigkeit des Angeklagten im Sinne des § 21 StGB erheblich beeinträchtigt war, im Hinblick auf die Frage des Hemmungsvermögens vernachlässigt, weil es sich auf die Frage der Unrechtseinsicht konzentriert hat. Auch deshalb hat es eine fragwürdige Gewichtung der Störung vorgenommen.
17
Die Entscheidung, ob das Hemmungsvermögen des Angeklagten zur Tatzeit aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe im Sinne von § 21 StGB erheblich vermindert war, erfolgt prinzipiell mehrstufig (vgl. BGH, Urteil vom 17. April 2012 - 1 StR 15/12, StV 2013, 694); jedoch sind die Prüfungspunkte miteinander verzahnt (vgl. zur Problematik Fischer, StGB 62. Aufl. § 20 Rn. 5, 5a m.w.N.). Zunächst ist die Feststellung erforderlich, dass bei dem Angeklagten eine Störung im psychiatrischen Sinn vorliegt, was hier mit dem "Vollbild einer Persönlichkeitsstörung" eindeutig der Fall ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung im Hinblick auf das Vorliegen eines Eingangsmerkmals und anschließend die Erheblichkeit des Einflusses auf das Hemmungsvermögen gemäß § 21 StGB zu untersuchen. Hierzu ist der Richter jeweils für die Tatsachenbewertung auf die Hilfe eines Sachverständigen angewiesen. Gleichwohl handelt es sich bei der Frage des Vorliegens eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB bei gesichertem Vorliegen eines psychiatrischen Befundes wie bei der Prüfung erheblich eingeschränkter Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit um Rechtsfragen. Diese Fragen hat das Landgericht nicht in einer nachvollziehbaren Weise beantwortet.
18
Sein Vergleich der Bedeutung der Persönlichkeitsstörung des Angeklagten mit der Beeinträchtigung eines Drogensüchtigen wirkt unpassend. Jedenfalls hat die Strafkammer nicht näher überprüft, inwieweit die störungsbedingte Sucht des Angeklagten danach, die Mitglieder seiner Ersatzfamilie an sich zu binden, sein Sozialverhalten und das hiermit auf das Engste verknüpfte Tatverhalten beherrscht hat. In diese Prüfung wäre zudem der festgestellte Konsum des angstlösenden Medikaments Lorazepam (Tavor) als konstellativer Faktor einzubeziehen gewesen.
19
Schließlich liegt der Erwägung des Landgerichts, der Angeklagte habe die Abläufe in dem - ausschließlich auf Betrug ausgerichteten - Unternehmen zu organisieren und dabei auch Verträge zu entwerfen vermocht, was ein Mensch im Residualsyndrom einer Psychose nicht hätte leisten können, ein fehlerhafter Vergleich zu Grunde. Die Fähigkeit zu einem bestimmten Handeln des Täters enthält keine abschließende Aussage über seine Möglichkeit, ausreichende Hemmungen gegen dieses Handeln aufzubauen. Fischer Krehl Eschelbach Zeng Bartel

