Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Feb. 2019 - 1 StR 484/18

bei uns veröffentlicht am07.02.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 484/18
vom
7. Februar 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
ECLI:DE:BGH:2019:070219B1STR484.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 7. Februar 2019 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 21. Dezember 2017 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten C. wegen Steuerhinterziehung in 22 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und den Angeklagten K. wegen Steuerhinterziehung in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Daneben hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 303.600 € gegen den Angeklagten C. und von 103.500 € gegen den Angeklagten K. angeordnet.
2
Die hiergegen gerichteten, jeweils auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben Erfolg.
3
1. Die Verurteilung der beiden Angeklagten hat keinen Bestand, weil das Urteil nicht den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO genügt; es fehlt zu allen abgeurteilten Taten an tragfähigen Feststellungen als Grundlage für den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch.
4
a) Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen, also das Tatgeschehen mitteilen, in dem die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Dies muss in einer geschlossenen Darstellung aller äußeren und jeweils im Zusammenhang damit auch der dazugehörigen inneren Tatsachen in so vollständiger Weise nachvollziehbar geschehen, dass in den konkret angeführten Tatsachen der gesetzliche Tatbestand erkannt werden kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 11. Oktober 2018 – 1 StR 538/17, NStZ-RR 2019, 79, 80 und vom 24. Mai 2017 – 1 StR 176/17, NStZ 2018, 341 f. jeweils mwN; Urteil vom 12. Mai 2009 – 1 StR 718/08, NJW 2009, 2546, 2547). Nur dann kann das Revisionsgericht auf die Sachrüge prüfen, ob bei der rechtlichen Würdigung eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist (§ 337 StPO).
5
Die Strafvorschrift der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) wird materiellrechtlich ausgefüllt durch die im Einzelfall anzuwendenden steuerrechtlichen Vorschriften, aus denen sich ergibt, welches steuerlich erhebliche Verhalten im Rahmen der jeweiligen Abgabenart zu einer Steuerverkürzung geführt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Oktober 2018 – 1 StR 538/17, NStZ-RR 2019, 79, 80 und vom 24. Mai 2017 – 1 StR 176/17, NStZ 2018, 341 f. jeweils mwN). Auch hierzu bedarf es aus-reichender tatsächlicher Feststellungen, die eine Nachprüfung durch das Revisionsgericht ermöglichen. Dazu gehören insbesondere diejenigen Parameter, die maßgebliche Grundlage für die Steuerberechnung sind (Besteuerungsgrundlagen). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen deshalb die Urteilsgründe bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung regelmäßig nicht nur die Summe der jeweils verkürzten Steuern, sondern für jede Steuerart und jeden Steuerabschnitt gesondert die Berechnung der verkürzten Steuern im Einzelnen angeben (vgl. BGH, Be- schlüsse vom 11. Oktober 2018 – 1 StR 538/17, NStZ-RR 2019, 79, 80 und vom 26. April 2001 – 5 StR 448/00, wistra 2001, 308, 309 mwN).
6
b) Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Mitgeteilt wird neben einer rudimentären Darstellung des verfahrensgegenständlichen Hinterziehungssystems, das offenbar aus einer Vielzahl von – teilweise gesondert verfolgten – Personen bestand, dass die Angeklagten für die jeweils von ihnen geführten Gesellschaften, die in das vom gesondert Verfolgten W. unterhaltene groß angelegte Hinterziehungssystem, nämlich eine darin integrierte fiktive Lieferkette eingebunden waren, auf Geheiß des W. Eingangs- und Ausgangsrechnungen über den An- und Verkauf von Kupferkathoden erstellten. Sie wussten, dass diesen Rechnungen keine realen Vertragsund Leistungsbeziehungen zugrunde lagen, dass sie in den benannten Voranmeldezeiträumen Umsatzsteuererklärungen über die in den Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge abgaben und dass sie hierbei jeweils Vor- steuerbeträge in Abzug brachten und hierdurch die „ins Soll zu stellenden Beträge“ minderten, was zu einer entsprechenden „Festsetzung“ durch das Fi- nanzamt führte.
7
In welchem Umfang und über welche Beträge von den Angeklagten Rechnungen erstellt wurden und Umsatzsteuer sowie Vorsteuer bei den jeweiligen Steuererklärungen angegeben bzw. geltend gemacht wurde, ergibt sich aus den landgerichtlichen Feststellungen nicht. Ebenso wenig lässt sich dem Urteil entnehmen, ob die Steueranmeldungen zu einem Erstattungsanspruch geführt haben und ob das Finanzamt diesem gegebenenfalls zugestimmt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 StR 196/14, wistra 2014, 486, 487 f.). Das Landgericht teilt lediglich mittels Tabellen mit, die nicht einmal voll- ständig mit der knappen Darstellung im Fließtext übereinstimmen, zu welchen Zeitpunkten für welche Zeiträume Erklärungen abgegeben wurden und auf welche Beträge sich die Umsatzsteuerverkürzung seiner Auffassung nach in den jeweiligen Zeiträumen und in der Summe beläuft. Dabei wird nur ein Berechnungsergebnis angegeben, das mangels weitergehender Angaben zu den Berechnungsgrundlagen , insbesondere den in den Rechnungen ausgewiesenen Brutto- und Nettobeträgen, in keiner Weise nachvollziehbar ist. Den Urteilsgründen lässt sich daher auch nicht entnehmen, welcher Hinterziehungsumfang gerade durch die unrichtigen Steuererklärungen der Angeklagten verursacht wurde.
8
2. Der Senat hebt die gesamten Feststellungen auf, um dem neuen Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen (§ 353 Abs. 2 StPO).

Jäger Bellay Bär
Hohoff Pernice

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Abgabenordnung - AO 1977 | § 370 Steuerhinterziehung


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,2.die Finanzbehörden pflichtwidrig über steu

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(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 538/17
vom
11. Oktober 2018
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung
ECLI:DE:BGH:2018:111018B1STR538.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 11. Oktober 2018 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 11. Mai 2017 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere – als Wirtschaftsstrafkammer zuständige – Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten V. wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren mit Bewährung verurteilt. Gegen den Angeklagten W. wurde wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verhängt.
2
Hiergegen richten sich die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten. Ihre Rechtsmittel haben entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts vom 4. April 2018 in vollem Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.


3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Der Angeklagte V. war Geschäftsführer der im Handelsregister des Amtsgerichts Chemnitz eingetragenen Autohaus H. GmbH, deren Unternehmensgegenstand der Verkauf und die Reparatur von Kraftfahrzeugen war. Da sich die Firma in finanziellen Schwierigkeiten befand, bot der Angeklagte W. seinem Schwager, dem Angeklagten V. , an, sich an einem Umsatzsteuerkarussell zu beteiligen. Dabei sollten Rechnungen mit dem Briefkopf der Autohaus H. GmbH ausgestellt werden, denen keine tatsächlichen Leistungen zu Grunde lagen. Der Angeklagte V. erklärte sich dazu bereit, seine Firma in das Umsatzsteuerkarussell einbinden zu lassen.
5
Ab Frühjahr 2009 wurden für die Beteiligung am Umsatzsteuerkarussell Rechnungen mit dem Briefkopf der Autohaus H. GmbH zunächst durch den Angeklagten W. in dessen Büro in B. erstellt. In der Folge erfolgte die Fertigung entsprechender Ausgangsrechnungen auf Anweisung der Zeugen D. und M. durch Mitarbeiter der Firmen E. GmbH und der A. GmbH, die angebliche Kunden des Autohauses H. GmbH waren, wobei die entsprechenden Daten des Autohauses durch den Angeklagten W. zur Verfügung gestellt wurden. Teilweise wurde auch das Layout der Rechnungen frei erfunden. Bei der Erstellung der Rechnungen für das Autohaus H. GmbH wurden diese teilweise rückdatiert und nachträglich erstellt sowie zusätzlich mit den Rechnungen der Adressaten abgeglichen, um Doppelausstellungen zu vermeiden. Das auf den Rechnungen ausgewiesene Datum entsprach deshalb nicht zwingend dem tatsächlichen Erstellungsdatum der Rechnungen.
6
Beiden Angeklagten war bekannt, dass die Autohaus H. GmbH nur auf dem Papier in die Rechnungskette einbezogen werden und selbst zu keinem Zeitpunkt die in den Rechnungen ausgewiesenen Lieferungen erbringen sollte. Der Angeklagte V. wusste von dem Angeklagten W. und dem Zeugen D. , dass unter dem Namen des Autohauses H. GmbH Ausgangsrechnungen mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer erstellt wurden, ohne dass entsprechende Angaben gegenüber dem zuständigen Finanzamt gemacht werden sollten. Teilweise sah der Angeklagte V. auch entsprechende Rechnungen, eine Unterzeichnung durch ihn erfolgte aber nicht. Vom Zeugen D. erhielt der Angeklagte W. regelmäßig Barbeträge in einer Größenordnung von maximal 20.000 Euro monatlich über einen Zeitraum von sechs bis neun Monaten als Entlohnung für die anfängliche Erstellung von Ausgangsrechnungen für die Autohaus H. GmbH und die Vermittlung dieser Gesellschaft. Der Angeklagte V. erhielt vom Zeugen D. in unregelmäßigen Abständen Geldbeträge von 2.000 bis 3.000 Euro sowie in zwei oder drei Fällen die Gelegenheit, ein Fahrzeug von R. zur Autohaus H. GmbH zu überführen und dieses dort zu verkaufen.
7
Mit dem Briefkopf der Autohaus H. GmbH wurden auf diese Weise 282 Rechnungen an die Automobile Ma. GmbH und 295 Rechnungen an die A. GmbH erstellt, in denen jeweils die Umsatzsteuer offen ausgewiesen war und die ein Rechnungsdatum im Zeitraum vom 1. April 2009 bis 29. März 2010 trugen. Diese Rechnungen wurden in den vom Angeklagten V. jeweils eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen der Autohaus H. GmbH im zweiten, dritten und vierten Quartal 2009 nicht gegenüber dem zuständigen Finanzamt angegeben. Für das erste Quartal 2010 wurde vom Angeklagten V. keine Umsatzsteuervoranmeldung mehr abgegeben. Dadurch kam es zur Verkürzung von Umsatzsteuer im gesamten Tatzeitraum in Höhe von 3.555.095,33 Euro. Die Erstellung von Scheinrechnungen endete, nachdem sich der Angeklagte V. am 30. März 2010 zur Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes C. begeben und diverse Informationen über geschäftliche Kontakte zu den Zeugen D. und M. weitergegeben sowie den Verdacht über ihm nicht bekannte Autokäufe unter dem Namen seiner Gesellschaft geäußert hatte. Eine eigene Beteiligung ebenso wie eine Beteiligung des Mitangeklagten W. wurde aber durch den Angeklagten V. nicht offenbart.
8
2. Das Landgericht geht davon aus, dass der Angeklagte V. als formeller Geschäftsführer der Autohaus H. GmbH zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen in allen vier vorgenannten Tatzeiträumen verpflichtet war. Ihm sei auch bekannt gewesen, dass die in den Rechnungen an die Automobile Ma. GmbH und A. GmbH offen aus gewiesene Umsatzsteuer in die Umsatzsteuervoranmeldungen der jeweiligen Voranmeldungszeiträume aufzunehmen gewesen wäre, wobei die Autohaus H. GmbH lediglich als Rechnungsaussteller in der Rechnungskette des Umsatzsteuerkarussells des Zeugen D. auftauchte, ohne selbst Leistungen zu erbringen.
9
In Bezug auf den Angeklagten W. geht das Landgericht für die Voranmeldungszeiträume zweites bis viertes Quartal 2009 von Mittäterschaft aus, da dieser nach wertender Gesamtbetrachtung durch die Vermittlung der Autohaus H. GmbH zur nahtlosen Fortsetzung des Umsatzsteuerkarussells und die zunächst von ihm erstellten Rechnungen entscheidende eigene Tatbei- träge zu gemeinsamen Taten mit dem Angeklagten V. leistete, wobei das finanzielle Interesse am Taterfolg ein entscheidendes Motiv war.

II.


