Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Aug. 2016 - 1 StR 334/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:090816B1STR334.16.0
bei uns veröffentlicht am09.08.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 334/16
vom
9. August 2016
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:090816B1STR334.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. August 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu Ziffer 2 auf dessen Antrag – beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 10. März 2016 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 17 tatmehrheitlichen Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Herstellen von kinderpornographischen Bildaufnahmen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit einer Verfahrensrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Angeklagte beanstandet zu Recht eine Verletzung des § 250 StPO durch Verlesung einer Stellungnahme einer Diplom-Psychologin, bei der die Geschädigte wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung in Behandlung war.
3
a) Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
4
Im Vorfeld der Hauptverhandlung ist auf Anordnung der Vorsitzenden die Stellungnahme der Diplom-Psychologin, die als Sachverständige nicht allgemein vereidigt war, dem Verteidiger zur Kenntnis gebracht worden. Diese Stellungnahme befasste sich mit dem Inhalt der Behandlung der Geschädigten in ihrer Praxis sowie den Diagnosen und Tatfolgen. Zugleich ist durch die Vorsit- zende mitgeteilt worden, dass das Gericht beabsichtige, „die Tatfolgen durch Verlesung der beigefügten Stellungnahme festzustellen“. In der Hauptverhandlung ist diese Stellungnahme sodann verlesen worden, ohne dass Erörterungen hierzu stattgefunden hätten. Eine Beanstandung als unzulässig erfolgte nicht. Von keinem Verfahrensbeteiligten ist ein Einverständnis zur Verlesung erteilt worden. Es ist weder ein Grund für die Verlesung angegeben, noch ist ein Beschluss hierzu gefasst worden. Die Diplom-Psychologin ist nicht in der Hauptverhandlung vernommen worden.
5
Im Urteil ist ausgeführt, dass die Feststellungen hinsichtlich der belastenden Tatfolgen für die Geschädigte auf dem Attest der Diplom-Psychologin beruhten und diese Folgen strafschärfend zu berücksichtigen seien.
6
b) Die Rüge ist zulässig. Der Angeklagte hat einen Sachverhalt vorgetragen , der es dem Revisionsgericht ohne weiteres ermöglicht, allein aufgrund seines Vortrags zu überprüfen, ob der gerügte Rechtsfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen werden (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 14. Oktober 2014 – 3 StR 167/14, wistra 2015, 148 und vom 29. April 2015 – 1StR 235/14, NStZ-RR 2015, 278; Urteil vom 15. Dezember 2015 – 1 StR 236/15). Damit sind die Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erfüllt. Insbesondere bedurfte es entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts nicht des Vortrags, dass die vor der Hauptverhandlung erfolgte Mitteilung zur beabsichtigten Verlesung auch an Staatsanwaltschaft und Nebenklägervertreter erfolgt ist. Denn die Frage, ob eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes vorlag, kann von der vor der Hauptverhandlung erfolgten und in dieser auch nicht wieder thematisierten bloßen Ankündigung, etwas verlesen zu wollen , nicht beeinflusst werden. Zumal diese Absichtserklärung ohne Angabe eines Verlesungsgrundes erfolgte.
7
c) Die Rüge zeigt auch einen Rechtsfehler auf. Die Verlesung der Stellungnahme im Wege des Urkundsbeweises war nicht zulässig. Die Voraussetzungen der die vernehmungsersetzende Verlesung ausnahmsweise gestattenden § 251 Abs. 1 StPO oder § 256 StPO lagen nicht vor; einer Beanstandung nach § 238 Abs. 2 StPO bedurfte es nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2011 – 3 StR 315/11, NStZ 2012, 585).
8
aa) Schon die Voraussetzungen des § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO liegen nicht vor. Ein Einverständnis mit der Verlesung ist weder vom Angeklagten oder seinem Verteidiger noch seitens der Staatsanwaltschaft ausdrücklich erteilt worden. Eine stillschweigende Zustimmung liegt nicht vor. Eine solche kommt überhaupt nur in Betracht, wenn auf Grund der vorangegangenen Verfahrensgestaltung davon ausgegangen werden darf, dass sich alle Verfahrensbeteiligten der Tragweite ihres Schweigens bewusst waren (BGH, Beschluss vom 12. Juli 1983 – 1 StR 174/83, NJW 1984, 65 f.; OLG Köln, Beschluss vom 15. September 1987 – Ss 450/87, NStZ 1988, 31; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. Mai 1956 – 4 StR 36/56, BGHSt 9, 230, 232 f.; Löwe/Rosenberg-Sander/ Cirener, StPO, 26. Aufl., § 251 Rn. 22 mwN). Daran fehlt es hier. Zu keinem Zeitpunkt ist eine auf § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO gestützte oder durch Einverständnis legitimierte Verlesung thematisiert worden. Auch ist die Anordnung entgegen § 251 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO vom Gericht nicht beschlossen und der Grund der Verlesung nicht bekanntgegeben worden. Damit konnte dem Angeklagten und dem Verteidiger aber unter keinen Umständen bewusst sein, dass es entscheidend auf ihre Zustimmung ankommen könnte. Allein ihr Schweigen auf eine Verlesung kann daher nicht dahin gedeutet werden, dass sie mit der Verlesung einverstanden gewesen wären.
9
bb) Die Stellungnahme enthielt auch kein Zeugnis oder ein Gutachten einer öffentlichen Behörde (§ 256 Abs. 1 Nr. 1 a StPO), eines allgemein vereidigten Sachverständigen (§ 256 Abs. 1 Nr. 1 b StPO) oder eines Arztes (§ 256 Abs. 1 Nr. 1 c, Nr. 2 StPO).
10
2. a) Der Senat kann jedoch ein Beruhen des im Übrigen revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Schuldspruchs auf diesem Rechtsfehler ausschließen. Das Landgericht hat die Stellungnahme für seine diesbezügliche Überzeugung nicht herangezogen, sondern sich insoweit auf andere gewichtige Beweismittel, u.a. das weitreichende Geständnis des Angeklagten, gestützt.
11
b) Der gesamte Strafausspruch kann hingegen wegen des Rechtsfehlers keinen Bestand haben. Denn die Strafzumessung ist ausweislich der Urteilsgründe maßgeblich durch die Tatfolgen, wie sie sich nur aus der Stellungnahme der Diplom-Psychologin ergeben, beeinflusst.
Graf Cirener Radtke Mosbacher Fischer

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Die Vernehmung darf nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer Erklärung ersetzt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 1 6 7 / 1 4
vom
14. Oktober 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Zuwiderhandlung gegen ein Bereitstellungsverbot eines unmittelbar
geltenden Rechtsaktes der Europäischen Union, der der
Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich
der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen
Sanktionsmaßnahme dient, u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 2. und 3. auf dessen Antrag - am
14. Oktober 2014 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO einstimmig

beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten G. und K. K. wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 8. November 2013, soweit es sie betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass aa) der Angeklagte G. K. in drei Fällen der Zuwiderhandlung gegen ein Bereitstellungsverbot eines unmittelbar geltenden Rechtsaktes der Europäischen Union, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen Sanktionsmaßnahme dient, schuldig ist, in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zur gewerbsmäßigen Ausfuhr von Gütern ohne Genehmigung trotz Unterrichtung über deren Verwendung; bb) der Angeklagte K. K. schuldig ist, - in drei Fällen der Zuwiderhandlung gegen ein Bereitstellungsverbot eines unmittelbar geltenden Rechtsaktes der Europäischen Union, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen Sanktionsmaßnahme dient, in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zur gewerbsmäßigen Ausfuhr von Gütern ohne Genehmigung trotz Unterrichtung über deren Verwendung; - in einem weiteren Fall der Beihilfe zur gewerbsmäßigen Ausfuhr von Gütern ohne Genehmigung trotz Unterrichtung über deren Verwendung;
b) im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz hinsichtlich des Angeklagten G. K. dahin abgeändert, dass ein Betrag von 139.459,13 € für verfallen erklärt wird.
2. Die weitergehenden Revisionen dieser Angeklagten werden verworfen.
3. Die Revision des Angeklagten M. gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen; jedoch wird der Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte M. in zwei Fällen schuldig ist der Zuwiderhandlung gegen ein Bereitstellungsverbot eines unmittelbar geltenden Rechtsaktes der Europäischen Union, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen Sanktionsmaßnahme dient, sowie in einem weiteren Fall der gewerbsmäßigen Ausfuhr von Gütern ohne Genehmigung trotz Unterrichtung über deren Verwendung.
4. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Gründe:

