Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Okt. 2016 - 1 StR 52/16

bei uns veröffentlicht am11.10.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 52/16
vom
11. Oktober 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
hier: Anhörungsrüge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:111016B1STR52.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Oktober 2016 beschlossen :
Die Ablehnungsgesuche gegen die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf und Prof. Dr. Jäger und gegen die Richterinnen am Bundesgerichtshof Cirener und Dr. Fischer werden als unzulässig verworfen. Die erneute Anhörungsrüge des Verurteilten vom 29. August 2016 gegen den Beschluss des Senats vom 31. Mai 2016 wird auf seine Kosten als unzulässig zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Senats vom 9. August 2016 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Gründe:

1
Der Senat hat die Revision des Verurteilten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim mit Beschluss vom 31. Mai 2016 als unbegründet verworfen. Durch Beschluss des Senats vom 9. August 2016 ist die Anhörungsrüge des Verurteilten und sein Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Anhörungsrüge zurückgewiesen worden.
2
Mit Schreiben vom 29. August 2016 erhebt der Verurteilte „erneut“ die Anhörungsrüge und wiederholt den Antrag auf Wiedereinsetzung. Zudem lehnt er die in der Beschlussformel genannten Richter wegen der Besorgnis der Be- fangenheit ab. Er wendet sich gegen die Beweiswürdigung im Urteil. Die Besorgnis der Befangenheit begründet er damit, dass sich die abgelehnten Richter bei dem sein Rechtsmittel verwerfenden Beschluss von sachfremden Erwägungen hätten leiten lassen, anders sei eine Verwerfung nicht zu erklären. Zudem stützt er die Besorgnis der Befangenheit darauf, dass die abgelehnten Richter seine Anhörungsrüge im Hinblick auf eine fehlende Glaubhaftmachung verworfen hätten, obwohl diese Lücke durch Ermittlung seitens des Gerichts zu klären gewesen sei. In einem von mehreren folgenden Schriftsätzen erhebt der Verurteilte die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung seines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch den Beschluss vom 9. August

2016.


3
1. Die Ablehnungsgesuche des Antragstellers sind unzulässig, nachdem der Senat sowohl über die Revision des Verurteilten als auch über seine Anhörungsrüge und seinen Antrag auf Wiedereinsetzung entschieden hat. Ein Ablehnungsgesuch ist nur statthaft, solange die Entscheidung noch nicht ergangen ist. Das gilt auch, wenn das Ablehnungsgesuch mit einer Gehörsrüge verbunden ist (BGH, Beschlüsse vom 14. März 2013 – 2 StR 534/12, NStZ-RR 2013, 214 und vom 22. November 2006 – 1 StR 180/06, BGHR StPO § 25 II Nach dem letzten Wort 1).
4
2. Ein Antrag, mit dem eine erneute Anhörungsrüge gegen einen Beschluss erhoben wird, durch den eine vorangegangene Anhörungsrüge zurückgewiesen wurde, ist unstatthaft (vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 26. April 2011 – 2 BvR 597/11 mwN; BGH, Beschlüsse vom 13. August 2015 – 4 StR 576/14, NStZ-RR 2015, 315 und vom 8. Juli 2013 – 1 StR 557/12).
5
3. Die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung ist unstatthaft, da gegen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs gemäß § 304 Abs. 4 Satz 1 StPO keine Beschwerde zulässig ist.
6
4. Inhaltlich hat der Senat – ungeachtet der Unzulässigkeit der ersten Anhörungsrüge – zu den vom Verurteilten behaupteten Gehörsverstößen bereits Stellung genommen.
7
Er weist darauf hin, dass er weitere Eingaben entsprechenden Inhalts nicht mehr bescheiden wird.
Raum Jäger Cirener
Radtke Mosbacher

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(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig,

Strafprozeßordnung - StPO | § 25 Ablehnungszeitpunkt


(1) Die Ablehnung eines erkennenden Richters wegen Besorgnis der Befangenheit ist bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse, in der Hauptverhandlung über die Berufung oder die Revision bis zum Beginn de

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 534/12
vom
14. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
hier: Anhörungsrüge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. März 2013 beschlossen:
1. Das Ablehnungsgesuch des Verurteilten gegen die Richter Prof. Dr. Fischer, Prof. Dr. Schmitt, Dr. Berger, Prof. Dr. Krehl und Dr. Eschelbach wird als unzulässig verworfen. 2. Die Anhörungsrüge des Verurteilten vom 1. März 2013 gegen den Senatsbeschluss vom 12. Februar 2013 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

