Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Feb. 2016 - 1 StR 590/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:180216B1STR590.15.0
bei uns veröffentlicht am18.02.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 590/15
vom
18. Februar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:180216B1STR590.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Februar 2016 beschlossen :
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 30. April 2015 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat :
1. Es bestehen bereits Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Rüge einer Verletzung von § 261 StPO, weil der Revisionsführer nicht vorträgt, dass der Inhalt der schriftlichen Auskunft von W. zu einer Überweisung nicht auf andere Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist. Vor dem Hintergrund der Einheit der Hauptverhandlung muss sich der Revisionsführer hierzu grundsätzlich verhalten (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 – 4 StR 78/14, NStZ 2014, 604 mwN). Zwar stellt die Kammer in den Urteilsgründen auf die „verlesene“ Urkunde ab (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 22. September 2006 – 1 StR 298/06, NStZ 2007, 235, 236). Weil es sich aber um einen denkbar überschaubaren Urkundeninhalt handelt, der auch auf einen Blick erfasst werden kann (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2013 – 3 StR 267/13, NStZ 2014, 606), und sich der nichtrevidierende Mitangeklagte als Absender des Geldes ausweislich der Urteilsgründe ganz ausführlich zu dieser
Überweisung, deren Höhe, der Empfängerin und der Transaktionsnummer geäußert hat (UA S. 14 f.), war entsprechender Vortrag hierzu zu erwarten.
Jedenfalls ist die Rüge unbegründet, denn der Senat kann angesichts der ausführlichen Angaben des genannten Mitangeklagten zu der Überweisung ausschließen, dass das Urteil auf einem solchen Rechtsfehler beruht. Ist der Inhalt eines Schriftstücks in der Hauptverhandlung erörtert und auch nicht bestritten worden, dass das Schriftstück diesen Inhalt hat, so kann ein Urteil regelmäßig nicht darauf beruhen, dass das Schriftstück nicht verlesen worden ist (BGH, Beschluss vom 22. September 2006 – 1 StR 298/06, NStZ 2007, 235,

236).


2. Die Rüge einer Verletzung von § 228 Abs. 1, § 229 StPO ist unbegründet. Es liegt keine unzulässige Überschreitung der dreiwöchigen Unterbrechungsfrist (§ 229 Abs. 1 und 4 Satz 1 StPO) vor.
Am 23. Februar 2015 (41. Hauptverhandlungstag) wurde die Hauptverhandlung vom Vorsitzenden unterbrochen. Zwar konnte der ursprünglich vorgesehene Fortsetzungstermin am 12. März 2015 nicht stattfinden, weil aus unerfindlichen Gründen ein Schöffe nicht erschienen war. Der vom Vorsitzenden deshalb angesetzte Fortsetzungstermin am 18. März 2015 wahrte aber noch die Frist des § 229 Abs. 1 StPO. Bei dieser Fristberechnung sind weder der Tag, an dem die Unterbrechung angeordnet wird, noch derjenige, an dem die Verhandlung wieder aufgenommen wird, in die Frist einzuberechnen (BGH, Beschluss vom 20. März 2014 – 3 StR 408/13, NStZ 2014, 469 mwN). Die am Montag, den 23. Februar 2015 unterbrochene Hauptverhandlung musste nach § 229 Abs. 4 Satz 1 StPO also erst am Mittwoch, den 18. März 2015 fortgesetzt werden.
Da der inhaftierte Angeklagte an diesem Tag, wie die Revision unter Vorlage einer Bestätigung der zuständigen Justizvollzugsanstalt vorträgt, erkrankt war und deshalb an der Hauptverhandlung nicht teilnehmen konnte, zudem die Hauptverhandlung schon bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden hatte , war der Lauf der Frist während der Dauer der Verhinderung des Angeklagten nach § 229 Abs. 3 Satz 1 StPO gehemmt. Zwar war die Erkrankung des Angeklagten nach der Auskunft der Justizvollzugsanstalt nicht von langer Dauer. Die zulässige Unterbrechung endete gemäß § 229 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO aber frühestens zehn Tage nach Ablauf der Hemmung. Die Fortsetzung der Hauptverhandlung am 23. März 2015 war demnach rechtzeitig. Ein Verstoß gegen § 228 Abs. 1, § 229 StPO liegt nicht vor.
Dass das Gericht entgegen § 229 Abs. 3 Satz 2 StPO den Beginn und das Ende der Hemmung nicht durch Beschluss festgestellt hat, steht dem nicht entgegen. Die Hemmung tritt kraft Gesetzes ein (BGH, Urteil vom 12. August 1992 – 5 StR 234/92, NStZ 1992, 550, 551). Zu einer weiteren freibeweislichen Klärung der Frage, ob und wie lange der Angeklagte erkrankt war (hierzu näher Gmel, in KK, 7. Aufl., § 229 Rn. 15), bestand für den Senat angesichts der aussagekräftigen Bestätigung durch die Justizvollzugsanstalt kein Anlass.
3. Soweit der Revisionsführer einen Verstoß gegen § 265 Abs. 1 StPO mit der Begründung rügt, ihm sei nicht der förmliche Hinweis erteilt worden, dass er im Fall 1 wegen Beihilfe statt Täterschaft verurteilt werden könnte, schließt der Senat jedenfalls ein Beruhen des Urteils auf diesem Rechtsfehler aus. Der Revisionsführer war nicht nur durch die Mitteilung eines Gesprächs zwischen Gericht und Verteidiger (vgl. Antragsschrift des Generalbundesanwalts S. 6), sondern auch durch den Nichtabhilfe-Beschluss des Landgerichts vom 20. Januar 2015 im Rahmen des Haftbeschwerdeverfahrens eindeutig und unmissver-
ständlich darauf hingewiesen worden, dass die Kammer seine mögliche Beteiligung an der fraglichen Tat als Beihilfe und nicht als Täterschaft wertet. In welche Richtung er sich verteidigen musste, konnte dem Angeklagten demnach nicht zweifelhaft sein (vgl. zum Ausschluss des Beruhens in solchen Konstellationen Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, 58. Aufl., § 265 Rn. 48 mwN).
Raum Jäger Cirener Mosbacher Bär

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 78/14
vom
17. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Bestimmens einer Person unter 18 Jahren, mit Betäubungsmitteln unerlaubt
Handel zu treiben u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Juli 2014,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt in der Verhandlung,
Richterin am Landgericht bei der Verkündung
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Pflichtverteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 26. November 2013 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten des „Bestimmens einer Person unter 18 Jahren, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, in Tateinheit mit gewerbsmäßiger unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren, der gewerbsmäßigen unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren in 14 Fällen, des vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer verbotenen Waffe und des vorsätzlichen Besitzes von Arzneimitteln in nicht geringer Menge zu Dopingzwecken im Sport“ schuldig gesprochen und ihn hierwegen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Ferner hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 15.770 € angeordnet. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet.

I.


2
Nach den Feststellungen veranlasste der Angeklagte Ende August 2011 den, wie er wusste, 16-jährigen P. , 20 Gramm Haschisch, 20 Gramm Marihuana, 20 Gramm Amphetamingemisch und 20 Ecstasy-Tabletten zu von ihm vorab festgelegten Verkaufspreisen gewinnbringend zu veräu- ßern. Nachdem P. dies gelungen war und er die ebenfalls vom Angeklagten festgelegten Einkaufspreise an diesen erstattet hatte, verkaufte P. anschließend bis Ende Februar 2012 (UA 8) in 14 weiteren Fällen sich sukzessive erhöhende Rauschgiftmengen gewinnbringend für den Angeklagten. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung am 7. Februar 2013 wurde der Angeklagte im Besitz eines silberfarbenen Schlagrings und 196 Tabletten, die insgesamt 691,88 mg des verschreibungspflichtigen anabolen Steroids Metandienon enthielten , angetroffen.

II.