1
Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat den Angeklagten G. K. (nachfolgend: G. K. ) wegen "vorsätzlichen gewerbsmäßigen Embargoverstoßes nach dem Außenwirtschaftsgesetz in fünf Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zur vorsätzlichen unerlaubten gewerbsmäßigen Ausfuhr nach dem Außenwirtschaftsgesetz" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren, den Angeklagten K. K. (nachfolgend: K. K. ) wegen "vorsätzlichen gewerbsmäßigen Embargoverstoßes nach dem Außenwirtschaftsgesetz in 6 Fällen und wegen Beihilfe zur vorsätzlichen unerlaubten gewerbsmäßigen Ausfuhr nach dem Außenwirtschaftsgesetz in zwei Fällen" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten sowie den Angeklagten M. wegen "vorsätzlichen gewerbsmäßigen Embargoverstoßes nach dem Außenwirtschaftsgesetz in zwei Fällen und wegen vorsätzlicher unerlaubter gewerbsmäßiger Ausfuhr nach dem Außenwirtschaftsgesetz" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es Verfall von Wertersatz in Höhe von 250.000 € gegen den Angeklagten G. K. und in Höhe von 106.950 € gegen den Angeklagten M. angeordnet. Gegen ihre Verurteilungen richten sich die Revisionen der Angeklagten, die jeweils auf die Rügen der Verletzung sowohl formellen als auch materiellen Rechts gestützt werden. Die Rechtsmittel der Angeklagten K. haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen sind sie - wie die Revision des Angeklagten M. , die lediglich zu einer Neufassung des Schuldspruchs führt - unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
I. Das Oberlandesgericht hat folgende Feststellungen getroffen: Seit 2002 ist bekannt, dass die Islamische Republik Iran an dem Bau eines atomaren Schwerwasserreaktors in A. arbeitet. Federführendes Unternehmen ist hierbei die in den Anhängen zu den Iran-Embargo-Verordnungen der Europäischen Union gelistete M. I. T. C. (nachfolgend: MIT. ). Dieses Unternehmen beauftragte seinerseits den gesondert verfolgten T. mit der Beschaffung diverser Ventile zur Verwendung in dem Kraftwerk. Aufgrund dessen Bemühungen, bei denen er als Repräsentant u.a. der Unternehmen R. , At. (mit Sitz jeweils im Iran) und I. (mit Sitz in der Türkei) auftrat, kam es zu folgenden Geschäftsabschlüssen und Lieferungen , wobei die Angeklagten, die den Verwendungszweck der Ventile kannten und billigten sowie die Listung des Endabnehmers jedenfalls in Kauf nahmen, jeweils handelten, um sich aus der wiederholten Begehung von Verstößen gegen das Außenwirtschaftsgesetz eine fortlaufende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen:
3
a) Nach seit Januar 2008 laufenden Verhandlungen schlossen am 25. September 2009 T. für das Unternehmen R. und der Angeklagte M. für die MIT. GmbH (nachfolgend: MIT. GmbH), deren geschäftsführender Alleingesellschafter er war, einen Vertrag über die Lieferung von 256 Ventilen samt elektronischen Stellantrieben zum Preis von 1.885.000 € (nachfolgend: Ventile der Gruppe C). Während die Ventile von der MIT. GmbH selbst hergestellt wurden, bezog der Angeklagte M. die Stellantriebe von dem Hersteller D. . Die Stellantriebe wiesen nicht die von T. gewünschte und ver- traglich vereinbarte Nuklearspezifikation auf; die Lieferung solcher Antriebe an die MIT. GmbH hatte D. wegen der Gefahr eines Embargoverstoßes verweigert. Aus diesem Grund oder aber wegen Zahlungsschwierigkeiten T. s kamen die Geschäftsbeziehungen zwischen ihm und dem Angeklagten M. nach Durchführung von drei Lieferungen durch die MIT. GmbH über die I. in den Iran am 29. Oktober 2010, am 18. Januar und am 28. März 2011 über insgesamt 41 Ventile mit Stellantrieben zum Erliegen. Die Angeklagten K. , die T. anlässlich der nachfolgend geschilderten Vorgänge kennengelernt hatten, waren in die Abwicklung dieses Geschäfts dergestalt involviert, dass der Angeklagte K. K. als Bindeglied zwischen T. und dem Angeklagten M. wirkte, insbesondere die hergestellten Ventile vor der Versendung überprüfen und freigeben sollte, und der Angeklagte G. K. die Herstellung der Ventile durch die MIT . GmbH in Höhe von 109.300 € für T. vorfinanzierte.
4
Bereits mit Schreiben vom 9. April und 7. Mai 2009 hatte das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (nachfolgend: BAFA) den Angeklagten M. darauf aufmerksam gemacht, dass der Iran bemüht sei, Spezialventile für das iranische Nuklearprogramm zu beschaffen, woran die Unternehmen MIT. und R. beteiligt seien. Dabei wies es auf Genehmigungs- und Unterrichtungspflichten hin. Durch unwahre Angaben über den Empfänger erreichte der Angeklagte M. die Ausstellung eines sogenannten Nullbescheids, nach dem die von ihm beantragte Ausfuhr nicht genehmigungspflichtig sei. Auch wenn die Schreiben des BAFA den Angeklagten K. nicht bekannt waren, wussten diese, dass die Ausfuhr der Ventile verboten war, eine Genehmigung bei Kenntnis des wahren Sachverhalts niemals erteilt worden wäre und der Angeklagte M. seinen Mitwirkungspflichten als Ausführer vorsätzlich zuwider handelte.
5
b) Am 10. November 2009 schlossen T. für das Unternehmen At. und der gesondert verfolgte L. als Geschäftsführer der B. GmbH (nachfolgend: B. GmbH) einen Vertrag über 655 Ventile zum Preis von 898.846,78 € (nachfolgend: Ventile der Gruppe A). Der Angeklagte K. K. absolvierte bei der B. GmbH seine Ausbildung , hatte indes aufgrund seiner Sprachkenntnisse und der finanziellen Unterstützung des Unternehmens durch seinen Vater, den Angeklagten G. K. , bereits im zweiten Lehrjahr die Länderverantwortlichkeit für den Iran übernommen, weshalb er wesentlich an der Abwicklung des Geschäfts mit T. beteiligt war. Mit der Herstellung der Ventile wurde das Unternehmen KS. beauftragt. Da weder T. noch die B. GmbH in der Lage waren, diesem gegenüber die vereinbarten Vorauszahlungen zu leisten, überwies der Angeklagte G. K. zu diesem Zweck im August 2010 einen Betrag von 134.827 €. Im Gegenzug überwachte er die weitere Abwicklung des Ge- schäfts und drängte L. zu einer besseren Einbindung seines Sohnes und einem engagierteren Auftreten gegenüber dem Hersteller. Dennoch kam es wegen anhaltender Zahlungsschwierigkeiten nur zu zwei Lieferungen am 5. Dezember 2010 und 21. März 2011 über insgesamt 51 Ventile im Wert von 172.699,98 € durch die B. GmbH in den Iran.
6
Mit Schreiben des BAFA vom 7. Dezember 2009 waren dem gesondert verfolgten L. Hinweise erteilt worden, die denjenigen entsprachen, die dem Angeklagten M. gegeben worden waren. Auch er erreichte durch unwahre Angaben über den Empfänger die Ausstellung eines Nullbescheids. Auch in diesem Fall erkannten die Angeklagten K. das Handelsverbot sowie den Umstand, dass L. seinen Pflichten als Ausführer bewusst nicht nachkam.
7
c) Im Juni 2010 bestellte T. bei den Angeklagten K. 856 Ven- tile zum Preis von rund 300.000 € (nachfolgend: Ventile der Gruppe B). Um gegenüber dem indischen Hersteller nicht den Verdacht eines Embargoverstoßes zu erwecken, trat als Besteller zum Schein ein Unternehmen aus Bahrain auf, dessen Betreiber ein Geschäftspartner des Angeklagten G. K. war und zu dem dieser den Kontakt herstellte. Der Angeklagte K. K. kümmerte sich um die weitere Abwicklung des Geschäfts. Die Lieferung der Ventile in den Iran bewerkstelligten die Angeklagten letztlich über das in der Türkei ansässige Unternehmen I. , an das der indische Hersteller vier Teillieferungen sandte. Hinsichtlich der zweiten Lieferung im Wert von 19.766,29 € hat das Oberlandesgericht das Verfahren nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Die letzte Teillieferung von 360 Ventilen wurde wegen technischer Unstimmigkeiten bereits aus der Türkei zur Überprüfung nach Indien zurückgesandt.
8
II. Das Oberlandesgericht hat die Lieferungen mit Ausnahme derjenigen vom 29. Oktober und 5. Dezember 2010 jeweils als gewerbsmäßigen Verstoß gegen ein Bereitstellungsverbot gewertet, strafbar nach § 34 Abs. 4 Nr. 2, Abs. 6 Nr. 2, Nr. 4 Buchst. c AWG aF i.V.m. Art. 7 Abs. 3 VO (EG) Nr. 423/2007 in der Fassung der VO (EU) Nr. 532/2010 vom 18. Juni 2010 bzw. Art. 16 Abs. 3 VO (EU) Nr. 961/2010 vom 25. Oktober 2010. Da letztgenannte Verordnung erst am 10. Dezember 2010 zur Strafbewehrung im Bundesanzeiger veröffentlicht, die Vorgängerregelung jedoch bereits am 27. Oktober 2010 aufgehoben worden sei, fehle es bezüglich der Lieferungen vom 29. Oktober und 5. Dezember 2010 an einem entsprechenden Verstoß. Diese Lieferungen seien jedoch gemäß § 33 Abs. 1, § 34 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 6 Nr. 2 AWG aF, § 70 Abs. 1 Nr. 2, § 5d Abs. 1 AWV aF strafbar. Wegen des Sonderdeliktscharakters des § 34 Abs. 2 AWG aF, der unmittelbar an die Ausführereigenschaft anknüp- fe, komme bei den Angeklagten K. jeweils nur eine Verurteilung wegen Beihilfe in Betracht, auch wenn ihr Tatbeitrag vom Gewicht her als mittäterschaftlich zu bewerten sei. Dabei sei beiden die Unterrichtungspflicht nach § 5d Abs. 2 AWG bekannt gewesen. Beim Angeklagten G. K. habe es sich hinsichtlich der vom Angeklagten M. und von L. gehandelten Ventile jeweils nur um eine Tat gehandelt, da sein Tatbeitrag vor den jeweiligen Versendungen erbracht worden sei. Die Strafrahmen hat das Oberlandesgericht § 18 Abs. 1 und 2 AWG nF entnommen.
9
III. Die Angeklagten dringen mit ihren Verfahrensbeanstandungen nicht durch. Mit Blick auf die Antragsschriften des Generalbundesanwalts bedarf Folgendes der Ausführung:
10
1. Zu Unrecht hat das Oberlandesgericht drei Anträge des Angeklagten M. als unzulässig abgelehnt (Rügen Nr. 1 bis 3 der Revisionsbegründungsschrift des Angeklagten M. ). Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil indes nicht.
11
a) Den Rügen liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde: In der Sitzung vom 2. August 2013 hat der Angeklagte M. unter anderem mit drei gesonderten Anträgen jeweils die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache beantragt, dass die Ventile, wie sie in verschiedenen Schriftstücken anlässlich der zwischen ihm und T. laufenden Verhandlungen beschrieben worden waren, aufgrund diverser, in den Anträgen dargestellter technischer Details nicht für den Einsatz im Primärkreislauf eines Kernreaktors geeignet, nicht nukleartauglich bzw. nicht nuklearspezifisch gewesen seien. Diese Anträge hat das Oberlandesgericht mit Beschlüssen vom 19. September 2013 jeweils mangels bestimmter Tatsachenbehauptung als unzulässig zurückgewiesen. Dabei hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die konkrete Ausstattung des Schwerwasserreaktors in A. ebenso wenig bekannt sei wie die Sicherheitsanforderungen, die im Iran an die Ventile und Elektroantriebe eines Kernkraftreaktors gestellt würden.
12
b) Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts sind die Rügen zulässig erhoben. Dies ist der Fall, wenn die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dazu müssen die den geltend gemachten Verstoß enthaltenden Tatsachen so vollständig und genau dargelegt werden, dass das Revisionsgericht allein aufgrund dieser Darlegung das Vorhandensein eines Verfahrensmangels feststellen kann, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen sind oder bewiesen werden (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 1980 - 2 StR 729/79, BGHSt 29, 203; KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 344 Rn. 38 mwN). Verweise auf frühere Eingaben, Ausführungen eines anderen Verfahrensbeteiligten oder den Inhalt der Akten genügen nicht; für den Revisionsvortrag wesentliche Schriftstücke oder Aktenstellen sind vielmehr durch wörtliche Zitate bzw. eingefügte Abschriften oder Ablichtungen zum Bestandteil der Revisionsbegründung zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2005 - 1 StR 218/05, NStZ-RR 2006, 48, 49).
13
Hieraus ergeben sich je nach Art des gerügten Verstoßes spezielle Anforderungen an die Begründung (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juli 1998 - 3 StR 78/98, NJW 1998, 3284). Bei Angriffen gegen die Ablehnung von Anträgen sind regelmäßig der Antrag und die Ablehnungsbegründung im Wortlaut oder in eigenen Worten vollständig mitzuteilen (BGH, Beschluss vom 19. April 2000 - 3 StR 122/00, juris Rn. 2; Urteil vom 14. April 1999 - 3 StR 22/99, NJW 1999, 2683, 2684), oftmals auch die in diesen Dokumenten in Bezug genommenen Aktenbestandteile (BGH, Urteile vom 25. November 2003 - 1 StR 182/03, NStZRR 2004, 118, 119; vom 18. August 2004 - 2 StR 456/03, StraFo 2004, 424).
Eine schematische Betrachtungsweise verbietet sich indes. Entscheidend ist stets, ob die inhaltliche Überprüfung der erhobenen Rüge bereits anhand des mitgeteilten Verfahrensstoffes möglich ist. Können in Bezug genommene Aktenteile unabhängig von ihrem Inhalt das Ergebnis der Prüfung nicht beeinflussen , so sind sie für die Zulässigkeit der Rüge nicht von Bedeutung.
14
Nach diesen Grundsätzen erweist sich die vom Generalbundesanwalt vermisste Mitteilung weiterer Schreiben, des mit den Anträgen in Zusammenhang stehenden Verfahrensgeschehens sowie der im Ablehnungsbeschluss zur Frage der Aufklärungspflicht in Bezug genommenen Aktenteile als nicht erforderlich. Ob das Oberlandesgericht die Anträge zu Recht mangels bestimmter Tatsachenbehauptung als unzulässig zurückgewiesen hat, bestimmt sich allein anhand des mitgeteilten Antragswortlauts.
15
c) Dieser ergibt, dass es sich entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts jeweils um Beweisanträge handelte. In allen Fällen sind konkrete technische Eigenschaften benannt, aufgrund derer den gehandelten Ventilen die Nukleareignung fehlen soll. Dies genügt. Die Begründung des Oberlandesgerichts , wonach es mangels Kenntnissen über die konkrete Ausgestaltung des im Iran geplanten Reaktors an Anknüpfungstatsachen für einen Sachverständigen fehle, besagt nichts über die mangelnde Bestimmtheit der unter Beweis gestellten Tatsache. Dieser Umstand hätte allenfalls - im konkreten Fall jedoch eher fernliegend - für die völlige Ungeeignetheit des Beweismittels (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Variante 4 StPO) sprechen können.
16
d) Auf der rechtsfehlerhaften Ablehnung der Beweisanträge beruht das Urteil indes nicht (§ 337 Abs. 1 StPO). Allerdings ist es dem Revisionsgericht regelmäßig versagt, den Ausschluss des Beruhens daraus herzuleiten, dass die ablehnende Entscheidung mit anderer Begründung rechtsfehlerfrei hätte ergehen können (BGH, Beschluss vom 29. Februar 2000 - 1 StR 33/00, NStZ 2000, 437, 438). Denn die fehlerhafte Ablehnung kann grundsätzlich Auswirkungen auf die weitere Verfahrensführung in dem Sinne gehabt haben, dass die Beteiligten gehindert worden sind, die geänderte Prozesslage in ihrem weiteren Verhalten zu berücksichtigen, insbesondere weitere Anträge zu stellen (BGH, Urteil vom 19. März 1991 - 1 StR 99/91, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2, Ungeeignetheit 10).
17
Solche Auswirkungen waren hier indes nicht anzunehmen, weil der Angeklagte M. trotz der (fehlerhaften) Ablehnung weitere, auf dasselbe Beweisziel gerichtete Anträge gestellt hat, die das Oberlandesgericht zum Teil tragend (Rügen Nr. 7 und 11 der Revisionsbegründungsschrift des Angeklagten M. ), zum Teil hilfsweise (Rüge Nr. 4 der Revisionsbegründungsschrift des Angeklagten M. ) in nicht zu beanstandender Weise wegen rechtlicher Bedeutungslosigkeit abgelehnt hat. Denn die Frage, ob die vom Angeklagten M. gehandelten Ventile für den Einsatz im Primärkreislauf eines Kernreaktors geeignet, ob sie nukleartauglich oder nuklearspezifisch waren, ist weder für den Schuldspruch noch für den Strafausspruch relevant.
18
Für den Schuldspruch wegen Zuwiderhandlung gegen das Bereitstellungsverbot des Art. 7 Abs. 3 VO (EG) Nr. 423/2007 bzw. des Art. 16 Abs. 3 VO (EU) Nr. 961/2010 folgt dies bereits daraus, dass den Iran-EmbargoVerordnungen zwar der präventive Zweck zugrunde liegt, proliferationsrelevante nukleare Tätigkeiten im Iran zu verhindern (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-72/11 - Afrasiabi, juris Rn. 44). Bereits die Möglichkeit, dass der eine wirtschaftliche Ressource darstellende Vermögenswert für den Erwerb von Geldern, Waren oder Dienstleistungen verwendet wird, die zur Verbreitung von Kernwaffen im Iran beitragen können, würde indes diesem Zweck widerstreiten (EuGH aaO, Rn. 46; Urteil vom 29. April 2010 - C-340/08, NVwZ 2010, 1018, 1020). Über Güter des täglichen Lebens oder Leistungen mit Verbrauchscharakter hinaus begründet das Bereitstellungsverbot daher ein generelles Verbot der Ausfuhr von Waren an gelistete Organisationen (vgl. Morweiser in Wolffgang /Simonsen, AWR-Kommentar, § 34 Abs. 4 AWG Rn. 89 [Stand: Juni 2012]). Es ist demnach für den Schuldspruch insoweit irrelevant, ob die Ventile im nuklearspezifischen oder einem sonstigen Bereich des Reaktors Verwendung finden konnten und sollten.
19
Der genaue Verwendungszweck ist auch für die Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen ein Ausfuhrverbot ohne Bedeutung. Sowohl § 5d Abs. 1 AWV aF als auch § 9 Abs. 1 AWV nF stellen allein auf die mögliche Bestimmung für eine kerntechnische Anlage insgesamt ab. Mit Blick auf § 34 AWG aF würde schließlich selbst bei einem Einsatz der Ventile außerhalb des Primärkreislaufes deren Ausfuhr geeignet sein, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden - sei es im Rahmen des Grunddeliktes (§ 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG aF), sei es im Rahmen des Qualifikationstatbestandes (§ 34 Abs. 6 Nr. 4 Buchst. c) AWG aF). Maßgeblich sind insoweit die Handelstätigkeit mit dem Iran mit Bezug auf dessen Schwerwasserreaktor sowie das Versagen des BAFA bei der Ausfuhrkontrolle.
20
Soweit die Eignung der Ventile zum Einsatz in einem Kernkraftwerk und damit die Nähe des gehandelten Gutes zu der letztendlichen Verwendung, die mit den Embargovorschriften vermieden werden soll, für die Strafzumessung von Bedeutung ist, hat das Oberlandesgericht diesem Umstand bereits dadurch umfassend Rechnung getragen, dass es in erheblichem Maße strafmildernd berücksichtigt hat, dass aufgrund der fehlenden nuklearspezifischen Qualität der Stellantriebe die Kombination aus Ventil und Stellantrieb für eine Verwen- dung im Inneren Sicherheitsbereich des Reaktors ohnehin fehlte. Der Senat schließt angesichts dessen aus, dass es wegen der Beschaffenheit der Ventile als solche niedrigere Strafen verhängt hätte.
21
2. Die Rüge des Angeklagten M. , das Oberlandesgericht habe seinen Antrag auf Vernehmung von Zeugen zum Beweis der Tatsache, dass bei einer Besprechung zum Thema "Beschaffung von Ventilen und Stellantrieben durch den Iraner T. " die USA gegenüber der Bundesrepublik keine Vorwürfe erhoben hätten, rechtsfehlerhaft zurückgewiesen (Rüge Nr. 5 der Revisionsbegründungsschrift des Angeklagten M. ), ist ebenfalls unbegründet.
22
Nach den oben dargelegten Maßstäben bedurfte es für eine zulässige Rügeerhebung entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts keines weiteren Vortrags zu Einzelheiten der Personen, zu Inhalten und Hintergründen der Besprechung. Die behauptete Rechtsfehlerhaftigkeit des Ablehnungsbeschlusses ergibt sich aus seiner mitgeteilten Begründung und den die Beweistatsache betreffenden Urteilsgründen. Aus diesen folgt indes, dass das Oberlandesgericht sich an die Behandlung der Beweistatsache als erwiesen gehalten hat; es hat der Beweistatsache nur nicht die vom Angeklagten gewünschte Bedeutung beigemessen. Das begründet die Rechtsfehlerhaftigkeit der Ablehnung des Beweisantrags jedoch nicht.
23
