Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Jan. 2019 - 1 StR 574/18

bei uns veröffentlicht am10.01.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 574/18
vom
10. Januar 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Sichbereiterklärens zur Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:100119B1STR574.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – am 10. Januar 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 29. Juni 2018 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den 44 Jahre alten Angeklagten wegen Sichbereiterklärens zu den Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes und der Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Daneben hat es die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, führt zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Seit dem Frühjahr 2017 stand der pädophil-sadistisch veranlagte Angeklagte über den TOR-Chat im „Darknet“ mit dem Zeugen L. in Kontakt, der dort unter dem Pseudonym „G. “ auftrat und den im Februar 2008 ge- borenen Sohn seiner Lebensgefährtin zum sexuellen Missbrauch anbot. Nachdem ein bereits vereinbartes Treffen zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen L. zum sexuellen Missbrauch des Kindes durch den Angeklagten in Folge von Unstimmigkeiten nicht zustande gekommen war, tauschten sich der Angeklagte und der Zeuge L. bis zu dessen Festnahme im September 2017 in Chatgesprächen über schwere Missbrauchs- und Tötungsphantasien aus. Gleichzeitig suchte der Angeklagte weiter im „Darknet“ nach einem Angebot zum sexuellen Missbrauch eines Kindes.
4
Seit Ende September 2017 benutzte ein verdeckter Ermittler des Landeskriminalamts den TOR-Chat-Account des Zeugen L. , um Ermittlungen gegen den Angeklagten wegen des Verdachts des Sichbereiterklärens zum Verbrechen des Mordes vorzunehmen. Er gab vor, der dem Angeklagten nur als „G. “ bekannte Chatpartner zu sein. Ihm gegenüber erklärte sich der Angeklagte in Chatgesprächen und sodann bei einem Treffen am 3. Oktober 2017 in einem Schnellrestaurant im K. Hauptbahnhof bereit, den neunjährigen Sohn der Lebensgefährtin des Zeugen L. brutal anal zu vergewaltigen. Dabei sollte das Kind geknebelt und der Missbrauch auf Video aufgezeichnet werden. Der Analverkehr sollte für das Kind schmerzhaft sein, weil der Angeklagte aus dem ihn erregenden Brechen des Widerstandes des Kindes und dem Bereiten von Schmerzen und Qualen seine Befriedigung ziehen woll- te. Durch die Knebelung sollten die Schmerzensschreie des Kindes unterdrückt werden. Beim Verlassen des K. Hauptbahnhofs wurde der zum Kindesmissbrauch fest entschlossene Angeklagte festgenommen.
5
2. Zur Sexualentwicklung des Angeklagten hat das Landgericht festgestellt , dass der Angeklagte in der Pubertät zunächst auf gleichaltrige Mädchen und sodann auf geschlechtsreife Frauen bezogene sexuelle Phantasien entwickelte. Im Alter von 14 oder 15 Jahren traten dann sadistische sexuelle Phantasien in Bezug auf Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren hinzu. Mit 17 Jahren lernte er seine erste Freundin und spätere Ehefrau kennen. Mit ihr vollzog er partnerschaftlichen Geschlechtsverkehr, den er auch als erfüllend empfand. Nach einer gewissen Zeit traten bei dem Angeklagten jedochwieder Phantasien mit pädosexuell-sadistischen Inhalten auf, die er vor seiner Ehefrau geheim hielt. Im Alter von 18 oder 19 Jahren nutzte er seinen ersten privaten Internetzugang, um im Internet Kinderpornos zu konsumieren. Er führte sodann ein Doppelleben von einerseits partnerschaftlicher Sexualität und andererseits heimlicher „Kinderpornoaktivtitäten“, wobei der Angeklagte auch begann, selbst pädosexuell-sadistische Texte aus dem Englischen zu übersetzen und ins Internet zu stellen. Letztere Aktivitäten mündeten in ein Strafverfahren, in dem er im Jahr 2002 wegen mehrerer Delikte der Verbreitung von pornographischen Schriften, die Gewalttätigkeiten und den sexuellen Missbrauch von Kindern zum Gegenstand hatten, und wegen der Verschaffung pornographischer Schriften, die den sexuellen Missbrauch von Kindern zum Gegenstand hatten, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt wurde, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
6
Obwohl sich der Angeklagte infolge der Einleitung des Ermittlungsverfahrens vier Jahre lang in ärztlich-psychologischer Behandlung befand, begann er im Jahr 2004 wieder – vor seiner Ehefrau verheimlicht – mit Gleichgesinnten über seine pädosexuell-sadistischen Neigungen zu chatten. Im selben Jahr erlosch für ihn die sexuelle Anziehungskraft seiner dann schwangeren Ehefrau vollständig.
7
Im Jahr 2008 versuchte der Angeklagte erstmals, seine pädosexuellen Phantasien in der Realität auszuleben, was zu seiner Verhaftung führte. Nach der Trennung von seiner Ehefrau widmete er sich ab Oktober 2008 täglich nach der Arbeit bis spät in die Nacht Chat-Gesprächen im Internet, im Rahmen derer er seine sadistisch-pädosexuellen Phantasien auslebte. Zwar befand sich der Angeklagte in dieser Zeit in Therapie bei einem auf pädophile Patienten spezialisierten Therapeuten, jedoch offenbarte er diesem seine Internet-Aktivitäten nicht.
8
3. Im Mai 2011 wurde der Angeklagte nach Maßgabe des Beschlusses des Bundesgerichtshofs vom 16. März 2011 (5 StR 581/10, NStZ 2011, 570) rechtskräftig wegen Verabredung zur Begehung eines schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes, wegen gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Herstellens pornographischer Schriften und Erwerbs, des Besitzes und der Verbreitung von kinderpornographischen Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt. Gegenstand dieser Verurteilung war u.a. die vom Angeklagten über eine Internet-Plattform für pädophil orientierte Menschen getroffene Verabredung, einen sog. Boytausch vorzunehmen und am Sohn des Tauschpartners den Analverkehr zu vollziehen. Auf seinem Computer waren zudem eine Vielzahl von Bilddateien aufgefunden worden, welche die Ausübung sexualisierter Gewalt zum Nachteil von Kindern durch einen erwachsenen Mann zeigten, sowie Videodateien, die den sexuellen Missbrauch von Kindern zum Gegenstand hatten.
9
Spätestens im Jahr 2014, als der Angeklagte sich noch in Strafhaft befand , gab er seine Anstrengungen, seine Phantasien zu verdrängen, vollständig auf. Er erreichte aber Vollzugslockerungen, indem er wahrheitswidrig vorgab, er habe Techniken zum Blockieren der pädophilen Phantasien erlernt. Tatsächlich phantasierte der Angeklagte bereits wieder täglich über pädosexuell-sadistische Inhalte und befriedigte sich hierzu, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen , seine Phantasien zu blockieren. Im Januar 2015 verschaffte sich der Angeklagte als Freigänger der Sozialtherapie ein Mobiltelefon, mit dem er fortan in seinem Haftraum heimlich Chats und Rollenspiele über pädosexuell-sadistische Inhalte führte und Kinderpornographie konsumierte. Seinen Therapeuten verschwieg er seine Rückfälligkeit.
