Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Mai 2015 - 1 StR 578/14

bei uns veröffentlicht am20.05.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 5 7 8 / 1 4
vom
20. Mai 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Bestechlichkeit u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Mai 2015 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO, § 355 StPO analog beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 12. Juni 2014
a) in den Fällen 7 und 8 der Urteilsgründe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und
b) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte wegen Bestechlichkeit in sechs Fällen schuldig ist. 2. Die Sache wird, soweit sie die Fälle 7 und 8 der Urteilsgründe betrifft, an das Amtsgericht Hannover verwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen. 4. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bestechlichkeit in sechs Fällen sowie wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Im Hinblick auf eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung hat es ausgesprochen, dass hiervon drei Monate als vollstreckt gelten. Zudem hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 63.149,65 Euro angeordnet. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungs- formel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Steuerhinterziehung (Fälle 7 und 8 der Urteilsgründe, UA S. 71 ff.) hat wegen eines bestehenden Verfahrenshindernisses keinen Bestand. Das Landgericht Hannover war insoweit für die Entscheidung nicht zuständig.
3
Den Tatvorwürfen der Steuerhinterziehung lag eine Anklage an das Amtsgericht Hannover vom 31. Juli 2013 – 4242 Js – zugrunde. Zwar hat das Landgericht Hildesheim das beim Amtsgericht Hannover anhängige Verfahren übernommen, durch Beschluss vom 3. Februar 2014 zu dem bei ihm wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit gegen den Angeklagten anhängigen Verfahren verbunden und das Verfahren insoweit auch eröffnet. Der bezüglich der übernommenen Sache erlassene Eröffnungsbeschluss entbehrt jedoch – da die Anklage an das Amtsgericht Hannover gerichtet war – der notwendigen Grundlage. Er ist gegenstandslos und die Verbindung unwirksam (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Juli 2013 – 3 StR 166/13, wistra 2013, 473; vom 25. April 2007 – 2 StR 25/07, wistra 2007, 306; vom 7. April 2005 – 3 StR 347/04, NStZ 2005, 464 und vom 26. Juli 1995 – 2 StR 74/95, BGHR StPO § 4 Verbindung 9 mwN).
4
Die Verbindung von Strafsachen, die nicht nur die örtliche, sondern auch die sachliche Zuständigkeit betrifft, kann nicht durch eine Vereinbarung der beteiligten Gerichte nach § 13 Abs. 2 Satz 1 StPO geschehen. Eine solche Verbindung kann vielmehr in den Fällen, in denen – wie hier – die verschiedenen Gerichte nicht alle zu dem Bezirk des ranghöheren gehören, nur durch Entscheidung des gemeinschaftlichen oberen Gerichts – hier des Oberlandesgerichts Celle – herbeigeführt werden (§ 4 Abs. 2 Satz 2 StPO; vgl. BGH aaO).
Daran fehlt es. Die Sache ist hinsichtlich der Tatvorwürfe der Steuerhinterziehung nicht bei dem Landgericht Hildesheim rechtshängig geworden.
5