Soweit das Oberlandesgericht die weitere Beweistatsache, die technische Eignung der Ventile sei bei dieser Besprechung nicht thematisiert worden, in seinem Ablehnungsbeschluss ohne nähere Begründung schlicht als aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos behandelt hat, ist die Revision darauf nicht gestützt. Sie wäre aber auch insoweit unbegründet. Allerdings ist die Begründung des Ablehnungsbeschlusses nicht rechtsbedenkenfrei. Die Ablehnung eines Beweisantrages wegen Bedeutungslosigkeit erfordert in aller Regel, dass der Beschluss konkrete Erwägungen darüber enthält, warum das Tatgericht aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will. Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen, denen das Tatgericht genügen müsste, wenn es die Indiz- oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Überzeugungsbildung ohne Einfluss geblieben ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2013 - 3 StR 135/13, NStZ 2014, 110 mwN). Die bloße Wiederholung des Gesetzeswortlauts genügt nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2006 - 2 StR 444/06, StV 2007, 176, 177). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt indes in Fällen, in denen die Bedeutungslosigkeit für jeden Verfahrensbeteiligten offensichtlich ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 15. Mai 1990 - 5 StR 594/89, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 12). So verhält es sich hier: Ob etwas Thema einer Besprechung war, lässt ersichtlich weder einen Rückschluss darauf zu, ob der Umstand selbst gegeben war, noch darauf, ob die Frage bei den Teilnehmern überhaupt von Interesse war.
24
3. Zu Unrecht hat das Oberlandesgericht auch dem Antrag des Angeklagten M. auf Vernehmung einer benannten Mitarbeiterin des BAFA zum Beweis der Tatsache, dass diese in einem Telefonat geäußert habe, die vom Angeklagten M. im Gespräch näher spezifizierten Ventile könnten nicht nur nach Aserbaidschan, sondern sogar in den Iran geliefert werden, den Charakter eines Beweisantrags abgesprochen (Rüge Nr. 10 der Revisionsbegründungsschrift des Angeklagten M. ). Der Umstand, dass im Antrag die Art der Spezifikation der Ventile während des Telefonats durch den Angeklagten M. nicht näher dargelegt wurde, ändert nichts an der Bestimmtheit der Behauptung über die Äußerung der Mitarbeiterin. Dass dieser Äußerung angesichts des un- klaren Bezugspunkts kein oder nur ein geringer Beweiswert zukommen mag, ist eine Frage der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit, auf die das Oberlandesgericht die Ablehnung hilfsweise gestützt hat. Die insoweit in der Ablehnungsentscheidung gegebene Begründung erweist sich als rechtsfehlerfrei, so dass die Rüge unbegründet ist. Der vom Generalbundesanwalt mit Blick auf die Zulässigkeit als fehlend bemängelte Vortrag des Schreibens des BAFA vom 10. September 2009 war demgegenüber nicht erforderlich, da das Schreiben im Urteil vollständig wiedergegeben und die Urteilsurkunde bereits aufgrund der ebenfalls erhobenen Sachrüge vom Senat zur Kenntnis zu nehmen ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 1990 - 1 StR 693/89, BGHSt 36, 384, 385).
25
4. Soweit die Angeklagten K. - gestützt auf § 244 Abs. 2 und 3 Satz 2 StPO - die Ablehnung von Anträgen auf Einholung von Sachverständigengutachten teils wegen völliger Ungeeignetheit des Beweismittels, teils wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der Beweistatsachen beanstanden (Rügen Nr. 2 und 5 der Revisionsbegründungsschrift des Angeklagten G. K. , Rügen Nr. 1 und 3 der Revisionsbegründungsschrift des Angeklagten K. K. ), erweisen sich diese Rügen deshalb als unzulässig, weil der auf die Gegenvorstellung ergangene Gerichtsbeschluss nicht mitgeteilt wird. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, da mit diesem eine etwaige anfängliche rechtsfehlerhafte Ablehnung möglicherweise geheilt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2012 - 1 StR 647/11, NStZ-RR 2012, 178).
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5. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Rüge des Angeklagten K. K. , sein Antrag vom 16. August 2013 auf Vernehmung des T. als Zeuge sei zu Unrecht mit Beschluss vom 5. September 2013 gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO abgelehnt worden (Rüge Nr. 4 der Revisionsbegründungsschrift des Angeklagten K. K. ). Der Beschwerdeführer hätte die Ent- scheidung über die zeitlich nachfolgende Anregung des Verteidigers des Angeklagten G. K. vom 8. November 2013 auf Einvernahme des T. mitteilen müssen, da auch sie etwaige Fehler bei der Ablehnung vom 5. September 2013 möglicherweise geheilt hat. Demgegenüber trägt das vom Generalbundesanwalt für die Unzulässigkeit herangezogene Argument, im Antrag in Bezug genommene Aktenteile seien nicht ihrem Inhalt nach dargelegt worden, nicht. Denn dem Antrag selbst ist zu entnehmen, dass die Verfahrensvorgänge nur in Bezug genommen wurden, um zu verdeutlichen, dass die aufgestellten Beweisbehauptungen nicht aus der Luft gegriffen waren. Für das Verständnis und die Beurteilung der Beweisbehauptung spielten diese Aktenteile daher von vornherein keine Rolle.
27
6. Ebenfalls unzulässig erhoben ist die Rüge des Angeklagten K. K. (Rüge Nr. 2 seiner Revisionsbegründungsschrift), das Oberlandesgericht habe zu Unrecht einen Antrag auf Einholung einer amtlichen Auskunft der Internationalen Atomenergiebehörde wegen Unerreichbarkeit des Beweismittels abgelehnt. Denn die Revision teilt nicht den Vermerk des Ermittlungsführers beim Generalbundesanwalt über eine Erklärung der Mitarbeiterin der Rechtsabteilung dieser Behörde mit. Auf dessen Inhalt hat das Oberlandesgericht jedoch im Wesentlichen seine Begründung der Unerreichbarkeit gestützt, weshalb dessen Wiedergabe zur Beurteilung der Richtigkeit der Argumentation unerlässlich war.
28
7. Schließlich greift auch die Aufklärungsrüge des Angeklagten G. K. (Rüge Nr. 3 seiner Revisionsbegründungsschrift), mit der dieser beanstandet, das Oberlandesgericht hätte seinen Sohn N. K. als Zeugen zu der Richtigkeit des Inhalts eines von diesem verfassten Schriftstücks vernehmen müssen, nicht durch. Die Rüge, zu der der Generalbundesanwalt sich nicht verhält, erweist sich als unzulässig, weil der Revisionsführer nicht darlegt, aufgrund welcher Umstände sich das Oberlandesgericht zu der Zeugeneinvernahme hätte gedrängt sehen müssen (hierzu BGH, Urteil vom 11. September 2003 - 4 StR 139/03, NStZ 2004, 690). Dies wäre dann der Fall gewesen, wenn es Anhaltspunkte dafür gegeben hätte, dass N. K. entweder wissentlich Falsches niedergeschrieben oder nachträglich von der Unrichtigkeit Kenntnis erlangt hat. Für beides ist selbst nach dem Rügevorbringen nichts ersichtlich.
29
IV. Die Sachrüge führt bei den Angeklagten K. jeweils zu einer Korrektur der konkurrenzrechtlichen Bewertung der Taten und beim Angeklagten G. K. zu einer Abänderung des Verfallsbetrages. Im Übrigen hat die umfassende Überprüfung des Urteils keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Der Erörterung bedarf nur Folgendes:
30
1. Zutreffend hat das Oberlandesgericht die am 1. September 2013 aufgrund des Gesetzes zur Modernisierung des Außenwirtschaftsrechts vom 6. Juni 2013 (BGBl. I, S. 1482) in Kraft getretene Neufassung des Außenwirtschaftsgesetzes zur Anwendung gebracht (§ 2 Abs. 3 StGB). Soweit allerdings der im Urteil enthaltenen Liste der angewendeten Vorschriften sowie den Ausführungen des Oberlandesgerichts im Rahmen der rechtlichen Würdigung und der Strafzumessung zu entnehmen ist, dass der Günstigkeitsvergleich des § 2 Abs. 3 StGB nur Bedeutung für die Strafzumessung habe, während der Schuldspruch sich stets nach dem Tatzeitrecht (§ 2 Abs. 1 StGB) richte, trifft dies nicht zu. Vielmehr ist das mildere Gesetz in seiner Gesamtheit anzuwenden , wobei eine Vergleichsbetrachtung des konkreten Einzelfalls geboten ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juli 2014, - 3 StR 314/13, NStZ 2014, 586, 587).
31
Diese führt vorliegend insgesamt zur Anwendung des neuen Rechts. Denn da die Angeklagten jeder für sich (§ 28 Abs. 2 StGB) in allen Fällen das Qualifikationsmerkmal der Gewerbsmäßigkeit erfüllten, ist § 18 Abs. 7 Nr. 2 Alternative 1 AWG nF maßgeblich, der gegenüber § 34 Abs. 6 Nr. 2 Alternative 1 AWG aF eine niedrigere Mindeststrafe aufweist. Dies gilt auch für die Verurteilung wegen der Ausfuhrverstöße hinsichtlich der Lieferungen vom 29. Oktober und vom 5. Dezember 2010 (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2013 - StB 16/13, juris Rn. 24). Soweit diese Taten nunmehr auch von § 18 Abs. 1 Nr. 1 AWG nF erfasst würden, weil diese Vorschrift - anders als § 34 Abs. 4 Nr. 2 AWG aF - nicht mehr eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger, sondern lediglich im Amtsblatt der Europäischen Union verlangt, die hier bereits am 27. Oktober 2010 vorgenommen wurde, steht einem derartigen Schuldspruch trotz grundsätzlicher Anwendbarkeit des neuen Rechts § 2 Abs. 4 StGB entgegen. Nach dieser Vorschrift ist ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Bei den einen Embargotatbestand ausfüllenden Normen handelt es sich trotz Fehlens einer ausdrücklichen Befristung wegen der erkennbar für die Dauer eines Ausnahmezustandes geschaffenen Regelungen um solche Zeitgesetze im Sinne des § 2 Abs. 4 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 1998 - 1 StR 110/98, BGHR AWG § 34 UN-Embargo 4; Morweiser in Wolffgang/Simonsen aaO, Rn. 114). Über § 2 Abs. 3 StGB kann in diesen Fällen weder eine Strafbarkeit nachträglich entfallen, noch kann ein abweichender Schuldspruch begründet werden.
32
2. Der Verurteilung der Angeklagten G. und K. K. wegen Beihilfe zur gewerbsmäßigen Ausfuhr ohne Genehmigung nach § 9 Abs. 1 AWV nF steht nicht entgegen, dass das Oberlandesgericht nicht festzustellen vermocht hat, dass diesen die jeweiligen Unterrichtungsschreiben des BAFA, die den an sie zu stellenden Anforderungen genügten, bekannt waren. Infolgedessen war ihnen auch nicht bekannt, dass der Angeklagte M. und der gesondert Verfolgte L. schon allein wegen dieser Unterrichtung einer Ausfuhrgenehmigung bedurften.
33
Eine Strafbarkeit wegen Beihilfe (§ 27 StGB) setzt auf subjektiver Seite einen doppelten Gehilfenvorsatz voraus. Dieser muss die Unterstützungshandlung umfassen und sich auf die Vollendung einer vorsätzlich begangenen Haupttat richten, wobei es genügt, dass der Gehilfe die wesentlichen Merkmale der Haupttat, insbesondere ihre Unrechts- und Angriffsrichtung erkennt (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2012 - 3 StR 435/11, StraFo 2012, 239). Diese gegenüber dem Anstifter geringeren Anforderungen an die Konkretisierung des Vorstellungsbildes des Gehilfen folgen schon daraus, dass dieser nicht eine bestimmte Tat anstreben muss. Er erbringt vielmehr einen losgelösten Beitrag , von dem er lediglich erkennen und billigend in Kauf nehmen muss, dass dieser Beitrag sich als unterstützender Bestandteil in einer Straftat manifestieren wird (BGH, Urteil vom 18. April 1996 - 1 StR 14/96, BGHSt 42, 135, 137 f.). Daraus erschließt sich, dass auch eine andere rechtliche Einordnung der Tat durch den Gehilfen dessen Vorsatz unberührt lässt, solange er sich nicht eine grundsätzlich andere Tat vorstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2011 - 3 StR 420/10, NStZ 2011, 399, 400 mwN). Zwischen vorgestellter und tatsächlich begangener Tat muss mithin eine tatbestandliche Verwandtschaft bestehen (vgl. MüKoStGB/Joecks, 2. Aufl., § 27 Rn. 95 f.). Diese ist vorliegend gegeben. Denn auch nach dem rechtsfehlerfrei festgestelltem Vorstellungsbild der Angeklagten K. war schon aufgrund ihrer Kenntnis von der Verwendung der Ventile im Iran eine Entscheidung durch das BAFA vor einer Ausfuhr erforderlich, die bei wahrheitsgemäßen Angaben nur auf Versagung einer Genehmigung lauten konnte (vgl. § 9 Abs. 2 AWV nF). Ihr Kenntnismangel bezog sich demnach lediglich auf den Umstand, durch den die als solche erkannte Pflicht zur Beteiligung des BAFA ausgelöst wurde. Dem kommt keine den Beihilfevorsatz in Frage stellende Bedeutung zu.
34
3. Indes hält die konkurrenzrechtliche Bewertung der Taten durch das Oberlandesgericht nicht in allen Fällen der rechtlichen Überprüfung stand.
35
Die Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses richtet sich nach dem Tatbeitrag des jeweiligen Beteiligten (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2001 - 3 StR 52/01, StV 2002, 73). Von diesem Ausgangspunkt her hat das Oberlandesgericht mit Blick auf die Ventile der Gruppen A und C bezüglich des Angeklagten G. K. zutreffend jeweils nur eine Tat angenommen, da der Schwerpunkt seiner Tatbeteiligung in der Finanzierung der Geschäfte gelegen habe. Ein auf die einzelnen Lieferungen bezogener Tatbeitrag sei nicht feststellbar gewesen. Dies gilt jedoch auch für die durch das indische Unternehmen vorgenommenen Lieferungen der Ventile der Gruppe B. Die allein festgestellte Beauftragung der Herstellung dieser Ventile durch unter anderem den Angeklagten G. K. stellt keinen individuellen konkreten Tatbeitrag zu den einzelnen Liefervorgängen dar.
36
Entsprechendes gilt für den Angeklagten K. K. . Auch ihn betreffend hat das Oberlandesgericht lediglich auf die Gesamtgeschäfte bezogene Handlungen festgestellt. Einzige Ausnahme ist insofern die Lieferung der MIT. GmbH vom 29. Oktober 2010, vor deren Freigabe der Angeklagte eine Prüfung der Ventile vornahm. Soweit ihm auch für die weiteren Lieferungen der Ventile der Gruppe C vom 18. Januar und vom 28. März 2011 eine entsprechende Aufgabe zukam, hat das Oberlandesgericht nicht festgestellt, dass er dieser auch nachkam.
37
Der Senat ändert - da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind - den Schuldspruch bezüglich der Angeklagten G. und K. K. entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich die Angeklagten nicht anders als geschehen hätten verteidigen können. Bei der Fassung des Schuldspruchs hat der Senat zur Wahrung der Übersichtlichkeit den Zusatz vorsätzlicher und unerlaubter Tatbegehung entfallen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juli 2014 - 3 StR 314/13, juris Rn. 35, insoweit in NStZ 2014, 586 nicht abgedruckt) und auf eine Kennzeichnung der gleichartigen Tateinheit verzichtet (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 1996 - 4 StR 166/96, NStZ 1996, 493, 494). Darüber hinaus hat er - insoweit auch bezüglich des Angeklagten M. - die Formulierung an die Neufassung der Strafvorschriften des AWG angepasst.
38
4. Die Änderung des Schuldspruchs führt zum Wegfall folgender Einzelstrafen :
39
a) Bei dem Angeklagten K. K.
- betreffend die Ventile der Gruppe C die Einzelstrafen für die Lieferungen vom 18. Januar und 28. März 2011 (jeweils Freiheitsstrafen von einem Jahr und neun Monaten). Die Einzelstrafe für die Beihilfe zur gewerbsmäßigen Ausfuhr von Gütern ohne Genehmigung trotz Unterrichtung über deren Verwendung am 29. Oktober 2010 (ein Jahr Freiheitsstrafe) bleibt hingegen bestehen ;
- betreffend die Ventile der Gruppe A die Einzelstrafen für die Lieferungen vom 5. Dezember 2010 (Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten ) und vom 21. März 2011 (Freiheitsstrafe von zwei Jahren);
- betreffend die Ventile der Gruppe B die Einzelstrafen für die Lieferungen vom 31. August 2010 (Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten), vom 27. Januar 2011 (Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten) und vom 20. April 2011 (Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten).
40
b) Bei dem Angeklagten G. K.
- betreffend die Ventile der Gruppe B die Einzelstrafen für die Lieferungen vom 31. August 2010 (Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten), vom 27. Januar 2011 (Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten) und vom 20. April 2011 (Freiheitsstrafe von drei Jahren).
41
Die Einzelstrafen für seine Tatbeiträge zu den Lieferungen der Ventile der Gruppen A und C (jeweils Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten ) bleiben hingegen bestehen.
42
c) Einer Zurückverweisung an den Tatrichter zur neuerlichen Strafbemessung bedarf es gleichwohl nicht. Da die Strafzumessungserwägungen des angefochtenen Urteils keinen Rechtsfehler erkennen lassen, setzt der Senat gemäß § 354 Abs. 1 StPO jeweils die - die einzelnen Ventilgruppen betreffende - höchste verhängte Strafe als Einzelstrafe fest. Da sich der Unrechtsgehalt durch die tateinheitliche Verknüpfung der einzelnen Lieferungen insgesamt erhöht hat, kann der Senat ausschließen, dass die neu festzusetzenden Einzelstrafen geringer ausgefallen wären. Demnach hat der Angeklagte K. K. Einzelstrafen von zwei Jahren und drei Monaten (Ventile der Gruppe B), zwei Jahren (Ventile der Gruppe A), einem Jahr und neun Monaten (Ventile der Gruppe C) sowie einem Jahr (Beihilfe zur gewerbsmäßigen Ausfuhr von Gütern ohne Genehmigung trotz Unterrichtung über deren Verwendung am 29. Oktober 2010) verwirkt, der Angeklagte G. K. Freiheitsstrafen von drei Jahren (Ventile der Gruppe B) sowie zweimal zwei Jahren und sechs Monaten (Ventile der Gruppen A und C).
43
Angesichts des trotz der abweichenden konkurrenzrechtlichen Bewertung hier insgesamt unveränderten Schuldumfangs und des vom Oberlandesgericht vorgenommenen äußerst straffen Zusammenzugs der Einzelstrafen schließt der Senat weiterhin aus, dass es trotz des Wegfalls der Einzelstrafen ausgehend von den Einsatzstrafen von drei Jahren beim Angeklagten G. K. und zwei Jahren und drei Monaten beim Angeklagten K. K. niedrigere Gesamtstrafen verhängt hätte.
44
5. Der zum Nachteil des Angeklagten G. K. angeordnete Wertersatzverfallbetrag bedarf der Korrektur.
45
Unter nicht zu beanstandender Würdigung eines aufgefundenen Schriftstückes hat das Oberlandesgericht festgestellt, dass der gesondert verfolgte T. auf einen Schuldenstand in Höhe von 600.000 € dem Angeklagten G. K. 300.000 € bezahlt habe. Hiervon ausgehend hat das Oberlandesgericht unter Vornahme eines Sicherheitsabschlags in Höhe von 50.000 € auf den Verfall von Wertersatz in Höhe von 250.000 € erkannt.
46
Dabei hat es indes nicht belegt, dass der AngeklagteG. K. die gesamten 250.000 € für die Tat oder aus ihr erlangt hat (§ 73 Abs. 1 Satz 1 StGB). Getragen wird dies von den Urteilsgründen nur in Höhe von 159.225,42 €, die als Gegenleistung für Ventillieferungen geflossen waren, wo- bei hiervon 19.766,29 € nicht ausschließbar auf die zweite Lieferung der Ventile der Gruppe B entfielen, hinsichtlich derer das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist. Bezüglich des Differenzbetrags zwischen 159.225,42 € und 250.000 € ist demgegenüber möglich, dass es sich dabei um die dem Verfall nicht unterliegende Teilrückzahlung des T. zur Verfügung gestellten Darlehens über 109.300 € zur Finanzierung der vom Angeklagten M. gefertigten Ventile ging.
47
Da weitere Feststellungen zum Hintergrund einzelner Geldflüsse nicht zu erwarten sind, setzt der Senat den Wertersatzverfallsbetrag in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO auf den rechtsfehlerfrei festgestellten Be- trag in Höhe von 139.459,13 € (159.225,42 € - 19.766,29 €) fest.
48
VI. Der geringfügige Erfolg der Rechtsmittel der Angeklagten K. lässt es nicht unbillig erscheinen, diese Angeklagten - wie auch den Angeklagten M. - insgesamt mit den Kosten ihrer Rechtsmittel zu belasten.
Becker Pfister Schäfer Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 236/15
vom
15. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:151215U1STR236.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. Dezember 2015, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf als Vorsitzender,
die Richterin am Bundesgerichtshof Cirener und die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Radtke, Prof. Dr. Mosbacher, Dr. Bär,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt aus Hamburg als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 26. Februar 2015 wird verworfen.
2. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Gewährung einer Entschädigung des Angeklagten für in dieser Sache erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen wird als unbegründet verworfen.
3. Die Staatskasse hat die Kosten der Rechtsmittel und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, jeweils als Bandenmitglied handelnd, freigesprochen. Dagegen wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, die - gestützt auf eine Verfahrensrüge sowie die Rüge der Verletzung materiellen Rechts - in erster Linie die Beweiswürdigung der Strafkammer angreift. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