3
Keine der Verfahrensrügen greift durch.
4
1. Vergeblich rügt der Beschwerdeführer, das Gericht habe seine Überzeugung entgegen § 261 StPO nicht aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpft.
5
a) Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
6
Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung die Verstöße gegen das Waffen- und das Arzneimittelgesetz eingeräumt, die ihm vorgeworfenen 15 Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz indes pauschal bestritten. Der Zeuge P. hat in der Hauptverhandlung „auf konkreten – wortwörtlichen – Vorhalt“ (UA 9) seiner Beschuldigtenvernehmungen vom 14. Mai und 25. Juni 2012 bestätigt, die Angaben gegenüber der Vernehmungsbeamtin jeweils so wie protokolliert gemacht zu haben. Im angefochtenen Urteil hat das Landgericht die polizeilichen Angaben, die in den Niederschriften insgesamt knapp 13 Seiten einnehmen, von den jeweiligen Belehrungen abgesehen, in wörtlicher Rede wiedergegeben. Diese Darstellung nimmt im Urteil – mit textlichen Überleitungen – annähernd neun Seiten ein. Der Beschwerdeführer trägt vor, die polizeilichen Niederschriften seien in der Hauptverhandlung nicht verlesen worden ; durch Vorhalt an den Zeugen P. hätten sie schon wegen ihres Umfangs nicht eingeführt werden können.
7
b) Die Rüge ist unzulässig, weil sie nicht in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Form begründet worden ist.Diese Vorschrift verlangt eine so genaue Angabe der die Rüge begründenden Tatsachen , dass das Revisionsgericht auf ihrer Grundlage prüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (BGH, Urteil vom 14. Oktober 1952 – 2 StR 306/52, BGHSt 3, 213, 214; Beschluss vom 8. November 2000 – 3 StR 282/00 mwN; KK-StPO/ Gericke, 7. Aufl., § 344 Rn. 38 f.). Wird beanstandet, das Tatgericht habe den Inhalt in der Hauptverhandlung nicht verlesener Urkunden verwertet, so gehört zur ordnungsgemäßen Begründung der Verfahrensrüge nicht nur die Behauptung , dass die Urkunde nicht verlesen worden, sondern auch – verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, NJW 2005, 1999, 2001 f.) – die Darlegung, dass der Inhalt der Urkunde nicht in sonst zulässiger Weise eingeführt worden sei (BGH, Urteil vom 11. April 2001 – 3 StR 503/00, NJW 2001, 2558 f.; OLG Düsseldorf, StV 1995, 120; Gericke, aaO, § 344 Rn. 58; Sander inLöwe/ Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 185).
8
Daran fehlt es hier: Der Beschwerdeführer hat versäumt, das Urteil des Amtsgerichts Wittlich vom 6. November 2012 vorzutragen, mit dem der Zeuge P. wegen der nämlichen Betäubungsmitteldelikte verurteilt worden ist. Dieses Urteil wurde nicht nur dem Angeklagten vorgehalten (Teilprotokoll vom 21. November 2013, S. 5), sondern auch urkundenbeweislich verlesen (Teilprotokoll vom 26. November 2013, S. 2). Ohne Vorlage dieses Urteils kann der Senat nicht prüfen, ob die Angaben des Zeugen P. in den beiden polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen durch Verlesung im Strengbeweis eingeführt worden sind. Denn P. hat in der tatrichterlichen Hauptverhandlung bekundet, er habe vor dem Amtsgericht Wittlich den Sachverhalt dem Gericht gegenüber „sinngemäß“ so geschildert wie in den Vernehmungen vor der Poli- zei (UA 18). Der möglicherweise gesondert zu beurteilende Fall, dass das Tatgericht den Wortlaut der Urkunden verwertet hat, liegt hier ersichtlich nicht vor; das Landgericht hat lediglich den Inhalt der polizeilichen Vernehmungen P. s bei seiner Beweisführung herangezogen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. August 1987 – 5 StR 162/87, BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung 5, und vom 5. April 2000 – 5 StR 226/99, BGHR StPO § 249 Abs. 1 Verlesung , unterbliebene 1 sowie zur Abgrenzung, wenn – anders als hier – eine bestätigende Erklärung der Auskunftsperson fehlt, BGH, Beschluss vom 13. April 1999 – 1 StR 107/99, StV 1999, 359 f.; Urteile vom 30. August 2000 – 2 StR 85/00, NStZ 2001, 161, und vom 6. September 2000 – 2 StR 190/00, NStZ-RR 2001, 18).
9
Die Revision unterlässt es außerdem, zum Ablauf der Einvernahme der Kriminalkommissarin F. , die P. vernommen hatte, näher vorzutragen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 1995 – 3 StR 99/95, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Verwertungsverbot 4; Beschluss vom 23. Oktober 2012 – 1 StR 377/12). Denn es liegt nahe anzunehmen, dass Polizeibeamte, die sich erfahrungsgemäß im Wege der vorherigen Durchsicht ihrer Ermittlungsunterlagen auf ihre Vernehmung intensiv vorbereiten, sich an Einzelheiten erinnern können und ihnen die entscheidenden Passagen wörtlich präsent sind (BGH, Beschluss vom 9. Mai 2001 – 2 StR 111/01, BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung

39).