Es besteht daher hinsichtlich dieser Taten ein Verfahrenshindernis, das zwar zu einer entsprechenden Teilaufhebung, nicht jedoch zur Verfahrenseinstellung führt, da die Rechtshängigkeit des Verfahrens bei dem Amtsgericht Hannover fortbesteht (vgl. BGH aaO). Das Verfahren ist danach noch beim Amtsgericht Hannover anhängig, das wegen der Gegenstandslosigkeit des Eröffnungsbeschlusses auch noch über die Eröffnung des Verfahrens zu entscheiden hat. Da die Prozessvoraussetzung der sachlichen Zuständigkeit nach § 6 StPO von Amts wegen zu beachten ist und eine Nachholung der Verbindungsentscheidung durch den Senat nicht erfolgen konnte (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 12. März 2014 – 4 StR 562/13), ist die Sache daher, soweit sie die Fälle 7 und 8 der Urteilsgründe betrifft, entsprechend § 355 StPO an das Amtsgericht Hannover zu verweisen.
6
2. Das Verfahrenshindernis zieht die Teilaufhebung des Urteils in den Fällen 7 und 8 der Urteilsgründe und die entsprechende Abänderung des Schuldspruchs nach sich. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils weder zum Schuldspruch noch zum Rechtsfolgenausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
7
3. Trotz der Aufhebung der Verurteilung in den Fällen 7 und 8 der Urteilsgründe hat die Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten Bestand.
8
Die übrigen Einzelstrafen sind jeweils rechtsfehlerfrei festgesetzt; vom Wegfall der Einzelstrafen in den Fällen 7 und 8 der Urteilsgründe sind sie nicht beeinflusst. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht ohne die für die Steuerdelikte verhängten Einzelgeldstrafen von 30 bzw. 120 Tagessätzen zu je 65 Euro zu einer niedrigeren Gesamtfreiheitsstrafe als drei Jahre und drei Monate gelangt wäre. Damit beruht der Strafausspruch nicht auf dem Rechtsfehler (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 7. April 2005 – 3 StR 347/04, NStZ 2005, 464 und vom 25. Juli 2001 – 2 StR 290/01).
9
Der Angeklagte ist auch nicht dadurch beschwert, dass durch die Senatsentscheidung die vom Landgericht Hildesheim verhängte Gesamtfreiheitsstrafe rechtskräftig wird, obwohl das Verfahren wegen der Tatvorwürfe in den Fällen 7 und 8 der Urteilsgründe noch nicht abgeschlossen ist. Zwar wäre das Amtsgericht Hannover, an welches das Verfahren wegen dieser Taten verwiesen wird, nicht gehindert, bei Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten diesen wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu verurteilen und dafür Einzelstrafen zu verhängen (vgl. § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO). Indes müsste sodann – unter Auflösung der durch die vorliegende Entscheidung rechtskräftig gewordenen Gesamtfreiheitsstrafe – erneut eine Gesamtfreiheitsstrafe aus der vom Amtsgericht Hannover neu verhängten und den sechs rechtskräftigen Einzelstrafen gebildet werden. Diese könnte wegen § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO wiederum nicht höher sein als drei Jahre und drei Monate (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2005 – 3 StR 347/04, NStZ 2005, 464).
10
Das Verbot der Schlechterstellung schützt somit den Angeklagten, der allein Revision eingelegt hat, vor einer höheren Bestrafung. Es lässt auch eine Verfahrenseinstellung vor dem Amtsgericht Hannover nach § 154 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO als sachdienlich erscheinen – eine Entscheidung, die der Senat selbst nicht treffen kann, da die Sache insoweit nicht bei ihm anhängig geworden ist.
11
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 4 StPO. Der Erfolg des Rechtsmittels besteht allein darin, dass die Verurteilung wegen zweier von acht Taten aufgehoben wird, ohne dass sich dies auf den Gesamtstrafausspruch auswirkt. Dieser geringfügige Erfolg lässt es nicht unbillig erscheinen , den Angeklagten mit den gesamten Kosten des Verfahrens zu belasten (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2005 – 3 StR 347/04).
Rothfuß Jäger Radtke
Mosbacher Fischer

