Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Nov. 2013 - 1 StR 525/13

bei uns veröffentlicht am06.11.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 525/13
vom
6. November 2013
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. November 2013 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Mannheim vom 29. Mai 2013 im Strafausspruch aufgehoben
(§ 349 Abs. 4 StPO). Die weitergehende Revision wird verworfen
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Diese hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
1. Der Schuldspruch hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Insbesondere ist die Strafkammer mit nicht zu beanstandenden Erwägungen von einem beendeten Versuch ausgegangen, weswegen das bloße Ablassen von dem Geschädigten für einen strafbefreienden Rücktritt gemäß § 24 Abs. 1 StGB nicht ausreichend war.
3
2. Der Strafausspruch kann jedoch keinen Bestand haben. Das Landgericht hat bei der Prüfung einer Strafrahmenverschiebung nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB das „Fehlen von Rücktrittsbemühungen“ bzw. das „Fehlen von Rettungsbemühungen“ zum Nachteil des Angeklagten gewertet. Diese Erwä- gungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie stellen im Ergebnis nur die Feststellung dar, dass der Angeklagte vom Versuch nicht strafbefreiend zurückgetreten ist, was jedoch erst die Strafbarkeit wegen versuchten Totschlags begründet und daher im Hinblick auf das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB einer Strafrahmenmilderung nicht entgegenstehen kann (BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2000 - 2 StR 381/00, BGHR StGB § 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 13, vgl. auch BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2003 - 2 StR 332/03).
4
Zwar hat das Landgericht die Verschiebung des Strafrahmens wegen Versuchs letztlich vorgenommen. Da es im Rahmen der konkreten Strafzumes- sung u.a. die „vorbenannten Strafzumessungsgesichtspunkte“ berücksichtigt hat, kann der Senat aber dennoch nicht ausschließen, dass es ohne Berücksichtigung der zu beanstandenden Erwägungen zu einer milderen Strafe gelangt wäre.
5
Der Strafausspruch bedarf daher einer erneuten tatrichterlichen Prüfung und Entscheidung. Bei dieser sind strafschärfende Erwägungen, dass der Geschädigte die Tat nicht veranlasst habe, zu vermeiden. Diese sind geeignet, die Besorgnis zu wecken, dass dem Angeklagten das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes zur Last gelegt wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. September 2009 - 3 StR 294/09, NStZ-RR 2010, 24 f.; vom 13. August 2013 - 4 StR 288/13).
6
Die von dem Wertungsfehler nicht betroffenen tatsächlichen Feststellungen können bestehen bleiben. Ergänzende, zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen durch den Tatrichter sind möglich. Raum Wahl Graf Cirener Radtke

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe


(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Strafgesetzbuch - StGB | § 23 Strafbarkeit des Versuchs


(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt. (2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1). (3) Hat der Täter aus grobem Unv

Strafgesetzbuch - StGB | § 24 Rücktritt


(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft be

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 381/00
vom
27. Oktober 2000
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
, zu Ziffer 1 a und 3 auf dessen Antrag, am 27. Oktober 2000 einstimmig