10
Da die Rüge bereits unzulässig ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden , ob der Inhalt einer Vernehmungsniederschrift durch abschnittsweisen Vorhalt und die jeweilige Bestätigung des Zeugen ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt werden kann (vgl. auch zur Beruhensfrage BGH, Urteil vom 6. Juni 1957 – 4 StR 165/57; Beschluss vom 22. September 2006 – 1 StR 298/06, NStZ 2007, 235; OLG Düsseldorf StV 1995, 120, 121 mwN; Diemer in KK, 7. Aufl., § 249 Rn. 52).
11
2. Unzulässig ist ferner die Rüge, das Landgericht habe den Antrag, „Frau R. B. , W. und Herrn J. R. , Se. , Adressen zu erfragen über das AG Wittlich, …“ zu vernehmen, zu Unrecht wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Im Beweisantrag ist der Zeuge als Beweismittel grundsätzlich mit vollständigem Namen und genauer Anschrift zu benennen; nur wenn der Antragsteller dazu nicht in der Lage ist, genügt es, im Einzelnen den Weg zu beschreiben, auf dem dies zuverlässig ermittelt werden kann (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1993 – 3 StR 446/93, BGHSt 40, 3, 7; Becker in LR-StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 105). Der Beschwerdeführer hat nicht vorgetragen, was ihn gehindert haben könnte, die vollständige Adresse der von ihm benannten Zeugen anzugeben (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2013 – 5 StR 313/13).
12
Ferner zielt der Antrag darauf, der Zeuge P. habe in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Wittlich „lediglich die Taten der Anklageschrift (eingeräumt)“, ohne dass nachgefragt worden sei und ohne dass (er) dazu ausführlich Stellung genommen habe. Die Revision sieht hierin einen Widerspruch zu der Annahme des Landgerichts, der Zeuge habe in der gegen ihn gerichteten Gerichtsverhandlung den Sachverhalt sinngemäß so geschildert wie in seinen polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen. Um dies nachvollziehen zu können, hätte es der Vorlage der in dem Verfahren gegen den Zeugen erhobenen Anklage bedurft. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen nämlich – verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, Beschluss vom 10. März 2009 – 2 BvR 49/09) – die im Beweisantrag in Bezug genommenen Aktenbestandteile mit der Begründungsschrift vorgelegt oder jedenfalls inhaltlich vorgetragen werden (vgl. BGH, Urteile vom 25. November 2003 – 1 StR 182/03, StV 2004, 305, 306, und vom 25. November 2004 – 5 StR 401/04, NStZ-RR 2006, 33, 34 bei Sander; Beschlüsse vom 7. Januar 2008 – 5 StR 390/07, vom 25. Mai 2011 – 4 StR 87/11, und vom 12. März 2013 – 2 StR 34/13, NStZ-RR 2013, 222 [Ls.]; Becker in LR-StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 372; vgl. auch BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 – 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2323).
13
3. Als unzulässig erweist sich auch die Rüge, das Landgericht habe den Antrag, „StA S. , StA Magdeburg, zu hören zu der Behauptung, dass er die Aussage des Zeugen P. für so unglaubwürdig hielt, dass er keinerlei Anfangsverdacht in diesen Angaben sah, um ein Ermittlungsverfahren gegen Herrn A. einzuleiten (…)“, zu Unrecht wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt. Bei diesem Zitat handelt es sich um einen kurzen Auszug aus dem zwei Seiten umfassenden Beweisantrag; insbesondere lässt der Revisionsführer die von ihm im Beweisantrag bezeichnete Aussage P. s weg. Er trägt auch seine im Beweisantrag aufgestellte Schlussfolgerung nicht vor, als glaubhaft eingeschätzte Angaben P. s hätten Maßnahmen nach „§§ 100 ff. StPO“ gegen A. nach sich ziehen müssen, „um sich nicht dem Verdacht auszusetzen, Strafvereitelung im Amt zu begehen“. Diese Auslassun- gen führen zur Unzulässigkeit der Rüge gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO (vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 1986 – 3 StR 10/86, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO 1, vom 14. April 1999 – 3 StR 22/99, NJW 1999, 2683, 2684, und vom 30. April 1999 – 3 StR 215/98, NStZ 1999, 396, 399; Beschlüsse vom 9. Mai 2000 – 4 StR 115/00, NStZ-RR 2001, 6, 7 bei Miebach/Sander, vom 12. März 2013 – 2 StR 34/13, aaO, und vom 23. Oktober 2013 – 5 StR 313/13; Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 372).
14
Der Unzulässigkeit dieser von Rechtsanwalt Bo. erhobenen Verfahrensrüge steht nicht entgegen, dass Rechtsanwalt Fu. , der diese Rüge nicht erhoben hat, im Rahmen einer anderen Verfahrensrüge das gesamte Hauptverhandlungsprotokoll nebst Anlagen vorgelegt hat und sich in diesem Konvolut auch eine Ablichtung des Staatsanwalt S. betreffenden Beweisantrags findet (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 1986 – 4 StR 370/86, NStZ 1987, 221 bei Pfeiffer/Miebach; Beschlüsse vom 25. September 1986 – 4 StR 496/86, NStZ 1987, 36, und vom 14. April 2010 – 2 StR 42/10).
15
4. Jedenfalls unbegründet ist die Rüge, das Landgericht habe den Antrag auf Verlesung der die Observation des Angeklagten betreffenden Urkunden zu Unrecht wegen Bedeutungslosigkeit – ersichtlich: aus tatsächlichen Gründen – abgelehnt. Denn die Strafkammer hat im Urteil (UA 25) die unter Beweis gestellte Tatsache, „dass die Observationsmaßnahmen gem. obigem Beschluss ohne Erfolg waren“, als – durchdie Vernehmung des Observationsbeamten – erwiesen behandelt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1991 – 3 StR 115/91, NStZ 1991, 547, 548; Beschlüsse vom 7. Februar 2002 – 1 StR 222/01, NStZ 2003, 417 bei Becker, und vom 5. Dezember 2012 – 1 StR 531/12; Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 244 Rn. 86; KK-Krehl, StPO, 7. Aufl., § 244 Rn. 234; Güntge in Alsberg/Nüse/Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozess, 6. Aufl., Rn. 1676 f.). Von weiteren Bedenken gegen die Zulässigkeit und Begründetheit der Rüge abgesehen bedarf es daher auch keiner Entscheidung, ob das Landgericht durch die Vernehmung des Observationsbeamten, zu der die Revision nichts vorträgt, die angebotenen Beweismittel (Urkunden) wirksam ausgetauscht hat (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, Rn. 47).
16
5. Schon unzulässig ist die Rüge, das Landgericht habe den Beweisantrag auf Vernehmung des Vorsitzenden des Jugendschöffengerichts bei dem Amtsgericht Wittlich zu Unrecht wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt. Unter Beweis gestellt war, dass P. in der gegen ihn gerichteten Hauptverhand- lung „die ihm gem. Anklageschrift zur Last gelegten Taten zwar einräumte, ohne jedoch nähere Angaben, insbesondere Details zu dem Lieferanten seiner BtM zu machen“, ferner, dass der Verhandlung ein informelles Gespräch zwischen den Verfahrensbeteiligten vorausgegangen sei. Diesen Antrag hat das Landgericht wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt und zur Begründung u.a. ausgeführt: „Selbst wenn der damalige Angeklagte P. in der Hauptverhand- lung vor dem Amtsgericht Wittlich am 06.11.2012 den ihn betreffenden Anklagevorwurf pauschal bestätigt hätte, ohne ausführlich zu seinem Lieferanten Stellung zu nehmen, ist hieraus nicht notwendig der Schluss zu ziehen, dass die ausführlichen und detaillierten Angaben des damaligen Beschuldigten P. in Bezug auf den Angeklagten We. in seinen Beschuldigtenver- nehmungen vom 14.05.2012 und 25.06.2012 nicht der Wahrheit entsprechen.“
17
Der Rügevortrag genügt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Der Beschwerdeführer hat im Beweisantrag ausdrücklich auf die im damaligen Verfahren gegen P. erhobene Anklageschrift Bezug genommen. Wie unter Ziffer II.2 ausgeführt, ist die Vorlage der Anklageschrift hier schon wegen der – nach dem Inhalt der Beweisbehauptung – vorgenommenen Inbezugnahme der Aussage P. s auf die Anklageschrift unverzichtbar.
18
Es trifft auch nicht zu, dass die Strafkammer in ihrem Ablehnungsbeschluss die Beweiswürdigung in unzulässiger Weise vorweggenommen hätte (Revisionsbegründung von Rechtsanwalt Bo. S. 24). Der Tatrichter hat nach den – in der Revision nur auf Rechtsfehler nachprüfbaren – Grundsätzen der freien Beweiswürdigung gemäß § 261 StPO zu beurteilen, ob der vom Antragsteller intendierte Schluss gerechtfertigt wäre. Hierzu hat er die unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache so, als sei sie erwiesen, in das bisherige Beweisergebnis einzustellen und prognostisch zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung vom Beweiswert des anderen Beweismittels – evtl. in Anwendung des Zweifelssatzes – in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde (vgl. Becker in LR-StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 220 mwN). So ist die Strafkammer hier mit noch ausreichender Begründung rechtsfehlerfrei verfahren.
19
6. Auch die Rüge, das Landgericht habe die als wahr unterstellten Äußerungen P. s in einer früheren Beschuldigtenvernehmung vom 12. April 2012 zu Lasten des Angeklagten verwertet, greift nicht durch. Das Landgericht hat sich auf UA 21 mit den Darstellungen P. s zu seinen verschiedenen Schwarzfahrten auseinandergesetzt. Es hat aus der als wahr unterstellten Tatsache , P. habe eingeräumt, öfter bzw. „fast jedes Mal“ beim Schwarzfahren auf der Strecke von C. nach T. „erwischt“ worden zu sein, allerdings nicht den vom Angeklagten gewünschten Schluss auf fehlende Konstanz zur Angabe weiterer Schwarzfahrten in der späteren polizeilichen Vernehmung gezogen. Hierzu war es nicht gehalten. Das Gericht braucht aus einer als wahr unterstellten Indiztatsache nicht die Schlussfolgerungen zu ziehen, die der Antrag- steller gezogen wissen will (BGH, Urteile vom 6. August 1986 – 3 StR 234/86, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Wahrunterstellung 1, und vom 7. Februar 2008 – 4 StR 502/07, Tz. 27, insoweit in NJW 2008, 1093 nicht abgedruckt).
20
7. Die beiden mit der Revision vorgetragenen Aufklärungsrügen (§ 244 Abs. 2 StPO) sind ebenfalls unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
21
a) Soweit die Revision die unterbliebene Vernehmung des Staatsanwalts S. als Zeugen beanstandet, unterlässt sie es, eine bestimmte Beweistatsache zu bezeichnen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 244 Rn. 81 mwN). Eine solche ergibt sich auch nicht aus ihrem Vorbringen, die Strafkammer habe den „Beweis des Gegenteils, mithin der Tatsache, dass der Zeuge P. gerade keine glaubhaften Angaben machte, … nicht zugelassen“.
22
b) Nicht anders liegt es, soweit die Revision beanstandet, das Landgericht hätte die Mitglieder des Jugendschöffengerichts bei dem Amtsgericht Wittlich vernehmen müssen. Der Beschwerdeführer hätte sich insoweit nicht mit einer pauschalen negativen Bewertung des Aussageverhaltens P. s begnü- gen dürfen („keine Tatsachen für einen Tathergang“).

III.


23
Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrüge hat keinen materiellen-rechtlichen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Soweit die Revision sich – mit zum Teil urteilsfremdem Vorbringen – gegen die Beweiswürdigung wendet, vermag sie keinen Rechtsfehler aufzuzeigen; die Beweiswürdigung ist insbesondere nicht widersprüchlich oder lückenhaft. Im Übrigen bedarf nur Folgendes der Erörterung:
24
Die Feststellungen tragen die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe P. im Fall II.2 der Urteilsgründe zu dessen Handeltreiben bestimmt. Der Umstand, dass P. die Möglichkeit, für den Angeklagten Drogen zu verkaufen , bereitwillig ergriff, steht dem nicht entgegen. Jedenfalls hatte sich die Tatbereitschaft P. s noch nicht auf ein bestimmtes Geschäft konkretisiert (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 2000 – 4 StR 400/99, BGHSt 45, 373, 374 ff.; Beschlüsse vom 30. Januar 2001 – 4 StR 557/00, StV 2001, 406, und vom 23. Mai 2007 – 2 StR 569/06, NStZ 2008, 42 mwN).
25
Die Feststellungen zur Häufigkeit der weiteren Betäubungsmittelstraftaten tragen den Schluss der Strafkammer auf 14 Fälle des Verstoßes gegen § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG. Deren konkurrenzrechtliche Bewertung durch die Strafkammer ist rechtsfehlerfrei.
26
Es beschwert den Angeklagten nicht, dass das Landgericht ihn in den Fällen II.2 bis 5 (Taten 1 bis 15) nicht auch wegen (gewerbsmäßigen) Handeltreibens verurteilt hat (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juli 1997 – 4 StR 222/97, StV 1997, 636, 637; Beschluss vom 23. Mai 2007, aaO, S. 42 f.).
27
Die Anordnung des Wertersatzverfalls weist ebenfalls keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 298/06
vom
22. September 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. September 2006 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Ravensburg vom 3. Februar 2006 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Der Angeklagte wurde wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Nach den Feststellungen der Strafkammer hat er 1997 in Brasilien seine ehemalige Lebensgefährtin gewaltsam getötet, da sie seinen Plänen, bei seinem Umzug nach Deutschland die gemeinsame Tochter und sein ungeschmälertes Vermögen mit sich zu nehmen, im Wege stand.
2
Seine auf mehrere Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