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafprozeßordnung - StPO | § 358 Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung


(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte

Strafprozeßordnung - StPO | § 4 Verbindung und Trennung rechtshängiger Strafsachen


(1) Eine Verbindung zusammenhängender oder eine Trennung verbundener Strafsachen kann auch nach Eröffnung des Hauptverfahrens auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten oder von Amts wegen durch gerichtlichen Beschluß angeordnet werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 13 Gerichtsstand bei zusammenhängenden Strafsachen


(1) Für zusammenhängende Strafsachen, die einzeln nach den Vorschriften der §§ 7 bis 11 zur Zuständigkeit verschiedener Gerichte gehören würden, ist ein Gerichtsstand bei jedem Gericht begründet, das für eine der Strafsachen zuständig ist. (2) Sind

Strafprozeßordnung - StPO | § 6 Prüfung der sachlichen Zuständigkeit


Das Gericht hat seine sachliche Zuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen.

Strafprozeßordnung - StPO | § 355 Verweisung an das zuständige Gericht


Wird ein Urteil aufgehoben, weil das Gericht des vorangehenden Rechtszuges sich mit Unrecht für zuständig erachtet hat, so verweist das Revisionsgericht gleichzeitig die Sache an das zuständige Gericht.

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Wird ein Urteil aufgehoben, weil das Gericht des vorangehenden Rechtszuges sich mit Unrecht für zuständig erachtet hat, so verweist das Revisionsgericht gleichzeitig die Sache an das zuständige Gericht.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 166/13
vom
11. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 11. Juli 2013 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4, § 355 analog StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bückeburg vom 30. Januar 2013 - soweit es ihn betrifft -
a) mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben aa) in den Fällen II. Tat 1 bis 4 der Urteilsgründe und bb) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe;
b) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen Diebstahls in zehn Fällen verurteilt ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
a) soweit sie die Fälle II. Tat 1 bis 4 der Urteilsgründe betrifft , an das Amtsgericht Hameln verwiesen,
b) soweit aus den Einzelstrafen der Fälle II. 5 bis 9 und 11 bis 15 der Urteilsgründe eine neue Gesamtstrafe zu bilden ist und auch hinsichtlich der Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts Bückeburg zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in 14 Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, wirksam auf den Strafausspruch beschränkte, auf die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung in den Fällen II. Tat 1 bis 4 der Urteilsgründe (Taten vom 3. bis 10. Januar 2012, 4. Februar 2012, 24. bis 27. Februar 2012 und 10. bis 18. März 2012) kann wegen eines insoweit bestehenden Verfahrenshindernisses nicht bestehen bleiben. Das Landgericht Bückeburg war für die Entscheidung nicht zuständig.
3
Diese vier Taten hat die Staatsanwaltschaft Hannover am 2. Juli 2012 bei dem - zum Landgerichtsbezirk Hannover gehörigen - Amtsgericht Hameln angeklagt, das die Sache dem Landgericht Bückeburg zur Übernahme vorgelegt hat. Dieses hat die Anklage durch Beschluss vom 8. Oktober 2012 zugelassen und das Verfahren mit dem bei ihm anhängigen, bereits eröffneten Verfahren gegen den Angeklagten verbunden. Die Eröffnung ist gegenstandslos und die Verbindung unwirksam (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2005 - 3 StR 347/04, NStZ 2005, 464 und Beschluss vom 26. Juli 1995 - 2 StR 74/95, NStZ 1996, 47 jew. mwN).
4
Die Verbindung von Strafsachen, die nicht nur die örtliche, sondern auch die sachliche Zuständigkeit betrifft, kann nicht durch eine Vereinbarung der beteiligten Gerichte nach § 13 Abs. 2 Satz 1 StPO geschehen. Eine solche Verbindung kann vielmehr in den Fällen, in denen - wie hier - die verschiedenen Gerichte nicht alle zu dem Bezirk des ranghöheren gehören, nur durch Entscheidung des gemeinschaftlichen oberen Gerichts - hier des Oberlandesgerichts Celle - herbeigeführt werden (§ 4 Abs. 2 Satz 2 StPO; vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 4 Rn. 14). Daran fehlt es. Die Sache ist insoweit nicht bei dem Landgericht Bückeburg rechtshängig geworden. Es besteht daher hinsichtlich dieser Taten ein Verfahrenshindernis, das zwar zu einer entsprechenden Teilaufhebung des Urteils, nicht jedoch zur Verfahrenseinstellung führt, da die Rechtshängigkeit des Verfahrens bei dem Amtsgericht Hameln fortbesteht, eine Einstellung dieses Verfahren beenden würde und danach kein Raum für eine Sachentscheidung, gleich welchen Gerichts, bliebe. Das Verfahren ist danach noch bei dem Amtsgericht Hameln anhängig, das wegen der Gegenstandslosigkeit des Eröffnungsbeschlusses des Landgerichts auch noch über die Eröffnung des Verfahrens zu entscheiden hat. Die Sache ist daher, soweit sie die Fälle II. Tat 1 bis 4 der Urteilsgründe betrifft, entsprechend § 355 StPO an das Amtsgericht Hameln zu verweisen.
5
2. Die Teilaufhebung des Urteils bedingt die Änderung des Schuldspruches.
6
3. Der Wegfall der entsprechenden vier Einzelstrafen zieht die Aufhebung des Ausspruches über die Gesamtstrafe nach sich. Insoweit ist die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO), die aus den übrigen den Angeklagten betreffenden zehn Einzelstrafen (II. Taten 5 bis 9 und 11 bis 15 der Urteilsgründe), die rechtsfehlerfrei festgesetzt sind und Bestand haben, eine neue Gesamtstrafe zu bilden hat.
7
Für den Fall einer Verurteilung des Angeklagten in dem an das Amtsgericht Hameln verwiesenen Verfahren und Bildung einer Gesamtstrafe mit den verbliebenen zehn Einzelstrafen des vorliegend angefochtenen Urteils wird auf das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) hingewiesen.
Becker Pfister Hubert
Mayer Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 25/07
vom
25. April 2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Betrugs
zu 2.: Beihilfe zur Untreue
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 25. April 2007 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21. Juni 2006, soweit es ihn betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte im Fall 2 der Urteilsgründe wegen Betrugs zu einer Einzelfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang dieser Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an das Amtsgericht - Schöffengericht - Limburg an der Lahn zurückverwiesen. 3. Auf die im Fall 1 der Urteilsgründe gegen den Angeklagten S. verhängte Freiheitsstrafe ist die in der Dominikanischen Republik erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 3:1 anzurechnen. 4. Auf die Revision des Angeklagten E. wird das vorgenannte Urteil, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 5. Im Umfang dieser Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit- tels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 6. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden als unbegründet verworfen.