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 14. April 2000
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie mit Führen einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe und mit der Ausübung der tatsächlichen Gewalt hierüber schuldig ist;
b) im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Kammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die hiergegen eingelegte Revision des Angeklagten rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Verfahrensrügen genügen aus den vom Generalbundesanwalt ausgeführten Gründen den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht; im übrigen wären sie auch unbegründet. Die Sachrüge führt zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs. 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts drang der Angeklagte, der zum Tatzeitpunkt eine Blutalkoholkonzentration von 2,93 o/oo aufwies, nach einer vorausgegangenen Auseinandersetzung gewaltsam in die Wohnung des Geschädigten T. ein, nachdem er aus seinem Kraftfahrzeug eine dort verwahrte Pistole geholt hatte, die mit drei Patronen geladen war. Während der Angeklagte die Eingangstür zur Wohnung des Geschädigten aufbrach, rief diesen der gemeinsame Bekannte L. an, den T. zuvor, ebenso wie die Mutter des Angeklagten und die Polizei, telefonisch davon verständigt hatte, daß der Angeklagte , nachdem T. ihm wegen seiner Trunkenheit den Zündschlüssel seines Fahrzeugs weggenommen hatte, auf dem Hof vor dem Haus randaliere. Während der Geschädigte mit dem Zeugen L. telefonierte, betrat der Angeklagte das Zimmer, lud die Pistole durch - wodurch die im Lauf befindliche Patrone ausgeworfen wurde - und schoß aus zwei Metern Entfernung gezielt auf den Kopf des Geschädigten. Das Geschoß traf den Telefonhörer; hierdurch wurde seine Durchschlagskraft so gemindert, daß das Projektil zwar in den Kopf des Geschädigten eindrang, jedoch im Weichteilgewebe unterhalb des
Jochbeines stecken blieb. Aufgrund einer Fehlfunktion verklemmte der Verschluß der Waffe, so daß die dritte Patrone nicht abgefeuert werden konnte. Während der Angeklagte versuchte, diese Störung zu beseitigen, warf sich der Geschädigte auf ihn und nahm ihm die Pistole ab. Die erlittene Verletzung war nicht lebensbedrohlich. 2. Der Schuldspruch wegen versuchten Totschlags begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
a) Soweit sich die Revision gegen die Annahme eines Tötungsvorsatzes wendet, kann sie keinen Erfolg haben, da sie nur eine eigene Beweiswürdigung an die Stelle der tatrichterlichen setzt. Das Landgericht hat jedoch rechtsfehlerfrei aus dem Umstand, daß der Angeklagte, der ein "Waffennarr" und geübter Schütze ist, aus einer geringen Entfernung auf den Kopf des Geschädigten zielte und die Pistole, als dieser aufstand, unter fortdauerndem Zielen auf den Kopf mitführte, auf einen "mindestens bedingten" Tötungsvorsatz geschlossen. Auf die widersprüchlichen Ä ußerungen des Angeklagten nach der Tat kommt es daher nicht an.
b) Ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch lag nicht vor. Soweit das Landgericht ausgeführt hat, der Angeklagte habe "alles getan", um den Tod des Geschädigten herbeizuführen (UA S. 32), ist diese Formulierung zwar mißverständlich , da ein beendeter Versuch nicht vorlag. Der Versuch war jedoch fehlgeschlagen und ein strafbefreiender Rücktritt daher ausgeschlossen. Der Angeklagte war durch die Fehlfunktion der Waffe daran gehindert, erneut zu schießen; bevor er die Störung beseitigen konnte, wurde er vom Geschädigten überwältigt und entwaffnet.