1
1. Der Senat hat mit Beschluss vom 12. Februar 2013 die von dem Verurteilten eingelegte Revision gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 22. Juni 2012 gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Hiergegen richtet sich die Anhörungsrüge des Verurteilten vom 1. März 2013, die er mit einer Ablehnung derjenigen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit verbindet, die bereits am Revisionsverwerfungsbeschluss mitgewirkt hatten.
2
2. Das Ablehnungsgesuch des Verurteilten ist verspätet und daher unzulässig (§ 26a Abs. 1 Nr. 1 StPO). Entscheidet das Gericht über die Revision außerhalb der Hauptverhandlung im Beschlusswege, so kann ein Ablehnungsgesuch in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 StPO nur solange statthaft vorgebracht werden, bis die Entscheidung ergangen ist. Etwas anderes gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann nicht, wenn die Ablehnung mit einer Anhörungsrüge nach § 356a StPO verbunden wird, die sich - wie hier - mangels Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG als unbegründet erweist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Februar 2007 - 3 StR 425/06, NStZ 2007, 416, vom 7. August 2007 - 4 StR 142/07, NStZ 2008, 55, vom 24. Januar 2012 - 4 StR 469/11, vom 7. November 2009 - 5 StR 356/09, vom 4. August 2009 - 1 StR 287/09, NStZ-RR 2009, 353, vom 2. Mai 2012 - 1 StR 152/11, NStZ-RR 2012, 314, vom 31. Januar 2013 - 1 StR 595/12; Meyer-Goßner, StPO 55. Aufl., § 25 Rn. 11). Denn die Regelung des § 356a StPO soll dem Revisionsgericht die Möglichkeit geben, einem Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör durch erneute Sachprüfung selbst abzuhelfen; der Rechtsbehelf dient indes nicht dazu, einem unzulässigen Ablehnungsgesuch durch die unzutreffende Behauptung der Verletzung rechtlichen Gehörs doch noch Geltung zu verschaffen (BGH, Beschlüsse vom 22. November 2006 - 1 StR 180/06, BGHR StPO § 25 Abs. 2 Nach dem letzten Wort 1; vom 13. Februar 2007 - 3 StR 425/06, aaO).
3
Dem Antrag des Verurteilten, ihm die zur Entscheidung über sein Ablehnungsgesuch berufenen Gerichtspersonen namhaft zu machen, war nicht nachzukommen. § 24 Abs. 3 Satz 2 StPO findet keine Anwendung, wenn das Ablehnungsgesuch ohne Ausscheiden der abgelehnten Richter (§ 26a Abs. 2 Satz 1 StPO) als unzulässig zu verwerfen ist (BGH, Beschluss vom 13. Februar 2007 - 3 StR 425/06, aaO; BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2005 - 5 StR 269/05, BGHR StPO § 24 Abs. 3 Satz 2 Besetzungsmitteilung 1).
4
3. Die Anhörungsrüge ist jedenfalls unbegründet, da keine Verletzung rechtlichen Gehörs vorliegt. Der Senat hat bei seiner Entscheidung keinen Verfahrensstoff verwertet, zu dem der Verurteilte nicht gehört worden wäre, noch hat er bei der Entscheidung zu berücksichtigendes Vorbringen des Verurteilten übergangen.
5
Auch die Mutmaßungen des Verurteilten über die Unterrichtung der Richter der Spruchgruppe über den Sach- und Streitstand mit der Behauptung, es hätten nicht sämtliche Richter die Akten gelesen, zeigen eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht auf. Zu der Frage, wie die einzelnen Mitglieder eines Spruchkörpers die erforderliche Kenntnis des Streitstoffs erlangen, enthalten weder das Verfahrens- noch das Verfassungsrecht nähere Vorgaben. Die Entscheidung , ob der Spruchkörper sich mit Blick auf die Arbeitsteilung im Kollegium darauf beschränkt, durch den Berichterstatter über den maßgeblichen Sach- und Streitstand informiert zu werden, oder die Vollständigkeit und Richtigkeit des Vortrags dadurch sichert und verstärkt, dass ein weiteres, mehrere oder alle Mitglieder des Spruchkörpers sich den Streitstoff aus den Akten selbst erarbeiten, ist ihm überlassen. Dabei ist es jedem Richter in Ausübung seiner Unabhängigkeit und persönlichen Verantwortung jederzeit unbenommen, sich selbst unmittelbar aus den Akten kundig zu machen, wenn er dies für seine Überzeugungsbildung für erforderlich hält und nicht allein auf den Vortrag des Berichterstatters zurückgreifen möchte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2012 - 2 BvR 610/12 u. 2 BvR 625/12, NJW 2012, 2334, 2336 Tz. 25; siehe auch schon BVerfG, Beschluss vom 24. März 1987 - 2 BvR 677/86, NJW 1987, 2219, 2220; BGH, Beschluss vom 15. Februar 1994 - 5 StR 15/92, NStZ 1994, 353f.).
6
Eine Verletzung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechts auf den gesetzlichen Richter kann mit der Anhörungsrüge nach § 356a StPO nicht geltend gemacht werden (vgl. Senat, Beschluss vom 13. Dezember 2012 - 2 StR 585/11 mwN; noch offen gelassen von BGH, Beschluss vom 24. März 2011 - 4 StR 637/10). Allerdings lag die vom Verurteilten behauptete Verletzung von Art. 101 Abs.1 Satz 2 GG ohnehin nicht vor: Der Senatsvorsitzende war bei der Beratung und Beschlussfassung urlaubsbedingt verhindert und ist von dem ohnehin der betreffenden Spruchgruppe angehörenden Stellvertre- tenden Vorsitzenden unter Hinzuziehung des nach der internen Geschäftsverteilung zur weiteren Vertretung berufenen Senatsmitglieds vertreten worden.
Becker Fischer Appl Berger Krehl