3
Der näheren Ausführung bedarf nur Folgendes:
4
1. Nach den Feststellungen der Strafkammer hat der Angeklagte nach der Tat die Leiche zerstückelt und Teile davon im Wald entsorgt, wo Knochen von ihr in einem Plastiksack gefunden wurden. Zuvor hatte er von den Knochen das Muskelfleisch entfernt, um aus von der Strafkammer im Einzelnen näher dargelegten Gründen die Identifizierung der Leiche zu erschweren. Dass das Muskelfleisch entfernt worden war, hat ein Sachverständiger ausweislich der Urteilsgründe im Rahmen seines Gutachtens „anhand der Lichtbilder, aber auch anhand des verlesenen brasilianischen rechtsmedizinischen Gutachtens“ dargelegt.
5
2. Hierauf gestützt, trägt die Revision vor, das Gutachten sei nicht verlesen worden. Sie verweist dabei auch darauf, dass sich aus dem Protokoll der Hauptverhandlung nichts anderes ergebe.
6
3. Dieses Vorbringen genügt den Anforderungen von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Der Senat teilt nicht die Auffassung, die Rüge scheitere an unzureichendem Vortrag, da das Protokoll der Hauptverhandlung nicht mitgeteilt sei.
7
Grundsätzlich genügt es für die Zulässigkeit einer Verfahrensrüge, dass die den Mangel begründenden Tatsachen vollständig vorgetragen werden. Dagegen ist ihre Glaubhaftmachung, etwa durch die Angabe von Beweismitteln und Aktenstellen, aus denen sich diese Tatsachen ergeben, nicht erforderlich (BGH NStZ-RR 2003, 334 ; in vergleichbarem Sinne BGH bei Pfeiffer NStZ 1982, 191; vgl. auch Kuckein in KK 5. Aufl. § 344 Rdn. 41). Der Vortrag, eine Urkunde sei nicht verlesen worden, ist vollständig. Zur Prüfung seiner Schlüssigkeit - nicht: seiner Richtigkeit - bedarf es des Rückgriffs auf das Protokoll nicht. Besondere Umstände, die in diesem Zusammenhang gleichwohl weitergehende Ausführungen unerlässlich machen könnten, sind nicht erkennbar. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erforderte daher nicht die Beifügung (von Ablichtungen ) des Protokolls, das sich hier, ohne seine zahlreichen Anlagen, über beinahe 40 Seiten erstreckt.
8
4. Darüber hinaus hat der Generalbundesanwalt erwogen, ob das Gutachten auf anderem Wege, etwa durch Verlesung im Rahmen eines Vorhalts, zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden sein kann (vgl. Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl. § 261 Rdn. 38a m. w. N.). Jedoch hat die Strafkammer - obwohl verfahrensrechtliche Ausführungen wie etwa zum Rechtsgrund einer Beweiserhebung in den Urteilsgründen nicht geboten sind - ausdrücklich auf das „verlesene“ Gutachten abgestellt. Der Senat kann offen lassen , ob gleichwohl der vorliegenden Rüge mit dem Hinweis der Boden entzogen werden kann, über das Gutachten könne statt durch Verlesung auch durch die Antwort auf einen Vorhalt Beweis erhoben worden sein (verneinend in einem etwas anders gelagerten Fall BGH, Beschluss vom 11. Mai 1983 - 2 StR 66/83; vgl. auch Schoreit in KK 5. Aufl. § 261 Rdn. 24).
9
5. Selbst für den Fall, dass der Inhalt des brasilianischen Gutachtens nicht prozessordnungsgemäß zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden sein sollte, wäre nämlich ein Beruhen des Urteils auf diesem Rechtsfehler zu verneinen.
10
a) Wie die Urteilsgründe ergeben, hat der Sachverständige in der Hauptverhandlung den Inhalt des brasilianischen Gutachtens behandelt und erläutert. Ist aber der Inhalt eines Schriftstücks in der Hauptverhandlung erörtert und ist auch nicht bestritten worden, dass das Schriftstück diesen Inhalt hat - hierfür ist nichts ersichtlich - so kann schon deshalb das Urteil regelmäßig nicht darauf beruhen, dass das Schriftstück nicht verlesen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 1957 - 4 StR 165/57; OLG Düsseldorf StV 1995, 120, 121 m. w. N.; Diemer in KK 5. Aufl. § 249 Rdn. 52).
11
b) Im Übrigen hatte der Angeklagte die Tat zeitnah seinem Sohn gestanden , sonst aber behauptet, die Getötete habe ihn mit einem anderen Mann ver- lassen. Erst im Lauf der Hauptverhandlung hat er dann angesichts einer im Einzelnen im Urteil dargelegten „erdrückend gewordenen Beweislage“ immerhin eingeräumt, dass sie gewaltsam zu Tode gekommen sei. Sie habe nämlich versucht , ihn, den Angeklagten zu ermorden, sein Leibwächter habe ihn gerettet und sie getötet. Anschließend sei die Leiche zerstückelt und im Wald entsorgt worden. Er sei dabei gewesen. Unter den gegebenen Umständen ergibt eine Gesamtschau der Urteilsgründe ohne weiteres, dass die Ausführungen zu der Entfernung des Muskelfleischs und den Gründen hierfür nur ein zusätzliches bestätigendes Indiz aufzeigen, von dem die Überzeugungsbildung der Strafkammer hinsichtlich der Täterschaft des Angeklagten nicht abhing (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 – 1 StR 407/05; Beschluss vom 13. September 2001 - 1 StR 378/01; Urteil vom 16. Juli 1981 - 4 StR 336/81; Kuckein in KK 5. Aufl. § 337 Rdn. 38 m. w. N.).

II.