10
Die Verurteilung der beiden Angeklagten hat keinen Bestand, da das Urteil nicht den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO genügt; es fehlt zu allen abgeurteilten Taten an tragfähigen Feststellungen des Landgerichts als Grundlage für den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch.
11
1. Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen, also das Tatgeschehen mitteilen, in dem die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Dies muss in einer geschlossenen Darstellung aller äußeren und jeweils im Zusammenhang damit auch der dazugehörigen inneren Tatsachen in so vollständiger Weise geschehen , dass in den konkret angeführten Tatsachen der gesetzliche Tatbestand erkannt werden kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 24. Mai 2017 – 1 StR 176/17, NStZ 2018, 341; Urteil vom 12. Mai 2009 – 1 StR 718/08, NJW 2009, 2546; Beschlüsse vom 13. Juli 2011 – 1 StR 154/11, BFH/NV 2011, 1823 und vom 1. September 2015 – 1 StR 12/15, wistra 2015, 477 mwN). Nur dann kann das Revisionsgericht auf die Sachrüge prüfen, ob bei der rechtlichen Würdigung eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist (§ 337 StPO).
12
Die Strafvorschrift der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) wird materiellrechtlich ausgefüllt durch die im Einzelfall anzuwendenden steuerrechtlichen Vorschriften, aus denen sich ergibt, welches steuerlich erhebliche Verhalten im Rahmen der jeweiligen Abgabenart zu einer Steuerverkürzung geführt hat (vgl.
BGH, Beschluss vom 24. Mai 2017 – 1 StR 176/17, NStZ 2018, 341 mwN). Auch hierzu bedarf es ausreichender tatsächlicher Feststellungen, die eine Nachprüfung durch das Revisionsgericht ermöglichen. Dazu gehören insbesondere diejenigen Parameter, die maßgebliche Grundlage für die Steuerberechnung sind (Besteuerungsgrundlagen). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen deshalb die Urteilsgründe bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung regelmäßig nicht nur die Summe der jeweils verkürzten Steuern, sondern für jede Steuerart und jeden Steuerabschnitt gesondert die Berechnung der verkürzten Steuern im Einzelnen angeben (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2001 – 5 StR 448/00, wistra 2001, 308 mwN).
13
2. Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht.
14
a) Das Landgericht stützt den Tatvorwurf der Steuerhinterziehung in Bezug auf den Angeklagten V. allein darauf, dass dieser als verantwortlicher Geschäftsführer der Autohaus H. GmbH in deren Umsatzsteuervoranmeldungen für das zweite, dritte und vierte Quartal 2009 und das erste Quartal 2010 unrichtige bzw. unvollständige Angaben gemacht hat, indem er für insgesamt 282 Rechnungen an die Automobile Ma. GmbH und 295 Rechnungen an die A. GmbH, denen jeweils keine Leistung zu Grunde lag, die offen ausgewiesene Umsatzsteuer nicht in die Umsatzsteuervoranmeldungen aufgenommen hat. Dabei knüpft das Landgericht hinsichtlich dieser vorgenannten Einzelrechnungen hinsichtlich der Entstehung des Steueranspruchs jeweils nur an ein Rechnungsdatum an, das sich aus den dem Urteil beigefügten Tabellen mit den Auflistungen der Rechnungen entnehmen lässt (UA S. 18 – 29 und S. 31 – 34).
15
Gleichzeitig wird aber vom Landgericht auch festgestellt, dass diese Rechnungen teilweise rückdatiert und nachträglich erstellt und zusätzlich mit den bei der E. GmbH erstellten Rechnungen abgeglichen wurden, so dass das ausgewiesene Datum der Rechnung nicht zwingend dem tatsächlichen Erstellungsdatum der Rechnung entsprach (UA S. 14). Ergänzend dazu weist das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung darauf hin, dass nicht aufklärbar war, wann und wo die aufgefundenen Rechnungen geschrieben wurden und zahlreiche Rechnungen nicht sicher an diesem Tag erstellt wurden, der sich als Erstellungstag aus den jeweiligen Rechnungen ergibt (UA S. 66).
16
b) Damit werden vom Landgericht aber keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob und zu welchem Zeitpunkt die Steuer tatsächlich entstanden ist. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG13 Abs. 1 Nr. 4 UStG aF) entsteht bei unberechtigtem Steuerausweis nach § 14c Abs. 2 UStG – wie hier – die Steuer in Ermangelung eines steuerbaren Umsatzes nicht bereits mit der Erstellung einer Rechnung, sondern erst im Zeitpunkt der Ausgabe der Rechnung. Dabei ist unter „Ausgabe“ letztlich die Aushändigung oder Absendung an den Rechnungsempfänger oder einer von ihm bevollmächtigten dritten Person zu verstehen (Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, Stand: Juli 2018, § 13 Rn. 691; Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer/Wäger, UStG, Stand: Januar 2016, § 13 Rn. 54). Das Landgericht hat aber außer der dargestellten Anknüpfung an das Rechnungsdatum keine weitergehenden Feststellungen dazu getroffen, wann konkret eine Steuerpflicht des Angeklagten V. entstanden ist. Dies umso mehr als die einzelnen dargestellten Rechnungen rückdatiert und nachträglich erstellt wurden, so dass offen bleibt, wann und in welchem Abrechnungszeitraum die jeweilige Steuerpflicht des Angeklagten V. begründet wurde.
17
3. Diese lückenhaften Feststellungen betreffen in gleicher Weise auch den Angeklagten W. , so dass auch dessen Verurteilung wegen Steuerhinterziehung keinen Bestand haben kann.
18
4. Die bisherigen Feststellungen werden mit aufgehoben, um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen (§ 353 Abs. 2 StPO).

III.


19
Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
20
1. Sollten sich keine weiteren Feststellungen zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuerpflicht und zur Zuordnung der Rechnungen zu den einzelnen verfahrensgegenständlichen Zeiträumen der Umsatzsteuervoranmeldung treffen lassen, hat hier gegebenenfalls eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen zu erfolgen.
21
2. Anstelle einer täterschaftlich begangenen Steuerhinterziehung in Bezug auf die Autohaus H. GmbH, die fern liegt, wenn die Angeklagten nicht einmal genaue Kenntnis über die Ausstellung und Übergabe der Rechnungen hatten, kommt für beide Angeklagten auch eine Beihilfe zur Umsatzsteuerhinterziehung in Betracht, die durch die Zeugen D. und M. durch die Verwendung der mit dem Briefkopf der Autohaus H. GmbH erstellten Rechnungen als Eingangsrechnungen der A. GmbH und der Automobile Ma. GmbH im Rahmen der Einbindung in das Umsatzsteuerkarussell begangen wurde.
Raum Fischer Bär
Hohoff Pernice

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 176/17
vom
24. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Steuerhinterziehung u.a.
hier: Revision des Angeklagten N.
ECLI:DE:BGH:2017:240517B1STR176.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 24. Mai 2017 gemäß § 349 Abs. 4, § 357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten N. wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 13. Dezember 2016 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte N. und die Mitangeklagten B. und S. verurteilt worden sind. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten N. wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen, wegen Betrugs, versuchten Betrugs sowie wegen Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es den Angeklagten N. freigesprochen. Gegen den nicht revidierenden Mitangeklagten B. hat es wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung, gegen den Mitangeklagten S. wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen eine Gesamtfreiheitstrafe von einem Jahr und sechs Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verhängt. Im Übrigen hat das Landgericht den Mitangeklagten S. freigesprochen.
2
Der Angeklagte N. beanstandet seine Verurteilung mit einer auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat – gemäß § 357 StPO auch in Bezug auf die Mitangeklagten B. und S. bezüglich deren Verurteilung wegen Steuerhinterziehung – Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
3
1. Die Verurteilung des Angeklagten N. hat keinen Bestand, da das Urteil nicht den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO genügt; es fehlt zu allen abgeurteilten Taten an tragfähigen Feststellungen des Landgerichts als Grundlage für den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch.
4
Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen, also das Tatgeschehen mitteilen, in dem die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Dies muss in einer geschlossenen Darstellung aller äußeren und jeweils im Zusammenhang damit auch der dazugehörigen inneren Tatsachen in so vollständiger Weise geschehen, dass in den konkret angeführten Tatsachen der gesetzliche Tatbestand erkannt werden kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 – 1 StR 718/08, NJW 2009, 2546; Beschlüsse vom 13. Juli 2011 – 1 StR 154/11, BFH/NV 2011, 1823 und vom 1. September 2015 – 1 StR 12/15, wistra 2015, 477 mwN). Nur dann kann das Revisionsgericht auf die Sachrüge prüfen, ob bei der rechtlichen Würdigung eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist (§ 337 StPO).
5
Die Strafvorschrift der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) wird materiellrechtlich ausgefüllt durch die im Einzelfall anzuwendenden steuerrechtlichen Vorschriften, aus denen sich ergibt, welches steuerlich erhebliche Verhalten im Rahmen der jeweiligen Abgabenart zu einer Steuerverkürzung geführt hat (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 – 1 StR 718/08, NJW 2009, 2546 mwN). Auch hierzu bedarf es ausreichender tatsächlicher Feststellungen, die eine Nachprüfung durch das Revisionsgericht ermöglichen. Dazu gehören insbesondere diejenigen Parameter, die maßgebliche Grundlage für die Steuerberechnung sind (Besteuerungsgrundlagen). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen deshalb die Urteilsgründe bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung regelmäßig nicht nur die Summe der jeweils verkürzten Steuern, sondern für jede Steuerart und jeden Steuerabschnitt gesondert die Berechnung der verkürzten Steuern im Einzelnen angeben (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2001 – 5 StR 448/00, wistra 2001, 308 mwN).
6
Die Anwendung steuerlicher Vorschriften auf den festgestellten Sachverhalt und die daraus folgende Berechnung der verkürzten Steuern, durch die der Schuldumfang der Straftat bestimmt wird, ist dabei Rechtsanwendung, die der Tatrichter selbst vorzunehmen hat. Auch die Ermittlung und Darlegung der Besteuerungsgrundlagen obliegt dem Tatrichter. Die Verweisung auf Betriebsprüfungsberichte oder die Übernahme der Ermittlungsergebnisse der Steuerfahndung in das Urteil sind ebenso unzureichend wie die Wiedergabe von Aussagen , die Finanzbeamte als Zeugen in der Hauptverhandlung zur Behandlung steuerlicher Fragen gemacht haben (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2001 – 5StR 448/00, wistra 2001, 308). Das Landgericht ist allerdings nicht gehindert , bereits im Ermittlungsverfahren erstellte Darstellungen rein mathematischer Berechnungen, die mit den eigenen Feststellungen übereinstimmen, in das Urteil zu übernehmen. Dies gilt indes grundsätzlich nicht für die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen, die im Wege freier richterlicher Überzeugungsbildung vom Tatrichter eigenverantwortlich zu ermitteln sind. Die Übernahme einer Schätzung der Finanzbehörden kommt deshalb nur dann in Betracht , wenn der Tatrichter diese eigenverantwortlich nachgeprüft hat und von ihrer Richtigkeit auch unter Berücksichtigung der vom Besteuerungsverfahren abweichenden strafrechtlichen Verfahrensgrundsätze (§ 261 StPO) überzeugt ist. Die Schätzungsgrundlagen müssen dabei in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar mitgeteilt werden (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 13. Juli 2011 – 1 StR 154/11, BFH/NV 2011, 1823 und vom 1. September 2015 – 1 StR 12/15, wistra 2015, 477 mwN). Eine Berechnungsdarstellung ist nur dann ausnahmsweise insgesamt entbehrlich, wenn ein sachkundiger Angeklagter , der zur Berechnung der hinterzogenen Steuern in der Lage ist, ein Geständnis abgelegt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Juli 2011 – 1 StR 154/11, BFH/NV 2011, 1823 und vom 25. Oktober 2000 – 5 StR 399/00, NStZ 2001,

200).