Gründe:

1
1. Hinsichtlich des vom Landgericht gegen den Angeklagten S. als Fall 2 der Urteilsgründe abgeurteilten Sachverhalts bestand, wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat, das Verfahrenshindernis fehlender gerichtlicher Zuständigkeit, das vom Senat gemäß § 6 StPO von Amts wegen zu berücksichtigen ist (BGHR StPO § 4 Verbindung 9, 12; BGH, Beschluss vom 9. Mai 2000 - 4 StR 105/00; Senatsbeschluss vom 8. August 2001 - 2 StR 285/01). Der Verbindungsbeschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21. Juli 2005 war unwirksam, weil die Verbindung auch die sachliche Zuständigkeit betraf und daher von dem gemeinschaftlichen oberen Gericht hätte vorgenommen werden müssen (§ 4 Abs. 2 StPO). Die Sache ist insoweit daher bei dem Amtsgericht - Schöffengericht - Limburg an der Lahn rechtshängig geblieben , das das Hauptverfahren eröffnet hat; an dieses ist sie in entsprechender Anwendung des § 355 StPO zurückzuverweisen (BGH, Beschluss vom 21. März 2000 - 1 StR 609/99).
2
2. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils gegen den Angeklagten S. einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben. Die vom Landgericht nur in den Urteilsgründen dargelegte, im Übrigen rechtsfehlerfreie Anordnung der Anrechnung von in der Dominikanischen Republik erlittener Auslieferungshaft im Verhältnis 3:1 gemäß § 51 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 StGB war zur Klarstellung in die Entscheidungsformel aufzunehmen.
3
3. Auch hinsichtlich des Angeklagten E. hält der Schuldspruch wegen Beihilfe zur Untreue im Fall 1 der Urteilsgründe im Ergebnis rechtlicher Überprüfung stand.
4
Die Beweiswürdigung, auf welche das Landgericht seine Annahme gestützt hat, der Angeklagte habe den Haupttäter W. in dessen Entschluss bestärkt , entgegen seiner Vermögensbetreuungspflicht Geldanlagen mit Mitteln der Fa. F. bei dem (angeblichen) Investmentunternehmen des Angeklagten S. vorzunehmen, begegnet im Ergebnis keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Schlussfolgerungen des Landgerichts sind möglich und nahe liegend; zwingend müssen sie nicht sein.
5
Zum Vorsatz des Angeklagten hat das Landgericht ausdrücklich nur festgestellt , dieser habe es für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen, dass der Haupttäter W. seine Vermögensbetreuungspflicht verletze (UA S. 3, 17, 94/95), er habe aber ebenso wie W. "damit (gerechnet), dass das angelegte Kapital wieder zu F. zurückkommen werde" (UA S. 110, 125). Damit ist jedenfalls nur der Vorsatz eines Gefährdungsschadens festgestellt.
6
Soweit die Feststellungen des Landgerichts einen ausdrücklichen Hinweis auf das Vorstellungsbild des Haupttäters W. und des Angeklagten E. als dessen Gehilfen hinsichtlich des der Fa. F. entstandenen Vermögensnachteils vermissen lassen, ergibt sich mit hinreichender Sicherheit aus dem Zusammenhang der Feststellungen, dass der Vorsatz beider Beteiligten (auch) den Eintritt einer konkreten Vermögensgefährdung umfasste. Anders als in dem dem Senatsurteil vom 18. Oktober 2006 - 2 StR 499/05, zur Veröffentlichung in BGHSt 51, 100 bestimmt - zugrunde liegenden Fall lag hier auch, entgegen den missverständlichen Formulierungen des Landgerichts, nicht nur der bedingte Vorsatz eines Gefährdungsschadens vor; vielmehr war nach den Feststellungen ersichtlich direkter Vorsatz gegeben. Dies liegt im Hinblick darauf auf der Hand, dass die beiden geschäftserfahrenen Beteiligten entgegen ausdrücklichen internen Anweisungen der Fa. F. Anlagegeschäfte bei einem ihnen gänzlich unbekannten amerikanischen (angeblichen) Investment-Unternehmen in Höhe von fünf Millionen Euro tätigten und hierbei Renditehoffnungen von 20-40 % für einen Anlagezeitraum von fünf Tagen hegten. Es war daher für den Haupttäter W. ebenso wie für den Angeklagten offensichtlich, dass es sich um eine Hochrisiko-Anlage mit erheblicher, nahe liegender Verlustgefahr handelte. Daher kommt es hier trotz der lückenhaften und unklaren Ausführungen des Landgerichts im Ergebnis auf den vom Senat im Urteil vom 18. Oktober 2006 - 2 StR 499/05 - entschiedenen Rechtssatz nicht an, wonach ein nur bedingter Vorsatz eines Gefährdungsschadens für die Strafbarkeit nach § 266 Abs. 1 StGB nicht ausreicht.
7
4. Dagegen hält der Strafausspruch gegen den Angeklagten E. der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
8
a) Das Landgericht hat einen Fall des § 266 Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 Nr. 2 StGB angenommen, weil ein Vermögensverlust großen Ausmaßes verursacht worden sei (UA S. 125). Hierbei hat es übersehen, dass der Gehilfenvorsatz des Angeklagten sich nach den Feststellungen nur auf einen Gefährdungsschaden bezog (vgl. oben 3). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht eine bloße Gefährdung aber für einen "Verlust" im Sinne von § 263 Abs. 3 Nr. 2 StGB nicht aus (BGHSt 48, 354, 356 ff.; BGH NStZ 2002, 547, vgl. Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 263 Rdn. 122 m.w.N.).
9
b) Im Übrigen hat das Landgericht übersehen, dass bei dem Angeklagten das strafbegründende persönliche Merkmal der Vermögensbetreuungspflicht im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB nicht vorlag, so dass § 28 Abs. 1 StGB Anwendung finden muss. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts entfiel hier eine doppelte Strafrahmenmilderung nicht schon deshalb, weil die Gehilfenstellung des Angeklagten allein auf dem Fehlen der Vermögensbetreuungspflicht beruhte (vgl. BGHSt 26, 53, 55; 41, 1 f.; Tröndle/Fischer aaO § 266 Rdn. 80 m.w.N.). Das Landgericht hat vielmehr ausdrücklich und insoweit rechtsfehlerfrei festgestellt, der Angeklagte habe W. "psychische Beihilfe" durch Bestärkung des Tatentschlusses geleistet (UA S. 123). Für eine der Sache nach mittäterschaftliche Stellung des Angeklagten ergeben sich aus den Feststellungen keine Anhaltspunkte.
10
Über die Strafe für den Angeklagten E. ist daher neu zu entscheiden. Bode Otten Fischer Roggenbuck Appl