12
Auch im Übrigen hat die auf Grund der Revisionsrechtfertigung gebotene Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts, die auch durch die Erwiderungen der Revision (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) nicht entkräftet sind. Nack Wahl Boetticher Kolz Elf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 2 6 7 / 1 3
vom
12. Dezember 2013
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Betruges
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
12. Dezember 2013 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 6. Februar 2013 aufgehoben
a) mit den zugehörigen Feststellungen in den Fällen A. III. 3., 4. und 5. der Urteilsgründe;
b) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen A. III. 1., 2. und 8. der Urteilsgründe mit den Feststellungen unter A. II. 5. und 7. der Urteilsgründe sowie den Feststellungen zu den Erwerbsakten betreffend die Gewinnspielprodukte "Ihr Bonusvorteil", "Deutschland Tipp" und "Allianz-Tipp ABO"; die übrigen Feststellungen zu diesen Einzelstrafen werden aufrechterhalten,
c) mit den zugehörigen Feststellungen aa) im Gesamtstrafenausspruch, bb) soweit das Landgericht festgestellt hat, dass ein Betrag von 731.083,46 € nur deshalb nicht dem Verfall unter- liegt, weil Ansprüche Dritter entgegenstehen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Betruges in neun Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt, eine Einziehungsentscheidung getroffen und "festgestellt, dass ein Betrag in Höhe von 731.083,46 € nur deshalb nicht dem Verfall unterliegt, weil Ansprüche Verletzter entgegenstehen." Gegen dieses Urteil richtet sich die mit Verfahrensbeanstandungen und der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
I. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
Sogenannte Gewinnspieleintragungsdienste schließen mit Verbrauchern gegen eine monatliche Gebühr Verträge über deren Eintragung bei diversen (kostenlosen) Gewinnspielen, die im Rahmen von Werbeveranstaltungen unterschiedlicher Firmen angeboten werden. Zur Kontaktaufnahme mit den Kunden und zum Abschluss der Verträge bedienen sich die Gewinnspieleintragungsdienste (interner oder externer) Call-Center. Der telefonische Vertragsschluss wird aufgezeichnet, die Aufzeichnung als "Voice-File" in dem Datensatz des Kunden abgespeichert, der ansonsten aus Name, Anschrift, Geburtsdatum, Telefon und Bankverbindung besteht. Dieses Voice-File wird in der Branche - wenn auch rechtlich unzutreffend - darüber hinaus als Erklärung des Kunden verstanden, weiteren Kontaktaufnahmen zu Werbezwecken zuzustimmen. Ebenfalls in diesem Datensatz wird vermerkt, wenn der Kunde die monatlichen Gebühren nicht zahlt, sei es, weil er den Vertrag storniert hat, bereits abgebuchte Gebühren zurückgebucht werden oder Abbuchungsversuche mangels Kontendeckung scheitern. Regelmäßig unternehmen jedoch die Gewinnspieleintragungsdienste keine Bemühungen, etwaige Forderungen tatsächlich geltend zu machen. Vielmehr werden entsprechende Kunden zukünftig lediglich nicht mehr kontaktiert.
4
Diese Untätigkeit der Gewinnspieleintragungsdienste wollte der Angeklagte , der seit November 2008 als Adresshändler selbständig tätig war und dem deshalb die Usancen der Branche geläufig waren, zu eigenen Zwecken nutzen. Als Verantwortlicher seiner eigenen Unternehmen M. und F. handelnd kaufte und übernahm er von acht Personen Kundendatensätze diverser Gewinnspieldienste , wobei er jeweils verschwieg, dass es ihm darum ging, diejenigen Kunden herauszufinden, gegen die Forderungen bestanden, um diese selbst - unter Einschaltung von Inkassounternehmen - geltend zu machen (A. II. 1. bis 8. der Urteilsgründe). Die Geschäftspartner gingen dementsprechend von einem in der Branche üblichen Kauf von Adressdaten aus, der dazu diente, mit den entsprechenden Kunden zu eigenen Zwecken erneut Kontakt aufzunehmen ; hierfür werden üblicherweise zwischen 0,10 € und etwas über 1 € pro Datensatz bezahlt. Forderungen wurden in keinem Fall übertragen.
5
Unter Übermittlung der auf diese Weise erlangten Kundendaten beauftragte der Angeklagte zwischen März und November 2010 acht Inkassounternehmen mit der Geltendmachung der angeblich ihm zustehenden Forderungen (Fälle A. III. 1. bis 4. und 6. bis 9. der Urteilsgründe). In einem weiteren Fall (A. III. 5 der Urteilsgründe) beauftragte der (gutgläubige) Verantwortliche der C. GmbH das Inkassounternehmen; dieser Gesellschaft hatte der Angeklagte zuvor die - angeblich ihm zustehenden - Forderungen zur Eintreibung abgetreten, wobei ihm vertraglich 73,5 % der durch das Inkasso einge- henden Zahlungen zustanden. Um einen Forderungserwerb gegenüber den Inkassounternehmen nachweisen und um auf etwaige Beschwerden von Schuldnern reagieren zu können, benötigte der Angeklagte Schriftstücke, die den von ihm behaupteten Forderungserwerb (scheinbar) belegten. Daher legte er den acht Datenverkäufern im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit und/oder zeitlich nach der Datenübergabe von ihm - zuletzt unter Zuhilfenahme eines Rechtsanwaltes - gefertigte Dokumente vor, ohne seine wahre Absicht, einen Forderungserwerb zu erzielen, zu offenbaren. Diese Dokumente wurden von den Geschäftspartnern wiederholt unterzeichnet, oftmals ohne von deren genauem Inhalt im Einzelnen Kenntnis zu nehmen.
6
Die Inkassounternehmen versandten gutgläubig jeweils eine Vielzahl von Forderungsschreiben, auf die insgesamt Zahlungen in Höhe von 1.345.437,02 € geleistet wurden. Hiervon überwiesen sie - im Fall A. III. 5. der Urteilsgründe gemittelt über die C. GmbH - 658.591,17 € an den Angeklagten. Weitere 72.492,99 € standen zur Auszahlung an ihn bereit, als sein diesbezüglicher Anspruch von den Ermittlungsbehörden gepfändet wurde.
7
Das Landgericht hat das Vorgehen des Angeklagten als versuchten Betrug in mittelbarer Täterschaft in neun Fällen gewürdigt. Die Inkassounternehmen hätten als gutgläubige Werkzeuge die Verbraucher über die Forderungsinhaberschaft des Angeklagten getäuscht. Da nicht auszuschließen sei, dass die Angeschriebenen, die die Kammer nicht gehört hat, nur gezahlt hätten, um Ruhe vor weiteren, in der Sache als nicht gerechtfertigt erkannten Forderungsschreiben zu haben, sei jeweils nur von einem Versuch auszugehen gewesen.
8
II. Die Revision wendet sich im Umfang der Aufhebung erfolgreich gegen die Feststellung des Landgerichts, es seien in keinem Fall beim Ankauf von Kundendaten auch Forderungen abgetreten worden. Während hinsichtlich zweier Produkte aus dem Komplex A. II. 2. der Urteilsgründe das Urteil auf eine Verfahrensrüge aufzuheben ist, werden die Feststellungen bezüglich anderer Geschäftsvorgänge (Komplexe A. II. 5. und 7. der Urteilsgründe) bzw. eines einzelnen Produkts ("Allianz-Tipp ABO") von der Beweiswürdigung nicht getragen.
9
1. Bezüglich eines etwaigen Erwerbs von Forderungen aus den Produkten "Deutschland Tipp" und "Ihr Bonusvorteil" hat die Revision mit einer Rüge der Verletzung des § 261 StPO Erfolg. Das Landgericht hat sich insoweit nicht mit allen erhobenen Beweisen auseinandergesetzt und daher seine Überzeugung nicht aus dem vollständigen Inhalt der Beweisaufnahme geschöpft. Dem liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
10
In der Hauptverhandlung vom 28. Juni 2012 überreichte die Verteidigung eine E-Mail des Veräußerers P. H. vom 1. Juni 2010 an den Angeklagten , die sodann "allseits in Augenschein genommen wurde". Dieser Nachricht mit dem Text "Hallo W. , anbei die Rechnung mit der Bitte um schnellstmögliche Überweisung. Beste Grüße P. " war eine Rechnung der Firma des P. H. vom selben Tag an das Unternehmen M. des Angeklagten über "Kosten Inkassoauftrag für das Produkt Deutschland Tipp" in Höhe von 1.444,99 EUR beigefügt.
11
a) Die Rüge ist zulässig. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts war der Beschwerdeführer nicht gehalten vorzutragen, weshalb das Beweismittel zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung noch beweiserheblich war. Die Entscheidung, auf die der Generalbundesanwalt Bezug nimmt (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2002 - 5 StR 42/02, NJW 2003, 150, 152), betraf eine anders gelagerte Fallkonstellation. Dort ging es um gemäß § 254 StPO verlesene Vernehmungsniederschriften. Die darin enthaltenen Angaben der vernommenen Per- sonen stehen jedoch in unmittelbarer Wechselwirkung zu den Äußerungen dieser Personen in der Hauptverhandlung oder anderer dort erhobener Beweise, weshalb sich (vermeintliche) Widersprüche zwischen den Inhalten der verlesenen Vernehmungsniederschriften sowie zwischen diesen und den Urteilsgründen in der Hauptverhandlung zweifelsfrei geklärt haben können. Dann besteht kein Anlass mehr, diese in den Urteilsgründen näher zu erörtern; dies ist im Revisionsverfahren indes nicht rekonstruierbar. Um eine solche, in der angeführten Entscheidung ausdrücklich als Ausnahme bezeichnete Konstellation ging es vorliegend jedoch nicht. Der Nachricht lagen keine im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gewonnenen, retrospektiven Angaben zugrunde, sondern ihr Inhalt war selbst Teil des aufzuklärenden Geschehens und im Grundsatz geeignet, Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen H. in der Hauptverhandlung zu wecken (s. unten b)). Die Beurteilung der Revisionsrüge bedarf hier daher keiner unzulässigen Rekonstruktion der Hauptverhandlung.
12
Der Zulässigkeit der Rüge steht auch nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer - das Protokoll zutreffend wiedergebend - vorgetragen hat, die Urkunde sei in Augenschein genommen worden. Zwar werden durch diese Form der Beweiserhebung regelmäßig nur das Vorhandensein und die Beschaffenheit der Urkunde belegt, nicht aber ihr Inhalt; zu dessen Erfassung bedarf es grundsätzlich der Verlesung (BGH, Beschluss vom 13. April 1999 - 1 StR 107/99, NStZ 1999, 424). Diese strenge Differenzierung findet jedoch dann eine Grenze, wenn auch der gedankliche Inhalt der Urkunde quasi durch einen Blick auf diese erfasst wird. Erschließt sich - wie vorliegend - der Text bereits aus einem flüchtigen Betrachten, kann dessen Bedeutung nicht ausgeblendet werden und ist mithin Bestandteil der diesbezüglichen Beweisaufnahme.
13
b) Die Rüge ist auch begründet. Das Landgericht hätte sich vor dem Hintergrund , dass es die Angaben des Zeugen H. , der in seiner Vernehmung bekundet hatte, dass eine Abtretung von Forderungen zu keinem Zeitpunkt besprochen bzw. vereinbart worden sei, als glaubhaft erachtet hat, mit den Dokumenten auseinander setzen müssen, in denen von einem "Inkassoauftrag" die Rede ist und die daher für einen anderen Kenntnisstand des Zeugen sprechen könnten.
14
c) Auf diesem Unterlassen beruht das Urteil, soweit es um die Produkte "Deutschland Tipp" und "Ihr Bonusvorteil" geht. Dagegen kommt bezüglich des Produkts "Ihr Premium Anteil" ein Forderungsübergang unabhängig vom Vorstellungsbild des Zeugen H. schon deshalb nicht in Betracht, da dieser nicht Gläubiger der entsprechenden Forderungen war.
15
2. Im Fall A. III. 1. der Urteilsgründe hat die Strafkammer zu den von dem beauftragten Inkassounternehmen eingetriebenen Forderungen aus einem Produkt namens "Allianz-Tipp ABO" lediglich mitgeteilt, es existiere kein Vertrag über deren Abtretung. Soweit damit das Fehlen eines schriftlichen Vertrages angesprochen sein sollte, wäre dies zur Begründung der Feststellung, der Angeklagte sei nicht Forderungsinhaber geworden, nicht ausreichend, weil ein Schriftformerfordernis für Forderungsabtretungen nicht besteht. Es fehlt zudem jegliche Beweiswürdigung dazu, weshalb das Landgericht davon ausgegangen ist, dass der Angeklagte nicht Gläubiger dieser Forderungen geworden sei. Diese war auch nicht aus anderen Gründen entbehrlich: Zwar erscheint es aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs und der im Einzelnen mitgeteilten Datenübermittlung durch den Angeklagten an das Inkassounternehmen möglich, dass es sich insoweit tatsächlich um Forderungen aus dem Produkt "Tippallianz" (Komplex A. II. 1. der Urteilsgründe) handelte, die lediglich im Rahmen der Forderungsschreiben fälschlich eine andere Bezeichnung erhalten haben. Dem Urteil mit hinreichender Sicherheit entnehmen lässt sich dies indes nicht.