2
Die Anklage hatte dem Angeklagten vorgeworfen, er habe im Zeitraum von Jahresende 2011 bis zum 4. Juli 2013 in sechs Fällen Betäubungsmittel verkauft, indem er MDMA, Kokain, Amphetamin, Heroin und Cannabis aus den Niederlanden nach Deutschland einführte und dann mittels Paketpost dem Zeugen F. übersandte, welcher im Gegenzug ebenfalls per Paketpost den Kaufpreis in Banknoten an DHL-Paketstationen in E. und K. geschickt habe, wo diese dann vom Angeklagten oder dessen Beauftragten abgeholt worden seien. Die hierzu erforderliche Kommunikation sei entweder über eine Internetplattform oder den Kommunikationsdienst WhatsApp geführt worden. Bei den vom Angeklagten gelieferten Betäubungsmitteln habe es sich um insgesamt 6 kg MDMA mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 10 % MDMA-Base, 5 kg Haschisch mit einer Gesamtwirkstoffmenge von mindestens 150 g THC, 850 g Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 50 % Cocainhydrochlorid , 300 g Heroin mit einem Wirkstoffgehalt von 10 % Heroinhydrochlorid sowie 8 kg Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 15 % Amphetaminbase gehandelt. Des Weiteren habe der Angeklagte noch weitere Betäubungsmittel im Bereich von mehreren Kilogramm an unterschiedliche Abnehmer verkauft, wobei Bestellungen und Lieferungen jeweils über den Zeugen F. erfolgt seien.