7
2. Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht.
8
a) In Bezug auf die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung fehlt sowohl eine Mitteilung der Besteuerungsgrundlagen als auch eine Berechnungsdarstellung , an Hand derer sich die vom Landgericht angegebene Steuerverkürzung nachvollziehen lässt.
9
aa) Hinsichtlich der verkürzten Steuern teilt das Landgericht lediglich mit, dass die Umsätze der K. GmbH, C. GmbH und T. GmbH in den Veranlagungszeiträumen 2011 und 2012 durch drei unterschiedliche Manipulationsweisen gemindert wurden, ohne jedoch die maßgeblichen Besteuerungsgrundlagen darzustellen. So sollen zum einen Veränderungen der Kassen und der Ausdruck von sog. „Z-Bons“ im Umfang „zwischen 20 und 50 %“ (UA S. 10) erfolgt sein. Welche konkreten Umsätze getätigt wurden und wovon hier Minderungen in der Buchführung vorgenommen wurden, teilt das Urteil aber nicht mit. In Bezug auf die zweite Manipulationsweise, die Verbuchung von Scheinrechnungen in Höhe von insgesamt 112.000 Euro zuzüglich 21.280 Euro Umsatzsteuer (UA S. 10), benennt das Urteil zwar für einen Teilbetrag der Umsatzsteuer die unberechtigt ausgewiesene Vorsteuer. Es fehlen jedoch weitere Angaben dazu, ob etwa eine Steuervergütung vorlag und ob ggf. eine gemäß § 168 Satz 2 AO erforderliche Zustimmung der Finanzbehörde abgegeben wurde. Auch zur Steuerverkürzung durch den „Schwarzeinkauf“ von Waren, insbesondere von Getränken (UA S. 10), fehlen nähere Angaben. Die Urteilsfeststellungen enthalten keine Angaben zu deren Umfang; auch lässt sich nicht nachvollziehen, in welcher Höhe für Wareneinkauf nicht geltend gemachte Betriebsausgaben bzw. Vorsteuern der Verschleierung von Betriebseinnahmen bzw. Ausgangsumsätzen gedient haben.
10
bb) Daneben fehlen in den Urteilsgründen auch Ausführungen zur Berechnung der Körperschaftsteuer, des Solidaritätszuschlags hierauf sowie der Gewerbesteuer vollständig, so dass dem Senat auch insoweit eine Überprüfung der vom Landgericht mitgeteilten Verkürzungsbeträge nicht möglich ist. Dies gilt umso mehr, als bei den Verkürzungsbeträgen für die jeweiligen Steuerarten unklar bleibt, weshalb in Bezug auf die Gewerbesteuer sogar von höheren Beträgen ausgegangen wird als bei der Körperschaftsteuer.
11
cc) Auf die Berechnungsdarstellung konnte hier trotz des Geständnisses des Angeklagten N. nicht verzichtet werden. Zwar hat der Angeklagte N. die Taten der Steuerhinterziehung vollständig dem Grunde und der Höhe nach eingeräumt (UA S. 15). Jedoch kann nach den Feststellungen des Landgerichts zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten mit seiner Ausbildung zum Masseur und Physiotherapeuten (UA S. 5) nicht davon ausgegangen werden, dass es sich hierbei um einen sachkundigen Angeklagten handelt, der zur Berechnung der hinterzogenen Steuern in der Lage ist. Dies gilt entsprechend auch für die beiden ebenfalls geständigen Mitangeklagten B. und S. , bei deren Tätigkeit als Koch (UA S. 4) bzw. Ausbildung zum Angestellten in Restaurantbetrieben (UA S. 7 f.) eine solche Sachkunde ebenfalls nicht dargetan ist.
12
dd) Auch genügt der Hinweis des Landgerichts, dass die Angeklagten ausdrücklich zu Protokoll erklärten, dass „die Zahlen bezüglich der einzelnen Taten der Steuerhinterziehung Gegenstand einer tatsächlichen Verständigung mit der Finanzverwaltung waren“ (UA S. 15), und dies auch durch einen Vertre- ter des Finanzamtes bestätigt wird, nicht. Zwar war das Tatgericht – wie dargestellt – grundsätzlich nicht gehindert, sich Steuerberechnungen der Finanzverwaltung anzuschließen, die auf entsprechenden Besteuerungsgrundlagen aufbauen. Allerdings wird im Urteil nicht erkennbar, dass das Landgericht als ihm obliegende Rechtsanwendung eine eigenständige Steuerberechnung durchgeführt und dabei – gerade im Hinblick auf die dargestellten Manipulationen – eine gegebenenfalls erforderliche Schätzung selbst vorgenommen hat.
13
b) Den Darstellungsanforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO genügt auch die Verurteilung des Angeklagten N. wegen Betrugs, versuchten Betrugs und Urkundenfälschung nicht.
14
aa) Zum Betrug im Fall II. 2. a) der Urteilsgründe wird vom Landgericht nur mitgeteilt, dass der Angeklagte N. gemeinsam mit drei weiteren anderweitig Verfolgten den Entschluss fasste, einen Verkehrsunfall mutwillig zu verursachen. Da aber der anderweitig Verfolgte Sa. den Schaden verursachte und seiner Versicherung meldete, die den Schaden an beiden Fahrzeugen regulierte, bleibt offen, von welchem Tatbeitrag des Angeklagten N. das Landgericht ausgeht. Damit kann der Senat nicht nachprüfen, auf welche Umstände das Landgericht die mittäterschaftliche Begehung eines Betrugs durch den Angeklagten N. stützt.
15
bb) Auch die Feststellungen zur Urkundenfälschung im Fall II. 2. b) der Urteilsgründe genügen den Anforderungen an die Urteilsdarstellung nicht. Zwar lässt sich den Ausführungen des Landgerichts noch entnehmen, dass der An- geklagte N. der Vorlage eines geforderten Eigenkapitalnachweises als Voraussetzung für den Abschluss eines Mietvertrags durch „Fälschung“ einer entsprechenden Bescheinigung der Sparkasse Bo. nachkam (UA S. 13). Es fehlt aber an den ausreichenden Feststellungen zur Urkundenqualität, da unklar bleibt, welchen Inhalt die entsprechende „gefälschte“ Bescheinigung der Sparkasse hatte und wer diese ausgestellt hat. Offen bleibt nach den Urteilsfeststellungen auch, von welcher Tatbestandsvariante des § 267 Abs. 1 StGB das Landgericht ausgegangen ist.
16
cc) Hinsichtlich des vom Landgericht angenommenen versuchten Betrugs im Fall II. 2. c) der Urteilsgründe lässt sich den Urteilsfeststellungen zwar entnehmen, dass der Angeklagte N. absprachegemäß mutwillig den Pkw des gesondert verfolgten St. rückwärts gegen sein zum Innenhof zeigendes Schlafzimmerfenster steuerte. Die Urteilsfeststellungen des Landgerichts enthalten jedoch keine ausreichenden Tatsachengrundlagen zu der Frage, ob der Angeklagte N. hier als Mittäter oder nur als Gehilfe handelte. Insoweit fehlt es an einer wertenden Gesamtbetrachtung in Bezug auf das Interesse des Angeklagten N. am Taterfolg, auf den Umfang der Tatbeteiligung sowie die Tatherrschaft oder wenigstens den Willen zur Tatherrschaft.
17
3. Der Senat hebt die lückenhaften Feststellungen insgesamt auf (§ 353 Abs. 2 StPO), um dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen.
18
4. Die Aufhebung des Urteils zugunsten des Angeklagten N. ist gemäß § 357 Satz 1 StPO auf die nicht revidierenden Mitangeklagten B. und S. zu erstrecken, soweit auch sie wegen mittäterschaftlich begangener Steuerhinterziehung in den Fällen II. 1. der Urteilsgründe verurteilt worden sind. Auch deren Verurteilung wegen Steuerhinterziehung beruht – ebenso wie beimAngeklagten N. – aufeiner unzureichenden Darstellung der Besteuerungsgrundlagen. Jäger Cirener Fischer Bär Hohoff

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 718/08
vom
12. Mai 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
________________________
Zu den Anforderungen an die Feststellung und die Beweiswürdigung von Besteuerungsgrundlagen
in steuerstrafrechtlichen Urteilen.
BGH, Urt. vom 12. Mai 2009 - 1 StR 718/08 - LG Gießen
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Mai 2009,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Regierungsoberrat
als Vertreter des Finanzamts Wetzlar,
Justizangestellte
- bei der Verhandlung -,
Justizangestellte
- bei der Verkündung -
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Gießen vom 9. September 2008 wird
a) das Verfahren im Fall 1. der Urteilsgründe eingestellt, soweit der Angeklagte wegen Umsatzsteuerhinterziehung für den Veranlagungszeitraum 1999 verurteilt wurde;
b) die weitergehende Revision mit der Maßgabe verworfen, dass aa) der Angeklagte in den Fällen 15. und 16. der Urteilsgründe schuldig ist des vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz von Munition und mit Führen eines verbotenen Gegenstandes; bb) für die Fälle 15. und 16. der Urteilsgründe eine Einzelfreiheitsstrafe von neun Monaten festgesetzt wird. 2. Soweit das Verfahren eingestellt worden ist, hat die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen; im Übrigen hat der Beschwerdeführer die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in elf Fällen, wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz in zwei Fällen, wegen Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen und wegen Beihilfe zum Verstoß gegen das Aufenthaltsgesetz zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt. Die Revision des Beschwerdeführers, mit der er ohne nähere Ausführungen die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat lediglich den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.

I.


2
1. Der Verurteilung wegen Steuerhinterziehung liegen folgende Feststellungen zu Grunde:
3
Der Angeklagte ist seit ca. 20 Jahren im Immobiliengeschäft tätig. Er erzielte steuerpflichtige Umsätze durch die Überlassung eigener und angemieteter Wohnungen; die meisten der Wohnungen überließ er Prostituierten zur Ausübung der gewerblichen Prostitution. Im Jahre 1999 gründete der Angeklagte die BH gesellschaft mbH (nachfolgend: BH GmbH), deren Geschäftsführer er seit der Gründung war.
4
Für den Veranlagungszeitraum 1999 unterließ es der Angeklagte für sich persönlich Umsatzsteuererklärungen abzugeben. Dadurch wurde Umsatzsteuer in Höhe von 55.040,-- DM verkürzt. Darüber hinaus gab er unter dem Datum des 8. Februar 2001 eine Einkommensteuererklärung für das Jahr 1999 bei dem für ihn zuständigen Finanzamt ab, in der er bewusst wahrheitswidrig zu geringe Einkünfte erklärte, weshalb am 5. April 2001 die von ihm zu zahlende Einkommensteuer um 100.982,-- DM und der Solidaritätszuschlag um 5.505,17,-- DM zu gering festgesetzt wurden. Auf dieser Grundlage setzte das Landgericht wegen Steuerhinterziehung in drei tateinheitlichen Fällen eine Geldstrafe von 270 Tagessätzen fest.
5
Für die Veranlagungszeiträume der Jahre 2000 bis 2004 erklärte der Angeklagte die aus der Überlassung der Wohnungen resultierenden Einkünfte und Umsätze, die er selbst und die BH GmbH erzielte, in den jeweiligen Steuererklärungen nicht vollständig, wodurch Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag , Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer in einer Gesamthöhe von etwa 620.000,-- EUR verkürzt wurden.
6
2. Die Verurteilung im Fall 1. der Urteilsgründe kann keinen Bestand haben , soweit der Angeklagte für den Veranlagungszeitraum 1999 tateinheitlich auch wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer verurteilt wurde. Ihr steht ein Verfolgungshindernis entgegen, weshalb das Verfahren insoweit einzustellen ist.
7
a) Selbst wenn man wegen der Einschaltung eines Steuerberaters davon ausgeht, dass dem Angeklagten über die gesetzliche Frist nach § 149 Abs. 2 AO (31. Mai 2000) hinaus eine Fristverlängerung eingeräumt war (vgl. die Gleichlautenden Erlasse der Obersten Finanzbehörden der Länder über Steuererklärungsfristen für das Kalenderjahr 1999, BStBl. 2000 I, 86), war die Tat jedenfalls spätestens am 30. September 2000 beendet (vgl. BGHR AO § 370 Verjährung 3). Bis zum Eintritt der Verjährung erfolgte keine geeignete Unterbrechungshandlung. Der Durchsuchungsbeschluss in dem gegen den Angeklagten geführten Verfahren (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB) wurde erst am 24. März 2006 erlassen.
8
b) Das Verfahren ist daher insoweit gemäß § 260 Abs. 3 StPO einzustellen. Die Annahme von Tateinheit steht dem nicht entgegen. Zwar bedarf es einer förmlichen Einstellung nicht, wenn sich ein Prozesshindernis nur auf eine tateinheitlich begangene Gesetzesverletzung bezieht (BGHSt 7, 305, 306; Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 260 Rdn. 43). Der Bundesgerichtshof hat jedoch andererseits entschieden, dass in Fällen, in denen sich die Annahme von Tateinheit schon aufgrund des der Anklage zu Grunde liegenden Sachverhalts als verfehlt darstellt, ein Teilfreispruch zu erfolgen hat, wenn eine der in Betracht kommenden selbständigen Taten nicht nachzuweisen ist (BGH NJW 1993, 2125, 2126; ebenso Schoreit in KK StPO § 260 Rdn. 20, Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 260 Rdn. 12 m.w.N.).
9
Der vorliegende Fall, in dem die Verurteilung wegen Vorliegens eines Verfolgungshindernisses nicht erfolgen kann, ist diesen Fällen vergleichbar. Auch insoweit ist zur erschöpfenden Erledigung des angeklagten Prozessstoffes eine Teileinstellung auszusprechen, da sich die Annahme von Tateinheit in der Anklage und dem Eröffnungsbeschluss als verfehlt erweist. Denn durch die pflichtwidrig unterlassene Umsatzsteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 1999 ist der Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO erfüllt. Demgegenüber verwirklichte der Angeklagte durch Abgabe der unrichtigen Einkommensteuererklärung und die daran anschließende Festsetzung durch die Finanzbehörden den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO. Liegen aber die Handlungsalternative des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO und die Unterlassungsalternative des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO vor, die sich zudem noch auf unterschiedliche Steuerarten beziehen , stehen die beiden verwirklichten Straftaten in Tatmehrheit (BGH wistra 2005, 30, 31).
10
3. Die Feststellungen hinsichtlich der übrigen Fälle der Steuerhinterziehung tragen demgegenüber den Schuld- und den Strafausspruch. Wenngleich die Sachdarstellung teilweise unvollständig ist und die getroffenen Feststellungen nicht zwischen der Darlegung des Tatgeschehens, der Beweiswürdigung und der rechtlichen Würdigung unterscheiden, so dass sie sich teilweise auch als unklar und unübersichtlich erweisen, ermöglichen sie dem Senat dennoch eine hinreichende rechtliche Überprüfung des Urteils.
11
a) Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen, also das Tatgeschehen mitteilen, in dem die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Dies muss in einer geschlossenen Darstellung aller äußeren und jeweils im Zusammenhang damit auch der dazugehörigen inneren Tatsachen in so vollständiger Weise geschehen , dass in den konkret angeführten Tatsachen der gesetzliche Tatbestand erkannt werden kann (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 4 und 7). Nur dann kann das Revisionsgericht auf die Sachrüge prüfen, ob bei der rechtlichen Würdigung eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist (§ 337 StPO).
12
Bei der Steuerhinterziehung kommt hinzu, dass die Blankettnorm des § 370 AO und die sie ausfüllenden steuerrechtlichen Vorschriften zusammen die maßgebliche Strafvorschrift bilden (BGH NStZ 2007, 595). Die Strafvorschrift des § 370 AO wird materiellrechtlich ausgefüllt durch die im Einzelfall anzuwendenden steuerrechtlichen Vorschriften, aus denen sich ergibt, welches steuerlich erhebliche Verhalten im Rahmen der jeweiligen Abgabenart zu einer Steuerverkürzung geführt hat (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 374, 375; NStZ 2001, 201).
13
Die sachlich-rechtliche Prüfung der rechtlichen Würdigung durch das Revisionsgericht setzt bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung voraus, dass die steuerlich erheblichen Tatsachen festgestellt sind. Dazu gehören insbesondere diejenigen Parameter, die maßgebliche Grundlage für die Steuerberechnung sind (Besteuerungsgrundlagen).
14
b) Bei einer Steuerhinterziehung durch Abgabe unrichtiger Steuererklärungen sind daher grundsätzlich folgende Anforderungen zu stellen:
15
aa) Die Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO ist einerseits Erklärungsdelikt. Der Tatbestand wird dadurch verwirklicht, dass gegenüber den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht werden. Daher ist festzustellen, wann der Angeklagte welche Steuererklärungen mit welchem Inhalt abgegeben hat (BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 4).
16
bb) Die Steuerhinterziehung ist darüber hinaus Erfolgsdelikt, da § 370 Abs. 1 AO voraussetzt, dass durch die unrichtigen oder unvollständigen Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt worden sind. Steuern sind dabei namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden (§ 370 Abs. 4 Satz 1 AO). Insoweit bedarf es einerseits der Feststellung , welche Steuern seitens der Finanzbehörden zu welchem Zeitpunkt festgesetzt wurden (sog. Ist-Steuer). Weiter ist erforderlich, dass zum einen der tatsächliche Sachverhalt festgestellt wird, aus dem die von Gesetzes wegen geschuldete Steuer folgt (sog. Soll-Steuer). Daneben ist die Soll-Steuer als solche festzustellen. Aus der Gegenüberstellung von Soll- und Ist-Steuer ergibt sich dann die verkürzte Steuer.