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 180/06
vom
22. November 2006
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. November 2006 beschlossen
:
1. Der Antrag des Angeklagten vom 23. Oktober 2006 auf Nachholung
rechtlichen Gehörs gegen das Urteil des Senats vom
16. Oktober 2006 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof
Nack sowie der weiteren Mitglieder des 1. Strafsenats des
Bundesgerichtshofs in der Besetzung anlässlich der Hauptverhandlung
vor dem Senat am 12. und 16. Oktober 2006 wegen
Besorgnis der Befangenheit wird als unstatthaft zurückgewiesen.

Gründe:


1
1. Für eine Entscheidung gemäß § 356a StPO ist kein Raum. Der Senat hat bei seiner Entscheidung weder Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet , zu denen der Angeklagte zuvor nicht gehört worden war, noch zu berücksichtigendes Vorbringen übergangen oder sonst dessen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
2
§ 356a StPO erfasst auch Urteile der Revisionsgerichte, „da Hauptverhandlungen vor dem Revisionsgericht auch ohne den Angeklagten und seinen Verteidiger stattfinden können und es dann möglich ist, dass sie ihren Anspruch auf rechtliches Gehör deshalb nicht wahrnehmen können, weil ihnen der Zeitpunkt der Hauptverhandlung versehentlich nicht oder nicht rechtzeitig mitgeteilt wurde oder weil sie durch andere Gründe am Erscheinen verhindert sind“. Demgegenüber ist aber „eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kaum vorstellbar , wenn der Angeklagte oder sein Verteidiger vor dem Revisionsgericht anwesend sind, weil sie sich dann umfassend äußern können“ (BT-Drucks. 15/3706, S. 17).
3
In der Revisionshauptverhandlung dieses Verfahrens wurden die im Hinblick auf die Sachrüge maßgeblichen Aspekte der Beweiswürdigung der Strafkammer zu Beginn der Hauptverhandlung im ausführlichen Vortrag des Berichterstatters (§ 351 Abs. 1 StPO) dargelegt. Nicht nur der Vorsitzende, sondern bereits der Berichterstatter hat in seinem Vortrag auch darauf hingewiesen , dass die Ausführungen des Nebenklägervertreters im Rahmen der Begründung der Sachrüge zur Nichtberücksichtigung der in der Hauptverhandlung vor der Strafkammer verlesenen Passage aus „H. ’s Tagebuch“ zum Brief mit den Worten „Wenn sie sagt 'ja ich war’s', bin ich für Jahre im Knast“ im Urteil des Landgerichts als Formalrüge - Verletzung des § 261 StPO - angesehen werden könnten (Rechtsgedanke des § 300 StPO). Auch im Übrigen hat der Senat bei seiner Entscheidungsfindung keine Umstände berücksichtigt, die nicht in den Revisionsbegründungen angesprochen wurden oder Gegenstand der Erörterung während der Revisionshauptverhandlung waren. Zu all dem Stellung zu nehmen, hatten sowohl der Angeklagte als auch der Verteidiger in der Revisionshauptverhandlung am 12. Oktober 2006 umfassend Gelegenheit. Dies geschah nicht.
4
2. Der Befangenheitsantrag ist nicht statthaft, da er nach dem letzten Wort des Angeklagten gestellt wurde (§ 25 Abs. 2 Satz 2 StPO).
5
Anderes folgt auch nicht daraus, dass mit dem Befangenheitsantrag die Gehörsrüge gemäß § 356a StPO erhoben wurde und der Senat zunächst darüber befinden muss, ob der Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt wurde. Denn diese Vorschrift - und entsprechende Normen in anderen Verfahrensgesetzen - wurden geschaffen, um dem Gericht, das in der Sache entschieden hat, im Falle von Verstößen gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, Gelegenheit zu geben, selbst dem Mangel abzuhelfen, ohne dass es der Einlegung einer Verfassungsbeschwerde bedarf. Die Gehörsrüge dient jedoch nicht dazu, unstatthaften (§ 25 Abs. 2 Satz 2 StPO) Befangenheitsanträgen Geltung zu verschaffen.
6
Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn das rechtliche Gehör tatsächlich verletzt und deshalb nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachzuholen wäre, kann dahinstehen, da ein solcher Fall hier nicht vorliegt. Der Angeklagte konnte im Revisionsverfahren umfassend Stellung nehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2001 - 3 StR 187/01 -).
Nack Wahl Boetticher Hebenstreit Graf