II.


3
Das Landgericht hat sich nicht von der Täterschaft des Angeklagten hinsichtlich der ihm vorgeworfenen Straftaten zu überzeugen vermocht und ihn daher aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Zu den ihm zur Last gelegten Taten hat es folgende Feststellungen getroffen:
4
Der anderweitig verfolgte deutsche Staatsangehörige F. betrieb seit 2011 über die Internetplattform "Silkroad" unter dem Account "Pfandleiher" und später unter dem Account "Pfandleiher reloaded" einen zunehmend florierenden Handel mit Betäubungsmitteln. Auf seine Veranlassung hin ließ sich seine Lebensgefährtin D. im April 2012 bei der Firma DHL als Kundin registrieren und eine DHL-Kundenkarte zuteilen. Mit dieser Karte sowie einer - im Einzelfall vom Transportunternehmen DHL auf ein Mobiltelefon des Kunden per SMS übermittelten - Transaktionsnummer (TAN) ist es möglich , Paketsendungen an beliebige Paketstationen / Packstationen im Bundesgebiet zu versenden bzw. von dort abzuholen. Die genannte Karte überließ D. in der Folge ihrem Lebensgefährten F. . Auf dessen Veranlassung hin teilte sie die in der Folge wiederholt eingegangenen TAN über WhatsApp an niederländische Mobilfunknummern mit, deren Anschlussinhaber nicht näher bekannt sind. F. verfügte zudem über eine eigene DHL-Kundenkarte.
5
Am 9. Januar 2013 wurde von den Ermittlungsbehörden in E. ein Paket mit etwa 7 kg Amphetamin mit einer Wirkstoffmenge von 1.075 g Amphetaminbase sichergestellt. Dieses Paket war an F. , Packstation Fr. , adressiert. Da die Kundennummer des Empfängers nicht - wie zwingend erforderlich - angegeben war, ging das Paket an den angeblichen Absender S. in E. zurück, der jedoch von nichts wusste und sich schließlich an die Polizei wandte.
6
Am 4. März 2013 wurde eine an D. adressierte Paketsendung , Absender unbekannt, an der Packstation in E. von drei nicht näher bekannten Personen abgeholt. Die Personen benutzten den auf den Angeklagten zugelassenen PKW Audi A5 mit dem niederländischen Kennzeichen , mit dem sie das Paket anschließend in die Niederlande verbrachten. Den genannten PKW hatte der Angeklagte im September 2012 vom anderweitig verfolgten W. erworben, wobei offen ist, ob dies in einem Zusammenhang mit Betäubungsmittelgeschäften stand.
7
Noch im März 2013 wurde ein weiteres - an D. adressiertes - Paket unbekannten Inhalts von nicht näher bekannten Personen von der Packstation in E. abgeholt.
8
Am 4. April 2014 wurde ein Paket des anderweitig verfolgten Absenders W. von den Ermittlungsbehörden in E. im Rahmen einer durchgeführten Postbeschlagnahme sichergestellt. In dem Paket, das ebenfalls an D. , Packstation in E. , adressiert war, befanden sich 100.500 EUR in bar.
9
Am 11. April 2013 wurde ein weiteres an D. , Packstation in E. , adressiertes Paket des W. von den Ermittlungsbehörden angehalten. In dem Paket befanden sich 60.000 EUR in bar. Das Paket wurde schließlich wieder verschlossen in die Packstation eingelegt, die in der Folge überwacht wurde. Noch am gleichen Tag wurde das Paket von einer männlichen Person aus der Packstation entnommen und zu einem PKW Toyota mit niederländischem Kennzeichen gebracht. Der Abholer fuhr daraufhin mit seinem Fahrzeug eine Schleife und begab sich zu einem Parkplatz, an dem ein Geländewagen KIA Sportage mit ebenfalls niederländischem Kennzeichen stand. Dort übergab der Fahrer des Toyota an die beiden Insassen des KIA das Paket. Sodann fuhren beide Fahrzeuge nach A. (NL), wo sie zwei Adressen ansteuerten, die in keinem ersichtlichen Zusammenhang zum Angeklagten stehen.
10
Am 9. Mai 2013 wurde durch polizeiliche Observationsmaßnahmen festgestellt , dass sich der anderweitig verfolgte L. , der in Begleitung einer weiblichen Person war, auf dem Bahnhofsvorplatz in E. mit den nicht näher bekannten Insassen des auf den Angeklagten zugelassenen PKW Audi A5 traf. Bei einer später durchgeführten Fahrzeugkontrolle bei L. wurde ein leeres Paket aufgefunden, das an L. adressiert war und als Absender den Namen der Mutter des anderweitig verfolgten W. nannte.
11
Am 23. Mai 2013 wurde ein weiteres Paket mit 10 kg Amphetamin mit einer Wirkstoffmenge von 2.014,8 g Amphetaminbase durch die Ermittlungsbehörden angehalten. Das Paket war von (einer) nicht näher bekannten Person (en) in der Nähe der niederländischen Grenze aufgegeben worden. Es war an D. , Packstation in B. , adressiert. Das Paket wurde durch Falschware befüllt und wieder verschlossen der Packstation in B. zugeführt, die in der Folge polizeilich observiert wurde. Am 24. Mai 2013 öffneten die anderweitig verfolgten T. und X. mit Hilfe der DHL-Kundenkarte der D. und der TAN-Nummer die Packstation, entnahmen das Paket und verstauten dieses im Kofferraum ihres PKWs. Die beiden Personen wurden daraufhin festgenommen. Das Fahrzeug des X. war auf die Lebensgefährtin des H. zugelassen, bei der es sich um die Cousine des X. handeln soll. Zu den möglichen Hinterleuten des X. und des T. bestehen keine näheren Erkenntnisse.