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 65/17
vom
6. Juli 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter schwerer Brandstiftung
ECLI:DE:BGH:2017:060717U4STR65.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. Juli 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Dr. Franke, Bender, Dr. Quentin als beisitzende Richter,
Staatsanwalt als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwältin als Verteidigerin,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Siegen vom 31. August 2016 werden verworfen.
Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer Brandstiftung zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrem ebenfalls mit der Sachrüge begründeten Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus. Beide Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen wohnte der Angeklagte seit Februar 2007 in der Dachgeschosswohnung eines Mehrfamilienhauses mit insgesamt fünf Wohnungen , von denen zuletzt die beiden im Erdgeschoss gelegenen Wohnungen ebenfalls bewohnt waren. Zwischen den Mietern der Erdgeschosswohnungen und dem Angeklagten, der im Haus für den Vermieter kleinere Hausmeistertätigkeiten verrichtete, kam es seit geraumer Zeit zu erheblichen von gegenseitigem Hass und Verachtung geprägten Misshelligkeiten und Auseinandersetzungen , die im Mai 2015 zur Kündigung des Mietverhältnisses mit dem Angeklagten durch den Vermieter und in deren Folge zu einem Zivilrechtsstreit führten.
3
Am Tattag erhielt der Angeklagte von seiner Rechtsanwältin das zwischenzeitlich ergangene Räumungsurteil zugesandt. Ob des drohenden Verlustes seiner Wohnung, die er stets pedantisch sauber und aufgeräumt hielt und mit der er sich identifizierte, war der Angeklagte verzweifelt, traurig und emotional sehr aufgebracht. Im weiteren Verlauf des Tages sprach der Angeklagte mit verschiedenen Personen, unter anderem seinem Betreuer, über das ergangene Räumungsurteil, ohne dass dies zu einer nachhaltigen Änderung seiner Stimmungslage führte. Schließlich fasste der Angeklagte, der seine Wohnung auf keinen Fall verlieren und sie auch keinem anderen überlassen wollte, aus Wut und Verzweiflung den Entschluss, die Wohnung durch Inbrandsetzen zu vernichten. Dabei war es ihm gleichgültig, ob er selbst oder andere dabei verletzt oder letztlich das Haus zerstört werden würde. Seinen Entschluss in die Tat umsetzend holte der Angeklagte einen 5-Liter-Kanister mit Bioethanol in den Küchen- und Essbereich seiner Wohnung. Er schraubte den Verschluss auf und legte ihn auf den dort stehenden Esstisch. Anschließend schüttete er mittig im Zimmer etwa 2 Liter Bioethanol aus dem Kanister auf den PVC-Boden und stellte den offenen Kanister in der ausgebrachten Flüssigkeit ab. Kurz vor 20.00 Uhr brachte er die ausgeschüttete Flüssigkeit bewusst und mit dem Willen, dass sie als Brandbeschleuniger wirken, die Wohnung in Brand setzen und diese niederbrennen sollte, auf nicht näher feststellbare Weise zum Brennen.
4
Der Brand, von dem in erster Linie der Küchen- und Essbereich der Wohnung betroffen war, konnte von der Feuerwehr, die von einem den Brandausbruch bemerkenden Nachbarn alarmiert worden war, gelöscht werden, noch bevor wesentliche Gebäudeteile Feuer gefangen hatten. Es entstand ein Gebäudeschaden in Höhe von 36.500 Euro. Als der Angeklagte nach dem Verlassen des Tatanwesens auf der anderen Straßenseite die mit ihm verfeindeten Mitmieter bemerkte, wurde er wütend und brüllte in deren Richtung, sie hätten Schuld daran. Anschließend wollte er zu ihnen über die Straße laufen, wurde daran indes gehindert.
5
Der Angeklagte leidet unter einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ, weswegen er zu Impulskontrollverlusten und Grenzüberschreitungen neigt, wenn er sich angegriffen fühlt. Es kommt zu emotionalen Ausbrüchen, wenn etwas Unvorhergesehenes oder dem Willen des Angeklagten Entgegenstehendes geschieht. Auf Enttäuschungen reagiert der Angeklagte , da er unfähig ist, diese hinzunehmen, mit Aggression. Aufgrund der Persönlichkeitsstörung war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat nicht ausschließbar erheblich beeinträchtigt. Dagegen hatte die Alkoholisierung des Angeklagten (etwa 1,64 ‰ Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit) keine Auswirkungen auf seine Denk- und Handlungsfähigkeit.
6
Die sachverständig beratene Strafkammer hat die Voraussetzungen einer Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus verneint. Sie ist der Auffassung, dass nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden könne, dass die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten das Gewicht einer krankhaften seelischen Störung erreiche und das Leben des Angeklagten vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen beeinträchtige. Zudem könne nicht sicher festgestellt werden, dass der Angeklagte bei Begehung der Tat aufgrund der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ aus einem mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt habe. Schließlich fehle es an der erforderlichen Gefährlichkeit des Angeklagten für die Allgemeinheit im Sinne des § 63 StGB.

II.