(1) Eine Verbindung zusammenhängender oder eine Trennung verbundener Strafsachen kann auch nach Eröffnung des Hauptverfahrens auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten oder von Amts wegen durch gerichtlichen Beschluß angeordnet werden.

(2) Zuständig für den Beschluß ist das Gericht höherer Ordnung, wenn die übrigen Gerichte zu seinem Bezirk gehören. Fehlt ein solches Gericht, so entscheidet das gemeinschaftliche obere Gericht.

(1) Für zusammenhängende Strafsachen, die einzeln nach den Vorschriften der §§ 7 bis 11 zur Zuständigkeit verschiedener Gerichte gehören würden, ist ein Gerichtsstand bei jedem Gericht begründet, das für eine der Strafsachen zuständig ist.

(2) Sind mehrere zusammenhängende Strafsachen bei verschiedenen Gerichten anhängig gemacht worden, so können sie sämtlich oder zum Teil durch eine den Anträgen der Staatsanwaltschaft entsprechende Vereinbarung dieser Gerichte bei einem unter ihnen verbunden werden. Kommt eine solche Vereinbarung nicht zustande, so entscheidet, wenn die Staatsanwaltschaft oder ein Angeschuldigter hierauf anträgt, das gemeinschaftliche obere Gericht darüber, ob und bei welchem Gericht die Verbindung einzutreten hat.

(3) In gleicher Weise kann die Verbindung wieder aufgehoben werden.

(1) Eine Verbindung zusammenhängender oder eine Trennung verbundener Strafsachen kann auch nach Eröffnung des Hauptverfahrens auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten oder von Amts wegen durch gerichtlichen Beschluß angeordnet werden.

(2) Zuständig für den Beschluß ist das Gericht höherer Ordnung, wenn die übrigen Gerichte zu seinem Bezirk gehören. Fehlt ein solches Gericht, so entscheidet das gemeinschaftliche obere Gericht.