17
c) Von der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen, also der steuerrechtlich erheblichen Tatsachen, zu unterscheiden ist die Frage, in welchem Umfang die festgestellten Tatsachen gewürdigt werden müssen (Beweiswürdigung ). Für einen geständigen und zudem verteidigten Angeklagten (vgl. § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO) gilt grundsätzlich:
18
Räumt der Angeklagte die Besteuerungsgrundlagen ein und hat sich der Tatrichter erkennbar von der Richtigkeit des Geständnisses überzeugt, dann genügt eine knappe Würdigung der so gefundenen Überzeugung. Jedenfalls, soweit es um das „reine Zahlenwerk“ - etwa den Umsatz, die Betriebseinnahmen oder die Betriebsausgaben - geht, wird regelmäßig davon ausgegangen werden können, dass auch ein steuerrechtlich nicht versierter Angeklagter diese Parameter aus eigener Kenntnis bekunden kann.
19
Der Tatrichter kann seine Überzeugung insoweit auch auf verlässliche Wahrnehmungen von Beamten der Finanzverwaltung zu den tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen stützen. Angaben von Beamten der Finanzverwaltung zu tatsächlichen Gegebenheiten können - wie bei sonstigen Zeugen auch - taugliche Grundlage der Überzeugung des Tatgerichts sein.
20
d) Die auf den so festgestellten Besteuerungsgrundlagen aufbauende Steuerberechnung ist Rechtsanwendung und daher Aufgabe des Tatgerichts (vgl. BGHR AO § 370 Abs. 1 Berechnungsdarstellung 9; BGH NStZ 2001, 200, 201). Dieses ist zwar nicht gehalten, den eigentlichen Berechnungsvorgang als Teil der Subsumtion im Urteil darzustellen, sofern dieser vom Revisionsgericht selbst durchgeführt werden kann. Freilich empfiehlt sich eine solche Berechnungsdarstellung bereits deshalb, weil sie die Nachvollziehbarkeit des Urteils erleichtert. Zudem bietet die Berechnungsdarstellung die Möglichkeit zu kontrollieren , ob die steuerlich erheblichen Tatsachen im angefochtenen Urteil festgestellt sind.
21
Den der Berechnungsdarstellung zukommenden Aufgaben kann nicht durch Bezugnahmen auf Betriebs- oder Fahndungsprüfungsberichte entsprochen werden. Das Tatgericht ist aber nicht gehindert, sich Steuerberechnungen von Beamten der Finanzverwaltung anzuschließen, die auf den festgestellten Besteuerungsgrundlagen aufbauen. Allerdings muss im Urteil zweifelsfrei erkennbar sein, dass das Tatgericht eine eigenständige - weil ihm obliegende Rechtsanwendung - Steuerberechnung durchgeführt hat (vgl. Jäger StraFo 2006, 477, 479 m.w.N.).
22
e) Den vorstehenden Anforderungen wird das Urteil nicht in vollem Umfang gerecht. Auf der teilweise unvollständigen Sachdarstellung beruht das Urteil indes nicht.
23
aa) Ist die sachlich-rechtliche Überprüfung dem Revisionsgericht aufgrund unzureichender Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nicht zuverlässig möglich, so beruht das Urteil grundsätzlich auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 337 StPO).
24
Ausnahmsweise kann trotz unzureichender Darstellung der Besteuerungsgrundlagen aber ein Beruhen dann ausgeschlossen werden, wenn sich die Darstellungsmängel allein auf die Überprüfbarkeit der Höhe der hinterzogenen Steuern - mithin die Überprüfbarkeit des Schuldumfangs - durch das Revisionsgericht beziehen und auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen sicher ausgeschlossen werden kann, dass die Steuerberechnung den Angeklagten in Bezug auf den Schuldumfang beschwert.

25
bb) So liegt der Fall hier. Die getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch; auf der Grundlage der im Urteil - wenngleich an unterschiedlichen Stellen - mitgeteilten Besteuerungsgrundlagen kann der Senat auch ausschließen , dass sich auf der Grundlage einer rechtsfehlerfreien Darstellung eine geringere Steuerverkürzung ergeben hätte.
26
Anhand der mitgeteilten Umsätze sowie der festgestellten Aufwendungen , die seitens des Angeklagten bzw. der BH GmbH getätigt wurden, lässt sich die von Gesetzes wegen geschuldete Umsatzsteuer ebenso wie die von Gesetzes wegen geschuldete Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer in ihrer Größenordnung berechnen. Soweit bei der Darstellung der im Veranlagungszeitraum 2000 hinterzogenen Steuern teilweise Feststellungen fehlen, die angesichts der damaligen Geltung des körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungsverfahrens (vgl. § 27 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 KStG aF) erforderlich waren, gefährdet dies den Bestand des Urteils im konkreten Fall nicht. Insbesondere kann trotz der fehlenden Feststellungen zum verwendbaren Eigenkapital der BH GmbH (vgl. insoweit Senat, Urt. vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 375/08) die Höhe der hinterzogenen Körperschaftsteuer ermittelt werden. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich, dass es bei der BH GmbH im Veranlagungszeitraum 2000 nach damaligem Recht kein verwendbares Eigenkapital gab, das auf der Ebene der Gesellschafter zu einer weiteren Steuererstattung geführt hätte oder hätte führen können.
27
Die auf dieser Grundlage erfolgte Überprüfung der vom Landgericht angenommenen Soll-Steuern durch den Senat ergab keine Berechnungsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Dieser hat zudem das Ergebnis der Neuberechnung der Steuern, die auf der Grundlage der von ihm eingestandenen Be- steuerungsgrundlagen in der Hauptverhandlung erfolgte, auch anerkannt. Hierfür war der kaufmännisch versierte und verteidigte Angeklagte auch ausreichend sachkundig.

II.


28
Demgegenüber kann in den Fällen 15. und 16. der Urteilsgründe die Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz in zwei Fällen keinen Bestand haben.
29
1. Das Landgericht hat insoweit festgestellt, dass bei der Durchsuchung des Hauses des Angeklagten am 25. April 2006 eine ihm gehörende Pistole P 38, 9 mm sowie knapp 400 Patronen Munition Kaliber 22 aufgefunden wurden, für die der Angeklagte keine waffenrechtliche Erlaubnis hatte. Daneben führte der Angeklagte bei seiner Festnahme am gleichen Tag im Handschuhfach seines Fahrzeuges einen Schlagring bei sich.
30
2. Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erweist sich die Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz in zwei Fällen als rechtsfehlerhaft.
31
Das gleichzeitige unerlaubte Ausüben der tatsächlichen Gewalt über mehrere Waffen oder Waffenteile bzw. Munition, auch wenn sie nicht unter dieselbe Strafbestimmung fallen, gilt als nur ein Verstoß gegen das Waffenrecht (st. Rspr., vgl. BGHR WaffG § 52 Konkurrenzen 1; BGH NStZ-RR 2003, 124 f.; BGHR WaffG § 52a Abs. 1 Konkurrenzen 1 m.w.N.; BGH, Beschl. vom 13. Januar 2009 - 3 StR 543/08 jeweils m.w.N.). Dies gilt auch dann, wenn der Täter mehrere Waffen besitzt und lediglich eine davon führt (BGHR WaffG § 53 Abs. 3a Konkurrenzen 2; BGH NStZ 2001, 101). Hieran hält der Senat fest, auch wenn in Fällen, bei denen - wie hier - durch das Führen einer der Waffen eine besonders gefährliche Manifestation des Willens zur Gewaltausübung gegeben ist, eine andere Beurteilung nicht weniger überzeugend erscheint.
32
Der Schuldspruch in diesem Zusammenhang ist daher so wie geschehen zu berichtigen. § 265 StPO steht dem nicht entgegen; der insoweit geständige Angeklagte hätte sich auch im Falle eines Hinweises nicht anders und Erfolg versprechender als geschehen verteidigen können.

III.


33
Im Zusammenhang mit der Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum Verstoß gegen das Aufenthaltsgesetz und wegen Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen zeigt die Revision keinen Rechtsfehler auf.

IV.


34
1. Der Wegfall der Verurteilung wegen tateinheitlicher Steuerhinterziehung hinsichtlich der Umsatzsteuer für den Veranlagungszeitraum 1999 im Fall 1. der Urteilsgründe führt nicht zur Aufhebung der hierfür verhängten - angesichts des verbleibenden Schadens und der einschlägigen Vorstrafe des Angeklagten sehr maßvollen - Einzelstrafe. Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung auf eine geringere Einzelstrafe erkannt hätte, weil auch festgestellte, aber verjährte Taten bei der Findung schuldangemessener Strafen berücksichtigt werden können (vgl. Senat, Beschl. vom 27. August 2008 - 1 StR 452/08; Fischer, StGB 56. Aufl. § 46 Rdn. 38b m.w.N.).
35
2. Der Wegfall der in Fall 16. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe von vier Monaten führt nicht zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. In Anbetracht der verbleibenden Einzelstrafen und der maßvollen Erhöhung der Einsatzstrafe von einem Jahr und drei Monaten, kann der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ausschließen, dass das Landgericht auf eine niedrigere Gesamtstrafe als zwei Jahre und fünf Monate erkannt hätte.
36
3. Unabhängig davon weist der Senat darauf hin, dass das Landgericht die an sich für schuldangemessen erachtete Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten um fünf Monate milderte, ohne dass dies rechtlich geboten war.
37
Der Milderung lag zu Grunde, dass der gegen den Angeklagten ergangene Haftbefehl mit der Maßgabe außer Vollzug gesetzt wurde, dass der Aufenthalt des Angeklagten mittels einer elektronischen Fußfessel überwacht wird. Die Auflage wurde für die Dauer von einem Jahr und fünf Monaten vollzogen. Diesem Umstand hat die Strafkammer einerseits „ganz erheblich bei der Strafzumessung zugunsten des Angeklagten“ Rechnung getragen (UA S. 28). Darüber hinaus erachtete das Landgericht deswegen aber eine Milderung der tatsächlich für schuldangemessen erachteten Gesamtfreiheitsstrafe für erforderlich.
38
Die Überwachung des Aufenthalts des Angeklagten mittels einer elektronischen Fußfessel stellt indes keine haftgleiche Freiheitsentziehung, sondern vielmehr nur eine Freiheitsbeschränkung dar (vgl. auch Senat NJW 1998, 767; Heghmanns ZRP 1999, 297, 302, siehe auch Fünfsinn in Festschrift für Eisenberg S. 691, 697 m.w.N.). Eine wie auch immer geartete Anrechnung auf die verhängte Strafe ist daher nicht erforderlich. Vielmehr handelt es sich - wie vom Landgericht im Ansatz richtig gesehen - nur um einen allgemeinen Strafzumessungsgrund zu Gunsten des Angeklagten.
Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 538/17
vom
11. Oktober 2018
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung
ECLI:DE:BGH:2018:111018B1STR538.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 11. Oktober 2018 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 11. Mai 2017 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere – als Wirtschaftsstrafkammer zuständige – Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten V. wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren mit Bewährung verurteilt. Gegen den Angeklagten W. wurde wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verhängt.
2
Hiergegen richten sich die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten. Ihre Rechtsmittel haben entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts vom 4. April 2018 in vollem Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.


3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Der Angeklagte V. war Geschäftsführer der im Handelsregister des Amtsgerichts Chemnitz eingetragenen Autohaus H. GmbH, deren Unternehmensgegenstand der Verkauf und die Reparatur von Kraftfahrzeugen war. Da sich die Firma in finanziellen Schwierigkeiten befand, bot der Angeklagte W. seinem Schwager, dem Angeklagten V. , an, sich an einem Umsatzsteuerkarussell zu beteiligen. Dabei sollten Rechnungen mit dem Briefkopf der Autohaus H. GmbH ausgestellt werden, denen keine tatsächlichen Leistungen zu Grunde lagen. Der Angeklagte V. erklärte sich dazu bereit, seine Firma in das Umsatzsteuerkarussell einbinden zu lassen.
5
Ab Frühjahr 2009 wurden für die Beteiligung am Umsatzsteuerkarussell Rechnungen mit dem Briefkopf der Autohaus H. GmbH zunächst durch den Angeklagten W. in dessen Büro in B. erstellt. In der Folge erfolgte die Fertigung entsprechender Ausgangsrechnungen auf Anweisung der Zeugen D. und M. durch Mitarbeiter der Firmen E. GmbH und der A. GmbH, die angebliche Kunden des Autohauses H. GmbH waren, wobei die entsprechenden Daten des Autohauses durch den Angeklagten W. zur Verfügung gestellt wurden. Teilweise wurde auch das Layout der Rechnungen frei erfunden. Bei der Erstellung der Rechnungen für das Autohaus H. GmbH wurden diese teilweise rückdatiert und nachträglich erstellt sowie zusätzlich mit den Rechnungen der Adressaten abgeglichen, um Doppelausstellungen zu vermeiden. Das auf den Rechnungen ausgewiesene Datum entsprach deshalb nicht zwingend dem tatsächlichen Erstellungsdatum der Rechnungen.
6
Beiden Angeklagten war bekannt, dass die Autohaus H. GmbH nur auf dem Papier in die Rechnungskette einbezogen werden und selbst zu keinem Zeitpunkt die in den Rechnungen ausgewiesenen Lieferungen erbringen sollte. Der Angeklagte V. wusste von dem Angeklagten W. und dem Zeugen D. , dass unter dem Namen des Autohauses H. GmbH Ausgangsrechnungen mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer erstellt wurden, ohne dass entsprechende Angaben gegenüber dem zuständigen Finanzamt gemacht werden sollten. Teilweise sah der Angeklagte V. auch entsprechende Rechnungen, eine Unterzeichnung durch ihn erfolgte aber nicht. Vom Zeugen D. erhielt der Angeklagte W. regelmäßig Barbeträge in einer Größenordnung von maximal 20.000 Euro monatlich über einen Zeitraum von sechs bis neun Monaten als Entlohnung für die anfängliche Erstellung von Ausgangsrechnungen für die Autohaus H. GmbH und die Vermittlung dieser Gesellschaft. Der Angeklagte V. erhielt vom Zeugen D. in unregelmäßigen Abständen Geldbeträge von 2.000 bis 3.000 Euro sowie in zwei oder drei Fällen die Gelegenheit, ein Fahrzeug von R. zur Autohaus H. GmbH zu überführen und dieses dort zu verkaufen.
7
Mit dem Briefkopf der Autohaus H. GmbH wurden auf diese Weise 282 Rechnungen an die Automobile Ma. GmbH und 295 Rechnungen an die A. GmbH erstellt, in denen jeweils die Umsatzsteuer offen ausgewiesen war und die ein Rechnungsdatum im Zeitraum vom 1. April 2009 bis 29. März 2010 trugen. Diese Rechnungen wurden in den vom Angeklagten V. jeweils eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen der Autohaus H. GmbH im zweiten, dritten und vierten Quartal 2009 nicht gegenüber dem zuständigen Finanzamt angegeben. Für das erste Quartal 2010 wurde vom Angeklagten V. keine Umsatzsteuervoranmeldung mehr abgegeben. Dadurch kam es zur Verkürzung von Umsatzsteuer im gesamten Tatzeitraum in Höhe von 3.555.095,33 Euro. Die Erstellung von Scheinrechnungen endete, nachdem sich der Angeklagte V. am 30. März 2010 zur Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes C. begeben und diverse Informationen über geschäftliche Kontakte zu den Zeugen D. und M. weitergegeben sowie den Verdacht über ihm nicht bekannte Autokäufe unter dem Namen seiner Gesellschaft geäußert hatte. Eine eigene Beteiligung ebenso wie eine Beteiligung des Mitangeklagten W. wurde aber durch den Angeklagten V. nicht offenbart.
8
2. Das Landgericht geht davon aus, dass der Angeklagte V. als formeller Geschäftsführer der Autohaus H. GmbH zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen in allen vier vorgenannten Tatzeiträumen verpflichtet war. Ihm sei auch bekannt gewesen, dass die in den Rechnungen an die Automobile Ma. GmbH und A. GmbH offen aus gewiesene Umsatzsteuer in die Umsatzsteuervoranmeldungen der jeweiligen Voranmeldungszeiträume aufzunehmen gewesen wäre, wobei die Autohaus H. GmbH lediglich als Rechnungsaussteller in der Rechnungskette des Umsatzsteuerkarussells des Zeugen D. auftauchte, ohne selbst Leistungen zu erbringen.
9
In Bezug auf den Angeklagten W. geht das Landgericht für die Voranmeldungszeiträume zweites bis viertes Quartal 2009 von Mittäterschaft aus, da dieser nach wertender Gesamtbetrachtung durch die Vermittlung der Autohaus H. GmbH zur nahtlosen Fortsetzung des Umsatzsteuerkarussells und die zunächst von ihm erstellten Rechnungen entscheidende eigene Tatbei- träge zu gemeinsamen Taten mit dem Angeklagten V. leistete, wobei das finanzielle Interesse am Taterfolg ein entscheidendes Motiv war.

II.


10
Die Verurteilung der beiden Angeklagten hat keinen Bestand, da das Urteil nicht den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO genügt; es fehlt zu allen abgeurteilten Taten an tragfähigen Feststellungen des Landgerichts als Grundlage für den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch.
11
1. Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen, also das Tatgeschehen mitteilen, in dem die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Dies muss in einer geschlossenen Darstellung aller äußeren und jeweils im Zusammenhang damit auch der dazugehörigen inneren Tatsachen in so vollständiger Weise geschehen , dass in den konkret angeführten Tatsachen der gesetzliche Tatbestand erkannt werden kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 24. Mai 2017 – 1 StR 176/17, NStZ 2018, 341; Urteil vom 12. Mai 2009 – 1 StR 718/08, NJW 2009, 2546; Beschlüsse vom 13. Juli 2011 – 1 StR 154/11, BFH/NV 2011, 1823 und vom 1. September 2015 – 1 StR 12/15, wistra 2015, 477 mwN). Nur dann kann das Revisionsgericht auf die Sachrüge prüfen, ob bei der rechtlichen Würdigung eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist (§ 337 StPO).
12
Die Strafvorschrift der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) wird materiellrechtlich ausgefüllt durch die im Einzelfall anzuwendenden steuerrechtlichen Vorschriften, aus denen sich ergibt, welches steuerlich erhebliche Verhalten im Rahmen der jeweiligen Abgabenart zu einer Steuerverkürzung geführt hat (vgl.
BGH, Beschluss vom 24. Mai 2017 – 1 StR 176/17, NStZ 2018, 341 mwN). Auch hierzu bedarf es ausreichender tatsächlicher Feststellungen, die eine Nachprüfung durch das Revisionsgericht ermöglichen. Dazu gehören insbesondere diejenigen Parameter, die maßgebliche Grundlage für die Steuerberechnung sind (Besteuerungsgrundlagen). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen deshalb die Urteilsgründe bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung regelmäßig nicht nur die Summe der jeweils verkürzten Steuern, sondern für jede Steuerart und jeden Steuerabschnitt gesondert die Berechnung der verkürzten Steuern im Einzelnen angeben (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2001 – 5 StR 448/00, wistra 2001, 308 mwN).
13
2. Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht.
14
a) Das Landgericht stützt den Tatvorwurf der Steuerhinterziehung in Bezug auf den Angeklagten V. allein darauf, dass dieser als verantwortlicher Geschäftsführer der Autohaus H. GmbH in deren Umsatzsteuervoranmeldungen für das zweite, dritte und vierte Quartal 2009 und das erste Quartal 2010 unrichtige bzw. unvollständige Angaben gemacht hat, indem er für insgesamt 282 Rechnungen an die Automobile Ma. GmbH und 295 Rechnungen an die A. GmbH, denen jeweils keine Leistung zu Grunde lag, die offen ausgewiesene Umsatzsteuer nicht in die Umsatzsteuervoranmeldungen aufgenommen hat. Dabei knüpft das Landgericht hinsichtlich dieser vorgenannten Einzelrechnungen hinsichtlich der Entstehung des Steueranspruchs jeweils nur an ein Rechnungsdatum an, das sich aus den dem Urteil beigefügten Tabellen mit den Auflistungen der Rechnungen entnehmen lässt (UA S. 18 – 29 und S. 31 – 34).
15
Gleichzeitig wird aber vom Landgericht auch festgestellt, dass diese Rechnungen teilweise rückdatiert und nachträglich erstellt und zusätzlich mit den bei der E. GmbH erstellten Rechnungen abgeglichen wurden, so dass das ausgewiesene Datum der Rechnung nicht zwingend dem tatsächlichen Erstellungsdatum der Rechnung entsprach (UA S. 14). Ergänzend dazu weist das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung darauf hin, dass nicht aufklärbar war, wann und wo die aufgefundenen Rechnungen geschrieben wurden und zahlreiche Rechnungen nicht sicher an diesem Tag erstellt wurden, der sich als Erstellungstag aus den jeweiligen Rechnungen ergibt (UA S. 66).
16
b) Damit werden vom Landgericht aber keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob und zu welchem Zeitpunkt die Steuer tatsächlich entstanden ist. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG13 Abs. 1 Nr. 4 UStG aF) entsteht bei unberechtigtem Steuerausweis nach § 14c Abs. 2 UStG – wie hier – die Steuer in Ermangelung eines steuerbaren Umsatzes nicht bereits mit der Erstellung einer Rechnung, sondern erst im Zeitpunkt der Ausgabe der Rechnung. Dabei ist unter „Ausgabe“ letztlich die Aushändigung oder Absendung an den Rechnungsempfänger oder einer von ihm bevollmächtigten dritten Person zu verstehen (Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, Stand: Juli 2018, § 13 Rn. 691; Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer/Wäger, UStG, Stand: Januar 2016, § 13 Rn. 54). Das Landgericht hat aber außer der dargestellten Anknüpfung an das Rechnungsdatum keine weitergehenden Feststellungen dazu getroffen, wann konkret eine Steuerpflicht des Angeklagten V. entstanden ist. Dies umso mehr als die einzelnen dargestellten Rechnungen rückdatiert und nachträglich erstellt wurden, so dass offen bleibt, wann und in welchem Abrechnungszeitraum die jeweilige Steuerpflicht des Angeklagten V. begründet wurde.
17
3. Diese lückenhaften Feststellungen betreffen in gleicher Weise auch den Angeklagten W. , so dass auch dessen Verurteilung wegen Steuerhinterziehung keinen Bestand haben kann.
18
4. Die bisherigen Feststellungen werden mit aufgehoben, um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen (§ 353 Abs. 2 StPO).

III.


19
Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
20
1. Sollten sich keine weiteren Feststellungen zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuerpflicht und zur Zuordnung der Rechnungen zu den einzelnen verfahrensgegenständlichen Zeiträumen der Umsatzsteuervoranmeldung treffen lassen, hat hier gegebenenfalls eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen zu erfolgen.
21
2. Anstelle einer täterschaftlich begangenen Steuerhinterziehung in Bezug auf die Autohaus H. GmbH, die fern liegt, wenn die Angeklagten nicht einmal genaue Kenntnis über die Ausstellung und Übergabe der Rechnungen hatten, kommt für beide Angeklagten auch eine Beihilfe zur Umsatzsteuerhinterziehung in Betracht, die durch die Zeugen D. und M. durch die Verwendung der mit dem Briefkopf der Autohaus H. GmbH erstellten Rechnungen als Eingangsrechnungen der A. GmbH und der Automobile Ma. GmbH im Rahmen der Einbindung in das Umsatzsteuerkarussell begangen wurde.
Raum Fischer Bär
Hohoff Pernice

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 176/17
vom
24. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Steuerhinterziehung u.a.
hier: Revision des Angeklagten N.
ECLI:DE:BGH:2017:240517B1STR176.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 24. Mai 2017 gemäß § 349 Abs. 4, § 357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten N. wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 13. Dezember 2016 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte N. und die Mitangeklagten B. und S. verurteilt worden sind. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten N. wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen, wegen Betrugs, versuchten Betrugs sowie wegen Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es den Angeklagten N. freigesprochen. Gegen den nicht revidierenden Mitangeklagten B. hat es wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung, gegen den Mitangeklagten S. wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen eine Gesamtfreiheitstrafe von einem Jahr und sechs Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verhängt. Im Übrigen hat das Landgericht den Mitangeklagten S. freigesprochen.
2
Der Angeklagte N. beanstandet seine Verurteilung mit einer auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat – gemäß § 357 StPO auch in Bezug auf die Mitangeklagten B. und S. bezüglich deren Verurteilung wegen Steuerhinterziehung – Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
3
1. Die Verurteilung des Angeklagten N. hat keinen Bestand, da das Urteil nicht den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO genügt; es fehlt zu allen abgeurteilten Taten an tragfähigen Feststellungen des Landgerichts als Grundlage für den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch.
4
Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen, also das Tatgeschehen mitteilen, in dem die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Dies muss in einer geschlossenen Darstellung aller äußeren und jeweils im Zusammenhang damit auch der dazugehörigen inneren Tatsachen in so vollständiger Weise geschehen, dass in den konkret angeführten Tatsachen der gesetzliche Tatbestand erkannt werden kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 – 1 StR 718/08, NJW 2009, 2546; Beschlüsse vom 13. Juli 2011 – 1 StR 154/11, BFH/NV 2011, 1823 und vom 1. September 2015 – 1 StR 12/15, wistra 2015, 477 mwN). Nur dann kann das Revisionsgericht auf die Sachrüge prüfen, ob bei der rechtlichen Würdigung eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist (§ 337 StPO).
5
Die Strafvorschrift der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) wird materiellrechtlich ausgefüllt durch die im Einzelfall anzuwendenden steuerrechtlichen Vorschriften, aus denen sich ergibt, welches steuerlich erhebliche Verhalten im Rahmen der jeweiligen Abgabenart zu einer Steuerverkürzung geführt hat (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 – 1 StR 718/08, NJW 2009, 2546 mwN). Auch hierzu bedarf es ausreichender tatsächlicher Feststellungen, die eine Nachprüfung durch das Revisionsgericht ermöglichen. Dazu gehören insbesondere diejenigen Parameter, die maßgebliche Grundlage für die Steuerberechnung sind (Besteuerungsgrundlagen). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen deshalb die Urteilsgründe bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung regelmäßig nicht nur die Summe der jeweils verkürzten Steuern, sondern für jede Steuerart und jeden Steuerabschnitt gesondert die Berechnung der verkürzten Steuern im Einzelnen angeben (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2001 – 5 StR 448/00, wistra 2001, 308 mwN).
6
Die Anwendung steuerlicher Vorschriften auf den festgestellten Sachverhalt und die daraus folgende Berechnung der verkürzten Steuern, durch die der Schuldumfang der Straftat bestimmt wird, ist dabei Rechtsanwendung, die der Tatrichter selbst vorzunehmen hat. Auch die Ermittlung und Darlegung der Besteuerungsgrundlagen obliegt dem Tatrichter. Die Verweisung auf Betriebsprüfungsberichte oder die Übernahme der Ermittlungsergebnisse der Steuerfahndung in das Urteil sind ebenso unzureichend wie die Wiedergabe von Aussagen , die Finanzbeamte als Zeugen in der Hauptverhandlung zur Behandlung steuerlicher Fragen gemacht haben (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2001 – 5StR 448/00, wistra 2001, 308). Das Landgericht ist allerdings nicht gehindert , bereits im Ermittlungsverfahren erstellte Darstellungen rein mathematischer Berechnungen, die mit den eigenen Feststellungen übereinstimmen, in das Urteil zu übernehmen. Dies gilt indes grundsätzlich nicht für die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen, die im Wege freier richterlicher Überzeugungsbildung vom Tatrichter eigenverantwortlich zu ermitteln sind. Die Übernahme einer Schätzung der Finanzbehörden kommt deshalb nur dann in Betracht , wenn der Tatrichter diese eigenverantwortlich nachgeprüft hat und von ihrer Richtigkeit auch unter Berücksichtigung der vom Besteuerungsverfahren abweichenden strafrechtlichen Verfahrensgrundsätze (§ 261 StPO) überzeugt ist. Die Schätzungsgrundlagen müssen dabei in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar mitgeteilt werden (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 13. Juli 2011 – 1 StR 154/11, BFH/NV 2011, 1823 und vom 1. September 2015 – 1 StR 12/15, wistra 2015, 477 mwN). Eine Berechnungsdarstellung ist nur dann ausnahmsweise insgesamt entbehrlich, wenn ein sachkundiger Angeklagter , der zur Berechnung der hinterzogenen Steuern in der Lage ist, ein Geständnis abgelegt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Juli 2011 – 1 StR 154/11, BFH/NV 2011, 1823 und vom 25. Oktober 2000 – 5 StR 399/00, NStZ 2001,

200).

7
2. Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht.
8
a) In Bezug auf die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung fehlt sowohl eine Mitteilung der Besteuerungsgrundlagen als auch eine Berechnungsdarstellung , an Hand derer sich die vom Landgericht angegebene Steuerverkürzung nachvollziehen lässt.
9
aa) Hinsichtlich der verkürzten Steuern teilt das Landgericht lediglich mit, dass die Umsätze der K. GmbH, C. GmbH und T. GmbH in den Veranlagungszeiträumen 2011 und 2012 durch drei unterschiedliche Manipulationsweisen gemindert wurden, ohne jedoch die maßgeblichen Besteuerungsgrundlagen darzustellen. So sollen zum einen Veränderungen der Kassen und der Ausdruck von sog. „Z-Bons“ im Umfang „zwischen 20 und 50 %“ (UA S. 10) erfolgt sein. Welche konkreten Umsätze getätigt wurden und wovon hier Minderungen in der Buchführung vorgenommen wurden, teilt das Urteil aber nicht mit. In Bezug auf die zweite Manipulationsweise, die Verbuchung von Scheinrechnungen in Höhe von insgesamt 112.000 Euro zuzüglich 21.280 Euro Umsatzsteuer (UA S. 10), benennt das Urteil zwar für einen Teilbetrag der Umsatzsteuer die unberechtigt ausgewiesene Vorsteuer. Es fehlen jedoch weitere Angaben dazu, ob etwa eine Steuervergütung vorlag und ob ggf. eine gemäß § 168 Satz 2 AO erforderliche Zustimmung der Finanzbehörde abgegeben wurde. Auch zur Steuerverkürzung durch den „Schwarzeinkauf“ von Waren, insbesondere von Getränken (UA S. 10), fehlen nähere Angaben. Die Urteilsfeststellungen enthalten keine Angaben zu deren Umfang; auch lässt sich nicht nachvollziehen, in welcher Höhe für Wareneinkauf nicht geltend gemachte Betriebsausgaben bzw. Vorsteuern der Verschleierung von Betriebseinnahmen bzw. Ausgangsumsätzen gedient haben.
10
bb) Daneben fehlen in den Urteilsgründen auch Ausführungen zur Berechnung der Körperschaftsteuer, des Solidaritätszuschlags hierauf sowie der Gewerbesteuer vollständig, so dass dem Senat auch insoweit eine Überprüfung der vom Landgericht mitgeteilten Verkürzungsbeträge nicht möglich ist. Dies gilt umso mehr, als bei den Verkürzungsbeträgen für die jeweiligen Steuerarten unklar bleibt, weshalb in Bezug auf die Gewerbesteuer sogar von höheren Beträgen ausgegangen wird als bei der Körperschaftsteuer.
11
cc) Auf die Berechnungsdarstellung konnte hier trotz des Geständnisses des Angeklagten N. nicht verzichtet werden. Zwar hat der Angeklagte N. die Taten der Steuerhinterziehung vollständig dem Grunde und der Höhe nach eingeräumt (UA S. 15). Jedoch kann nach den Feststellungen des Landgerichts zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten mit seiner Ausbildung zum Masseur und Physiotherapeuten (UA S. 5) nicht davon ausgegangen werden, dass es sich hierbei um einen sachkundigen Angeklagten handelt, der zur Berechnung der hinterzogenen Steuern in der Lage ist. Dies gilt entsprechend auch für die beiden ebenfalls geständigen Mitangeklagten B. und S. , bei deren Tätigkeit als Koch (UA S. 4) bzw. Ausbildung zum Angestellten in Restaurantbetrieben (UA S. 7 f.) eine solche Sachkunde ebenfalls nicht dargetan ist.
12
dd) Auch genügt der Hinweis des Landgerichts, dass die Angeklagten ausdrücklich zu Protokoll erklärten, dass „die Zahlen bezüglich der einzelnen Taten der Steuerhinterziehung Gegenstand einer tatsächlichen Verständigung mit der Finanzverwaltung waren“ (UA S. 15), und dies auch durch einen Vertre- ter des Finanzamtes bestätigt wird, nicht. Zwar war das Tatgericht – wie dargestellt – grundsätzlich nicht gehindert, sich Steuerberechnungen der Finanzverwaltung anzuschließen, die auf entsprechenden Besteuerungsgrundlagen aufbauen. Allerdings wird im Urteil nicht erkennbar, dass das Landgericht als ihm obliegende Rechtsanwendung eine eigenständige Steuerberechnung durchgeführt und dabei – gerade im Hinblick auf die dargestellten Manipulationen – eine gegebenenfalls erforderliche Schätzung selbst vorgenommen hat.
13
b) Den Darstellungsanforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO genügt auch die Verurteilung des Angeklagten N. wegen Betrugs, versuchten Betrugs und Urkundenfälschung nicht.
14
aa) Zum Betrug im Fall II. 2. a) der Urteilsgründe wird vom Landgericht nur mitgeteilt, dass der Angeklagte N. gemeinsam mit drei weiteren anderweitig Verfolgten den Entschluss fasste, einen Verkehrsunfall mutwillig zu verursachen. Da aber der anderweitig Verfolgte Sa. den Schaden verursachte und seiner Versicherung meldete, die den Schaden an beiden Fahrzeugen regulierte, bleibt offen, von welchem Tatbeitrag des Angeklagten N. das Landgericht ausgeht. Damit kann der Senat nicht nachprüfen, auf welche Umstände das Landgericht die mittäterschaftliche Begehung eines Betrugs durch den Angeklagten N. stützt.
15
bb) Auch die Feststellungen zur Urkundenfälschung im Fall II. 2. b) der Urteilsgründe genügen den Anforderungen an die Urteilsdarstellung nicht. Zwar lässt sich den Ausführungen des Landgerichts noch entnehmen, dass der An- geklagte N. der Vorlage eines geforderten Eigenkapitalnachweises als Voraussetzung für den Abschluss eines Mietvertrags durch „Fälschung“ einer entsprechenden Bescheinigung der Sparkasse Bo. nachkam (UA S. 13). Es fehlt aber an den ausreichenden Feststellungen zur Urkundenqualität, da unklar bleibt, welchen Inhalt die entsprechende „gefälschte“ Bescheinigung der Sparkasse hatte und wer diese ausgestellt hat. Offen bleibt nach den Urteilsfeststellungen auch, von welcher Tatbestandsvariante des § 267 Abs. 1 StGB das Landgericht ausgegangen ist.
16
cc) Hinsichtlich des vom Landgericht angenommenen versuchten Betrugs im Fall II. 2. c) der Urteilsgründe lässt sich den Urteilsfeststellungen zwar entnehmen, dass der Angeklagte N. absprachegemäß mutwillig den Pkw des gesondert verfolgten St. rückwärts gegen sein zum Innenhof zeigendes Schlafzimmerfenster steuerte. Die Urteilsfeststellungen des Landgerichts enthalten jedoch keine ausreichenden Tatsachengrundlagen zu der Frage, ob der Angeklagte N. hier als Mittäter oder nur als Gehilfe handelte. Insoweit fehlt es an einer wertenden Gesamtbetrachtung in Bezug auf das Interesse des Angeklagten N. am Taterfolg, auf den Umfang der Tatbeteiligung sowie die Tatherrschaft oder wenigstens den Willen zur Tatherrschaft.
17
3. Der Senat hebt die lückenhaften Feststellungen insgesamt auf (§ 353 Abs. 2 StPO), um dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen.
18
4. Die Aufhebung des Urteils zugunsten des Angeklagten N. ist gemäß § 357 Satz 1 StPO auf die nicht revidierenden Mitangeklagten B. und S. zu erstrecken, soweit auch sie wegen mittäterschaftlich begangener Steuerhinterziehung in den Fällen II. 1. der Urteilsgründe verurteilt worden sind. Auch deren Verurteilung wegen Steuerhinterziehung beruht – ebenso wie beimAngeklagten N. – aufeiner unzureichenden Darstellung der Besteuerungsgrundlagen. Jäger Cirener Fischer Bär Hohoff

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 538/17
vom
11. Oktober 2018
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung
ECLI:DE:BGH:2018:111018B1STR538.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 11. Oktober 2018 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 11. Mai 2017 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere – als Wirtschaftsstrafkammer zuständige – Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten V. wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren mit Bewährung verurteilt. Gegen den Angeklagten W. wurde wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verhängt.
2
Hiergegen richten sich die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten. Ihre Rechtsmittel haben entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts vom 4. April 2018 in vollem Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.


3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Der Angeklagte V. war Geschäftsführer der im Handelsregister des Amtsgerichts Chemnitz eingetragenen Autohaus H. GmbH, deren Unternehmensgegenstand der Verkauf und die Reparatur von Kraftfahrzeugen war. Da sich die Firma in finanziellen Schwierigkeiten befand, bot der Angeklagte W. seinem Schwager, dem Angeklagten V. , an, sich an einem Umsatzsteuerkarussell zu beteiligen. Dabei sollten Rechnungen mit dem Briefkopf der Autohaus H. GmbH ausgestellt werden, denen keine tatsächlichen Leistungen zu Grunde lagen. Der Angeklagte V. erklärte sich dazu bereit, seine Firma in das Umsatzsteuerkarussell einbinden zu lassen.
5
Ab Frühjahr 2009 wurden für die Beteiligung am Umsatzsteuerkarussell Rechnungen mit dem Briefkopf der Autohaus H. GmbH zunächst durch den Angeklagten W. in dessen Büro in B. erstellt. In der Folge erfolgte die Fertigung entsprechender Ausgangsrechnungen auf Anweisung der Zeugen D. und M. durch Mitarbeiter der Firmen E. GmbH und der A. GmbH, die angebliche Kunden des Autohauses H. GmbH waren, wobei die entsprechenden Daten des Autohauses durch den Angeklagten W. zur Verfügung gestellt wurden. Teilweise wurde auch das Layout der Rechnungen frei erfunden. Bei der Erstellung der Rechnungen für das Autohaus H. GmbH wurden diese teilweise rückdatiert und nachträglich erstellt sowie zusätzlich mit den Rechnungen der Adressaten abgeglichen, um Doppelausstellungen zu vermeiden. Das auf den Rechnungen ausgewiesene Datum entsprach deshalb nicht zwingend dem tatsächlichen Erstellungsdatum der Rechnungen.
6
Beiden Angeklagten war bekannt, dass die Autohaus H. GmbH nur auf dem Papier in die Rechnungskette einbezogen werden und selbst zu keinem Zeitpunkt die in den Rechnungen ausgewiesenen Lieferungen erbringen sollte. Der Angeklagte V. wusste von dem Angeklagten W. und dem Zeugen D. , dass unter dem Namen des Autohauses H. GmbH Ausgangsrechnungen mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer erstellt wurden, ohne dass entsprechende Angaben gegenüber dem zuständigen Finanzamt gemacht werden sollten. Teilweise sah der Angeklagte V. auch entsprechende Rechnungen, eine Unterzeichnung durch ihn erfolgte aber nicht. Vom Zeugen D. erhielt der Angeklagte W. regelmäßig Barbeträge in einer Größenordnung von maximal 20.000 Euro monatlich über einen Zeitraum von sechs bis neun Monaten als Entlohnung für die anfängliche Erstellung von Ausgangsrechnungen für die Autohaus H. GmbH und die Vermittlung dieser Gesellschaft. Der Angeklagte V. erhielt vom Zeugen D. in unregelmäßigen Abständen Geldbeträge von 2.000 bis 3.000 Euro sowie in zwei oder drei Fällen die Gelegenheit, ein Fahrzeug von R. zur Autohaus H. GmbH zu überführen und dieses dort zu verkaufen.
7
Mit dem Briefkopf der Autohaus H. GmbH wurden auf diese Weise 282 Rechnungen an die Automobile Ma. GmbH und 295 Rechnungen an die A. GmbH erstellt, in denen jeweils die Umsatzsteuer offen ausgewiesen war und die ein Rechnungsdatum im Zeitraum vom 1. April 2009 bis 29. März 2010 trugen. Diese Rechnungen wurden in den vom Angeklagten V. jeweils eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen der Autohaus H. GmbH im zweiten, dritten und vierten Quartal 2009 nicht gegenüber dem zuständigen Finanzamt angegeben. Für das erste Quartal 2010 wurde vom Angeklagten V. keine Umsatzsteuervoranmeldung mehr abgegeben. Dadurch kam es zur Verkürzung von Umsatzsteuer im gesamten Tatzeitraum in Höhe von 3.555.095,33 Euro. Die Erstellung von Scheinrechnungen endete, nachdem sich der Angeklagte V. am 30. März 2010 zur Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes C. begeben und diverse Informationen über geschäftliche Kontakte zu den Zeugen D. und M. weitergegeben sowie den Verdacht über ihm nicht bekannte Autokäufe unter dem Namen seiner Gesellschaft geäußert hatte. Eine eigene Beteiligung ebenso wie eine Beteiligung des Mitangeklagten W. wurde aber durch den Angeklagten V. nicht offenbart.
8
2. Das Landgericht geht davon aus, dass der Angeklagte V. als formeller Geschäftsführer der Autohaus H. GmbH zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen in allen vier vorgenannten Tatzeiträumen verpflichtet war. Ihm sei auch bekannt gewesen, dass die in den Rechnungen an die Automobile Ma. GmbH und A. GmbH offen aus gewiesene Umsatzsteuer in die Umsatzsteuervoranmeldungen der jeweiligen Voranmeldungszeiträume aufzunehmen gewesen wäre, wobei die Autohaus H. GmbH lediglich als Rechnungsaussteller in der Rechnungskette des Umsatzsteuerkarussells des Zeugen D. auftauchte, ohne selbst Leistungen zu erbringen.
9
In Bezug auf den Angeklagten W. geht das Landgericht für die Voranmeldungszeiträume zweites bis viertes Quartal 2009 von Mittäterschaft aus, da dieser nach wertender Gesamtbetrachtung durch die Vermittlung der Autohaus H. GmbH zur nahtlosen Fortsetzung des Umsatzsteuerkarussells und die zunächst von ihm erstellten Rechnungen entscheidende eigene Tatbei- träge zu gemeinsamen Taten mit dem Angeklagten V. leistete, wobei das finanzielle Interesse am Taterfolg ein entscheidendes Motiv war.

II.


10
Die Verurteilung der beiden Angeklagten hat keinen Bestand, da das Urteil nicht den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO genügt; es fehlt zu allen abgeurteilten Taten an tragfähigen Feststellungen des Landgerichts als Grundlage für den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch.
11
1. Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen, also das Tatgeschehen mitteilen, in dem die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Dies muss in einer geschlossenen Darstellung aller äußeren und jeweils im Zusammenhang damit auch der dazugehörigen inneren Tatsachen in so vollständiger Weise geschehen , dass in den konkret angeführten Tatsachen der gesetzliche Tatbestand erkannt werden kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 24. Mai 2017 – 1 StR 176/17, NStZ 2018, 341; Urteil vom 12. Mai 2009 – 1 StR 718/08, NJW 2009, 2546; Beschlüsse vom 13. Juli 2011 – 1 StR 154/11, BFH/NV 2011, 1823 und vom 1. September 2015 – 1 StR 12/15, wistra 2015, 477 mwN). Nur dann kann das Revisionsgericht auf die Sachrüge prüfen, ob bei der rechtlichen Würdigung eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist (§ 337 StPO).
12
Die Strafvorschrift der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) wird materiellrechtlich ausgefüllt durch die im Einzelfall anzuwendenden steuerrechtlichen Vorschriften, aus denen sich ergibt, welches steuerlich erhebliche Verhalten im Rahmen der jeweiligen Abgabenart zu einer Steuerverkürzung geführt hat (vgl.
BGH, Beschluss vom 24. Mai 2017 – 1 StR 176/17, NStZ 2018, 341 mwN). Auch hierzu bedarf es ausreichender tatsächlicher Feststellungen, die eine Nachprüfung durch das Revisionsgericht ermöglichen. Dazu gehören insbesondere diejenigen Parameter, die maßgebliche Grundlage für die Steuerberechnung sind (Besteuerungsgrundlagen). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen deshalb die Urteilsgründe bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung regelmäßig nicht nur die Summe der jeweils verkürzten Steuern, sondern für jede Steuerart und jeden Steuerabschnitt gesondert die Berechnung der verkürzten Steuern im Einzelnen angeben (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2001 – 5 StR 448/00, wistra 2001, 308 mwN).
13
2. Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht.
14
a) Das Landgericht stützt den Tatvorwurf der Steuerhinterziehung in Bezug auf den Angeklagten V. allein darauf, dass dieser als verantwortlicher Geschäftsführer der Autohaus H. GmbH in deren Umsatzsteuervoranmeldungen für das zweite, dritte und vierte Quartal 2009 und das erste Quartal 2010 unrichtige bzw. unvollständige Angaben gemacht hat, indem er für insgesamt 282 Rechnungen an die Automobile Ma. GmbH und 295 Rechnungen an die A. GmbH, denen jeweils keine Leistung zu Grunde lag, die offen ausgewiesene Umsatzsteuer nicht in die Umsatzsteuervoranmeldungen aufgenommen hat. Dabei knüpft das Landgericht hinsichtlich dieser vorgenannten Einzelrechnungen hinsichtlich der Entstehung des Steueranspruchs jeweils nur an ein Rechnungsdatum an, das sich aus den dem Urteil beigefügten Tabellen mit den Auflistungen der Rechnungen entnehmen lässt (UA S. 18 – 29 und S. 31 – 34).
15
Gleichzeitig wird aber vom Landgericht auch festgestellt, dass diese Rechnungen teilweise rückdatiert und nachträglich erstellt und zusätzlich mit den bei der E. GmbH erstellten Rechnungen abgeglichen wurden, so dass das ausgewiesene Datum der Rechnung nicht zwingend dem tatsächlichen Erstellungsdatum der Rechnung entsprach (UA S. 14). Ergänzend dazu weist das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung darauf hin, dass nicht aufklärbar war, wann und wo die aufgefundenen Rechnungen geschrieben wurden und zahlreiche Rechnungen nicht sicher an diesem Tag erstellt wurden, der sich als Erstellungstag aus den jeweiligen Rechnungen ergibt (UA S. 66).
16
b) Damit werden vom Landgericht aber keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob und zu welchem Zeitpunkt die Steuer tatsächlich entstanden ist. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG13 Abs. 1 Nr. 4 UStG aF) entsteht bei unberechtigtem Steuerausweis nach § 14c Abs. 2 UStG – wie hier – die Steuer in Ermangelung eines steuerbaren Umsatzes nicht bereits mit der Erstellung einer Rechnung, sondern erst im Zeitpunkt der Ausgabe der Rechnung. Dabei ist unter „Ausgabe“ letztlich die Aushändigung oder Absendung an den Rechnungsempfänger oder einer von ihm bevollmächtigten dritten Person zu verstehen (Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, Stand: Juli 2018, § 13 Rn. 691; Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer/Wäger, UStG, Stand: Januar 2016, § 13 Rn. 54). Das Landgericht hat aber außer der dargestellten Anknüpfung an das Rechnungsdatum keine weitergehenden Feststellungen dazu getroffen, wann konkret eine Steuerpflicht des Angeklagten V. entstanden ist. Dies umso mehr als die einzelnen dargestellten Rechnungen rückdatiert und nachträglich erstellt wurden, so dass offen bleibt, wann und in welchem Abrechnungszeitraum die jeweilige Steuerpflicht des Angeklagten V. begründet wurde.
17
3. Diese lückenhaften Feststellungen betreffen in gleicher Weise auch den Angeklagten W. , so dass auch dessen Verurteilung wegen Steuerhinterziehung keinen Bestand haben kann.
18
4. Die bisherigen Feststellungen werden mit aufgehoben, um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen (§ 353 Abs. 2 StPO).

III.


19
Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
20
1. Sollten sich keine weiteren Feststellungen zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuerpflicht und zur Zuordnung der Rechnungen zu den einzelnen verfahrensgegenständlichen Zeiträumen der Umsatzsteuervoranmeldung treffen lassen, hat hier gegebenenfalls eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen zu erfolgen.
21
2. Anstelle einer täterschaftlich begangenen Steuerhinterziehung in Bezug auf die Autohaus H. GmbH, die fern liegt, wenn die Angeklagten nicht einmal genaue Kenntnis über die Ausstellung und Übergabe der Rechnungen hatten, kommt für beide Angeklagten auch eine Beihilfe zur Umsatzsteuerhinterziehung in Betracht, die durch die Zeugen D. und M. durch die Verwendung der mit dem Briefkopf der Autohaus H. GmbH erstellten Rechnungen als Eingangsrechnungen der A. GmbH und der Automobile Ma. GmbH im Rahmen der Einbindung in das Umsatzsteuerkarussell begangen wurde.
Raum Fischer Bär
Hohoff Pernice
5 StR 448/00

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 26. April 2001
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen Steuerhehlerei u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. April 2001

beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 14. Februar 2000 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Beschwerdeführer ergeben; ihre Revisionen sind unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Der Erörterung bedarf lediglich folgendes: 1. Die Berechnungsdarstellung der hinterzogenen Steuern im angefochtenen Urteil erfüllt nicht die für eine revisionsgerichtliche Überprüfung notwendigen Voraussetzungen.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen die Urteilsgründe bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung regelmäßig nicht nur die Summe der jeweils verkürzten Steuern, sondern für jede Steuerart und jeden Steuerabschnitt gesondert die Berechnung der verkürzten Steuern im einzelnen angeben (vgl. BGHR AO § 370 Abs. 1 – Berechnungsdarstellung 2, 3, 4, 6). Die Anwendung steuerlicher Vorschriften auf den festgestellten Sachverhalt und die daraus folgende Berechnung der verkürzten Steuern, durch die der Schuldumfang der Straftat bestimmt wird, ist dabei Rechtsanwendung, die der Strafrichter selbst vorzunehmen hat (vgl. BGH wistra 2001, 22; BGHR AO § 370 Abs. 1 – Berechnungsdarstellung 9). Auch die Ermittlung und Darlegung der Besteuerungsgrundlagen obliegt dem Tatrichter. Die Verweisung auf Betriebsprüfungsberichte oder die Übernahme der Ermittlungsergebnisse der Steuerfahndung in das Urteil sind ebenso unzureichend wie die Wiedergabe von Aussagen, die Finanzbeamte als Zeugen in der Hauptverhandlung zur Behandlung steuerlicher Fragen gemacht haben (vgl. BGH aaO). Das Landgericht ist allerdings nicht gehindert, bereits im Ermittlungsverfahren erstellte Darstellungen rein mathematischer Berechnungen, die mit den eigenen Feststellungen übereinstimmen, ins Urteil zu übernehmen. Dies gilt indes grundsätzlich nicht für die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen, die im Wege freier richterlicher Überzeugungsbildung vom Tatrichter eigenverantwortlich zu ermitteln sind. Die Übernahme einer Schätzung der Finanzbehörden kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn der Tatrichter diese eigenverantwortlich nachgeprüft hat und von ihrer Richtigkeit auch unter Berücksichtigung der vom Besteuerungsverfahren abweichenden strafrechtlichen Verfahrensgrundsätze (§ 261 StPO) überzeugt ist. Die Schätzungsgrundlagen müssen dabei in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar mitgeteilt werden (std. Rspr. vgl. BGH wistra 1984, 182; 1986, 65; 1992, 147, 148; Kohlmann, Steuerstrafrecht 7. Aufl. § 370 Rdn. 158). Eine Berechnungsdarstellung ist nur dann ausnahmsweise insgesamt entbehrlich, wenn ein sachkundiger Angeklagter, der zur Berechnung der hinterzogenen Steuern in der Lage ist, ein Geständnis abgelegt hat (vgl. BGHR AO § 370 Abs. 1 – Berechnungsdarstellung 2, 3, 5, 8, 9; BGH wistra 2001, 22).