7
Revision der Staatsanwaltschaft
8
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist ungeachtet des umfassenden Aufhebungsantrags ausweislich der Ausführungen in der Revisionsbegründungsschrift , die sich ausschließlich mit der unterbliebenen Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus befassen, auf die Nichtanordnung der Maßregel nach § 63 StGB beschränkt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14, NStZ-RR 2015, 88 mwN). Diese Beschränkung ist wirksam (vgl. BGH, Urteile vom 23. April 1963 – 5 StR 13/63, NJW 1963, 1414; vom 22. April 1969 – 1 StR 90/69, NJW 1969, 1578; vgl. auch Urteil vom 19. Januar 2017 – 4 StR 443/16, NStZ-RR 2017, 187; Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 318 Rn. 24). Ein Ausnahmefall, in welchem ein untrennbarer Zusammenhang zwischen Schuld- und Maßregelausspruch besteht, liegt nicht vor.
9
2. Die Revision ist unbegründet. Die Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB hat schon deshalb Bestand, weil die tatrichterliche Wertung der Strafkammer, wonach die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten bei Begehung der Tat lediglich nicht ausschließbar eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Folge hatte, einer rechtlichen Prüfung standhält.
10
a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei Begehung der Anlasstat aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht.
11
b) Die Entscheidung, ob die Schuldfähigkeit eines Angeklagten zur Tatzeit aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe ausgeschlossen oder im Sinne von § 21 StGB erheblich vermindert war, erfordert prinzipiell eine mehrstufige Prüfung (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 21. Dezember 2016 – 1 StR 399/16, Rn. 11; vom 1. Juli 2015 – 2 StR 137/15, NJW 2015, 3319, 3320; Beschluss vom 12. März 2013 – 4 StR 42/13, NStZ 2013, 519, 520). Zunächst ist die Feststellung erforderlich, dass bei dem Angeklagten eine psychische Störung vorliegt, die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters zu untersuchen. Durch die festgestellten psychopathologischen Verhaltensmuster muss die psychische Funktionsfähigkeit des Täters bei der Tatbegehung beeinträchtigt worden sein. Hierzu ist der Richter für die Tatsachenbewertung auf die Hilfe eines Sachverständigen angewiesen. Gleichwohl handelt es sich bei der Frage des Vorliegens eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB bei gesichertem Vorliegen eines psychiatrischen Befunds wie bei der Prüfung einer aufgehobenen oder erheblich beeinträchtigten Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit um Rechtsfragen. Deren Beurteilung erfordert konkretisierende und widerspruchsfreie Darlegungen dazu, in welcher Weise sich die festgestellte Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausge- wirkt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2016 – 1 StR 399/16 aaO; Beschlüsse vom 28. Januar 2016 – 3 StR 521/15, NStZ-RR 2016, 135; vom 17. Juni 2014 – 4 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 305, 306).
12
c) Die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht ohne weiteres geeignet , den für die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB vorausgesetzten Zustand zumindest erheblich verminderter Schuldfähigkeit zu belegen. Erforderlich ist vielmehr, dass sicher feststeht, dass der Täter aufgrund der Persönlichkeitsstörung aus einem mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Juli 2013 – 4 StR 168/13, NJW 2013, 3383, 3385; vom 25. Februar 2003 – 4 StR 30/03, NStZ-RR 2003, 165; vom 16. August 2000 – 2 StR 219/00, BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 36; vom 6. Februar 1997 – 4 StR 672/96, BGHSt 42, 385, 388; vom 1. August 1989 – 1 StR 290/89, BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 13).
13
d) Die Strafkammer hat auf der Grundlage der Vorgeschichte, des unmittelbaren Anlasses und der Ausführung der Tat sowie des Verhaltens des Angeklagten nach der Tat festgestellt, dass der Angeklagte die Brandlegung aus Wut und Verzweiflung über den drohenden Verlust seiner Wohnung beging, und sich dabei auch auf die Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen gestützt, wonach die Tat als impulsive Handlung zu der Tatsache passe, dass dem Angeklagten nunmehr der Entzug seiner Existenz bevorgestanden habe. Ob und in welchem Umfang die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der Tatsituation durch seine Persönlichkeitsstörung eingeschränkt waren, hat das Landgericht nicht näher aufklären können. Da der Angeklagte, der die Brandentstehung in zwei kurzen Äußerungen während der Ermittlungen als Missgeschick darstellte und in der Hauptverhandlung von seinem Schweige- recht Gebrauch gemacht hat, sich zu seiner psychischen Befindlichkeit bei der Tat nicht geäußert hat, haben sich für die Strafkammer vor dem Hintergrund einer angesichts der für den Angeklagten bestehenden Belastungssituation auch normalpsychologisch erklärbaren Tatmotivation keine konkreten Anknüpfungstatsachen ergeben, die auf ein zwanghaftes Handeln des Angeklagten bei der Brandlegung schließen lassen. Dass sie auf der Grundlage dieses Beweisergebnisses in tatrichterlicher Verantwortung zu der Wertung gelangt ist, eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat aufgrund der beim Angeklagten vorliegenden Persönlichkeitsstörung lediglich nicht ausschließen, nicht aber sicher feststellen zu können, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Bei dieser Sachlage ist entgegen dem Revisionsvorbringen auch keine weitere Darlegung der Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen geboten gewesen, zumal es sich bei der Prüfung einer erheblich verminderten Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB bei Vorliegen eines gesicherten psychiatrischen Befunds um eine vom Tatrichter zu beantwortende Rechtsfrage handelt.
14
e) Da bereits aus den dargelegten Gründen die Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB ausscheidet, bedarf es keiner Erörterung der weiteren von der Strafkammer angestellten Erwägungen zur Subsumtion der Persönlichkeitsstörung unter das Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit (vgl. zum Maßstab BGH, Urteile vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52 f.; vom 4. Juni 1991 – 5 StR 122/91, BGHSt 37, 397, 401) sowie zur Gefährlichkeitsprognose mehr.