Das Gericht hat seine sachliche Zuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR562/13
vom
12. März 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 12. März 2014 gemäß § 349 Abs. 2
und 4, § 357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 22. Februar 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) im Fall II.1 der Urteilsgründe;
b) in den Fällen II.2 zu 1 und II.2 zu 2 der Urteilsgründe; insofern bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen jedoch aufrechterhalten;
c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe;
d) im Ausspruch über die Einziehung – auch soweit es die Mitangeklagte I. betrifft – der bei den Angeklagten sichergestellten Laptops mit Ladekabeln, der bei den Angeklagten sichergestellten Kameras und der bei dem Angeklagten sichergestellten Mappe mit CDs und DVDs. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache
a) im Fall II.1 der Urteilsgründe an das Amtsgericht – Strafrichter – Bochum zurückgegeben,
b) in den Fällen II.2 zu 1 und II.2 zu 2 der Urteilsgründe sowie hinsichtlich der Gesamtstrafe und der Einziehung zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsmittel – an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen, versuchten schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Kindes, sexuellen Missbrauchs eines Kindes und Besitzes kinderpornografischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten und die nicht revidierende Mitangeklagte I. wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen, versuchten schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Kindes und mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Ferner hat es unter anderem die Einzie- hung der „bei den Angeklagten sichergestellten Laptops mit zugehörigen Ladekabeln , der bei den Angeklagten sichergestellten Kameras“ und der bei dem Angeklagten S. sichergestellten Mappe mit CDs und DVDs angeordnet. Die Revision des Angeklagten hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg ; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung des Angeklagten im Fall II.1 der Urteilsgründe wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften kann nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht für die Entscheidung sachlich nicht zuständig war.
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Das Landgericht hat mit Beschluss vom 29. August 2012 das beim Amtsgericht – Strafrichter – Bochum rechtshängige Verfahren gegen den Angeklagten wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften übernommen und zu dem bei ihm bereits rechtshängigen Verfahren wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und anderem hinzuverbunden. Dieser Beschluss ist unwirksam, weil die Verbindung neben der örtlichen auch die sachliche Zuständigkeit betraf und deshalb nur durch das Oberlandesgericht Hamm als dem gemeinschaftlichen oberen Gericht (§ 4 Abs. 2 StPO) angeordnet werden konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 2013 – 2 StR 127/13, wistra 2013, 321; Urteil vom 23. März 2006 – 3 StR 458/05, Rn. 2; Urteil vom 30. August 1968 – 4 StR 335/68, BGHSt 22, 232, 234 f.). Da die Prozessvoraussetzung der sachlichen Zuständigkeit vom Revisionsgericht nach § 6 StPO von Amts wegen zu beachten ist und eine Nachholung der Verbindungsentscheidung durch den Senat nicht erfolgen konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 8. August 2001 – 2 StR 285/01, NStZ-RR 2002, 257, bei Becker), war das Verfahren wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften in entsprechender Anwendung des § 355 StPO an das Amtsgericht Bochum zurückzugeben (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2000 – 4 StR 105/00, Rn. 6).
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2. Die auf § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB gestützte Verurteilung des Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in den Fällen II.2 zu 1 und II.2 zu 2 der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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a) Nach den Feststellungen führte die Mitangeklagte I. am 9. Dezember 2011 gegen 10.00 Uhr in einem Zeitraum von 20 Minuten „gemäß einem gemeinsamen Tatplan auf Initiative des Angeklagten“ zwei verschieden große Vibratoren abwechselnd mehrfach über teils kürzere, teils längere Zeiträume in den Anus und die Vagina ihrer zu diesem Zeitpunkt drei Jahre alten Tochter ein. Das Geschehen wurde von dem Angeklagten zur eigenen sexuellen Befriedigung mit seiner Digitalkamera gefilmt. Zwischenzeitlich forderte er die Mitangeklagte I. auf, das Gleitgel zu erneuern. Kurz bevor der Angeklagte die Videoaufzeichnung abbrach, äußerte er gegenüber der Mitangeklagten I. , „es sei ja auch am Abend noch Zeit“ (Fall II.2zu 1 der Urteils- gründe). Gegen Abend desselben Tages wiederholte sich dieses Geschehen in einem in etwa entsprechenden Zeitraum, wobei der Angeklagte hiervon nunmehr Fotos fertigte (Fall II.2 zu 2 der Urteilsgründe).
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b) Diese Feststellungen belegen nicht, dass sich der Angeklagte jeweils eines schweren sexuellen Missbrauchs gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB schuldig gemacht hat.