12
Das Landgericht vermochte hinsichtlich der festgestellten Sachverhalte sowie der im Tatumfang darüber hinausgehenden Anklagevorwürfe sich nicht davon zu überzeugen, dass der Angeklagte in konkret feststellbaren Fällen in einen Betäubungsmittelhandel involviert war. Die Kammer sah sich auch im Übrigen nicht in der Lage, zu den Anklagevorwürfen weitere Feststellungen objektiver Art zu treffen, aus welchen sich eine unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln durch den Angeklagten nach Deutschland oder seine Täterschaft oder Beteiligung in Bezug auf unerlaubte Betäubungsmittelgeschäfte innerhalb Deutschlands ergab.

III.


13
Die Verfahrensrüge, mit der die Staatsanwaltschaft die mangelhafte Ablehnung eines Beweisantrags rügt, dringt nicht durch. Sie ist nicht in einer § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechenden Weise ausgeführt.
14
1. Folgendes Verfahrensgeschehen liegt dem zugrunde:
15
In der Sitzung vom 26. Februar 2015 hatte die Staatsanwaltschaft den Antrag gestellt, den Vorsitzenden der Strafkammer zu hören, vor welcher das Strafverfahren gegen den Zeugen F. durchgeführt wurde, zum Beweis der Tatsache, dass der Zeuge in seinem Strafverfahren Käufe von Betäubungsmitteln beim Angeklagten eingeräumt habe. Diesen Beweisantrag hat das Landgericht als für die Entscheidung ohne Bedeutung abgelehnt und sich darauf gestützt, dass aus der unter Beweis gestellten Tatsache mehrere Schlüsse gezogen werden könnten und die Strafkammer nach dem Ergebnis der bislang durchgeführten Beweiserhebungen nicht gewillt sei, den Schluss zu ziehen, der Angeklagte habe dem Zeugen Betäubungsmittel verkauft.
16
2. Unter den maßgeblichen Umständen des konkreten Einzelfalles ist die erhobene Rüge nicht in einer § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise ausgeführt, weil bei der Begründung der Verfahrensrüge in Bezug genommene Aktenstellen nicht mitgeteilt werden, so dass der Senat allein unter Heranziehung der Revisionsschrift und ohne Rückgriff auf die Akten nicht prüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (vgl. Senat, Beschlüsse vom 8. Januar 2013 - 1 StR 602/12, NStZ 2013, 672 und vom 11. März 2014 - 1 StR 711/13, NStZ 2014, 532 f. jeweils mwN).

IV.


17
Der angefochtene Freispruch hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung noch stand.
18
1. Die Beweiswürdigung ist dem Tatgericht vorbehalten (§ 261 StPO). Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies vom Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, da die Beweiswürdigung Sache des Tatgerichts ist. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt nur, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Ur- teil vom 10. Dezember 2014 - 5 StR 136/14 mwN). Dabei hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2013 - 4 StR 371/13, NStZ-RR 2014, 87; Sander in LR-StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 182 mwN).
19
Daran gemessen ist die Beweiswürdigung nicht durchgreifend rechtsfehlerhaft. Entgegen der Ansicht der der Revision beigetretenen Generalstaatsanwaltschaft in München hat das Landgericht die erforderliche Gesamtwürdigung der be- und entlastenden Umstände in den tatgegenständlichen Fällen vorgenommen und sich mit den erhobenen Beweisergebnissen auseinandergesetzt. Die Schlussfolgerungen und Wertungen des Landgerichts entsprechen den möglichen Feststellungen, lassen insoweit keine Rechtsfehler erkennen und halten sich im tatgerichtlichen Beurteilungsspielraum.
20
Soweit die Revision eine detaillierte Darstellung der den Angeklagten belastenden Aussage des Zeugen F. vermisst, ist dies noch hinreichend durch die Bezugnahme auf den im Urteil wiedergegebenen und auf dessen Aussage beruhenden Anklagesatz gewährleistet. Hinzu kommt, dass die polizeiliche Aussage des Zeugen F. ebenso wie dessen Einlassung in seinem eigenen Strafverfahren schon deshalb durch die Strafkammer einer kritischen Würdigung unterzogen werden musste, weil er im vorliegenden Strafverfahren gegen den Angeklagten gemäß § 55 StPO die Auskunft auch im Hinblick auf eine falsche Verdächtigung durch seine vorangegangenen Aussagen verweigert hatte (UA S. 9).
21
2. Im Übrigen hat das Landgericht bei der durchgeführten Gesamtwürdigung ohne ersichtlichen Rechtsfehler neben der Wertung der Widersprüche zwischen Angaben der Zeugen F. und W. , welcher zudem im Ermittlungsverfahren ein weitreichendes Geständnis abgelegt und als seinen Betäubungsmittellieferanten einen gewissen G. angegeben hatte, eingestellt, dass der Zeuge F. in seiner eigenen Hauptverhandlung ein Interesse haben konnte, mit dem Angeklagten einen falschen Hintermann bzw. Drogenlieferanten zu nennen; außerdem hatten auch die beiden Observationen des PKWs Audi A5 des Angeklagten (UA S. 13) keinerlei belastenden Hinweise ergeben. Schließlich gab es auch keine Hinweise darauf, dass die über den InternetNachrichtendienst WhatsApp ausgetauschten Nachrichten tatsächlich vom Angeklagten herrührten (UA S. 11).