c) Auch die Annahme (nur) verminderter Schuldfähigkeit begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat unter eingehender Würdigung der Beweisanzeichen sowie der Beurteilung durch den hierzu gehörten Sachverständigen das Vorliegen von Schuldunfähigkeit mit rechtlich nicht zu beanstandenden Erwägungen verneint. 3. Der Rechtsfolgenausspruch hat jedoch keinen Bestand.
a) Der Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB hat das Landgericht die Feststellung zugrunde gelegt, der - nicht vorbestrafte - Angeklagte, der sich selbst nicht alkoholabhängig fühle, trinke in unregelmäßigen Abständen, dann aber in erheblichen Mengen Alkohol. Er sei zwar nicht alkoholkrank, habe aber eine Neigung zum Alkoholmißbrauch. "Demzufolge" sei ein Hang im Sinne von § 64 StGB "zweifelsfrei gegeben" (UA S. 34). Die vorliegende Tat habe gezeigt , daß der Angeklagte unter Alkohol in aggressive Stimmung verfallen und diese durch Begehung schwerer Straftaten gegenüber anderen ausleben könne ; "demzufolge" bestehe die Gefahr erheblicher rechtswidriger Taten infolge des Hanges. Diese Ausführungen tragen die Anordnung der Maßregel nicht. Die Feststellung einer Neigung zum Alkoholmißbrauch belegt nicht, daß beim Angeklagten ein Hang im Sinne von § 64 Abs. 1 StGB vorliegt. Hierfür reicht gelegentliches oder auch häufiges Sichbetrinken nicht aus; ein Hang liegt vielmehr erst vor, wenn das Verlangen nach übermäßigem Alkoholgenuß den Grad einer psychischen Abhängigkeit erreicht hat (BGH NStZ 1998, 407; BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 1, 6 m.w.N.). Auch eine Gefahr im Sinne von § 64 Abs. 1 StGB ist mit den genannten Erwägungen des Landgerichts nicht hinreichend begründet. Zwar kann, worauf
der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat, die Annahme einer negativen Prognose grundsätzlich auch auf eine einzelne schwere Gewalttat gestützt werden. Voraussetzung ist jedoch stets, daß die Anlaßtat auf den Hang zurückzuführen ist. Vorliegend hat die Kammer im Rahmen der Prüfung der Schuldfähigkeit zwar das Vorliegen eines alkoholbedingten psychischen Dämmerzustands erörtert, dessen Vorliegen jedoch gerade verneint. Daß die - allgemeine - Möglichkeit besteht, der Angeklagte könne unter Alkoholeinwirkung Aggressionstaten begehen, reicht für den von § 64 Abs. 1 StGB vorausgesetzten prognostischen Zusammenhang nicht aus.
b) Der Senat kann nicht ausschließen, daß sich die rechtsfehlerhaften Erwägungen zur Maßregelanordnung auch auf den Strafausspruch ausgewirkt haben; er hebt den Rechtsfolgenausspruch daher insgesamt auf. Der neue Tatrichter wird zu beachten haben, daß auch die Gründe, aus denen das Landgericht eine Milderung des Strafrahmens nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB versagt hat, rechtlichen Bedenken begegnen. Eine Strafrahmensenkung hat das Landgericht mit der Begründung abgelehnt, es sei "nicht dem Verhalten des Angeklagten zuzurechnen, daß der Tötungserfolg nicht eingetreten ist". Der Umstand, daß das Projektil von dem Telefonhörer so gehemmt und abgelenkt wurde, daß der Geschädigte nur eine Fleischwunde erlitt, könne dem Angeklagten nicht zugute kommen; dieser habe "alles getan, um den Tod (des Geschädigten) herbeizuführen, was er auch zumindest billigend in Kauf nahm" (UA S. 32). Diese Erwägungen enthalten im Ergebnis nur die Feststellung , daß der Angeklagte vorsätzlich handelte und vom Versuch nicht - strafbefreiend - zurückgetreten ist; beide Gesichtspunkte begründen jedoch erst die Strafbarkeit wegen versuchten Totschlags und können daher in der Regel einer Strafrahmenmilderung nicht entgegenstehen (vgl. BGH StV 1995, 462; BGHR
StGB § 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 8, 12). Zwar könnten hier einer Strafrahmensenkung die besondere Gefährlichkeit der Tathandlung sowie die darin zum Ausdruck kommende kriminelle Energie des Angeklagten entgegenstehen ; die Entscheidung bedarf jedoch einer vom Tatrichter vorzunehmenden Gesamtwürdigung (vgl. BGHSt 36, 1, 18). 4. Die vom Angeklagten begangene gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 5 StGB steht zu dem versuchten Tötungsdelikt im Verhältnis der Tateinheit (BGHSt 44, 196). Der Senat hat insoweit auf Anregung des Generalbundesanwalts den Schuldspruch ergänzt. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da der Angeklagte sich nicht anders hätte verteidigen können. Mangels gesetzlicher Überschrift ist der Tatbestand der zugleich verwirklichten Delikte nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 a Buchst. a und b Waffengesetz im Schuldspruch durch Umschreibung hinreichend deutlich zu kennzeichnen (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 260 Rdn. 23). Jähnke Otten Rothfuß Fischer Elf

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 332/03
vom
15. Oktober 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Urkundenfälschung u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 15. Oktober 2003 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 22. April 2003 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat zum Strafausspruch Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der allgemeinen Sachrüge hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dagegen hält der Strafausspruch der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Strafkammer hat die Bedenkenlosigkeit des Angeklagten strafschärfend gewertet, welche sie darin erblickt, daß er mehrfach Gelegenheit gehabt hätte,
die Tat abzubrechen. Damit wertet sie zu Lasten des Angeklagten, daß er die Tat überhaupt begangen hat, anstatt von deren Begehung Abstand zu nehmen. Dies verstößt gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 106; 2001, 295; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 14). Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Strafausspruchs, weil der Senat hier trotz der an sich angemessenen Strafe nicht ausschließen kann, daß diese bei fehlerfreier Strafzumessung niedriger ausgefallen wäre. Denn hinzu kommt folgendes: der Tatrichter wirft dem Angeklagten bei der Strafzumessung und der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung seinen Charakter und seine Lebensführung mit einer Vielzahl von drastischen und moralisierenden Wendungen wie beispielsweise "Hai im Haifischbecken", "Lebensphilosophie , sich zu schnappen, was zu schnappen ist", "in seiner Lebensführung über keine moralischen Maßstäbe verfügt", "bei dem ihn leitenden Bestreben nach seinem rücksichtslosen Vorteil ist Übles zu erwarten" vor. Diese Wendungen begründen in ihrer Gesamtheit die Besorgnis, daß der Tatrichter eine gefühlsmäßige , auf unklaren Erwägungen beruhende Strafzumessung vorgenommen
hat (vgl. BGH StraFo 2003, 215; NStZ 2002, 646; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Be- gründung 2), und daß er dabei von einer ablehnenden Haltung gegenüber dem Angeklagten beeinflußt worden sein könnte. Bode Detter Otten Rothfuß Roggenbuck