(1) Die Ablehnung eines erkennenden Richters wegen Besorgnis der Befangenheit ist bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse, in der Hauptverhandlung über die Berufung oder die Revision bis zum Beginn des Vortrags des Berichterstatters, zulässig. Ist die Besetzung des Gerichts nach § 222a Absatz 1 Satz 2 schon vor Beginn der Hauptverhandlung mitgeteilt worden, so muss das Ablehnungsgesuch unverzüglich angebracht werden. Alle Ablehnungsgründe sind gleichzeitig vorzubringen.

(2) Im Übrigen darf ein Richter nur abgelehnt werden, wenn

1.
die Umstände, auf welche die Ablehnung gestützt wird, erst später eingetreten oder dem zur Ablehnung Berechtigten erst später bekanntgeworden sind und
2.
die Ablehnung unverzüglich geltend gemacht wird.
Nach dem letzten Wort des Angeklagten ist die Ablehnung nicht mehr zulässig.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 S t R 5 7 6 / 1 4
vom
13. August 2015
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
hier: Gegenvorstellung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. August 2015 beschlossen
:
Die Gegenvorstellung des Verurteilten vom 11. August 2015 wird
als unstatthaft zurückgewiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Verurteilten wegen gefährlicher Körperverletzung und Trunkenheit im Verkehr zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt; ferner hat es Maßnahmen nach §§ 69, 69a StGB angeordnet. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision hat der Senat mit Beschluss vom 19. Mai 2015 nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Anhörungsrüge hat er mit Beschluss vom 1. Juli 2015 zurückgewiesen.
2
Hiergegen hat der Verurteilte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 11. August 2015 Gegenvorstellung erhoben.
3
Dieser Rechtsbehelf gegen den Beschluss vom 1. Juli 2015 kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil der Senat seine Entscheidungen in dieser Sache weder aufheben noch abändern könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 2014 - 5 StR 377/13); die Gegenvorstellung ist daher unstatthaft (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 2013 - 1 StR 557/12). Inhaltlich hat der Senat zur Frage des vom Verurteilten behaupteten Gehörsverstoßes bereits Stellung genommen.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 557/12
vom
8. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Betrug
hier: Anhörungsrüge; sofortige Beschwerde
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Juli 2013 beschlossen:
Der Antrag des Verurteilten vom 29. Juni 2013 wird als unstatthaft auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