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Der Tatbestand des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB ist hinsichtlich der Beschreibung der sexuellen Handlung § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB nachgebildet (vgl. BT-Drucks. 13/8587 S. 31 f.) und stellt eine Qualifikation gegenüber § 176 Abs. 1 und 2 StGB dar. Als Täter nach § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB kann daher nur bestraft werden, wer entweder selbst („eigenhändig“) entsprechend § 176 Abs. 1 StGB Körperkontakt zu dem Kind aufnimmt (BGH, Beschluss vom 26. August 1998 – 2 StR 357/98, NStZ-RR 1999, 321, 322, bei Pfister; Urteil vom 7. September 1995 – 1 StR 236/95, BGHSt 41, 242, 243) und dabei mit ihm den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an ihm vornimmt oder an sich von ihm vornehmen lässt, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Hörnle in: LK-StGB, 12. Aufl., § 176a Rn. 45; vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 2011 – 4 StR 468/11, NStZ-RR 2012, 45; Urteil vom 22. April 1999 – 4 StR 3/99, BGHR StGB § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Mittäter 1, jeweils zu § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB) oder wer entsprechend § 176 Abs. 2 StGB das Kind dazu bestimmt, eine der genannten Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von diesem an sich vornehmen zu lassen (vgl. BGH, Urteil vom 30. September 2004 – 4 StR 134/04, NStZ 2005, 152, 153; Hörnle in: LK-StGB, 12. Aufl., § 176a Rn. 46). Nach den Feststellungen hat nur die Mitangeklagte I. an dem Tatopfer eine mit dem Eindringen in dessen Körper verbundene sexuelle Handlung (Einführen der Vibratoren) vorgenommen. Dass der Angeklagte auf die Geschädigte eingewirkt hat, damit sie die Missbrauchshandlungen der Mitangeklagten I. an sich vornehmen lässt, kann den Feststellungen ebenfalls nicht entnommen werden.
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c) Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die hierzu nicht in Widerspruch stehen, sind möglich. Dabei wird der neue Tatrichter auch zu prüfen haben, ob sich der Angeklagte einer Anstiftung oder einer Beihilfe zum schweren sexuellen Missbrauch gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1, §§ 26, 27 StGB schuldig gemacht hat.
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3. Die Aufhebung der Schuldsprüche in den Fällen II.1 und II.2 zu 1 und 2 zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.
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4. Die ohne jede nähere Erläuterung aus § 74 StGB hergeleitete Ent- scheidung über die Einziehung der bei „den Angeklagten sichergestellten Lap- tops mit Ladekabeln und der „bei den Angeklagten sichergestellten Kameras“ hat schon deshalb keinen Bestand, weil weder die Urteilsformel noch die Urteilsgründe eine hinreichende Bezeichnung der betroffenen Gegenstände enthalten und deshalb weder für die Vollstreckungsbehörde, noch für die Beteiligten Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 20. Juni 2007 – 1 StR 251/07, wistra 2007, 427 f.; Urteil vom 15. März 1994 – 1 StR 179/93, Rn. 40, insoweit in BGHSt 40, 97 und NStZ 1994, 390 nicht abgedruckt). Da dieser Rechtsfehler auch die Mitangeklagte I. betrifft, war die Aufhebung insoweit auf sie zu erstrecken (§ 357 Satz 1 StPO).
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Sofern sich die Einziehung auch auf den bei dem Angeklagten im Fall II.1 der Urteilsgründe sichergestellten Laptop und die im Fall II.2 zu 1 verwendete Digitalkamera bezieht, wird ihr auch durch die insoweit erfolgte Aufhebung des Schuldspruchs die Grundlage entzogen. Gleiches gilt für die im Fall II.1 sichergestellten 18 CDs/DVDs.
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Im Fall einer erneuten Verurteilung des Angeklagten wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften gemäß § 184b Abs. 4 StGB wird zu beachten sein, dass nur die verwendeten Speichermedien als Beziehungsgegenstände nach § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB zwingend einzuziehen sind, während der für Lade- und Speichervorgang verwendete Computer nebst Zubehör als Tatwerkzeug lediglich der fakultativen Einziehung nach § 74 Abs. 1 2. Alt. i.V.m. § 184b Abs. 6 Satz 3 StGB unterliegt. In beiden Fällen ist im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu prüfen, ob gemäß § 74b Abs. 2 StGB die Einziehung zunächst vorbehalten bleibt und weniger einschneidende Maßnahmen zu treffen sind, wenn auch auf diese Weise der Einziehungszweck erreicht werden kann (BGH, Urteil vom 16. Januar 2014 – 4 StR 370/13, Rn. 21; Beschluss vom 8. Februar 2012 – 4 StR 657/11, NStZ 2012, 319; Beschluss vom 11. Januar 2012 – 4 StR 612/11, Rn. 5; Beschluss vom 28. November 2008 – 2 StR 501/08, BGHSt 53, 69 Rn. 3). Dies könnte hier durch eine endgültige Löschung der inkriminierten Bilddateien geschehen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2012 – 4 StR 612/11, Rn. 3).
Mutzbauer Cierniak Franke
Bender Quentin