V.


22
Die sofortige Beschwerde gegen die Gewährung einer Entschädigung gemäß § 2 Abs. 1 und Abs. 3 StrEG ist zu verwerfen, da Ausschluss- oder Versagungsgründe gemäß §§ 5, 6 StrEG entsprechend den Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung nicht vorliegen. Graf Cirener Radtke Mosbacher Bär

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden,

1.
wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind;
2.
wenn die Verlesung lediglich der Bestätigung eines Geständnisses des Angeklagten dient und der Angeklagte, der keinen Verteidiger hat, sowie der Staatsanwalt der Verlesung zustimmen;
3.
wenn der Zeuge, Sachverständige oder Mitbeschuldigte verstorben ist oder aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann;
4.
soweit das Protokoll oder die Urkunde das Vorliegen oder die Höhe eines Vermögensschadens betrifft.

(2) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten darf durch die Verlesung des Protokolls über seine frühere richterliche Vernehmung auch ersetzt werden, wenn

1.
dem Erscheinen des Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen;
2.
dem Zeugen oder Sachverständigen das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann;
3.
der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte mit der Verlesung einverstanden sind.

(3) Soll die Verlesung anderen Zwecken als unmittelbar der Urteilsfindung, insbesondere zur Vorbereitung der Entscheidung darüber dienen, ob die Ladung und Vernehmung einer Person erfolgen sollen, so dürfen Protokolle und Urkunden auch sonst verlesen werden.

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 beschließt das Gericht, ob die Verlesung angeordnet wird. Der Grund der Verlesung wird bekanntgegeben. Wird das Protokoll über eine richterliche Vernehmung verlesen, so wird festgestellt, ob der Vernommene vereidigt worden ist. Die Vereidigung wird nachgeholt, wenn sie dem Gericht notwendig erscheint und noch ausführbar ist.

(1) Verlesen werden können

1.
die ein Zeugnis oder ein Gutachten enthaltenden Erklärungen
a)
öffentlicher Behörden,
b)
der Sachverständigen, die für die Erstellung von Gutachten der betreffenden Art allgemein vereidigt sind, sowie
c)
der Ärzte eines gerichtsärztlichen Dienstes mit Ausschluss von Leumundszeugnissen,
2.
unabhängig vom Tatvorwurf ärztliche Atteste über Körperverletzungen,
3.
ärztliche Berichte zur Entnahme von Blutproben,
4.
Gutachten über die Auswertung eines Fahrtschreibers, die Bestimmung der Blutgruppe oder des Blutalkoholgehalts einschließlich seiner Rückrechnung,
5.
Protokolle sowie in einer Urkunde enthaltene Erklärungen der Strafverfolgungsbehörden über Ermittlungshandlungen, soweit diese nicht eine Vernehmung zum Gegenstand haben und
6.
Übertragungsnachweise und Vermerke nach § 32e Absatz 3.

(2) Ist das Gutachten einer kollegialen Fachbehörde eingeholt worden, so kann das Gericht die Behörde ersuchen, eines ihrer Mitglieder mit der Vertretung des Gutachtens in der Hauptverhandlung zu beauftragen und dem Gericht zu bezeichnen.

(1) Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und die Aufnahme des Beweises erfolgt durch den Vorsitzenden.