b) Den dargelegten Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Angefügt an den Einleitungssatz: “Die Bestimmung der ausgefallenen Abgaben stützt sich auf folgende Berechnungen” hat das Landgericht die Berechnungsdarstellungen der von den nicht geständigen Angeklagten hinterzogenen Eingangsabgaben aus der Anklageschrift und Berichten der Zollfahndung in Ablichtung in das Urteil eingefügt. Für das Revisionsgericht ist hierbei nicht nachprüfbar, ob der Tatrichter von zutreffenden Besteuerungsgrundlagen ausgegangen ist und den jeweiligen Schuldumfang eigenverantwortlich ermittelt hat. Insbesondere ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen, ob und gegebenenfalls wie das Landgericht die der Abgabenberechnung zugrunde liegenden konkreten Zigarettenmengen selbst ermittelt hat und ob bzw. auf welcher Grundlage es die Schätzung des für die Höhe der Eingangsabgaben maßgeblichen Zollwertes der Zigaretten vorgenommen hat. Die Art der Darstellung im Urteil legt die unzureichende pauschale Übernahme der Feststellungen der Ermittlungsbehörden ohne eigene richterliche Würdigung nahe.
2. Das Urteil beruht jedoch nicht auf der fehlerhaften Berechnungsdarstellung. Die vom Landgericht – insbesondere auf der Grundlage des umfassenden Geständnisses des Mitangeklagten L – getroffenen Feststellungen tragen die Schuldsprüche dem Grunde nach: Dem angefochtenen Urteil ist mit ausreichender Sicherheit zu entnehmen, daß die Angeklagten unversteuerte und unverzollte Zigaretten in erheblichem Umfang aus Containern in Kleintransporter umgeladen haben. Auch die Feststellungen zur subjektiven Seite halten rechtlicher Nachprüfung stand. Die Einlassungen der Angeklagten, sie hätten von den geschmuggelten Zigaretten nichts gewußt und seien davon ausgegangen, nur Wasserkocher umzuladen, sind vom Tatrichter rechtsfehlerfrei widerlegt worden. Trotz des vom Gericht nicht eigenständig ermittelten Schuldumfangs kann auch der Strafausspruch letztlich bestehen bleiben. Der Senat schließt angesichts der überaus milden Strafen aus, daß das Landgericht bei fehlerfreier Ermittlung der hinterzogenen Steuern und denkbar niedrigster Feststellungen zum Schuldumfang zu noch geringeren Strafen hätte gelangen können.
Harms Häger Basdorf Raum Brause

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 1 9 6 / 1 4
vom
23. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Juli 2014 gemäß § 44,
§ 46 Abs. 1, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten S. auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung von Verfahrensrügen wird verworfen. 2. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 6. November 2013, soweit es sie betrifft , aufgehoben. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen Steuerhinterziehung in 31 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Den Angeklagten S. hat es der Steuerhinterziehung in 38 Fällen schuldig gesprochen und gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verhängt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte H. mit der näher ausgeführten Sachrüge. Der Angeklagte S. macht neben der ebenfalls näher ausgeführten Ver- letzung materiellen Rechts auch Verfahrensbeanstandungen geltend. Die Rechtsmittel haben auf die Sachrügen hin weitgehend Erfolg.
2
Der Angeklagte H. hat darüber hinaus sofortige Beschwerde gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung des angefochtenen Urteils eingelegt.

I.


3
Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte H. als Geschäftsführer der C. GmbH (nachfolgend: C. ) durch die Einbindung der Gesellschaft in ein europaweit tätiges sog. Umsatzsteuerkarussell im Zeitraum von Oktober 2009 bis April 2012 zugunsten der C. eine Verkürzung von Umsatzsteuer in einer Gesamthöhe von 8.105.555,09 Euro bewirkt. Die Gesellschaft war in ein im Wesentlichen von belgischen Hintermännern gesteuertes Umsatzsteuerkarussell regelmäßig als sog. Buffer in einer sich über mehrere Glieder erstreckenden Lieferkette von Soft- und Hardware-Artikeln eingebunden.
4
Der Angeklagte S. war als Mitarbeiter der D. , einer Hauptabnehmerin der C. in der dem Karussell zugrunde liegenden Lieferkette, tätig. Durch das Einstellen von Rechnungen der C. in die Buchhaltung der D. sowie der sich daran anschließenden Geltendmachung von Vorsteuer aus diesen Rechnungen bewirkte der Angeklagte S. für den Zeitraum zwischen März 2009 und April 2012 eine Hinterziehung von Umsatzsteuern zugunsten der D. in Höhe von 6.777.209,15 Euro.
5
Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das Landgericht die beiden Beschwerdeführer jeweils wegen Steuerhinterziehung in der vorstehend genannten Anzahl von Fällen verurteilt. Dabei ist es ersichtlich jeweils von vollendeten Taten ausgegangen.

II.


6
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen bezüglich beider Angeklagter diese Schuldsprüche nicht. Das Landgericht hat weder ausdrücklich festgestellt, ob die in den einzelnen Tatzeiträumen zu Unrecht zugunsten der beiden Gesellschaften geltend gemachten Vorsteuern zu einer Steuervergütung (§ 168 Satz 2 AO) oder zu einer Zahllast (§ 168 Satz 1 AO) der Unternehmen geführt haben, noch lässt sich dies dem Gesamtzusammenhang des Urteils entnehmen. Von dem Vorliegen einer Steuervergütung oder einer Zahllast hängt aber ab, ob die Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) – hier von Umsatzsteuer – vollendet ist oder diese lediglich das Versuchsstadi- um erreicht hat.
7
1. Die gegen die vorgenannten Feststellungen und die ihnen zugrunde liegende Beweiswürdigung gerichteten Angriffe der Revisionen bleiben ohne Erfolg.
8
a) Soweit die Revision des Angeklagten S. die tatrichterlichen Feststellungen mit verschiedenen Verfahrensrügen angreift, sind diese Beanstandungen entgegen den gesetzlichen Vorgaben nicht innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO erhoben worden und schon deshalb erfolglos.
9
aa) Das Urteil ist dem Verteidiger am 29. Januar 2014 zugestellt worden. Die Monatsfrist zur Begründung der Revision endete damit gemäß § 43 Abs. 1 StPO am Freitag, dem 28. Februar 2014. Der Verfahrensrügen enthaltende Schriftsatz des Verteidigers ging aber erst am 3. März 2014 ein; die in dem Schriftsatz in Bezug genommenen Anlagen sogar erst am 7. März 2014.
10
bb) Dem mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 25. Juni 2014 gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – nach der Auslegung (§ 300 StPO) des Senats – in die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist mit dem Ziel, Verfahrensrügen nachzuholen, war nicht zu entsprechen.
11
Dabei kann der Senat offenlassen, ob der Antrag überhaupt zulässig erhoben ist. Er erhält entgegen § 45 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 StPO keine Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses (zu diesem Erfordernis BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2013 – 1 StR 412/13; vom 27. Januar 2014 – 4 StR 376/13). Insbesondere wird nicht vorgetragen, zu welchem Zeitpunkt der Angeklagte Kenntnis von dem Wegfall des Hindernisses erlangt hat. Darauf kommt es aber für den Beginn der Wochenfrist aus § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO an (BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2013 – 1 StR 412/13).
12
Der Antrag ist jedenfalls unbegründet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt bei einer – wie hier durch die Revisionsbegründung des Verteidigers vom 13. November 2013 – bereits form- und fristgerecht begründeten Revision eine Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht (BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 2012 – 1 StR 301/12, NStZ-RR 2012, 316; vom 25. September 2012 – 1 StR 361/12, wistra 2013, 34) und ausnahmsweise lediglich dann in Betracht, wenn der Beschwerdeführer unverschuldet durch äußere Umstände oder unvorhersehbare Zufälle daran gehindert war, eine Ver- fahrensrüge rechtzeitig formgerecht zu begründen (BGH, Beschluss vom 18. Juni 2008 – 2 StR 485/07, NStZ 2008, 705, 706 Rn. 4 mwN). Eine Ausnahme greift zudem in besonderen Prozesssituationen ein, wenn dies zur Wahrung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2007 – 1 StR 301/12, NStZ-RR 2012, 316 mwN). Eine solche Ausnahmesituation wird nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich. Dem rechtzeitigen Erheben von Verfahrensrügen stand lediglich ein fehlerhaftes Verständnis der Berechnung der Monatsfrist nach Maßgabe von § 43 Abs. 1 StPO entgegen.
13
cc) Im Übrigen entsprächen die verspätet erhobenen Verfahrensrügen sämtlich nicht den Anforderungen aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Darauf hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 3. Juni 2014 hingewiesen. Insoweit ergänzend bemerkt der Senat, dass bei den als Verstöße gegen „§ 244Abs. 2, 267 Abs. 3, Abs. 4, 261 StPO“ (RB vom 3. März 2014 S. 8-16) überschriebenen Verfahrensbeanstandungen bereits die Angriffsrichtung der Rüge nicht ausreichend zu erkennen ist. Soweit allein die Verletzung von § 244 Abs. 2 StPO mit dem Vorbringen, der Geschäftsführer der D. und der Verkaufsleiter hätten zu den „vorbenannten Fragen … geladen und gehört werden müssen“, gerügt wird, fehlt es an den erforderlichen bestimmten Beweis- behauptungen. Entsprechendes gilt auch für die übrigen Verfahrensrügen, mit denen (auch) jeweils die Verletzung der Aufklärungspflicht geltend gemacht wird.
14
b) Wie in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zutreffend aufgezeigt wird, beschränken sich die Beanstandungen der Revision des Angeklagten H. auf den in der Revision unbeachtlichen Versuch, eine eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des Tatgerichts zu setzen und urteilsfremdes Geschehen zum Gegenstand des Rechtsmittels zu machen. Revisible Rechtsfehler in der Beweiswürdigung werden nicht aufgezeigt.
15
c) Gleiches gilt für die Revision des Angeklagten S. , soweit er sich mit der Sachrüge gegen die Feststellungen und die Beweiswürdigung des Landgerichts wendet.
16
2. Den bislang getroffenen Feststellungen lässt sich aber weder für den Angeklagten H. noch für den Angeklagten S. entnehmen , ob es sich bei den verfahrensgegenständlichen Taten um vollendete oder lediglich um versuchte Hinterziehungen der Umsatzsteuer handelt.
17
§ 370 Abs. 1 AO ist nicht lediglich ein Erklärungs-, sondern auch ein Erfolgsdelikt. Vollendung tritt erst ein, wenn der Täter durch seine Tathandlung Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt hat (BGH, Urteil vom 19. März 2013 – 1 StR 318/12, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 Vollendung 3 mwN). Liegt wie hier bei allen verfahrensgegenständlichen Taten beider revidierender Angeklagter eine Voranmeldung der Umsatzsteuer zugrunde, tritt für die Fälle der Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder der Steuervergütung der tatbestandliche Verkürzungserfolg erst aufgrund der gemäß § 168 Satz 2 AO erforderlichen Zustimmung der Finanzbehörde ein. In den Konstellationen des § 168 Satz 1 AO ist die Steuerhinterziehung dagegen bereits mit der (unrichtigen) Anmeldung vollendet (BGH aaO; siehe auch BGH, Beschluss vom 5. Februar 2014 – 1 StR 422/13, NStZ 2014, 335, 336).
18
Das Landgericht hat sich sowohl bezüglich der Steuerhinterziehung zugunsten der C. (Angeklagter H. ) als auch bezüglich derjenigen zugunsten der D. (Angeklagter S. ) auf die tabellarische Erfassung der sich in den relevanten Veranlagungszeiträumen ergebenden Verkürzungsbeträge beschränkt (UA S. 68/69 und UA S. 82/83). Daraus allein lässt sich aber nach dem Vorstehenden nicht ableiten, ob bereits mit den jeweiligen Voranmeldungen ein Verkürzungserfolg eingetreten ist oder nicht. Der Senat vermag auch dem Gesamtzusammenhang des Urteils keine entsprechenden Anhaltspunkte zu entnehmen. Zu möglichen Zustimmungserklärungen der zuständigen Finanzbehörden verhält sich das Urteil in Bezug auf die beiden begünstigten Unternehmen nicht.
19
Angesichts der damit nach den bisherigen Feststellungen nicht ausgeschlossenen Möglichkeit, dass es sich bei sämtlichen verfahrensgegenständlichen Konstellationen lediglich um Versuchstaten handelt, hebt der Senat das Urteil auf, soweit es die Angeklagten H. und S. betrifft. Die Sache war daher im Umfang der Aufhebung zurückzuverweisen.
20
3. Da die getroffenen Feststellungen rechtsfehlerfrei sind (oben II.1.), bleiben diese aufrechterhalten. Das gilt auch bezüglich der für die Strafzumessung bedeutsamen Feststellungen über die Höhe der hinsichtlich der sog. missing trader dem Fiskus entstandenen Steuerschäden. Ergänzende, den bisher getroffenen nicht widersprechende Feststellungen zu den Voraussetzungen von § 168 Satz 1 oder Satz 2 AO sind möglich und erforderlich.

III.


21
Aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen war die Aufhebung nicht gemäß § 357 Satz 1 StPO auf den nicht revidierenden Mitangeklagten De. zu erstrecken. Dieser hat die ihm vorgeworfenen Steuerhinterziehungen zugunsten eines anderen Unternehmens begangen. Es handelt sich damit um andere Taten, als diejenigen, wegen derer die Beschwerdeführer verurteilt worden sind.

IV.


22
Die sofortige Beschwerde (§ 464 Abs. 3 StPO) des Angeklagten H. gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung des angefochtenen Urteils ist gegenstandslos, weil der Senat das angefochtene Urteil auch insoweit aufgehoben und an ein anderes Tatgericht zurückverwiesen hat.
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum ist wegen Urlaubsabwesenheit an der Unterschriftsleistung gehindert. Rothfuß Rothfuß Jäger Cirener Radtke

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.