16
3. Die Feststellung, bei dem Erwerb von Datensätzen bezüglich des Produkts "Easywin" durch den Angeklagten von einer Person namens K. (Komplex A. II. 7. der Urteilsgründe) sei es nicht zu einer Abtretung bestehender Forderungen gekommen, beruht auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung. Insoweit hat das Landgericht - der Angeklagte hat von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht und der Verkäufer war nicht näher identifizierbar - einzig auf eine handschriftliche Erklärung des Inhalts "Hiermit übertrage ich die Gewinnspielkunden von Easywin mit allen Rechten an Herr . Fi. " abgestellt. Diese dokumentiere keine wirksame Forderungsabtretung, da nur von der Übertragung von Kunden die Rede und im Übrigen die Erklärung für eine wirksame Abtretung zu unbestimmt sei.
17
Dies hält revisionsrechtlicher Kontrolle nicht stand. Zum einen hätte sich das Landgericht bereits mit der - angesichts der Geschehensabläufe in den anderen festgestellten Fällen naheliegenden - Möglichkeit auseinandersetzen müssen, ob der schriftlichen Vereinbarung gegebenenfalls eine mündliche anderen Inhalts vorausgegangen sein könnte. Darüber hinaus durfte es nicht lediglich den Wortlaut der schriftlichen Erklärung zum Gegenstand seiner Auslegung machen; Berücksichtigung finden müssen auch die außerhalb des Erklärungsakts liegenden Begleitumstände, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (BGH, Urteil vom 19. Januar 2000 - VIII ZR 275/98, NJW-RR 2000, 1002, 1003 mwN; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 337 Rn. 32). Auch wenn die am Geschäft Beteiligten dem Landgericht nicht zur Verfügung standen, hätte es jedenfalls darstellen müssen, aufgrund welcher Anhaltspunkte es davon ausgegangen ist, dass Umstände, aufgrund derer von einer Forderungsabtretung auszugehen gewesen wäre, tatsächlich nicht gegeben waren.
18
Auch der weitere Hinweis der Strafkammer auf die vermeintlich fehlende Bestimmtheit einer etwaigen Abtretungserklärung (hierzu BGH, Urteil vom 7. Juni 2011 - VI ZR 260/10, NJW 2011, 2713) verfängt nicht, weil ein Schriftformerfordernis nicht besteht und schon deshalb auch diesbezüglich nicht allein auf den Wortlaut, sondern auf die Gesamtumstände abzustellen war. Darüber hinaus begegnet bei Abtretung einer Forderungsmehrheit die Abtretung "aller" Forderungen unter dem Gesichtspunkt der Bestimmbarkeit keinen Bedenken (Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 398 Rn. 15).
19
4. Auch zu dem unter A. II. 5. der Urteilsgründe dargestellten Erwerbsakt ist die Würdigung der Strafkammer, der Angeklagte habe keine Forderungen erworben, nicht frei von Rechtsfehlern. Da die Revision bereits mit der Sachrüge durchdringt, bedarf es eines Eingehens auf die zu diesem Komplex erhobenen Verfahrensrügen nicht.
20
Das Urteil kann insoweit schon deshalb keinen Bestand haben, weil das Landgericht sich nicht mit der Frage befasst hat, welches Recht auf die Verträge zwischen dem Angeklagten und dem seit 2005 gewöhnlich in der Türkei lebenden I. anzuwenden war. Die Anwendung deutschen Rechts wäre nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (im Folgenden: Rom-I-VO), die gemäß Art. 2 Rom-I-VO auch dann Anwendung findet, wenn es sich bei dem nach ihren Vorschriften maßgeblichen Recht nicht um das Recht eines Mitgliedstaates der Europäischen Union handelt, nur bei entsprechender Rechtswahl durch die Parteien bedenkenfrei. Feststellungen zu einer etwaigen Rechtswahl hat das Landgericht indes nicht getroffen.
21
Da das anzuwendende Recht nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. a) Rom-I-VO insbesondere auch für die Auslegung von Verträgen und damit auch der diesen zugrundeliegenden Erklärungen maßgebend ist, es sich bei der Auslegung von Erklärungen jedoch um eine ureigene Aufgabe des Tatrichters handelt (BGH, Beschluss vom 25. Juni 1952 - 5 StR 509/52, NJW 1952, 1186), ist es dem Senat verwehrt, die festgestellten Erklärungen des Angeklagten und des I. selbst nach türkischem Recht auszulegen, um festzustellen, ob unabhängig von der Frage des anzuwendenden Rechts unterschiedliche Ergebnisse ausgeschlossen werden könnten.
22
Darüber hinaus erweist sich die bei der Anwendung deutschen Rechts vorgenommene Beweiswürdigung durch das Landgericht als rechtsfehlerhaft. Die Überzeugung, der Angeklagte habe von I. keine Forderungen aus den jeweiligen Gewinnspielprodukten erworben, hat die Strafkammer im Wesentlichen auf die schriftlichen Vereinbarungen sowie den korrespondierenden E-Mail-Verkehr zwischen dem Angeklagten und dem Veräußerer sowie auf dessen schriftliche Angaben im Ermittlungsverfahren gestützt. Die Beweiswürdigung weist jedoch Lücken auf, weil die Strafkammer den Erklärungsinhalt zweier E-Mail-Nachrichten des I. an den Angeklagten vom 9. und 10. Juni 2010 nur teilweise ausgeschöpft hat. Während I. den Angeklagten in der ersten E-Mail aufforderte, das Inkasso bezüglich Forderungen aus den Produkten "Suberbonus49 und Tippallianz" sofort zu stoppen, teilte er am Folgetag mit, dass der Angeklagte mit den übrigen Produkten machen könne, was er wolle. Nicht zu beanstanden ist zwar die Schlussfolgerung des Landgerichts, dass der Nachrichteninhalt keinen Rückschluss auf das Vorstellungsbild des I. zum Zeitpunkt der Datenübergabe am 19. Mai 2010 zulasse. Es hätte sich jedoch darüber hinaus mit der sich aufdrängenden Möglichkeit auseinandersetzen müssen, dass in dem Schreiben vom 10. Juni 2010 eine Genehmigung der bis dahin unberechtigten Geltendmachung der Forderungen aus den übrigen Produkten durch den Angeklagten gemäß § 185 Abs. 2 BGB liegen könnte. Jedenfalls wäre der nachfolgende Vertrag vom 14. Juni 2010 im Lichte dieser Nachrichten und des Kenntnisstandes des I. auszulegen gewesen. Dass in diesem Vertrag die Produktnamen - was beiden bewusst war - zur Verschleierung gegenüber den Endkunden um ein Kürzel erweitert wurden, ließe das übereinstimmend Gewollte unberührt (falsa demonstratio non nocet).
23
5. Bezüglich der übrigen Produkte hält die Feststellung des Landgerichts , es sei zu keinem Zeitpunkt zu Forderungsabtretungen gekommen, der revisionsrechtlichen Kontrolle in materiell-rechtlicher Hinsicht stand. Die Auslegung der mündlichen und schriftlichen Erklärungen unter Berücksichtigung der jeweiligen Begleitumstände hält sich im Rahmen des dem Tatrichter obliegenden Beurteilungsspielraums.
24
Auch die weiteren Verfahrensrügen dringen nicht durch. Hinsichtlich der Produkte "Winteam 77" und "Tippallianz" (Komplex A. II. 1. der Urteilsgründe) gilt dies schon deshalb, weil nach den insoweit rechtfehlerfrei getroffenen Feststellungen der Verkäufer dieser Datensätze nicht Gläubiger etwaiger Forderungen war, so dass Beanstandungen mit dem Ziel, deren Erwerb durch den Angeklagten zu belegen, ins Leere laufen. Den übrigen Rügen bleibt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts der Erfolg versagt.
25
III. Die aufgezeigten Fehler schlagen nur in den Fällen auf den Schuldspruch durch, in denen ein Inkassounternehmen ausschließlich Forderungen eingetrieben hat, die Gegenstand der diesbezüglichen Geschäfte waren. Dies betrifft die Fälle A. III. 3., 4. und 5., in denen jeweils Forderungen aus lediglich einem von dem Zeugen I. erworbenen Gewinnspielprodukt eingetrieben wurden und der Senat die Möglichkeit eines Forderungskaufs schon wegen der fehlenden Feststellung des anzuwendenden Rechts nicht beurteilen kann. Mit aufzuheben sind die zugehörigen Feststellungen, zu denen auch diejenigen zu dem Erwerbsakt von dem Verkäufer I. bezogen auf die Gewinnspielprodukte "Superbonus49", "Maxxikombi 100" und "Bonusrunde 100" zählen (Komplex A. II. 5. der Urteilsgründe). In den übrigen abgeurteilten Fällen kann der Schuldspruch bestehen bleiben, weil ihnen jeweils auch das Inkasso von Forderungen zugrunde liegt, deren Gläubiger der Angeklagte nach den insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts nicht geworden ist.
26
In den Fällen A. III. 1. (bezüglich der Produkte "Easywin", "Ihr Bonusvorteil" , "Deutschland Tipp", "Allianz-Tipp ABO" und "Maxxikombi 100"), A. III. 2. (bezüglich der Produkte "Superbonus49", "Bonusrunde 100" und "Maxxikombi 100"), und A. III. 8. (bezüglich der Produkte "Tippallianz", "Max Vorteilsgemeinschaft" , "Deutschland sucht den Supermillionär" und "Hol' Dir den Preis") ist aufgrund der aufgezeigten Rechtsfehler allerdings der Strafausspruch nebst den Feststellungen zu den Erwerbsakten unter A. II. 2., 5. und 7. sowie - bezogen auf das Produkt "Allianz Tipp ABO" - A. III. 1. der Urteilsgründe aufzuheben. Die übrigen Feststellungen zu diesen Strafaussprüchen sind dagegen rechtsfehlerfrei getroffen und können daher bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Die Einzelstrafen in den Fällen A. III. 6. (zwei Jahre und sechs Monate), A. III. 7. (drei Jahre und sechs Monate) und A. III. 9. (zwei Jahre und drei Monate ) haben hingegen Bestand. Die Aufhebung eines Teils der Einzelstrafen zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.
27
IV. Da die aufgezeigten Rechtsfehler sich auf die Bestimmung des aus der Tat Erlangten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB (zu diesem Erfordernis in der Konstellation des Versuchs BGH, Urteil vom 29. Juni 2010 - 1 StR 245/09, wistra 2010, 477, 478 f.) erstrecken, muss auch die Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO aufgehoben werden. Dabei ist mit Blick auf § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB - entgegengesetzt zu der Interessenlage des Angeklagten bei der Frage nach der Vollendung des Betruges - davon auszugehen, dass die jeweiligen Kunden irrtumsbedingt gezahlt haben.
28
Die Feststellung kann auch nicht in Höhe von 560.263,28 € aufrecht- erhalten werden. Allerdings sind die Feststellungen zu dem aus den Taten A. III. 6., 7. und 9. Erlangten rechtsfehlerfrei getroffen worden. Jedoch hat die Kammer es versäumt, sich mit der Regelung des § 73c StGB auseinanderzusetzen , was auch im Rahmen einer Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO grundsätzlich geboten ist (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 44 mwN). Zwar ist den Urteilsgründen zu entnehmen, dass der Angeklagte über Vermögenswerte verfügt. Deren Umfang hat das Landgericht indes nicht dargestellt; dies wäre jedoch im Hinblick auf den erheblichen Betrag erforderlich gewesen, der von der Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO umfasst wurde.
Becker Pfister Schäfer Mayer Gericke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 298/06
vom
22. September 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. September 2006 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Ravensburg vom 3. Februar 2006 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Der Angeklagte wurde wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Nach den Feststellungen der Strafkammer hat er 1997 in Brasilien seine ehemalige Lebensgefährtin gewaltsam getötet, da sie seinen Plänen, bei seinem Umzug nach Deutschland die gemeinsame Tochter und sein ungeschmälertes Vermögen mit sich zu nehmen, im Wege stand.
2
Seine auf mehrere Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

3
Der näheren Ausführung bedarf nur Folgendes:
4
1. Nach den Feststellungen der Strafkammer hat der Angeklagte nach der Tat die Leiche zerstückelt und Teile davon im Wald entsorgt, wo Knochen von ihr in einem Plastiksack gefunden wurden. Zuvor hatte er von den Knochen das Muskelfleisch entfernt, um aus von der Strafkammer im Einzelnen näher dargelegten Gründen die Identifizierung der Leiche zu erschweren. Dass das Muskelfleisch entfernt worden war, hat ein Sachverständiger ausweislich der Urteilsgründe im Rahmen seines Gutachtens „anhand der Lichtbilder, aber auch anhand des verlesenen brasilianischen rechtsmedizinischen Gutachtens“ dargelegt.
5
2. Hierauf gestützt, trägt die Revision vor, das Gutachten sei nicht verlesen worden. Sie verweist dabei auch darauf, dass sich aus dem Protokoll der Hauptverhandlung nichts anderes ergebe.
6
3. Dieses Vorbringen genügt den Anforderungen von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Der Senat teilt nicht die Auffassung, die Rüge scheitere an unzureichendem Vortrag, da das Protokoll der Hauptverhandlung nicht mitgeteilt sei.
7
Grundsätzlich genügt es für die Zulässigkeit einer Verfahrensrüge, dass die den Mangel begründenden Tatsachen vollständig vorgetragen werden. Dagegen ist ihre Glaubhaftmachung, etwa durch die Angabe von Beweismitteln und Aktenstellen, aus denen sich diese Tatsachen ergeben, nicht erforderlich (BGH NStZ-RR 2003, 334 ; in vergleichbarem Sinne BGH bei Pfeiffer NStZ 1982, 191; vgl. auch Kuckein in KK 5. Aufl. § 344 Rdn. 41). Der Vortrag, eine Urkunde sei nicht verlesen worden, ist vollständig. Zur Prüfung seiner Schlüssigkeit - nicht: seiner Richtigkeit - bedarf es des Rückgriffs auf das Protokoll nicht. Besondere Umstände, die in diesem Zusammenhang gleichwohl weitergehende Ausführungen unerlässlich machen könnten, sind nicht erkennbar. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erforderte daher nicht die Beifügung (von Ablichtungen ) des Protokolls, das sich hier, ohne seine zahlreichen Anlagen, über beinahe 40 Seiten erstreckt.
8
4. Darüber hinaus hat der Generalbundesanwalt erwogen, ob das Gutachten auf anderem Wege, etwa durch Verlesung im Rahmen eines Vorhalts, zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden sein kann (vgl. Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl. § 261 Rdn. 38a m. w. N.). Jedoch hat die Strafkammer - obwohl verfahrensrechtliche Ausführungen wie etwa zum Rechtsgrund einer Beweiserhebung in den Urteilsgründen nicht geboten sind - ausdrücklich auf das „verlesene“ Gutachten abgestellt. Der Senat kann offen lassen , ob gleichwohl der vorliegenden Rüge mit dem Hinweis der Boden entzogen werden kann, über das Gutachten könne statt durch Verlesung auch durch die Antwort auf einen Vorhalt Beweis erhoben worden sein (verneinend in einem etwas anders gelagerten Fall BGH, Beschluss vom 11. Mai 1983 - 2 StR 66/83; vgl. auch Schoreit in KK 5. Aufl. § 261 Rdn. 24).
9
5. Selbst für den Fall, dass der Inhalt des brasilianischen Gutachtens nicht prozessordnungsgemäß zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden sein sollte, wäre nämlich ein Beruhen des Urteils auf diesem Rechtsfehler zu verneinen.
10
a) Wie die Urteilsgründe ergeben, hat der Sachverständige in der Hauptverhandlung den Inhalt des brasilianischen Gutachtens behandelt und erläutert. Ist aber der Inhalt eines Schriftstücks in der Hauptverhandlung erörtert und ist auch nicht bestritten worden, dass das Schriftstück diesen Inhalt hat - hierfür ist nichts ersichtlich - so kann schon deshalb das Urteil regelmäßig nicht darauf beruhen, dass das Schriftstück nicht verlesen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 1957 - 4 StR 165/57; OLG Düsseldorf StV 1995, 120, 121 m. w. N.; Diemer in KK 5. Aufl. § 249 Rdn. 52).
11
b) Im Übrigen hatte der Angeklagte die Tat zeitnah seinem Sohn gestanden , sonst aber behauptet, die Getötete habe ihn mit einem anderen Mann ver- lassen. Erst im Lauf der Hauptverhandlung hat er dann angesichts einer im Einzelnen im Urteil dargelegten „erdrückend gewordenen Beweislage“ immerhin eingeräumt, dass sie gewaltsam zu Tode gekommen sei. Sie habe nämlich versucht , ihn, den Angeklagten zu ermorden, sein Leibwächter habe ihn gerettet und sie getötet. Anschließend sei die Leiche zerstückelt und im Wald entsorgt worden. Er sei dabei gewesen. Unter den gegebenen Umständen ergibt eine Gesamtschau der Urteilsgründe ohne weiteres, dass die Ausführungen zu der Entfernung des Muskelfleischs und den Gründen hierfür nur ein zusätzliches bestätigendes Indiz aufzeigen, von dem die Überzeugungsbildung der Strafkammer hinsichtlich der Täterschaft des Angeklagten nicht abhing (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 – 1 StR 407/05; Beschluss vom 13. September 2001 - 1 StR 378/01; Urteil vom 16. Juli 1981 - 4 StR 336/81; Kuckein in KK 5. Aufl. § 337 Rdn. 38 m. w. N.).

II.

12
Auch im Übrigen hat die auf Grund der Revisionsrechtfertigung gebotene Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts, die auch durch die Erwiderungen der Revision (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) nicht entkräftet sind. Nack Wahl Boetticher Kolz Elf

(1) Über die Aussetzung einer Hauptverhandlung oder deren Unterbrechung nach § 229 Abs. 2 entscheidet das Gericht. Kürzere Unterbrechungen ordnet der Vorsitzende an.

(2) Eine Verhinderung des Verteidigers gibt, unbeschadet der Vorschrift des § 145, dem Angeklagten kein Recht, die Aussetzung der Verhandlung zu verlangen.

(3) Ist die Frist des § 217 Abs. 1 nicht eingehalten worden, so soll der Vorsitzende den Angeklagten mit der Befugnis, Aussetzung der Verhandlung zu verlangen, bekanntmachen.

(1) Eine Hauptverhandlung darf bis zu drei Wochen unterbrochen werden.

(2) Eine Hauptverhandlung darf auch bis zu einem Monat unterbrochen werden, wenn sie davor jeweils an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat.

(3) Hat eine Hauptverhandlung bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden, so ist der Lauf der in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen gehemmt, solange

1.
ein Angeklagter oder eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen Krankheit oder
2.
eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen gesetzlichen Mutterschutzes oder der Inanspruchnahme von Elternzeit
nicht zu der Hauptverhandlung erscheinen kann, längstens jedoch für zwei Monate. Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen enden frühestens zehn Tage nach Ablauf der Hemmung. Beginn und Ende der Hemmung stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluß fest.

(4) Wird die Hauptverhandlung nicht spätestens am Tage nach Ablauf der in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Frist fortgesetzt, so ist mit ihr von neuem zu beginnen. Ist der Tag nach Ablauf der Frist ein Sonntag, ein allgemeiner Feiertag oder ein Sonnabend, so kann die Hauptverhandlung am nächsten Werktag fortgesetzt werden.

(5) Ist dem Gericht wegen einer vorübergehenden technischen Störung die Fortsetzung der Hauptverhandlung am Tag nach Ablauf der in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Frist oder im Fall des Absatzes 4 Satz 2 am nächsten Werktag unmöglich, ist es abweichend von Absatz 4 Satz 1 zulässig, die Hauptverhandlung unverzüglich nach der Beseitigung der technischen Störung, spätestens aber innerhalb von zehn Tagen nach Fristablauf fortzusetzen. Das Vorliegen einer technischen Störung im Sinne des Satzes 1 stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluss fest.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 4 0 8 / 1 3
vom
20. März 2014
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 20. März 2014 einstimmig

beschlossen:
Die Revision desAngeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 5. Juli 2013 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat: Die Rüge der Verletzung des § 229 Abs. 4 Satz 1 StPO bleibt ohne Erfolg. Denn selbst wenn - wie von der Revision geltend gemacht - an den Hauptverhandlungstagen vom 30. Mai 2013 und 7. Juni 2013 nicht zur Sache verhandelt worden wäre, wäre die Unterbrechungsfrist des § 229 Abs. 1 StPO bei Fortsetzung der Hauptverhandlung nicht abgelaufen gewesen. Die Fristen des § 229 StPO stellen keine Fristen im Sinne der §§ 42, 43 StPO dar. Weder der Tag, an dem die Unterbrechung angeordnet wird, noch derjenige, an dem die Verhandlung wieder aufgenommen wird, sind in die Frist einzuberechnen (LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 229 Rn 6). Vor dem 30. Mai 2013 war zuletzt am Donnerstag, den 16. Mai 2013, verhandelt worden, so dass die Unterbre- chungsfrist am Freitag, den 17. Mai 2013, zu laufen begann und am Freitag, den 7. Juni 2013, endete. Da der 8. Juni 2013, an dem nach § 229 Abs. 4 Satz 1 StPO die Hauptverhandlung hätte fortgesetzt werden müssen, ein Samstag war, musste nach § 229 Abs. 4 Satz 2 StPO die Hauptverhandlung erst am Montag, den 10. Juni 2013, wieder aufgenommen werden. Dies ist auch geschehen.
Becker Hubert Schäfer Gericke Spaniol

(1) Eine Hauptverhandlung darf bis zu drei Wochen unterbrochen werden.

(2) Eine Hauptverhandlung darf auch bis zu einem Monat unterbrochen werden, wenn sie davor jeweils an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat.

(3) Hat eine Hauptverhandlung bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden, so ist der Lauf der in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen gehemmt, solange

1.
ein Angeklagter oder eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen Krankheit oder
2.
eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen gesetzlichen Mutterschutzes oder der Inanspruchnahme von Elternzeit
nicht zu der Hauptverhandlung erscheinen kann, längstens jedoch für zwei Monate. Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen enden frühestens zehn Tage nach Ablauf der Hemmung. Beginn und Ende der Hemmung stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluß fest.

(4) Wird die Hauptverhandlung nicht spätestens am Tage nach Ablauf der in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Frist fortgesetzt, so ist mit ihr von neuem zu beginnen. Ist der Tag nach Ablauf der Frist ein Sonntag, ein allgemeiner Feiertag oder ein Sonnabend, so kann die Hauptverhandlung am nächsten Werktag fortgesetzt werden.

(5) Ist dem Gericht wegen einer vorübergehenden technischen Störung die Fortsetzung der Hauptverhandlung am Tag nach Ablauf der in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Frist oder im Fall des Absatzes 4 Satz 2 am nächsten Werktag unmöglich, ist es abweichend von Absatz 4 Satz 1 zulässig, die Hauptverhandlung unverzüglich nach der Beseitigung der technischen Störung, spätestens aber innerhalb von zehn Tagen nach Fristablauf fortzusetzen. Das Vorliegen einer technischen Störung im Sinne des Satzes 1 stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluss fest.

(1) Über die Aussetzung einer Hauptverhandlung oder deren Unterbrechung nach § 229 Abs. 2 entscheidet das Gericht. Kürzere Unterbrechungen ordnet der Vorsitzende an.

(2) Eine Verhinderung des Verteidigers gibt, unbeschadet der Vorschrift des § 145, dem Angeklagten kein Recht, die Aussetzung der Verhandlung zu verlangen.

(3) Ist die Frist des § 217 Abs. 1 nicht eingehalten worden, so soll der Vorsitzende den Angeklagten mit der Befugnis, Aussetzung der Verhandlung zu verlangen, bekanntmachen.

(1) Eine Hauptverhandlung darf bis zu drei Wochen unterbrochen werden.

(2) Eine Hauptverhandlung darf auch bis zu einem Monat unterbrochen werden, wenn sie davor jeweils an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat.

(3) Hat eine Hauptverhandlung bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden, so ist der Lauf der in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen gehemmt, solange

1.
ein Angeklagter oder eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen Krankheit oder
2.
eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen gesetzlichen Mutterschutzes oder der Inanspruchnahme von Elternzeit
nicht zu der Hauptverhandlung erscheinen kann, längstens jedoch für zwei Monate. Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen enden frühestens zehn Tage nach Ablauf der Hemmung. Beginn und Ende der Hemmung stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluß fest.

(4) Wird die Hauptverhandlung nicht spätestens am Tage nach Ablauf der in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Frist fortgesetzt, so ist mit ihr von neuem zu beginnen. Ist der Tag nach Ablauf der Frist ein Sonntag, ein allgemeiner Feiertag oder ein Sonnabend, so kann die Hauptverhandlung am nächsten Werktag fortgesetzt werden.

(5) Ist dem Gericht wegen einer vorübergehenden technischen Störung die Fortsetzung der Hauptverhandlung am Tag nach Ablauf der in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Frist oder im Fall des Absatzes 4 Satz 2 am nächsten Werktag unmöglich, ist es abweichend von Absatz 4 Satz 1 zulässig, die Hauptverhandlung unverzüglich nach der Beseitigung der technischen Störung, spätestens aber innerhalb von zehn Tagen nach Fristablauf fortzusetzen. Das Vorliegen einer technischen Störung im Sinne des Satzes 1 stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluss fest.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.