III.


15
Revision des Angeklagten
16
Das Rechtsmittel des Angeklagten bleibt ohne Erfolg, weil die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
17
Das Landgericht ist – sachverständig beraten – aufgrund der Spurenlage am Tatort und des Verhaltens des Angeklagten nach der Tat zu der Überzeugung gelangt, dass der Brand vom Angeklagten vorsätzlich gelegt wurde. Gegen die Beweiswürdigung der Strafkammer ist aus den vom Generalbundesanwalt in seinem Zuleitungsantrag dargelegten Erwägungen revisionsrechtlich nichts zu erinnern.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 308/17
vom
9. Mai 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:090518U2STR308.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Mai 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Eschelbach, Zeng, Dr. Grube, Schmidt,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung, Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof und Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin – in der Verhandlung – als Verteidigerin,
Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 26. Januar 2017 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Totschlags in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt, die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Dagegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

I.

2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Der Angeklagte reiste im September 2015 nach Deutschland ein und stellte einen Asylantrag. In der ihm zugewiesenen Asylbewerbereinrichtung in D. trat er gegenüber Mitbewohnern und Mitarbeitern aggressiv und be- leidigend auf und wurde Ende Dezember 2015 als „Störer“ in eine Unterkunft nach B. verlegt. Dort geriet er Mitte März 2016 mit dem späteren Tatopfer G. (genannt: M. ), einem albanischen Asylbewerber, in Streit. Im Zuge einer von ihm begonnenen körperlichen Auseinandersetzung mit M. wurde er von dessen Freunden verprügelt. Trotz anschließender Versöhnung provozierten sich der Angeklagte und M. wechselseitig weiter. Wegen einer von ihm als herausfordernd empfundenen Geste forderte der AngeklagteM. am Abend des 3. April 2016 auf, den Streit im Wege einer körperlichen Ausei- nandersetzung „zu klären“. Beide begaben sich zu diesem Zweck mit dem Zeu- gen C. auf die Straße vor die Einrichtung. Dort entwickelte sich eine Schlägerei , in die der Zeuge C. auf Seiten des M. eingriff und daraufhin vom Angeklagten eine „Kopfnuss“ erhielt. Im weiteren Verlauf des Kampfes kam der Angeklagte auf dem Rücken in einem Gebüsch zu liegen, während M. gebeugt über ihm stand, um weiter einzuschlagen. C. stand leicht versetzt hinter M. . Da er nicht – wie drei Wochen zuvor – im Kampf unterliegen wollte, zog der Angeklagte ein von ihm mitgeführtes und bis dahin verborgen gehaltenes Messer, stach in Tötungsabsicht mindestens fünf Mal gezielt auf den Oberkörper des M. ein und traf ihn in der Brust und am Oberarm. Als der Zeuge C. näher herantrat, stach der Angeklagte noch zweimal in Richtung der Beine des C. , um ihn zu verletzen, verfehlte ihn aber. M. verstarb kurz darauf an den Folgen der Stichverletzungen.
4
Nach Auffassung der sachverständig beratenen Strafkammer war der Angeklagte zur Tatzeit infolge einer hirnorganisch bedingten Wesensveränderung in Form einer reizbaren Schwäche in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt (§ 21 StGB).

II.

5
Die Verfahrensrügen bleiben aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 25. Juli 2017 genannten Gründen ohne Erfolg.

III.