(2) Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person als unzulässig beanstandet, so entscheidet das Gericht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 315/11
vom
25. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 25. Oktober 2011 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der auswärtigen großen Strafkammer des Landgerichts Kleve in Moers vom 6. April 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung in zwei Fällen, wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung und Bedrohung sowie wegen Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
2
I. Die Revision beanstandet zu Recht, das Landgericht habe seiner Entscheidung unter Verstoß gegen § 250 StPO Erkenntnisse zugrunde gelegt, die nicht durch Verlesung in die Hauptverhandlung hätten eingeführt werden dürfen.
3
1. Der Rüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
4
Das Landgericht vernahm im Verlauf der eintägigen Hauptverhandlung die Nebenklägerin zu den Tatvorwürfen. Während dieser Vernehmung wurde auf Anordnung des Vorsitzenden in Auszügen ein Bericht über die psychotraumatologische und allgemeinpsychiatrische Behandlung der Nebenklägerin verlesen , der von Ärzten eines Krankenhauses in der Trägerschaft einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung erstellt worden war. Die Verlesung wurde von keinem Verfahrensbeteiligten als unzulässig beanstandet. Ein Gerichtsbeschluss über die Verlesung erging nicht. In den Urteilsgründen zog das Landgericht den Bericht als Beleg für die Folgen der Taten und für die Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin heran, die in wesentlichen Teilen in Widerspruch zu denen des überwiegend nicht geständigen Angeklagten standen. Es führte aus, der Umstand, dass die Nebenklägerin von Vergewaltigungen des Angeklagten nicht sogleich berichtet habe, sei auf ihre erhebliche Traumatisierung zurückzuführen, die durch den mittels Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführten Bericht bestätigt worden sei.
5
2. Dies beanstandet die Revision zu Recht.
6
a) Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts ist die Rüge zulässig erhoben. Es bedurfte keines Vortrags, dass in der Hauptverhandlung gegen die Anordnung des Vorsitzenden, den Bericht zu verlesen, durch den Angeklagten oder seinen Verteidiger gemäß § 238 Abs. 2 StPO auf Entscheidung der gesamten Kammer angetragen worden sei; denn ein entsprechender Antrag ist nicht Voraussetzung dafür, dass der Verstoß gegen § 250 StPO mit der Revision zulässig geltend gemacht werden kann.
7
Dem Protokoll der Hauptverhandlung lässt sich nicht entnehmen, auf welcher rechtlichen Grundlage der Bericht "auszugsweise" verlesen wurde. Es erscheint bereits fraglich, ob ein (verteidigter) Angeklagter in einem Fall, in dem hierfür mehrere Verfahrensvorschriften in Betracht kommen, überhaupt verpflichtet sein kann zu prüfen, auf welche Norm der Vorsitzende sich gestützt haben könnte, und ihm, wenn insoweit (auch) eine Vorschrift in Betracht kommt, deren fehlerhafte Anwendung nur nach Anrufung des Gerichts nach § 238 Abs. 2 StPO mit der Revision gerügt werden kann, obliegt, vorsorglich diesen Zwischenrechtsbehelf zu erheben. Doch kann dies dahinstehen; denn die Verletzung beider Bestimmungen, auf die sich der Vorsitzende hier gestützt haben könnte, kann auch ohne Vorgehen nach § 238 Abs. 2 StPO mit der Revision zulässig beanstandet werden. Im Einzelnen:
8
aa) Sollte der Vorsitzende - wofür allerdings nichts ersichtlich ist und was angesichts der Umstände eher fernliegt - § 251 Abs. 1 StPO herangezogen haben, so bedurfte seine Anordnung schon wegen der mit ihr verbundenen Kompetenzüberschreitung keiner Beanstandung nach § 238 Abs. 2 StPO.
9
(1) Gemäß § 251 Abs. 4 Satz 1 StPO obliegt es nicht dem Vorsitzenden, sondern dem gesamten Spruchkörper, über die Verlesung nach § 251 Abs. 1 StPO zu beschließen. Bedarf aber eine Maßnahme in der Hauptverhandlung von vornherein eines Gerichtsbeschlusses, so ist schon der Anwendungsbereich des § 238 Abs. 1 StPO nicht eröffnet und es besteht demgemäß kein Anlass für ein Verfahren nach § 238 Abs. 2 StPO. Dieses kann damit auch nicht Voraussetzung einer zulässigen Rüge im Revisionsverfahren sein (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 1953 - 5 StR 245/53, BGHSt 4, 364, 366; Beschluss vom 20. Juli 2011 - 3 StR 44/11, NStZ 2011, 647). Einen Verstoß gegen § 250 StPO wegen einer kompetenzwidrigen Anordnung des Vorsitzenden auf der Grundla- ge des § 251 Abs. 1 StPO konnte der Angeklagte daher mit der Revision auch dann geltend machen, wenn er diese Verfahrensweise in der Hauptverhandlung nicht gemäß § 238 Abs. 2 StPO beanstandet hatte (BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 - 4 StR 657/98, NJW 1999, 1724, 1725, insoweit nicht abgedruckt in BGHSt 44, 361 ff.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 25. September 1979 - 5 StR 531/79; Beschluss vom 26. Februar 1988 - 4 StR 51/88, NStZ 1988, 283; Beschluss vom 14. März 2000 - 4 StR 3/00, BGHR StPO § 251 Abs. 4 Gerichtsbeschluss 4).
10
(2) Dies gilt auch dann, wenn der Rechtsprechung des 1. Strafsenats zuzustimmen wäre, wonach die Verletzung eines Rechts, auf das der Angeklagte nach seinem Belieben verzichten kann, mit der Revision nur rügbar ist, wenn der Angeklagte zuvor nach § 238 Abs. 2 StPO auf eine Entscheidung des gesamten Spruchkörpers angetragen hat (BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 StR 422/10, NStZ 2011, 300, 301). Zwar folgt aus § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO, dass der Angeklagte unter den dort näher bestimmten Umständen auf die Einhaltung des Grundsatzes der persönlichen Vernehmung nach § 250 StPO verzichten kann. § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO lässt aber einen Verzicht des Angeklagten (und seines Verteidigers) nicht genügen, sondern fordert ausdrücklich das Einverständnis der Staatsanwaltschaft und eine durch Beschlussfassung dokumentierte Ermessensentscheidung des gesamten Spruchkörpers zugunsten der Verlesung. Steht die Abweichung von einem Prozessgrundsatz unter solchen qualifizierten Voraussetzungen, so gibt das Gesetz damit zu erkennen , dass von seiner Einhaltung nicht formlos durch allseitiges Schweigen auf eine Anordnung des Vorsitzenden abgesehen werden kann. Entsprechend greifen die Erwägungen des 1. Strafsenats in dieser Konstellation nicht, ohne dass der Senat entscheiden müsste, ob er sich dem vom 1. Strafsenat vertretenen Ansatz als solchem anzuschließen vermöchte.
11
bb) Aber auch dann, wenn sich der Vorsitzende - was näher liegt - für die teilweise Verlesung des Berichts auf § 256 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a oder Nr. 2 StPO gestützt haben sollte, könnte der Angeklagte mit seiner Revision zulässig geltend machen, dass die Voraussetzungen dieser Bestimmungen für die Verlesung des Berichts nicht vorgelegen haben, obwohl er dies in der Hauptverhandlung nicht durch Anrufung des Gerichts nach § 238 Abs. 2 StPO beanstandet hat (im Ergebnis ebenso BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 - 4 StR 657/98, NJW 1999, 1724, 1725, insoweit nicht abgedruckt in BGHSt 44, 361 ff.).
12
Zwar trifft die Anordnung über die Verlesung eines Schriftstücks nach § 256 Abs. 1 StPO der Vorsitzende im Rahmen seiner Sachleitungsbefugnis nach § 238 Abs. 1 StPO (Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 256 Rn. 29). Soweit er hierbei über die Zulässigkeit der Verlesung befindet, hat er indes nach den bindenden Vorgaben des § 256 Abs. 1 StPO die gegebenen Verfahrenstatsachen unter die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm zu subsumieren. Es handelt sich insoweit mithin um die Anwendung zwingenden Rechts. Die Verletzung zwingenden Rechts oder das Unterlassen unverzichtbarer Maßnahmen durch den Vorsitzenden kann ein Revisionsführer nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber auch dann rügen, wenn er in der tatrichterlichen Hauptverhandlung nicht nach § 238 Abs. 2 StPO vorgegangen ist (BGH, Urteil vom 7. März 1996 - 4 StR 737/95, BGHSt 42, 73, 77 f.; Beschluss vom 9. März 2010 - 4 StR 606/09, BGHSt 55, 65, 69; s. etwa auch BGH, Urteil vom 11. November 2009 - 5 StR 530/08, BGHSt 54, 184, 185; Beschluss vom 27. April 2010 - 5 StR 460/08, StV 2010, 562; Beschluss vom 18. Januar 2011 - 3 StR 504/10, NStZ-RR 2011, 151). Es liegt somit keine Fallgestaltung vor, in der die Rechtsprechung die Erhebung eines Zwischenrechtsbehelfs nach § 238 Abs. 2 StPO deshalb als Zulässigkeitsvoraussetzung einer späteren entspre- chenden Revisionsrüge erachtet, weil dem Vorsitzenden bei der Bewertung der tatbestandlichen Voraussetzungen seiner prozessleitenden Anordnung ein Beurteilungsspielraum oder auf der Rechtsfolgenseite Ermessen zusteht, und die rechtsmittelbefugten anderen Prozessbeteiligten durch die Nichtbeanstandung der Maßnahme zu erkennen gegeben haben, dass sie den dem Vorsitzenden zustehenden Entscheidungsspielraum durch seine Anordnung nicht in unzulässiger Weise als überschritten ansehen (BGH, Urteil vom 16. November 2006 - 3 StR 139/06, BGHSt 51, 144, 148; Beschluss vom 27. April 2010 - 1 StR 155/10; noch offen BGH, Urteil vom 27. Oktober 2005 - 4 StR 235/05, BGHR StPO § 55 Abs. 1 Verfolgung 7; vgl. auch BGH, Beschluss vom 9. März 2010 - 4 StR 606/09, BGHSt 55, 65, 69: "Bewertung der tatsächlichen Grundlagen" eines Verlöbnisses im Hinblick auf § 52 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 StPO). Die Revision macht nicht geltend, der Vorsitzende habe das ihm durch § 256 Abs. 1 StPO eingeräumte Ermessen ("Verlesen werden können …") in unzulässiger Weise ausgeübt, sondern vielmehr, dass er die zwingenden tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Verlesung nach dieser Vorschrift verkannt habe.
13
Hinzu kommt hier folgendes: Wird gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 2 StPO ein ärztliches Attest verlesen, so wird sich regelmäßig erst in der Urteilsberatung ergeben, ob das Gericht das Schriftstück allein zum Nachweis einer Körperverletzung , die nicht zu den schweren gehört, heranzieht oder - unter Überschreitung der durch die Bestimmung gezogenen Grenzen - unzulässig als Beleg für darüber hinausgehende Umstände verwertet. Für den Angeklagten wird ein solcher Rechtsfehler erst aus den schriftlichen Urteilsgründen ersichtlich, mithin zu einem Zeitpunkt, zu dem er von dem Zwischenrechtsbehelf des § 238 Abs. 2 StPO keinen Gebrauch mehr machen kann. Dieser kann daher schwerlich Zulässigkeitsvoraussetzung einer Rüge der Verletzung des § 250 StPO sein (vgl.
BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2008 - 3 StR 429/08, BGHR StPO § 59 Abs. 1 Rügevoraussetzungen 2; ähnlich BGH, Urteil vom 29. März 1955 - 2 StR 406/54, BGHSt 7, 281, 282 f.). Zwar lag der Sachverhalt hier ausnahmsweise anders, weil der verlesene Bericht keine Aussagen zu einer Körperverletzung enthielt, die nicht zu den schweren zählt, so dass seine Verlesung nicht auf § 256 Abs. 1 Nr. 2 StPO gestützt werden konnte. Dies rechtfertigt indes keine Relativierung obiger Überlegungen; denn im Interesse der Rechtsklarheit muss die Frage, ob die zulässige Rüge einer Verletzung von § 256 Abs. 1 Nr. 2, § 250 StPO die Erhebung des Zwischenrechtsbehelfs nach § 238 Abs. 2 StPO in der tatrichterlichen Hauptverhandlung voraussetzt, nicht nach - tatsächlich schwer abgrenzbaren - Einzelfallumständen entschieden, sondern einheitlich behandelt werden.
14
b) Die Verfahrensrüge ist auch begründet.
15
Die Vernehmung der die Nebenklägerin behandelnden Ärzte durfte nach § 250 StPO nicht durch die Verlesung ihrer schriftlichen Erklärung ersetzt werden. Einer der in § 251 StPO oder § 256 Abs. 1 StPO genannten Fälle, der die Einführung mittels Urkundenbeweises ausnahmsweise erlaubte, lag nicht vor. Insbesondere handelte es sich bei dem Bericht weder um das Zeugnis oder Gutachten einer öffentlichen Behörde noch diente er zum Nachweis einer Körperverletzung , die nicht zu den schweren gehört. Vielmehr zog ihn das Landgericht als Beleg für die Folgen insbesondere der von ihm festgestellten Vergewaltigungen und für die Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin heran.
16
Das Urteil beruht auf dem Verstoß gegen § 250 StPO. Es ist nicht auszuschließen , dass das Landgericht die Folgen der von ihm festgestellten Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und die Glaubhaftigkeit der für eine Verurteilung in allen Fällen maßgeblichen Angaben der Nebenklägerin anders ein- geschätzt hätte, wenn es sich über das Vorliegen bzw. Art und Umfang einer Traumatisierung als einem medizinischen Befund prozessordnungsgemäß durch Vernehmung der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen unterrichtet hätte.
17
II. Das Urteil ist auf die zulässige und begründete Verfahrensrüge insgesamt mit den von der Gesetzesverletzung betroffenen Feststellungen aufzuheben (§ 353 Abs. 2 StPO), ohne dass es noch auf die von der Revisionweiter vorgetragenen Beanstandungen ankäme. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
18
Ob deutsches Strafrecht nach den §§ 3 ff. StGB Anwendung findet, ist nach dem gegenwärtigen Stand des Verfahrens offen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Nebenklägerin - wie für eine Eröffnung der deutschen Strafgewalt nach § 7 Abs. 1 StGB erforderlich - deutsche Staatsangehörige ist. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB, dem das Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege zugrunde liegt (BGH, Urteil vom 7. Februar 1995 - 1 StR 681/94, NJW 1995, 1844, 1845), ist bisher nicht hinreichend geklärt. Zum einen fehlen Erkenntnisse dazu, der Angeklagte werde, obwohl die Tat auslieferungsfähig sei, nicht ausgeliefert, weil ein Auslieferungsersuchen innerhalb angemessener Frist nicht gestellt oder abgelehnt oder die Auslieferung nicht ausführbar sei. Zum anderen ist unklar, ob die vom Angeklagten begangenen Taten in der Türkei mit Strafe bedroht sind, wobei der Senat dazu neigt, trotz des für alle Varianten des § 7 StGB einheitlichen Bezugs auf eine "am Tatort mit Strafe" bedrohte Tat im Falle des § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB die Zuständigkeit der deutschen Strafgerichte davon abhängig zu machen, dass die Tat am Tatort nicht nur strafbar, sondern auch verfolgbar ist (offen BGH, Beschluss vom 24. Juni 1992 - StB 8/92, BGHR StGB § 7 Abs. 2 Strafbarkeit 1; Beschluss vom 31. März 1993 - StB 4/93, BGHR StGB § 7 Abs. 2 Strafbarkeit 2; Beschluss vom 8. März 2000 - 3 StR 437/99, BGHR StGB § 7 Abs. 2 Strafbarkeit

4).


19
Sollte das Landgericht sich von der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts nicht überzeugen können, wird das Verfahren in den Fällen II. 2. a) und II. 2. b) wegen eines von Amts wegen zu beachtenden Verfahrenshindernisses im Sinne des § 260 Abs. 3 StPO einzustellen sein (BGH, Urteil vom 22. Januar 1986 - 3 StR 472/85, BGHSt 34, 1, 3; Urteil vom 7. Februar 1995 - 1 StR 681/94, NJW 1995, 1844, 1845).
Becker Hubert Schäfer Mayer Menges

(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden,

1.
wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind;
2.
wenn die Verlesung lediglich der Bestätigung eines Geständnisses des Angeklagten dient und der Angeklagte, der keinen Verteidiger hat, sowie der Staatsanwalt der Verlesung zustimmen;
3.
wenn der Zeuge, Sachverständige oder Mitbeschuldigte verstorben ist oder aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann;
4.
soweit das Protokoll oder die Urkunde das Vorliegen oder die Höhe eines Vermögensschadens betrifft.

(2) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten darf durch die Verlesung des Protokolls über seine frühere richterliche Vernehmung auch ersetzt werden, wenn

1.
dem Erscheinen des Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen;
2.
dem Zeugen oder Sachverständigen das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann;
3.
der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte mit der Verlesung einverstanden sind.

(3) Soll die Verlesung anderen Zwecken als unmittelbar der Urteilsfindung, insbesondere zur Vorbereitung der Entscheidung darüber dienen, ob die Ladung und Vernehmung einer Person erfolgen sollen, so dürfen Protokolle und Urkunden auch sonst verlesen werden.

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 beschließt das Gericht, ob die Verlesung angeordnet wird. Der Grund der Verlesung wird bekanntgegeben. Wird das Protokoll über eine richterliche Vernehmung verlesen, so wird festgestellt, ob der Vernommene vereidigt worden ist. Die Vereidigung wird nachgeholt, wenn sie dem Gericht notwendig erscheint und noch ausführbar ist.