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 294/09
vom
24. September 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
24. September 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 10. März 2009
a) im Schuldspruch dahin geändert und neu gefasst, dass der Angeklagte des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen, des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen sowie des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 35 Fällen schuldig ist,
b) im Strafausspruch aufgehoben; jedoch werden die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 38 Fällen, davon in drei Fällen in nicht geringer Menge, sowie wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 12 Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wobei er in fünf Fällen als Mitglied einer Bande handelte, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hatte" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Ferner hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 5.000 € angeordnet und verschiedene Gegenstände sowie Bargeld in Höhe von 300 € eingezogen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. In den Fällen II. B. 2., 3., 6. bis 8. hat die jeweils tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen bandenmäßiger unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge neben der - aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts rechtsfehlerfreien - Verurteilung wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30 a Abs. 1 BtMG) keinen Bestand. Der Bandenhandel verbindet in den Fällen des § 30 a BtMG die im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes aufeinander folgenden Teilakte, insbesondere auch den Teilakt der unerlaubten Einfuhr, zu einer einzigen Tat im Sinne einer Bewertungseinheit (Weber , BtMG 3. Aufl. § 30 a Rdn. 36 m. w. N.). Als unselbständigem Teilakt des Handeltreibens kommt der Bandeneinfuhr neben dem Bandenhandel daher keine eigenständige rechtliche Bedeutung zu.
3
Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert und den Tenor im Übrigen aus Gründen der Klarstellung neu gefasst.
4
2. Der Strafausspruch hat insgesamt keinen Bestand.
5
Das Landgericht hat bei allen Taten gleichermaßen sowohl bei der Wahl des Strafrahmens als auch bei der Strafzumessung im engeren Sinne zu Lasten des Angeklagten u. a. gewertet, dass der (Betäubungsmittel-) "Handel... nur dem eigenen Gewinnstreben, insbesondere nicht der Finanzierung einer eigenen Abhängigkeit" gedient habe. Diese Erwägung lässt besorgen, dass das Landgericht das zum Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gehörende Gewinnstreben entgegen § 46 Abs. 3 StGB bei der Strafzumessung rechtsfehlerhaft zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt hat.
6
Zwar ist es dem Tatrichter nach der bisherigen - allerdings keineswegs einheitlichen - Rechtsprechung nicht verwehrt, die ausschließlich gewinnorientierte Motivation eines Angeklagten als verwerflicher zu bewerten als den häufig vorkommenden Fall, dass der Täter nur deshalb Handel mit Betäubungsmitteln treibt, weil er keinen anderen Weg sieht, die Mittel für die Befriedigung seiner eigenen Rauschgiftabhängigkeit aufzubringen (BGHR StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 2; BGH NStZ-RR 1997, 50; BGH, Urt. vom 11. September 2003 - 1 StR 146/03, insoweit in NStZ 2004, 398 nicht abgedruckt; einen Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB bejahend dagegen BGH, Beschl. vom 7. November 2000 - 4 StR 456/00, insoweit in StV 2001, 68 nicht abgedruckt). Der Senat hat mit Blick auf das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB Bedenken, an dieser - soweit ersichtlich von ihm selbst begründeten (BGHR aaO) - Rechtsprechung festzuhalten. Denn das Tatbestandsmerkmal des Handeltreibens setzt stets voraus, dass der Täter nach Gewinn strebt. Deshalb kann ihm dieses Gewinnstreben, jedenfalls solange es den Rahmen des Tatbestandsmäßigen nicht deutlich übersteigt (BGHR StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 1), bei der Strafzumessung nicht zum Nachteil, sondern allenfalls bei Vorliegen einer weniger verwerflichen Tatmotivation zum Vorteil gereichen. Mit der strafschärfenden Berücksichtigung einer rein gewinnorientierten Motivation wird dem Täter deshalb auch - rechtsfehlerhaft - das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes angelastet (ebenso BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 11). Der Senat braucht die Rechtsfrage jedoch nicht zu entscheiden. Denn ein Fall eines rein gewinnorientierten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ist hier nicht belegt. Vielmehr hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte seit seinem 16. Lebensjahr Kontakt zu Drogen hat und bis zu seiner Festnahme in vorliegender Sache selbst regelmäßig Haschisch und Kokain konsumierte. In Anbetracht dieser Feststellungen ist nicht auszuschließen, dass die Gewinne aus den Drogengeschäften auch der Finanzierung des eigenen Betäubungsmittelkonsums des ansonsten einkommenslosen Angeklagten dienten und deshalb kein hiervon gänzlich unabhängiges Gewinnstreben des Angeklagten vorlag. Ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB scheidet auch nicht deshalb aus, weil ein besonders verwerfliches, den Rahmen des tatbestandsmäßigen deutlich übersteigendes Gewinnstreben des Angeklagten bei Begehung der Taten gegeben war. Entsprechende Anhaltspunkte lassen sich den Urteilsgründen nicht entnehmen.
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Da sich der Rechtsfehler bei Bemessung sämtlicher Einzelstrafen ausgewirkt hat, unterliegt der Strafausspruch insgesamt der Aufhebung. Jedoch handelt es sich lediglich um einen Wertungsfehler, so dass die zugehörigen Feststellungen bestehen bleiben können. Im Rahmen der neuen Strafzumessung sind ergänzende Feststellungen möglich, sofern sie den bisher getroffenen nicht widersprechen. Die Anordnungen des Wertersatzverfalls und der Einziehung sind von der Aufhebung nicht betroffen. Becker von Lienen Sost-Scheible Schäfer Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 288/13
vom
13. August 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 13. August 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 13. März 2013
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Betruges in zehn Fällen, des Diebstahls und des Fahrens ohne Fahrerlaubnis in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung schuldig ist;
b) im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 14 Fällen, Diebstahls und Fahrens ohne Fahrerlaubnis in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Seine hiergegen eingelegte Revision hat den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch war abzuändern, weil sich der Angeklagte in den Fällen 12 und 13, 15 und 16 sowie 17, 18 und 19 der Urteilsgründe jeweils nur eines Betruges schuldig gemacht hat.
3
Nach den Feststellungen spiegelte der Angeklagte der Geschädigten am frühen Abend des 20. November 2012 vor, kurzfristig Geld für die Auslösung von Teppichen zu benötigen und sicherte bewusst wahrheitswidrig zu, dieses mit 20% Gewinn zurückzuzahlen. Nachdem ihm die Zeugin im Vertrauen hierauf zunächst nur 450 Euro gegeben hatte, weil sie an einem Tag keinen größeren Geldbetrag abheben konnte (Fall 12), suchte sie der Angeklagte nach Mitternacht erneut auf und erhielt aus einer weiteren Abhebung nochmals 400 Euro (Fall 13). Anlässlich eines weiteren Treffens am 22. November 2012 spiegelte der Angeklagte der Geschädigten vor, noch einen größeren Geldbetrag für das Auslösen der Teppiche zu benötigen. Darauf übergab ihm die Zeugin weitere 5.700 Euro (Fall 15) und schließlich auf sein Drängen kurz darauf nochmals 1.600 Euro (Fall 16). Im Fall 17 täuschte der Angeklagte der Zeugin vor, über eine Geldanlage bei einer Bank einen Gewinn in Höhe von 20% erzielen zu können. Die Zeugin überließ ihm daraufhin 18.000 Euro, die sie sich von einer Freundin geliehen hatte, sowie bei zwei weiteren Gelegenheiten aus eigenen Mitteln einmal 2.800 Euro (Fall 18) und nochmals 400 Euro (Fall 19).
4
Nach diesen Feststellungen hat der Angeklagte im Fall 13, im Fall 16 und in den Fällen 18 und 19 seinen ursprünglichen Tatplan lediglich weiterverfolgt und die in den jeweils vorgelagerten Fällen 12, 15 und 17 bei dem Tatopfer er- zeugten Irrtümer zur Erlangung weiterer Teilbeträge ausgenutzt (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juli 1998 – 4 StR 274/98, NStZ-RR 1999, 110).
5
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen.
6
2. Der Strafausspruch hat keinen Bestand.