Wird ein Urteil aufgehoben, weil das Gericht des vorangehenden Rechtszuges sich mit Unrecht für zuständig erachtet hat, so verweist das Revisionsgericht gleichzeitig die Sache an das zuständige Gericht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 290/01
vom
25. Juli 2001
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
am 25. Juli 2001 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 22. Januar 2001 in den Fällen II 8 und 9 der Urteilsgründe mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache insoweit an das Amtsgericht - Schöffengericht - Friedberg verwiesen. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen elf Taten unter Einbeziehung von Einzelstrafen einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt, die Einziehung verschiedener Gegenstände angeordnet und eine Sperrfrist von vier Jahren für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis bestimmt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechtes rügt. Sein Rechtsmittel hat in dem aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im übrigen ist es im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
In Bezug auf die Taten II 8 und 9 der Urteilsgründe ist das Verfahren aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift angeführten Gründen beim Amtsgericht - Schöffengericht - Friedberg rechtshängig geblieben. Das Urteil hat insoweit keinen Bestand; dies gilt auch für die im Falle II 8 der Urteilsgründe ausgesprochene Einziehung der "sichergestellten Schußwaffe nebst Munition". Der Senat hat die Sache hinsichtlich der Fälle II 8 und 9 der Urteilsgründe an das Amtsgericht - Schöffengericht - Friedberg verwiesen (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 11. Juni 2001 - 2 StR 183/01 -, vom 22. Oktober 1999 - 2 StR 431/99 und vom 26. Juli 1995 - 2 StR 74/95 = BGHR StPO § 4 Verbindung 9). Das Amtsgericht hat, wenn nicht nach § 154 Abs. 2 StPO verfahren wird, das Verbot der Schlechterstellung zu beachten. Der Senat schließt im Hinblick darauf, daß die Einsatzstrafe (Fall II 10 der Urteilsgründe) drei Jahre und sechs Monate beträgt, im Falle II 11 der Urteilsgründe eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verhängt wurde, weitere Einzelstrafen eine Summe von zwei Jahren und fünf Monaten ergeben sowie zwei Einzelstrafen von jeweils acht Monaten einzubeziehen waren , aus, daß der Tatrichter ohne die in den Fällen II 8 und 9 der Urteilsgründe verhängten Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr bzw. von vier Monaten zu einer niedrigeren Gesamtfreiheitsstrafe als sechs Jahre gelangt wäre. In Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts (§ 354 Abs. 1 StPO) hat der Senat es daher bei dieser Gesamtfreiheitsstrafe belassen. Die vom Generalbundesanwalt beantragte Schuldspruchänderung im Falle II 10 der Urteilsgründe (bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln statt bewaffnetes Sichverschaffen von Betäubungsmitteln jeweils in nicht geringer Menge) kam nicht in Betracht. Abgesehen davon, daß der Angeklagte
durch den Schuldspruch nicht beschwert ist, fehlt es an den erforderlichen Feststellungen der Eigennützigkeit des Angeklagten. Daß der Tatrichter - bei entsprechender Beweiswürdigung - zu Eigennutz des Angeklagten hätte gelangen können, berechtigt das Revisionsgericht nicht dazu, diese Feststellungen in eigener Beweiswürdigung selbst zu treffen. Der Antrag des Generalbundesanwalts steht einer Verwerfung der Revision durch Beschluß gemäß § 349 Abs. 2 StPO nicht entgegen (vgl. u.a. BGHR StPO § 349 Abs. 2 Verwerfung 4). Der - gemessen an dem umfassenden Aufhebungsantrag einerseits und der Bestätigung der Gesamtfreiheitsstrafe durch den Senat andererseits - im Ergebnis unerhebliche Erfolg des Rechtsmittels gibt keinen Anlaß, den Angeklagten von den Kosten des Rechtsmittels gemäß § 473 Abs. 4 StPO teilweise zu entlasten. Jähnke Detter Bode Otten Rothfuß

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.