6
Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
7
1. Die Feststellungen beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung und tragen den Schuldspruch; gegen die Strafzumessung ist ebenfalls nichts zu erinnern.
8
2. Auch der Maßregelausspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.
9
a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB setzt die Feststellung voraus, dass der Unterzubringende bei Begehung der Anlasstat aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht. Der Defektzustand muss, um die notwendige Gefährlichkeitsprognose tragen zu können , von längerer Dauer sein. Prognostisch muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird (§ 63 Satz 1 StGB). Der Tatrichter hat die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 10. November 2015 – 1 StR 265/15, NStZ-RR 2016, 76 f. mwN).
10
b) Die getroffenen Feststellungen belegen, dass beim Angeklagten ein überdauernder psychischer Defektzustand vorliegt.
11
Das Landgericht hat im Anschluss an den Sachverständigen dargelegt, dass beim Angeklagten infolge einer im 16. Lebensjahr erlittenen schweren Kopfverletzung und damit einhergehender Operationen mit bildgebenden Verfahren erkennbare irreversible hirnorganische Veränderungen vorliegen, die die Affektkontrolle massiv einschränken. Der Angeklagte sei daher erhöht reizbar, könne die Befriedigung von Bedürfnissen nicht aufschieben und müsse Verärgerungen unmittelbar ausagieren. Auch wenn das Urteil keine ausdrückliche Einordnung der beschriebenen chronifizierten Störung in die gängigen Klassifikationssysteme enthält, folgt aus den Ausführungen hinreichend deutlich, dass das Landgericht vom Vorliegen eines hirnorganischen Psychosyndroms ausgeht , das zu den von ICD-10 unter F07 aufgeführten Störungsbildern zählt.
12
c) Die Strafkammer hat auch in nachvollziehbarer Weise den symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Zustand des Angeklagten und der abgeurteilten Tat begründet.
13
Dass sich die festgestellte Störung in der konkreten Tatsituation auf die Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat, hat die Strafkammer tragfähig damit begründet , dass sich der Angeklagte trotz bestehender Hämophilie und dadurch erhöhter Verletzbarkeit bewusst in die konkrete Kampfsituation begeben habe. Dabei hat das Landgericht unter Würdigung der von ihm in der „Tatvorgeschichte“ ausführlich festgestellten Verhaltensauffälligkeiten des Angeklagten seit der Einreise nach Deutschland ausgeschlossen, dass in der Person des Angeklagten oder in seiner Tat lediglich nur Eigenschaften und Verhaltensweisen her- vorgetreten sind, die sich im Rahmen dessen halten, was bei schuldfähigen Menschen anzutreffen und übliche Ursache für strafbares Verhalten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2015 – 1 StR 265/15, NStZ-RR 2016, 76 mwN).
14
d) Auch die vom Landgericht angestellte Gefährlichkeitsprognose hält rechtlicher Nachprüfung (noch) stand.
15
Im Rahmen seiner – allerdings knapp gehaltenen – Gesamtwürdigung, in der die Begehung weiterer vergleichbarer Taten besorgt wird, hat das Tatgericht maßgeblich auf den vom Angeklagten im Jahr 2015 in seiner Heimat begangenen tätlichen Angriff und die Verhaltensauffälligkeiten in Deutschland abgestellt , die – wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen lässt – nach Überzeugung der Strafkammer auf dessen psychischer Störung beruhen. Im Hinblick auf die in der „Tatvorgeschichte“ festgestellten Auseinandersetzungen des Angeklagten mit anderen Personen – insbesondere die noch vor dem Konflikt mit M. stattgefundene Schlägerei mit vier oder fünf albanischen Mitbewohnern in der Küche der Einrichtung – handelte es sich beim Anlassdelikt auch nicht lediglich um eine Gelegenheits- und Konflikttat, die die Gefährlichkeitsprognose regelmäßig nicht rechtfertigen kann. Da die Anfor- derungen an die „Wahrscheinlichkeit höheren Grades“ im Sinne des § 63 StGB umso geringer sind, je gravierender die zu befürchtende Straftat ist (van Gemmeren in MüKo-StGB, 3. Aufl., § 63 Rn. 62), ist die Darlegung des Landgerichts nach den Umständen des konkreten Einzelfalls noch ausreichend.
16
e) Auch die Verhältnismäßigkeit der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus ist ausreichend belegt.
Schäfer Eschelbach Zeng Grube Schmidt