7
a) Das Landgericht hat bei der Bestimmung der Einzelstrafen für die Fälle des Fahrens ohne Fahrerlaubnis zum Nachteil des Angeklagten gewertet, dass er aus eigennützigen Motiven, „ohne in einer Not- oder Konfliktlage gewesen zu sein“, wiederholt verschiedene Kraftfahrzeuge auch über längere Strecken ohne Fahrerlaubnis geführt hat (UA S. 19). Diese Erwägung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Ein Handeln aus eigennützigen Motiven wird durch die Feststellungen nicht belegt. Das zusätzliche Abstellen auf das Fehlen einer „Not- oder Konfliktlage“ lässt zudem besorgen, dass es sich bei dieser Formulierung um eine eigenständige – für den Angeklagten nachteilige – Wertung handelt. Hiergegen bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken, weil sich das Landgericht dabei nicht mehr auf die von ihm festgestellten Tatsachen beschränkt. Stattdessen wird die Tatmotivation des Angeklagten an einem hypothetischen Sachverhalt gemessen, der zu dem zu beurteilenden keinen Bezug hat (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2012 – 4 StR 392/12, NStZ-RR 2013, 81, 82; Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 350; Urteil vom 28. Mai 1980 – 3 StR 176/80, NStZ 1981, 60). Dem Angeklagten wird deshalb das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes zur Last gelegt (BGH, Beschluss vom 24. September 2009 – 3 StR 294/09, NStZ-RR 2010, 24, 25; Beschluss vom 16. Mai 1995 – 4 StR 233/95, StV 1995, 584).
8
b) Rechtlich bedenklich ist es auch, dass das Landgericht bei der Bestimmung der Einzelstrafen für die Betrugstaten und den Diebstahl (Fälle 6 bis 20) straferhöhend berücksichtigt hat, dass der Angeklagte weder eine schulische und berufliche Ausbildung noch eine regelmäßige Erwerbstätigkeit angestrebt hat (UA S. 20). Umstände, die zur allgemeinen Art der Lebensführung des Täters gehören, dürfen ihm bei der Strafzumessung indes nur dann zur Last gelegt werden, wenn sie eine Beziehung zu der abgeurteilten Tat haben und sich daraus eine höhere Tatschuld ergibt (BGH, Urteil vom 19. Juli 2000 – 2 StR 96/00, NStZ 2001, 87, 88; Beschluss vom 20. September 1996 – 2 StR 209/96, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 27; Beschluss vom 23. August 1989 – 3 StR 264/89, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 9; Beschluss vom 22. Juli 1988 – 2 StR 361/88, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 8; Beschluss vom 13. November 1987 – 2 StR 558/87, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 7). Dies ist hier jedenfalls in Bezug auf die angeführten schulischen und beruflichen Ausbildungsdefizite des Angeklagten, die – wie sich aus den Feststellungen zur Person ergibt (UA S. 2) – ihre Ursache bereits im Kindesalter und im Lebensstil seiner Herkunftsfamilie haben, nicht der Fall.
9
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass das Schlechterstellungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) sowohl für die Bestimmung der Einzelstrafen, als auch für die Bildung der Gesamtstrafe gilt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2013 – 3 StR 60/13, Rn. 3; Urteil vom 21. Mai 1951 – 3 StR 224/51, BGHSt 1, 252, 253 ff.). Allerdings dürfen die neu festzusetzenden Einzelstrafen für die Fälle 12, 15 und 17 erhöht werden, weil diesen Taten durch die Schuldspruchänderung der Schuld- und Unrechtsgehalt aus den ursprünglich selbstständig abgeurteilten Fällen 13, 16 sowie 18 und 19 zugeordnet worden ist und deshalb höhere Schadenssummen zugrunde zu legen sind. Das Schlechterstellungsverbot gebietet bei der Neubemessung dieser Einzelstrafen nur, dass die Summe der jeweils betroffenen bisherigen Einzelstrafen nicht überschritten wird (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 – 4 StR 99/12, Rn. 33; Beschluss vom 4. März 2008 – 5 StR 594/07, NStZ-RR 2008, 168, 169; Beschluss vom 19. November 2002 – 1 StR 313/02, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12). Soweit wieder Freiheitsstrafen unter sechs Monaten verhängt werden (Fälle 6 und 7), wird § 47 Abs. 1 StGB zu prüfen sein (vgl. dazu BGH, Urteil vom 19. Dezember 2000 – 5 StR 490/00, BGHR StGB § 47 Abs. 1 Umstände 8).
Sost-Scheible Cierniak Franke
RiBGH Bender ist urlaubsabwesend und deshalb gehindert , zu unterschreiben. Sost-Scheible Quentin