10
4. Nach seiner Entlassung aus dem Strafvollzug im April 2015 befolgte der Angeklagte die ihm im Rahmen der Führungsaufsicht erteilten Weisungen. Auch nahm er zunächst regelmäßig das ihm verordnete Medikament Sertralin, ein Antidepressivum mit phantasiedämpfender Wirkung, ein. Sofort nach seiner Haftentlassung nutzte er aber den Computer in seiner Wohnung für Chats und Rollenspiele unter einem Pseudonym über pädosexuell-sadistische Inhalte über das TOR-Netzwerk im „Darknet“ und für den Konsum von kinderpornographischem Material. Die Phantasien des Angeklagten kreisten dabei um den möglichst grausamen sexuellen Missbrauch und die Tötung eines Kindes im Alter vor der Entwicklung sekundärer Geschlechtsmerkmale. Ab Anfang 2016 war der Angeklagte nahezu jeden Abend mit solchen Rollenspielen oder Chats beschäftigt und konsumierte auch kinderpornographische Inhalte. Im Frühjahr 2017 setzte er dann das Medikament Sertralin aufgrund eines wiederkehrenden Schwindelgefühls ab.
11
5. Das Landgericht hat die vom Angeklagten geäußerte Bereitschaft, an dem neunjährigen Kind der Lebensgefährtin seines Chatpartners in der festgestellten Art und Weise und gegen den Willen des Kindes sexuelle Handlungen vorzunehmen, als Sichbereiterklären zum Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und zum (tateinheitlichen) Verbrechen der Vergewaltigung gewertet. Es hat dabei angenommen, dass bei dem Angeklagten keine rechtserhebliche Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens in Bezug auf die verfahrensgegenständliche Straftat im Sinne des § 20 StGB vorgelegen habe (UA S. 104).

II.


12
1. Der Schuldspruch wird von den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen getragen. Demgegenüber hält der Strafausspruch rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil das Landgericht eine verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten gemäß § 21 StGB wegen schwerer anderer seelischer Abartigkeit im Sinne von § 20 StGB nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen hat.
13
a) Ohne Rechtsfehler ist das sachverständig beratene Landgericht davon ausgegangen, dass die beim Angeklagten vorliegende seelische Störung das Eingangsmerkmal des § 20 StGB der schweren anderen seelischen Abartigkeit erfüllt.
14
aa) Zwar kann abweichendes Sexualverhalten nicht ohne weiteres einer schweren Persönlichkeitsstörung gleichgesetzt und dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit i.S.v. § 20 StGB gleichgesetzt werden (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2016 – 1 StR 526/15, Rn. 13, BGHR StGB § 63 Zustand 45 mwN). Eine festgestellte Pädophilie kann aber im Einzelfall eine schwere andere seelische Abartigkeit und eine hierdurch beeinträchtigte Steuerungsfähigkeit begründen, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten Handlungen, Ausbau des Raffinements und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktik auszeichnen. Ob die sexuelle Devianz in Form einer Pädophilie einen solchen Ausprägungsgrad erreicht , der dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit zugeordnet werden kann, ist aufgrund einer Gesamtschau der Täterpersönlichkeit und seiner Taten zu beurteilen. Dabei kommt es darauf an, ob die sexuellen Neigungen die Persönlichkeit des Täters so verändert haben, dass er nicht die zur Bekämpfung seiner Triebe erforderlichen Hemmungen aufzubringen vermag (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2017 – 1 StR 395/17, Rn. 10 f., StV 2018, 210; Urteil vom 15. März 2016 – 1 StR 526/15, Rn. 13, BGHR StGB § 63 Zustand 45 mwN; Beschluss vom 7. Februar 2004 – 4 StR 574/03, NStZ-RR 2004, 201).
15
bb) Ausgehend von diesen Maßstäben hat sich das Landgericht ohne Rechtsfehler davon überzeugt, dass bei dem Angeklagten bei Tatbegehung eine schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB vorlag, weil er zur Bekämpfung seiner pädosexuell-sadistischen Phantasien, zu denen er täglich masturbierte, nicht mehr die erforderlichen Hemmungen aufbringen konnte. Es durfte sich hierbei den gutachtlichen Ausführungen der psychiatrischen Sachverständigen anschließen, nach denen bei dem Angeklagten eine Kernpädophilie vom nahezu ausschließlichen Typ vorliegt, wobei seine pädosexuell -sadistische Orientierung vollständig dominiert (UA S. 102). Danach ist das Störungsbild des Angeklagten dadurch gekennzeichnet, dass er versucht, seine sexuellen Phantasien in die Realität zu überführen, wobei er zudem sadistisch orientiert ist. Die größtmögliche Befriedigung werde von ihm durch die Zufügung von Schmerzen und das Erleben von Opferreaktionen erreicht, welche von ihm als luststeigernd empfunden würden (UA S. 101).
16
Das Landgericht hat mit seiner Wertung ebenfalls ohne Rechtsfehler an die Angaben des Angeklagten angeknüpft, er werde von seinen pädosexuellsadistisch ausgestalteten Phantasien nahezu 24 Stunden täglich überflutet und masturbiere täglich mehrfach zu diesen; er fühle sich zunehmend zur Umsetzung der Phantasien in die Realität gedrängt. Zudem durfte das Landgericht in den Blick nehmen, dass schon im Vorfeld des Tatgeschehens ein Rückzug des Angeklagten aus dem sozialen Umfeld und eine Einengung des Freizeitverhaltens auf die Internet-Aktivitäten und Phantasiebetätigung in pädosexuell-sadistischer Richtung stattgefunden hatte.
17
Schließlich durfte sich das Landgericht ausgehend von den getroffenen Feststellungen der Wertung der psychiatrischen Sachverständigen anschließen, dass bei dem Angeklagten eine „Sexualnot“ bestand, die sich durch zunehmen- de Frequenz, das quasi permanente „Voraugenschieben“ schwerster Missbrauchsvorstellungen in Bezug auf beliebige Kinder als austauschbare Sexualobjekte bei gleichzeitig abnehmender Satisfaktion der praktizierten Selbstbefriedigung auszeichnete (UA S. 102).
18
b) Demgegenüber hält die Annahme des Landgerichts, trotz der beim Angeklagten vorliegenden schweren anderen seelischen Abartigkeit sei bei vorhandener Unrechtseinsicht das Hemmungsvermögen des Angeklagten bei der Verbrechensverabredung nicht rechtserheblich beeinträchtigt gewesen, rechtlicher Nachprüfung nicht stand; sie ist nicht tragfähig belegt.
19
aa) Liegt ein spezifischer enger motivatorischer Zusammenhang einer seelischen Störung des Angeklagten im Sinne des § 20 StGB und einer festgestellten Tat vor, indiziert dies – was auch das Landgericht nicht verkennt (UA S. 104) – eine erhebliche Verminderung seiner dabei vorhandenen Steuerungsfähigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2002 – 5 StR 138/02, NStZ-RR 2002, 230). Dies gilt auch dann, wenn der Angeklagte planvoll und zielgerichtet gehandelt hat. Denn aus dem planvollen und gezielten Tatverhalten eines Angeklagten sind keine hinreichenden Anzeichen für eine bloß unerhebliche Beeinträchtigung seines Hemmungsvermögens bei Tatplanung und -begehung zu ersehen (vgl. BGH aaO, NStZ-RR 2002, 230 mwN).
20
Die Umstände, dass der Angeklagte die Tat ausführlich plante, eine längere Anreise mit der Bahn nach K. auf sich nahm und auf die Einhaltung von Sicherheitsvorkehrungen achtete – etwa die Verwendung ausschließlich sicherer Kommunikationswege vor dem Treffen und die Unkenntlichmachung der Zugverbindung auf einem Screenshot der Fahrkarte (UA S. 103) –, belegen daher nicht ohne weiteres die Fähigkeit des Angeklagten zum Bedürfnisaufschub bei Umsetzung seiner Phantasien in die Realität.
21
bb) Das Landgericht ist der Auffassung, das Hemmungsvermögen des Angeklagten sei deshalb bei der verfahrensgegenständlichen Verabredung zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern nicht erheblich beeinträchtigt gewesen , weil diese nicht Teil seiner eingeschliffenen Verhaltensschablone aus Phantasiebetätigung im „Darknet“ und Masturbation sei, sondern aus dem Ver- haltensmuster der Chats über pädosexuell-sadistische Inhalte, Rollenspiele und des Konsums kinderpornographischer Materialien deutlich heraussteche (UA S. 104). Diese Annahme wird vom Landgericht allerdings rechtsfehlerhaft nicht belegt.
22
Vielmehr hat das Landgericht im Gegenteil festgestellt, dass der Angeklagte zusätzlich zu seinen Rollenspielen und Chats im TOR-Netzwerk nach einem Angebot zum realen sexuellen Missbrauch eines Kindes suchte, wobei er fast jede freie Minute – täglich mehrere Stunden – für seine Aktivitäten im TORNetzwerk nutzte (UA S. 92). Dabei reduzierte er nicht nur seine Sozialkontakte, sondern auch seine Arbeitszeit als selbständiger Elektriker (UA S. 92). Umstände , die gleichwohl den vom Landgericht gezogenen Schluss rechtfertigen könnten , die Verbrechensverabredung sei nicht Teil des Verhaltensmusters des Angeklagten , sind nicht ersichtlich. Dies gilt umso mehr, als nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen die Verabredung mit dem Chatpartner, sich am Folgetag im K. Hauptbahnhof zur anschließenden Durchführung des vereinbarten sexuellen Missbrauchs des vom Chatpartner mitzubringenden Kindes zu treffen, in einem Internet-Chat getroffen wurde (UA S. 94).
23
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht, hätte es die Verabredung zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern als Teil seiner eingeschliffenen Verhaltensschablone angesehen, angenommen hätte, dass der Angeklagte auch insoweit nicht die für eine Vermeidung dieses Verhaltens erforderlichen Hemmungen aufzubringen vermochte und deshalb wegen erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit im Zustand verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) gehandelt hat. Der Strafausspruch kann daher keinen Bestand haben. Eine gänzlich aufgehobene Schuldfähigkeit des Angeklagten (§ 20 StGB) ist demgegenüber auszuschließen.
24
2. Die Aufhebung des Strafausspruchs zieht die Aufhebung der Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 1 StGB nach sich. Die Sache bedarf – naheliegend unter Heranziehung eines weiteren Sachverständigen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten – neuer tatrichterlicher Verhandlung und Entscheidung.
Raum Jäger Cirener
Hohoff Leplow

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
Internetchat und Verbrechensverabredung.
BGH, Beschluss vom 16. März 2011 – 5 StR 581/10
LG Kiel –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 16. März 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Verabredung eines Mordes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. März 2011

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 6. September 2010 nach § 349 Abs. 4 StPO
a) dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte im Fall II.14 der Urteilsgründe wegen Verbreitung kinderpornografischer Schriften, im Fall II.15 wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften und im Fall II.13 wegen Herstellens pornografischer Schriften verurteilt ist;
b) in den Einzelstrafaussprüchen in den Fällen II.13 bis 15 der Urteilsgründe, im Gesamtstrafausspruch und im Maßregelausspruch aufgehoben; letzterer entfällt.
2. Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Der Schuldspruch wird in den Fällen II.4 bis 12 und 16 bis 25 der Urteilsgründe dahin klargestellt, dass der Angeklagte insoweit wegen Verbreitung kinderpornografischer Schriften in 13 Fällen (II.6 bis 8, 11 und 12 sowie 16 bis 23) und wegen Erwerbs kinderpornografischer Schriften in sechs Fällen (II.4, 5, 9, 10, 24, 25), davon in drei Fällen in Tateinheit mit deren Verbreitung (II.5, 10, 25), verurteilt ist.
3. Zur abschließenden Strafzumessung wird die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Verabredung eines Mordes (tateinheitlich eines Missbrauchs eines Kindes mit Todesfolge und einer Vergewaltigung mit Todesfolge) in Tateinheit mit Besitz und mit Verbreitung kinderpornografischer Schriften (Fall II.14), wegen Sichbereiterklärens zu einer besonders schweren Vergewaltigung sowie tateinheitlich einem besonders schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes (Fall II.15), wegen Verabredung eines schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes (Fall II.2), wegen gefährlicher Körperverletzung (Fall II.1), wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes (Fall II.13), wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften (Fall II.3) und wegen 19 Fällen verschiedener Varianten von Vergehen nach § 184b StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt und hat die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
2
Die Revision des Angeklagten erzielt auf die nicht ausgeführte Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Der Gegenstand der Schuldsprüche gegen den im Juni 2002 wegen Verbreitung pornografischer Schriften zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verurteilten, mit einer Geldauflage und Therapieweisung belegten Angeklagten, einen früheren Betriebsleiter, umfasst überwiegend Straftaten, die er im Rahmen einer Internetplattform für „pädophil orientierte Menschen“ namens „Zauberwald“ begangen hat (unten 2 und 3). Lediglich vier Fälle betreffen ganz oder zum Teil außerhalb solcher Internetaktivitäten vorgenommene Handlungen und Erklärungen.
4
a) Hierbei handelt es sich um eine gefährliche Körperverletzung zum Nachteil seines knapp drei Jahre alten Sohnes durch Verabreichung einer lokal betäubenden Creme und einer aufgelösten Schlaftablette (Fall II.1 der Urteilsgründe; Freiheitsstrafe vier Monate), den Besitz zahlreicher kinderpornografischer Schriften bis zum Zeitpunkt der Sicherstellung seines Rechners am 29. September 2009 (Fall II.3 der Urteilsgründe; Freiheitsstrafe ein Jahr und vier Monate) und den als Verabredung eines Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes abgeurteilten, mit dem Zeugen B. auch telefonisch abgesprochenen Plan, vom 25. bis 27. Juli 2008 im Harz mit ihren Söhnen eine vom Angeklagten angemietete Ferienwohnung zu beziehen, in der es zu einem „Boytausch“ kommen sollte und der Angeklagte bei dem kindlichen Sohn des Zeugen B. den Analverkehr vollziehen wollte (Fall II.2 der Urteilsgründe; Freiheitsstrafe zwei Jahre und neun Monate). Die insoweit getroffenen Schuld- und Strafaussprüche sind sachlichrechtlich beanstandungsfrei.
5
b) Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen dreier am 12. August 2009 in der Absicht der Verbreitung angefertigter Bilder wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes gemäß § 176a Abs. 3 i.V.m. § 176 Abs. 4 Nr. 2 StGB (Fall II.13 der Urteilsgründe; Freiheitsstrafe zwei Jahre und vier Monate) verurteilt hat, rechtfertigt der festgestellte Sachverhalt lediglich eine Bestrafung wegen des Herstellens pornografischer Schriften nach § 184 Abs. 1 Nr. 8 StGB. Auf den Fotos ist der Sohn des Angeklagten abgebildet, der eine Salatgurke wie beim Oralverkehr mit den Lippen fest umschließt.
6
(1) Es ermangelt der Vornahme einer sexuellen Handlung (§ 184g Nr. 1 StGB) durch ein Kind. Zwar hat der Gesetzgeber durch das Änderungsgesetz vom 31. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2149) auch das sexuell aufreizende Posieren von Kindern als eine solche Handlung erfasst (BT-Drucks. 16/9646 S. 2, 35 f.). Hierzu zählen jedenfalls Vorgänge, die gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild einen eindeutigen Sexualbezug aufweisen (vgl. schon BGH, Urteil vom 20. Dezember 2007 – 4 StR 459/07, BGHR StGB § 184f sexuelle Handlung 2). Für das Posieren in obszönen Stellungen ist indes die Sicht auf sexualbezogene Körpermerkmale des Kindes erforderlich (vgl. Laufhütte/Roggenbuck in LK, 12. Aufl., § 184b Rn. 3). Solches ist bei dem vollständig bekleideten Sohn des Angeklagten nicht gegeben. Es wurde lediglich dessen Mund in eine Beziehung zu einem Gegenstand gebracht , der allein in der Fantasie eines späteren Betrachters als Darstellung des erigierten Gliedes eines Mannes begriffen werden konnte und sollte. Damit ist die Grenze zur Strafbarkeit nach § 176 StGB unter Berücksichtigung seines Schutzgedankens und der erheblichen Höhe der dort angedrohten Strafe noch nicht überschritten. Es ist nicht ersichtlich, dass die Handlung als solche oder die Umstände ihrer Vornahme geeignet gewesen wären, die geschützten Rechtsgüter des Kindes zu beeinträchtigen. Dies gilt auch dann, wenn als geschütztes Rechtsgut des § 176 StGB nicht allein die ungestörte sexuelle Entwicklung des Kindes angesehen wird (vgl. BGH, Urteile vom 24. September 1991 – 5 StR 364/91, BGHSt 38, 68, 69 und vom 16. Juni 1999 – 2 StR 28/99, BGHSt 45, 131, 132), sondern auch sein Recht auf Achtung seiner Intimsphäre (vgl. Hörnle in LK, 12. Aufl., § 176 Rn. 3). Die dargestellte Handlung überschreitet unter beiden Gesichtspunkten nicht die Erheblichkeitsschwelle des § 184g Nr. 1 StGB, die bezogen auf das konkrete Rechtsgut festzustellen ist.
7
(2) Ein Sexualbezug der Abbildungen ist nach der rechtsfehlerfreien Bewertung des Landgerichts durch die vom Angeklagten eingestandene Verbreitungsabsicht und dessen sachverständig festgestellte insbesondere pädophile Disposition (UA S. 151 f.) belegt. Mit den Bildern sollten die ausschließlich einschlägig interessierten Benutzer der genannten Internetplattform auf einen Oralverkehr eines Knaben an Männern angesprochen und bei ihnen ein Bedürfnis nach solchen Handlungen hervorgerufen oder verstärkt werden. Das verleiht den Fotos die Qualität pornografischer Schriften im Sinne des § 184 Abs. 1 StGB (vgl. Laufhütte/Roggenbuck, aaO, § 184 Rn. 5 bis 8), die der Angeklagte gemäß § 184 Abs. 1 Nr. 8 i.V.m. Abs. 1 Nr. 6 StGB hergestellt hat. Der Senat stellt insoweit den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO um. Er schließt aus, dass sich der Angeklagte nach einem entsprechenden gerichtlichen Hinweis wirksamer als bis- her hätte verteidigen können. Das neu berufene Tatgericht wird insoweit eine neue, notwendigerweise beträchtlich mildere Strafe festzusetzen haben.
8
2. Hinsichtlich der Fälle II.4 bis 12 und 16 bis 25 der Urteilsgründe, in denen das Landgericht die Erlangung und Weiterleitung kinderpornografischer Dateien im Rahmen von Chatkontakten des Angeklagten mit unbekannt gebliebenen Partnern ausgeurteilt und Freiheitsstrafen jeweils zwischen vier und acht Monaten festgesetzt hat, war lediglich die Tenorierung klarzustellen. Hinsichtlich der Fälle II.4 und 5 der Urteilsgründe billigt der Senat die vom Landgericht gefundene, mit den Entscheidungen der Oberlandesgerichte Schleswig (NStZ-RR 2007, 41, 42) und Hamburg (NJW 2010, 1893, 1895) übereinstimmende Rechtsauffassung (vgl. dazu Laufhütte /Roggenbuck, aaO, § 184b Rn. 10 mN).
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3. Die beiden schwersten Schuldsprüche der Verabredung eines Mordes (Fall II.14 der Urteilsgründe) und des Sichbereiterklärens zu einer besonders schweren Vergewaltigung (Fall II.15 der Urteilsgründe) halten der sachlichrechtlichen Prüfung nicht stand.
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a) Fall II.14 der Urteilsgründe (Verabredung zum Mord u.a.; Freiheitsstrafe neun Jahre):
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aa) Der Angeklagte befand sich unter der anonymen Bezeichnung „No Limit“ an einem nicht näher feststellbaren Tag im Sommer 2009 zwischen 12.50 Uhr und 19.59 Uhr auf der genannten Internetplattform in einem auf seiner Festplatte in einer Textdatei gespeichert gebliebenen Chatgespräch mit einem nicht identifizierten und für den Angeklagten nicht identifizierbaren, in den Niederlanden ansässigen Mann, der im Chat als „kees“ auftrat und den der Angeklagte aus einem früheren Chatkontakt kannte. In dem Gespräch tauschten die Partner Gedanken über Pläne zu Kindesmissbrauch mit extremen sexuellen und sadistischen Begleitumständen aus:
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Beide erwogen, um einen geeigneten kindlichen Sexualpartner zu finden , ein Kind von der Straße zu nehmen; man müsse letztlich ein Kind finden , das allein an einsamer Stelle auf dem Schulweg sei. Im Hinblick auf noch unverplante Resturlaube konstatierten der Angeklagte und „kees“, dass man die Pläne wohl Ende September in die Tat umsetzen könne. Nach dem Austausch dreier kinderpornografischer Abbildungen konkretisierten sie ihr Vorhaben. Der Niederländer favorisierte, den zu entführenden Jungen an den Hoden aufzuhängen; der Junge sollte dann in seiner Qual seine Hoden selbst abschneiden. Der Angeklagte wollte den Jungen würgen, während er ihn „ficke“. Beide vergewisserten sich gegenseitig, dass sie es ernst meinten und dass „idealerweise“ ein acht Jahre alter Junge aus einer ländlichen Gegend des nördlichen Mecklenburg-Vorpommern entführt und über einige Stunden gequält werden sollte. Der Tod des Jungen sollte durch „kees“ herbeigeführt werden, indem er seinen Penis dem Kind so tief in den Mund stecken würde, dass es – während der Angeklagte den Analverkehr ausübe – daran ersticken würde. Der Leichnam könnte dann im Meer versenkt werden.
13
Zur Ausführung des Vorhabens erwogen der Angeklagte und „kees“, in den Niederlanden ein Fahrzeug zu mieten, dieses in Deutschland mit gestohlenen Kennzeichen zu versehen und ein Ferienhaus an der Nordsee zu mieten. Der Angeklagte übermittelte „kees“ das Internetangebot eines Ferienhauses in Neßmersiel. Er hielt es für sinnvoll, dass er das Ferienhaus vorab buche. Als konkrete Tatzeit wurde – im Hinblick auf die in Mecklenburg -Vorpommern am 30. Oktober 2009 endenden Schulferien – der November 2009 in Aussicht genommen. Ein verabredetes weiteres Chatgespräch fand nicht mehr statt.
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bb) Das Schwurgericht hat die Einlassung des Angeklagten, seine Chatgespräche seien reine Fiktion gewesen, beweiswürdigend durch die große Anzahl der Realitätskennzeichen und durch den Umstand als widerlegt angesehen, dass der Angeklagte diverse Grundschulen in MecklenburgVorpommern im Internet daraufhin untersucht habe, wie weit sie von örtli- chen Polizeirevieren entfernt seien. Zudem habe der Angeklagte im eingestandenen Fall II.2 der Urteilsgründe nicht in Frage gestellt, dass nach der Präsentation des Bauernhofes im Harz als Tatort das dort verabredete Treffen tatsächlich stattfinden sollte.
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cc) Die Feststellungen tragen die Annahme des Schwurgerichts nicht, der Angeklagte habe sich mit dem unbekannt gebliebenen Chatpartner „kees“ zu einem Verbrechen (u.a. des Mordes) gemäß § 30 Abs. 2 Variante 3 i.V.m. § 211 StGB verabredet.
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(1) Eine Strafbarkeit setzt die vom ernstlichen Willen getragene Einigung von mindestens zwei Personen voraus, an der Verwirklichung eines bestimmten Verbrechens mittäterschaftlich mitzuwirken (BGH, Urteile vom 4. Februar 2009 – 2 StR 165/08, BGHSt 53, 174, 176 mN, und vom 13. November 2008 – 3 StR 403/08, NStZ 2009, 497). Der Gesetzeswortlaut lässt offen, in welchem Umfang ein Verabredender die Identität seines präsumtiven Mittäters kennen muss. Dies schließt die Annahme einer Verabredung zwischen Personen, die sich lediglich über einen Tarnnamen in einem Internetchatforum kennen, nicht aus. Allerdings hat sich die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, soweit ersichtlich, ausschließlich mit Fällen von den präsumtiven Mittätern bekannten Identitäten der jeweils anderen befasst (vgl. Roxin, JA 1979, 169; 171 f.; Schünemann in LK, 12. Aufl. § 30 Rn. 60 und 62; BGH, Urteile vom 28. Juni 2007 – 3 StR 140/07, BGHR StGB § 30 Abs. 2 Verabredung 7, vom 13. November 2008 – 3 StR 403/08, NStZ 2009, 497 und vom 4. Februar 2009 – 2 StR 165/08, BGHSt 53, 174).
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Die Strafwürdigkeit der Verbrechensverabredung erklärt sich aus der Willensbindung der Beteiligten (Roxin, Strafrecht AT II [2003], S. 303 Rn. 43), durch die bereits vor Eintritt in das Versuchsstadium eine Gefahr für das durch die vorgestellte Tat bedrohte Rechtsgut entsteht (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 30 Rn. 2). Der von einer solchen quasi-vertraglichen Verpflichtung ausgehende Motivationsdruck sorgt oft dafür, dass es von einer binden- den Verabredung für einen Beteiligten kaum noch ein Zurück gibt, so dass bei Angriffen auf die wertvollsten und schutzbedürftigsten Rechtsgüter schon der Abschluss der Deliktsvereinbarung durch eine Strafdrohung verhindert werden muss (Schünemann in LK, 12. Aufl., § 30 Rn. 11). Eine solche auf die Begehung des intendierten Verbrechens bezogene bindende Verabredung erfordert, dass jeder an ihr Beteiligte in der Lage sein muss, bei dem jeweils anderen präsumtiven Mittäter die von jenem zugesagten verbrecherischen Handlungen (vgl. Schröder, JuS 1967, 289, 291) auch einfordern zu können. Dies kann auch zwischen Personen geschehen, die lediglich unter Verwendung eines Tarnnamens kommunizieren. Solches wird sogar in etlichen Fallkonstellationen, in denen es gilt, hierdurch eine Entdeckung zu vermeiden, für die sich Verabredenden sinnvoll sein und nötigt nicht dazu, dass – etwa bei unbekannt bleiben wollenden Angehörigen verbrecherischer Organisationen – Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Verabredung überwunden werden müssten. Gleiches wird naheliegend anzunehmen sein, wenn anonym getroffene Absprachen durch weitere Vorbereitungshandlungen oder deren Verabredung bestätigt worden sind. In Fällen, in denen die verabredete Tat – wie vorliegend – die gleichzeitige Präsenz der Mittäter bei Tatbegehung voraussetzt, ist eine verbleibende völlige Anonymität freilich ausgeschlossen. Deren spätere Auflösung muss Teil des konkreten Tatplans sein. Schon hierfür fehlt es an vollständigen Feststellungen.
18
(2) Insbesondere ist das Landgericht bei der von ihm zu beurteilenden Fallkonstellation, in der es darum geht, Verbrechensfantasie von wirklichem verbrecherischen Willen und dessen Umsetzung abzugrenzen, dem Gebot der erschöpfenden Beweiswürdigung nicht umfassend gerecht geworden (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2006 – 3 StR 139/06, NJW 2007, 384, 387, insoweit in BGHSt 51, 144 nicht abgedruckt; Brause, NStZ 2007, 505, 506). Seine Erwägungen vermögen deshalb nicht mehr als einen Verdacht der Verabredung zu einem Mord zu begründen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2001 – 5 StR 520/01, StV 2002, 235). Die Schwurgerichtskammer hat in ihren beweiswürdigenden Erwägungen mehrere die Ab- sprache zwischen dem Angeklagten und „kees“ betreffenden Umstände, die gegen deren Ernstlichkeit als Verbrechensverabredung zu erwägen gewesen wären, nicht erkennbar bedacht.
19
Die Absprache wurde in lediglich einem Chatgespräch getroffen zwischen Partnern, die sich nicht persönlich kannten und deren Identität nicht ohne Mitwirkung des anderen zu ermitteln war. Über einen direkten kommunikativen Zugang zu „kees“ verfügte der Angeklagte nicht. Die abgesprochene Fortsetzung der Kommunikation unterblieb genauso wie die vom Angeklagten zugesagte Buchung des Ferienhauses (UA S. 56). Das Landgericht hat sich auch nicht mit dem zentralen Einwand des Angeklagten auseinandergesetzt , er habe sich seinen Chatpartnern immer wieder durch das Wechseln seines Nicknamens entzogen, bevor es richtig konkret hätte werden können (UA S. 79). Es hat zudem in seiner Beweiswürdigung zur Bestimmung des Tatzeitraums des Falles II.15 der Urteilsgründe den Charakter der vom Angeklagten im Sommer 2009 geführten Chatgespräche als eskalierende Fantasien (UA S. 130) – in Abgrenzung zu denen im eingestandenen Fall II.2 der Urteilsgründe – bezeichnet, ohne auf diese Gegensätzlichkeit für die hier zur nämlichen Zeit stattgefundene Tathandlung zurückzukommen.
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Der vom Landgericht herangezogene Umstand, der Angeklagte habe im eingestandenen Fall der Verabredung eines schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes (Fall II.2 der Urteilsgründe) – indes dort ohne den Ausdruck ausufernd perversen sexuellen Geschehens – die Ernstlichkeit der Mitteilung des präsumtiven Tatorts nicht in Frage gestellt, ist kein den Angeklagten selbständig belastendes Indiz, weil dieser in jenem anders gelagerten Fall sogar weitergehend die Anmietung der Ferienwohnung im Harz eingestanden hatte.
21
Schließlich stößt der von der Schwurgerichtskammer als tragend herangezogene Umstand des Detailreichtums in der hier zu beurteilenden Fallkonstellation der gebotenen Abgrenzung bloßer Verbrechensfantasie von verbrecherischem Willen auf durchgreifende Bedenken. Ähnlich wie in Fällen , in denen Angaben von Mittätern zu ihren Tatgenossen durch die Wiedergabe selbst erlebter Tatdetails nicht wesentlich gestützt werden (BGH, Beschlüsse vom 26. April 2006 – 1 StR 90/06, StV 2006, 683, und vom 16. Juli 2009 – 5 StR 84/09 mN), eignen sich detaillierte Angaben eines Fantasiebegabten über ein Verbrechen nicht unbedingt zur Entscheidung der Frage, ob sie noch Fiktion oder bereits Ausdruck verbrecherischen Willens sind. Das gilt jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art, nämlich des Austauschs perverser, den eigenen Sexualtrieb und den des Kommunikationspartners aufstachelnder und befriedigender sexualbezogener Fantasien. Für die Bewertung, ob sich die Ausführungen des Angeklagten noch im Bereich solcher Fantasien bewegen, hätte der Umstand nicht unberücksichtigt bleiben dürfen, dass der Angeklagte bislang gegenüber Kindern nicht sexuell übergriffig geworden ist.
22
(3) Der Senat sieht davon ab, den Sachverhalt neu als Verbrechensverabredung aufklären zu lassen. Hierfür erforderliche zusätzliche selbstbelastende Bekundungen des Angeklagten erscheinen ausgeschlossen. Auch unter anderen Tatbestandsvarianten des § 30 StGB wird sich eine Strafbarkeit nicht begründen lassen. Die hier soeben dargelegten Defizite in der Beweiswürdigung legen es nahe, dass ein neu berufenes Tatgericht auch zu keiner Verurteilung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 StGB wegen strafbarer versuchter Anstiftung (vgl. Roxin, JA 1979, 169, 170) oder wegen Sichbereiterklärens im Sinne des § 30 Abs. 2 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2009 – 2 StR 165/08, BGHSt 53, 174, 177; BGH, Beschluss vom 11. August 1999 – 5 StR 217/99, BGHR StGB § 30 Abs. 2 Verabredung 5; Fischer, aaO, § 30 Rn. 10) kommen wird.
23
Ausschlaggebend für eine zu unterlassende Zurückverweisung ist indes jedenfalls, dass die Annahme einer Straflosigkeit nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 StGB unumgänglich sein wird.
24
Der Angeklagte muss, um nach dieser Vorschrift Straflosigkeit zu erlangen , sein Vorhaben lediglich aufgegeben haben. Insoweit verlangt das Gesetz weniger als die bis Ende 1974 geltende Vorgängerregelung des § 49a Abs. 3 Nr. 3 StGB, wonach ein Widerruf der Erklärung geboten war, durch die der Täter sich zu einem Verbrechen bereit erklärt hatte. Die Aufgabe des Vorhabens ist vom Tatgericht – wie andere innere Tatsachen – beweiswürdigend aus den gesamten Umständen festzustellen. Das Erfordernis einer Erkennbarkeit nach außen ist – entgegen der im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Vorstellung (BT-Drucks. IV/650, 155) – dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen (Roxin, aaO, S. 324 Rn. 98 bis 100; im Ergebnis ebenso die weit überwiegende Meinung in der Literatur: vgl. nur Schünemann , aaO, § 31 Rn. 16 f.; Heine in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 31 Rn. 8; Hoyer in SK-StGB, 7. Aufl., § 31 Rn. 14 f.; Fischer, aaO, § 31 Rn. 4; Joecks in MK-StGB, § 31 Rn. 18; aA Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 31 Rn. 4 mN weiterer gegenteiliger Auffassungen). Die Aufgabe eines Entschlusses und deren äußere Erkennbarkeit sind ebenso zweierlei wie das Fassen eines Tatentschlusses und dessen Hervortreten nach außen (Roxin, aaO, Rn. 100). Es spricht gegen eine freiwillige Aufgabe des Vorhabens, wenn ein Beschuldigter bei Tatvorbereitungen entdeckt wird oder scheitert, während der Abbruch Erfolg versprechender Vorbereitungen oder ein Untätigbleiben , wo nach der Bereiterklärung wenigstens vorbereitende Aktivitäten zu erwarten gewesen wären, auf einen freiwilligen Rücktritt deuten (Roxin, aaO). Nur Letzteres ist nach den getroffenen Feststellungen anzunehmen. Der Angeklagte ist entgegen der Verabredung in keinen Chatverkehr mehr mit „kees“ eingetreten und hat es entgegen der Ankündigung unterlassen, das Ferienhaus für die in Aussicht genommene Tatzeit zu buchen.
25
Der Tatvorwurf der Verbrechensverabredung hat demnach im Fall II.14 der Urteilsgründe zu entfallen. Das neu berufene Tatgericht wird lediglich noch eine Strafe hinsichtlich der tateinheitlich ausgeurteilten Vergehen gemäß § 184b Abs. 2 und 4 Satz 1 („Erwerb“ verdrängt „Besitz“ nach Satz 2) StGB festzusetzen haben.
26
b) Fall II.15 der Urteilsgründe (Verabredung zur besonders schweren Vergewaltigung u.a.; Freiheitsstrafe vier Jahre):
27
aa) Der Angeklagte befand sich in einer nicht näher bestimmbaren Nacht des Jahres 2009 zwischen 23.25 Uhr und 4.37 Uhr mit einem Mann im Chatkontakt, der die anonyme Bezeichnung „Big Buddy“ führte. Beide sprachen darüber, den fünf Jahre alten Sohn des „Big Buddy“ gemeinsam und gleichzeitig oral und anal an einem Wochenende während der Herbstferien in einer „Seedatsche“ zu missbrauchen und ihm sexuell motivierte Schmerzen zuzufügen. Der Angeklagte äußerte den Wunsch, „das Tatopfer beim ‚Ficken’ in den Magen zu boxen und ihm Stecknadeln unter die Fußnägel zu stecken“. Auf die Ermahnung des Chatpartners, dass der Angeklagte ja die Grenzen kenne, konzedierte dieser, „dass der Junge das Ganze schon überleben werde, dass ‚der Arsch’ aber wund sein und der Junge auch Griffmarken aufweisen werde“. Der Angeklagte erklärte zum Abschluss des Kontakts, dass „Big Buddy“ ihm im Fall der Verwirklichung des Vorhabens „einen Lebenstraum erfüllen“ würde.
28
bb) Das Landgericht hat sich beweiswürdigend davon überzeugt, dass der Angeklagte zur Begehung des genügend konkretisierten Vergewaltigungs - und Missbrauchsverbrechens fest entschlossen war. Es vermochte sich aber nicht davon zu überzeugen, dass auch der Chatpartner des Angeklagten fest vorhatte, sich an dem Verbrechen zum Nachteil seines Sohnes als Mittäter zu beteiligen. Die Schwurgerichtskammer hat deshalb die Annahme einer Verbrechensverabredung abgelehnt und den Angeklagten wegen eines Sichbereiterklärens im Sinne des § 30 Abs. 2 StGB schuldig gesprochen.
29
cc) Die vom Landgericht hierfür vorgenommene Prüfung des Vorsatzes des Angeklagten ist lückenhaft.
30
(1) Das Landgericht hat zwar plausible und nachvollziehbare Erwägungen angestellt, die belegen, dass der vom Angeklagten erstrebte Analverkehr einem in der Realität zu verwirklichenden Wunsch des Angeklagten entspringt.
31
Der Schuldspruch hat aber jedenfalls deshalb keinen Bestand, weil das Landgericht auch hier keine tragfähige Begründung für den Ausschluss eines strafbefreienden Rücktritts (§ 31 StGB) gefunden hat. Es würde einem neu berufenen Tatgericht nach Prüfung der Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht mehr möglich sein, zu einem Schuldspruch wegen des Sichbereiterklärens zu einer besonders schweren Vergewaltigung zu kommen. Insoweit wird auf die obigen Erwägungen zu II.14 der Urteilsgründe (oben Tz. 22) verwiesen und darauf, dass in der bisherigen Beweiswürdigung (UA S. 130) die zentralen Einwände des Angeklagten unberücksichtigt geblieben sind. Diese könnten nicht anders als ein Aufgeben des Vorhabens bewertet werden.
32
(2) Die Frage, ob es für die vom Tatgericht angenommene Strafbarkeit angesichts der vollständigen Anonymität zwischen den Chatpersonen auch an ausreichenden Feststellungen dafür fehlte, dass der Angeklagte im Rahmen des Chatkontaktes die Annahme des Anerbietens tatsächlich schon ernstlich erstrebt hat (vgl. Fischer, aaO, § 30 Rn. 10), bedarf danach keiner Vertiefung.
33
(3) Der Senat sieht auch in diesem Fall davon ab, die Sache neu aufklären und bewerten zu lassen. Weitere selbstbelastende Bekundungen des Angeklagten erscheinen auch insoweit genauso ausgeschlossen wie die Erlangung zusätzlicher belastender Indizien. Der vom Angeklagten willentlich als Textdatei auf seinem Computer gespeicherte Chatverkehr mit „Big Buddy“ unterfälllt ohne Weiteres der Strafbarkeit nach § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB. Der Senat stellt den Schuldspruch dementsprechend um. Die Vor- schrift des § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil der insoweit geständige Angeklagte sich nicht anders hätte verteidigen können.
34
4. Der Wegfall von drei der vier höchsten Einzelstrafen nötigt zur Aufhebung der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe und des maßgeblich auf den zugehörigen Verurteilungen beruhenden Maßregelausspruchs. Dieser hat zu entfallen. Eine Festsetzung von Strafen, die die Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 StGB erfüllen könnten, ist nach den Schuldspruchänderungen und den bei der Bemessung der neuen Strafen zu beachtenden Maßstäben sicher auszuschließen. Die Festsetzung der Strafen in den Fällen II.13 bis 15 und der Gesamtfreiheitsstrafe wird auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen vorzunehmen sein. Diese können freilich um solche ergänzt werden, die den bisher getroffenen Feststellungen nicht widersprechen.
35
5. Nachdem ein die Zuständigkeit des Schwurgerichts nach § 74 Abs. 2 GVG begründendes Verbrechen nicht mehr Verfahrensgegenstand ist, wird sich eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts mit der Sache zu befassen haben (vgl. BGH, Urteil vom 7. September 1994 – 2 StR 264/94, NJW 1994, 3304, 3305, insoweit nicht in BGHSt 40, 251 abgedruckt).
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Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

13
a) Ein abweichendes Sexualverhalten, wie es für den Angeklagten in Form einer Pädophilie festgestellt worden ist, kann nicht ohne Weiteres einer schweren Persönlichkeitsstörung gleichgesetzt und dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit i.S.v. §§ 20, 21 StGB zugeordnet werden (st. Rspr.; siehe etwa BGH, Beschlüsse vom 10. Oktober 2000 – 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244 und vom 17. Juli 2007 – 4 StR 242/07, NStZ-RR 2007, 337; BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 – 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; BGH, Beschluss vom 6. Juli 2010 – 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304 f.; BGH, Urteil vom 25. März 2015 – 2 StR 409/14, NStZ 2015, 688 f.; BGH, Beschlüsse vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475 und vom 10. November 2015 – 3 StR 407/15 Rn. 9). Eine festgestellte Pädophilie kann aber im Einzelfall eine schwere andere seelische Abartigkeit und eine hierdurch erheblich beeinträchtigte Steuerungsfähigkeit begründen, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten Handlungen , Ausbau des Raffinements und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktik auszeichnen (BGH jeweils aaO).

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

10
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2016 – 1StR 526/15, BGHR StGB § 63 Zustand 45 Rn. 13 mwN) kann ein abweichendes Sexualverhalten nicht ohne Weiteres einer schweren Persönlichkeitsstörung gleichgesetzt und dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit i.S.v. §§ 20, 21 StGB zugeordnet werden. Eine festgestellte Pädophilie kann aber im Einzelfall eine schwere andere seelische Abartigkeit und eine hierdurch erheblich beeinträchtigte Steuerungsfähigkeit begründen, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten Handlungen, Ausbau des Raffinements und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktik auszeichnen.
13
a) Ein abweichendes Sexualverhalten, wie es für den Angeklagten in Form einer Pädophilie festgestellt worden ist, kann nicht ohne Weiteres einer schweren Persönlichkeitsstörung gleichgesetzt und dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit i.S.v. §§ 20, 21 StGB zugeordnet werden (st. Rspr.; siehe etwa BGH, Beschlüsse vom 10. Oktober 2000 – 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244 und vom 17. Juli 2007 – 4 StR 242/07, NStZ-RR 2007, 337; BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 – 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; BGH, Beschluss vom 6. Juli 2010 – 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304 f.; BGH, Urteil vom 25. März 2015 – 2 StR 409/14, NStZ 2015, 688 f.; BGH, Beschlüsse vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475 und vom 10. November 2015 – 3 StR 407/15 Rn. 9). Eine festgestellte Pädophilie kann aber im Einzelfall eine schwere andere seelische Abartigkeit und eine hierdurch erheblich beeinträchtigte Steuerungsfähigkeit begründen, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten Handlungen , Ausbau des Raffinements und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktik auszeichnen (BGH jeweils aaO).

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

5 StR 138/02

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 14. Mai 2002
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter sexueller Nötigung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Mai 2002

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 9. November 2001 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter sexueller Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt und hat seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die Revision des Angeklagten dringt mit der Sachrüge durch. Die Annahme uneingeschränkter Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand; dies zieht hier die Aufhebung des gesamten Urteils nach sich.
1. Wegen einer Serie von acht zwischen August 1987 und April 1989 jeweils im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit begangener Taten (teils versuchter) sexueller Nötigungen bzw. Vergewaltigungen wurde der Angeklagte im Februar 1990 zu zwei Jahren und drei Monaten Jugendstrafe verurteilt. Nachdem er Ende Oktober 1990 vorzeitig auf Bewährung entlassen worden war, begann er bereits im März 1991 eine bis August 1991 andauernde Serie von fünf erneut im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit begangener Vergewaltigungen. Deshalb wurde er im Mai 1992 unter Einbeziehung der vorgenannten Bestrafung zu einer einheitlichen Jugendstrafe von sechs Jahren verurteilt, und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wurde angeordnet.
Nachdem der Vollzug der Unterbringung Anfang des Jahres 2000 während einer Lehre des Angeklagten erheblich gelockert worden war, beging dieser im Juli 2000 während des fortdauernden Vollzugs der Unterbringung die jetzt zu beurteilende Tat: Er überfiel in den Morgenstunden auf dem Weg zu seiner Lehrstelle in einer Grünanlage von hinten eine Frau, drückte der Geschädigten die Luft ab, zog sie ins Gebüsch, brachte sie zu Boden, würgte sie und versuchte, sie mit Schlägen vom Schreien abzuhalten, bevor er nach einem stärkeren Hilfeschrei von ihr abließ und flüchtete.
2. Das Landgericht hat sich bei diesem Tathergang rechtsfehlerfrei – unter maßgeblicher Berücksichtigung der entsprechenden Vorgehensweise des Angeklagten bei seinen früheren Tatserien – von dessen Ziel überzeugt , gewaltsam sexuelle Handlungen an seinem Opfer vorzunehmen. Auch bestehen angesichts der Feststellungen zu den Schreien des Opfers und den zeitlichen und örtlichen Gegebenheiten an dem nicht völlig unbelebten Tatort (UA S. 29) gegen den Ausschluß eines freiwilligen Rücktritts vom unbeendeten Versuch der sexuellen Nötigung letztlich keine durchgreifenden Bedenken (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 24 Rdn. 23 m.w.N.), wenngleich es insoweit an grundsätzlich erforderlichen näheren rechtlichen Ausführungen des Landgerichts fehlt.
3. Nicht nachvollziehbar bleibt indes der Ausschluß erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat.
Sachverständig beraten hat das Landgericht festgestellt, daû beim Angeklagten ungeachtet einiger Therapiefortschritte während der Unterbringung nach wie vor eine “schwere kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narziûtischen, dissozialen und emotional-instabilen Anteilen sowie einer Störung der sexuellen Präferenz im Sinne eines sexuellen Sadismus”, mithin eine schwere andere seelische Abartigkeit (UA S. 33) vorlag. Der spezifische enge motivatorische Zusammenhang dieser schweren psychischen Störung des Angeklagten mit der festgestellten Tat indiziert, wie auch die Revision zutreffend ausführt, eine erhebliche Verminderung seiner dabei vorhandenen Steuerungsfähigkeit (vgl. nur Tröndle/Fischer aaO § 21 Rdn. 4 m.w.N.). Die im Einklang mit dem psychiatrischen Sachverständigen von der Strafkammer gegen die Annahme einer Erheblichkeit der zustandsbedingten Herabsetzung des Steuerungsvermögens angeführten Erwägungen sind demgegenüber fast durchweg zweifelhaft und können insgesamt nicht als tragfähig anerkannt werden. Der Umstand, daû es während der andauernden Kontrolle in der Unterbringungssituation lediglich zu einer Einzeltat gekommen ist, mag das Bestehen nach wie vor vorhandener Selbstkontrollmöglichkeiten des Angeklagten belegen; hierdurch läût sich indes nicht widerlegen , daû diese ungeachtet noch recht massiver Auûenkontrolle und trotz nachdrücklichster Warnungen durch den fortdauernden Maûregelvollzug bei ihm anlagebedingt instabil sind. Nichts anderes gilt für den bewuûten ± wenngleich rechtlich als unfreiwillig bewerteten ± Abbruch der Tat, wie er auch bei Einzelfällen der ersten Tatserie des Angeklagten erfolgt war. Die auch sonst gereizte und aggressive Stimmung des Angeklagten im Tatzeitpunkt mag die Überwindung der gebotenen Eigenkontrolle trotz aller Auûeneinwirkungen erklären, ein Beleg gegen eine erhebliche Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit ist auch hierin nicht zu finden. Schlieûlich sind auch aus dem planvollen und gezielten Tatverhalten des Angeklagten keine hinreichenden Anzeichen für eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung seines Hemmungsvermögens bei Tatplanung und -begehung zu ersehen (vgl. auch BGH, Beschl. vom 7. März 2002 ± 3 StR 335/01 zur minderen Bedeutung des Leistungsverhaltens für die Beurteilung der Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit durch schwere seelische Abartigkeit). Allein aus dem eher unauffälligen Nachtatverhalten läût sich solches auch kaum herleiten.
4. Der Senat sieht sich veranlaût, das Urteil insgesamt aufzuheben. Infolge lückenhafter Prüfung enthält es auch Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten. So hat das Landgericht es unterlassen, das Vorliegen einer gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 StGB) zu prüfen, die nach den Feststellungen durch eine Begehungsweise mittels eines hinterlistigen Überfalls in Betracht zu ziehen ist, insbesondere aber angesichts der massiven Einwirkungen auf die Luftzufuhr der Geschädigten wegen einer Tatbegehung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung auf der Hand liegt. Nach den rechtsfehlerfrei angestellten Überlegungen zu den Parallelen mit den Vortaten des Angeklagten wäre ferner eine weitergehende Feststellung der Tatziele des Angeklagten in Betracht zu ziehen gewesen, die seine Verurteilung wegen versuchter Vergewaltigung (§ 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB) hätte rechtfertigen können. Für eine Durchentscheidung zum Nachteil des Angeklagten fehlt es jedenfalls insoweit an ausreichenden Feststellungen.
Die Rechtsfehler beschweren den Angeklagten zwar nicht. Wenn die lückenhafte Beurteilung aber bei erneuter umfassender Beurteilung vermieden wird, könnte dies auch bei Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB dazu führen, daû die Schuld des Angeklagten im Ergebnis nicht geringer als bislang zu bewerten sein wird.
Eine durch bisherige Feststellungen nicht eingeschränkte, umfassende eigene Sachprüfung durch den neuen Tatrichter ist daher vorzugswürdig (vgl. auch BGH, Urt. vom 23. Januar 2002 ± 5 StR 391/01). Der neue Tatrichter wird danach zu Schuldspruch und Maûregelanordnung umfassend ohne Bindung an das angefochtene Urteil, zur Strafe unter Bedacht auf § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO neu zu befinden haben. Auch unter Berücksichtigung der schützenswerten Belange der Nebenklägerin erscheint eine solche Verfahrensweise bei der gegebenen Beweislage, bei der eine sie besonders belastende zeugenschaftliche Vernehmung zu vermeiden sein wird, noch vertretbar.
5. Angesichts des Verlaufs der bisherigen Therapie erscheint es geboten , daû der neue Tatrichter nunmehr einen weder während der Therapie im Maûregelvollzug noch auch nur im Vollstreckungsverfahren mit dem Angeklagten befaûten Sachverständigen zu dessen Schuldfähigkeit vernimmt. Sofern dieser zu gleichen Befunden wie der bisherige Sachverständige gelangt , läge bei gleichen oder gar schwereren Feststellungen zur Tat die gesicherte Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB auf der Hand, welche ± neben einer kaum milderen Bestrafung ± die erneute Anordnung einer Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus gemäû § 63 StGB nach sich ziehen dürfte.
Die Voraussetzungen für eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung sind bei einer Strafhöhe wie bisher, wenn nicht bereits nach § 66 Abs. 1 StGB (vgl. dazu Tröndle/Fischer aaO § 66 Rdn. 4), jedenfalls nach § 66 Abs. 2 StGB erfüllt. Es käme daher nicht auf die vom Bundesgerichtshof , soweit ersichtlich, noch nicht entschiedene Rechtsfrage zu den formellen Voraussetzungen der vom Landgericht herangezogenen Norm des § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB an, ob bereits eine frühere Verurteilung wegen mehrerer der genannten Straftaten zu drei Jahren Gesamtfreiheitsstrafe, somit ohne weiteres die gegen den Angeklagten zuletzt verhängte einheitliche Jugendstrafe , ausreichte (so Stree in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 66 Rdn. 61) oder ob eine entsprechend hohe Einzelfreiheitsstrafe zu verlangen wäre (so Hanack in LK 11. Aufl. Nachtrag zu § 66 Rdn. 8); für den letztgenannten Fall fehlte es an der gebotenen tatrichterlichen Prüfung, ob für eine der durch die einheitliche Jugendstrafe sanktionierten einschlägigen Taten allein drei Jahre Jugendstrafe verhängt worden wären.
Neben einer erneuten Unterbringung nach § 63 StGB käme indes eine Unterbringung nach § 66 StGB gemäû § 72 Abs. 1 StGB angesichts identischer Ursachen von psychischer Störung und Hang nicht in Betracht (vgl. BGH, Urt. vom 19. Februar 2002 ± 1 StR 546/01 und vom 20. Februar 2002 ± 2 StR 486/01). Der gebotene Schutz der Allgemeinheit vor dem gefährlichen Angeklagten wäre dann allein im Vollzug der Unterbringung nach § 63 StGB zu gewährleisten (BGH aaO).
Harms Häger Basdorf Brause Schaal

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.