1
Der Senat hat die Revision des Verurteilten durch Beschluss vom 22. Januar 2013 gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Seine gegen diesen Beschluss und das Urteil des Landgerichts gerichtete Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 19. Juni 2013 - 2 BvR 1201/13).
2
Gegen den Senatsbeschluss vom 22. Januar 2013 hatte sich auch eine am 4. März 2013 beim Bundesgerichtshof eingegangene umfangreiche, später noch mehrfach ergänzte Gegenvorstellung des Verurteilten gerichtet, mit der er die Aufhebung dieses Beschlusses und Vollstreckungsaufschub beantragte. Gestützt war dies im Wesentlichen auf die näher ausgeführte Behauptung, das Urteil des Landgerichts und der Beschluss des Senats seien falsch; auch sei Verfahrensrecht in vielfältiger Weise zu seinem Nachteil verletzt worden.
3
Der Senat hat sämtliche Anträge durch Beschluss vom 14. Mai 2013 zurückgewiesen. Dabei hat er u.a. ausgeführt, dass das Vorbringen auch erfolglos bliebe, soweit es - zumindest in Teilen - als Anhörungsrüge (§ 356a StPO) zu werten sei. Abgesehen davon, dass insoweit die entsprechenden formalen Anforderungen (z.B. hinsichtlich der Frist) nicht erfüllt seien, habe der Senat seiner Entscheidung (vom 22. Januar 2013) nichts zu Grunde gelegt, wozu der Angeklagte nicht gehört worden wäre und habe auch sonst rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
4
Nunmehr legt der Verurteilte gegen den Senatsbeschluss vom 14. Mai 2013 „mit einem erneuten Antrag nach § 356aStPO auf Grund mehrerer neuerlichen Gehörsverletzungen sofortige Beschwerde“ ein.
5
Neben teilweiser Wiederholung früheren Vorbringens legt er auch dar, dass und warum dem Beschluss des Senats vom 14. Mai 2013, den er nicht als „Rechtsbescheid“ ansehe, neuerliche Gehörsverletzungen zu Grunde lägen.
6
Ein Antrag, mit dem eine erneute Anhörungsrüge gegen einen Beschluss erhoben wird, durch den eine vorangegangene Anhörungsrüge zurückgewiesen wurde, ist unstatthaft (vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 26. April 2011 - 2 BvR 597/11 mwN; BGH, Beschlüsse vom 22. Oktober 2012 - 1 StR 534/11 und vom 5. Dezember 2011 - 1 StR 399/11), ebenso wie (sofortige) Beschwerden gegen Beschlüsse des Bundesgerichtshofs, § 304 Abs. 4 Satz 1 StPO.
7
Schon deshalb bleibt der Antrag erfolglos. Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass die Behauptung von Gehörsverletzungen im Zusammenhang mit dem Senatsbeschluss vom 14. Mai 2013 auch sachlich unzutreffend ist.
8
Weitere gleichartige Eingaben des Verurteilten in dieser Sache wird der Senat nicht mehr bescheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2011 - 1 StR 399/11 mwN). Wahl Graf Jäger Cirener Radtke

(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht.

(2) Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können gegen Beschlüsse und Verfügungen, durch die sie betroffen werden, Beschwerde erheben.

(3) Gegen Entscheidungen über Kosten oder notwendige Auslagen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.

(4) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofes ist keine Beschwerde zulässig. Dasselbe gilt für Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte; in Sachen, in denen die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug zuständig sind, ist jedoch die Beschwerde zulässig gegen Beschlüsse und Verfügungen, welche

1.
die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Unterbringung zur Beobachtung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 oder § 101a Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen,
2.
die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen oder das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einstellen,
3.
die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten (§ 231a) anordnen oder die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung aussprechen,
4.
die Akteneinsicht betreffen oder
5.
den Widerruf der Strafaussetzung, den Widerruf des Straferlasses und die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 453 Abs. 2 Satz 3), die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zur Sicherung des Widerrufs (§ 453c), die Aussetzung des Strafrestes und deren Widerruf (§ 454 Abs. 3 und 4), die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 372 Satz 1) oder die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung nach den §§ 435, 436 Absatz 2 in Verbindung mit § 434 Absatz 2 und § 439 betreffen;
§ 138d Abs. 6 bleibt unberührt.

(5) Gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts (§ 169 Abs. 1) ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen.