Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Sept. 2017 - 1 StR 268/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:210917B1STR268.17.0
bei uns veröffentlicht am21.09.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 268/17
vom
21. September 2017
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:210917B1STR268.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 21. September 2017 gemäß § 349 Abs. 2, § 354 Abs. 1a StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 25. Januar 2017 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Neben- und Adhäsionsklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zehn Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, und wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 29 weiteren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Daneben hat es eine Adhäsionsentscheidung zugunsten der Adhäsions- und Nebenklägerin getroffen und im Übrigen von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abgesehen. Die Revision des Beschwerdeführers , mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat keinen Erfolg.
2
1. Der Revisionsangriff des Beschwerdeführers gegen den Schuldspruch und den Adhäsionsausspruch hat aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ausgeführten Gründen keinen Erfolg. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat insoweit keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
2. Auch die Strafaussprüche haben Bestand.
4
a) Allerdings hat das Landgericht strafschärfend berücksichtigt, „dass der Angeklagte – trotz seines weitreichenden Geständnisses – in der Hauptverhandlung kaum eine Gelegenheit ungenutzt ließ, seine während des gesamten Prozesses in ihrer Rolle als Nebenklägerin persönlich anwesende Stieftochter als ´wahre Täterin` hinzustellen und diese, ebenso wie seine Ehefrau und seinen Stiefsohn, zum Teil übel zu diffamieren“ (UA S. 35). Dies war unter den gegebenen Umständen rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht dem Angeklagten zulässiges Verteidigungsverhalten strafschärfend angelastet hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dürfen Zeugen und Mittäter betreffende Angaben nur dann strafschärfend berücksichtigt werden, wenn sie eindeutig die Grenzen angemessener Verteidigung überschreiten und Rückschlüsse auf eine rechtsfeindliche Einstellung des Angeklagten zulassen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. März 2001 – 2 StR 21/01, NStZ 2001, 419 und vom 22. Juni 1999 – 1 StR 238/99, StV 1999, 536 mwN). Daher dürfen auch Äußerungen über ein Tatopfer nur dann strafschärfend verwertet werden, wenn in ihnen eine über das Leugnen eigener Schuld hinausgehende Ehrverletzung des Tatopfers oder eine rechtsfeindliche Gesinnung gesehen werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juli 2010 – 3 StR 219/10, NStZ 2010, 692 mwN; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 46 Rn. 53 f. mwN). Solches ist hier jedoch nicht tragfähig festgestellt.
5
Zwar ist der Angeklagte nach der Wertung des Landgerichts die Nebenklägerin während der drei Hauptverhandlungstage in einer Weise angegangen, dass sein Einlassungsverhalten nicht mehr als durch die Wahrnehmung seiner prozessual und verfassungsrechtlich verbürgten Verteidigungsrechte gerechtfertigt angesehen werden könne (UA S. 35). Diese Wertung wird jedoch von den in den Urteilsgründen hierfür als Beleg angeführten Äußerungen des Angeklagten aus seiner „Erklärung zur Adhäsionsforderung“ nicht getragen. Vielmehr dienten alle dort angeführten Äußerungen des Angeklagten seiner Verteidigung im Hinblick auf das Zustandekommen der Taten und betrafen damit unmittelbar strafzumessungsrelevante Tatsachen. Der Angeklagte hatte sich eingelassen, seine sexuellen Handlungen seien jeweils von der Nebenklägerin veranlasst gewesen; sie sei immer der aktivere Teil gewesen und habe ihn zum Teil auch erpresst (UA S. 11). Wenn sich der Angeklagte aber gegen den Vorwurf, die Tathandlungen seien jeweils von ihm ausgegangen, obwohl die Nebenklägerin ihm mehrfach gesagt habe, dass sie das nicht möchte (UA S. 14 f.), mit der Behauptung verteidigt, das seien alles „Lügengeschichten“ (UA S. 35) und er sei Opfer einer Intrige der Nebenklägerin und deren Mutter, seiner Ehefrau (UA S. 11), so verlässt dies noch nicht den Bereich zulässiger Verteidigung. Auch soweit der Angeklagte Formulierungen verwendete, wie etwa, er sei völlig fassungslos, mit welcher Gefühlskälte die Nebenklägerin sei- nen Untergang geplant habe bzw. sie habe „ihren mörderischenLügenteppich konsequent über alles ausgebreitet“ (UA S. 35),bezweckte er ersichtlich noch seine Verteidigung und verließ noch nicht eindeutig den Bereich zulässiger Verteidigung. Darüber hinausgehende diffamierende Äußerungen des Angeklagten hat das Landgericht nicht benannt. Damit hat es noch zulässiges Verteidigungsverhalten rechtsfehlerhaft strafschärfend gewertet.
6
b) Dieser Rechtsfehler erfordert indes nicht die Aufhebung der Strafaussprüche und die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht, da sowohl die Einzelstrafen als auch die vom Landgericht verhängte Gesamtfreiheitsstrafe trotz dieses Strafzumessungsfehlers angemessen sind (§ 354 Abs. 1a Satz 1 StPO).
7
aa) Ob eine Rechtsfolge als angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1a StPO angesehen werden kann, hat das Revisionsgericht auf der Grundlage der Feststellungen des angefochtenen Urteils unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte, insbesondere aller nach § 46 StGB für die Strafzumessung erheblichen Umstände zu beurteilen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. März 2005 – 3 StR 39/05, NStZ 2005, 465 und vom 3. Mai 2013 – 1 StR 66/13, NStZ-RR 2013, 307). Dies ist vorliegend auch möglich, weil alle für die Strafzumessung erforderlichen Feststellungen vom Landgericht getroffen worden sind und es daher keiner weiteren Feststellungen mehr bedarf (vgl. BGH, Beschluss vom 29. April 2014 – 4 StR 23/14). Der Senat hat der Verteidigung Gelegenheit gegeben, zu einer Vorgehensweise nach § 354 Abs. 1a StPO Stellung zu nehmen (vgl. dazu Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 354, Rn. 28a mwN). Da die Verteidigerin in ihrer Stellungnahme hierzu vom 20. September 2017 keine neuen strafzumessungsrelevanten Umstände mitgeteilt hat und solche auch auf anderem Weg nicht bekannt geworden sind, kann der Senat auf der Grundlage des vom Landgericht zutreffend ermittelten, vollständigen und aktuellen Strafzumessungssachverhalts die für die Strafzumessung relevanten Umstände und deren konkretes Gewicht selbst abwägen (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2007 – 2 BvR 1447/05, Rn. 102, BVerfGE 118, 212, 238).
8
bb) Ausgehend von diesen Maßstäben hält der Senat insbesondere im Hinblick auf die Vielzahl der von dem Angeklagten zu Lasten der Nebenklägerin , seiner Stieftochter, begangenen Taten und die bei der Nebenklägerin eingetretenen Tatfolgen (UA S. 35) die vom Landgericht verhängten Strafen für angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1a StPO. Dies gilt in gleicher Weise für die Einzelstrafen von jeweils acht Monaten in den ersten zehn Fällen, für die Einzelstrafen von jeweils sechs Monaten in den weiteren 29 Fällen und für die Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Diese Strafen sind auch unter Berücksichtigung der vom Landgericht strafmildernd berücksichtigten Umstände (UA S. 34) angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1a StPO. Zu diesen Umständen zählen insbesondere, dass der nicht vorbestrafte Angeklagte ein – freilich nicht von Reue und Schuldeinsicht getragenes – Geständnis ablegte, mit einer Selbstanzeige die eigene strafrechtliche Verfolgung initiierte, dass die Taten im unteren Bereich denkbarer sexueller Handlungen anzusiedeln sind und dass das langjährig gefestigte soziale Leben des Angeklagten durch die Offenbarung der Taten und seine nach der Selbstanzeige erfolgte Inhaftierung vollständig zerbrochen ist. Raum Jäger Cirener Bär Hohoff

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 21/01
vom
7. März 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 7. März 2001 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 26. Juni 2000
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte der Vergewaltigung schuldig ist,
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen “sexueller Nötigung in einem ganz besonders schweren Fall” zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Schuldspruch ist dahin zu berichtigen, daß sich der Angeklagte der Vergewaltigung schuldig gemacht hat. Zwar ist das Regelbeispiel des § 177 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 StGB auch im Urteilstenor als Vergewaltigung zu bezeichnen (vgl. BGH NStZ 1998, 510 f.; NStZ-RR 1999, 78; StV 2000, 308). Hingegen kommt die Erfüllung der Qualifikationen nach § 177 Abs. 3 und 4 StGB im Schuldspruch nicht zum Ausdruck (BGH NStZ 2000, 254, 255; BGH bei Pfister NStZ-RR 1999, 355; BGH, Beschl. vom 20. Mai 1999 - 4 StR 168/99; Tröndle/Fischer 50. Aufl. § 177 Rdn. 23, 43 m.w.N.). § 265 StPO steht der Klarstellung nicht entgegen. 2. Der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat zu Lasten des Angeklagten u.a. "sein brutales und rücksichtsloses Vorgehen" bei der Begehung der Tat gewertet (UA S. 18). Diese Erwägung wird durch die Feststellungen nicht getragen; danach bedrohte der Angeklagte das Tatopfer zunächst mit einer Schreckschußpistole und einem Messer und zog die Geschädigte in einen Nebenraum, wo sie sich entkleiden mußte; dann vollzog er ohne weitere Gewaltanwendung unter Fortwirkung der Drohung mit ihr den Geschlechtsverkehr. Ein Verhalten des Angeklagten, das über die Erfüllung des Tatbestands des § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB hinausging und den Vorwurf besonderer Brutalität oder Rücksichtslosigkeit rechtfertigte, läßt sich diesen Feststellungen und auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen. Das Landgericht hat weiterhin strafschärfend gewertet, daß der Angeklagte "statt sich auf sein Recht (zu beschränken), zu schweigen oder die Tat in Abrede zu stellen" (UA S. 18), in der Hauptverhandlung wider besseres Wissen behauptet hat, das Tatopfer sei als Prostituierte tätig gewesen und habe die Strafanzeige gegen ihn nur wegen zu geringen Entgelts erstattet. Diese
Erwägung gibt Anlaß zu der Besorgnis, der Tatrichter habe dem Angeklagten zum Vorwurf gemacht, sich nicht auf eine bestimmte Weise verteidigt zu haben. Zwar kann im Einzelfall ein Angriff des Angeklagten auf die Glaubwürdigkeit des Tatopfers als Zeuge strafschärfendes Gewicht erlangen, wenn er die Grenze angemessener Verteidigung eindeutig überschreitet und sein Vorbringen eine selbständige Rechtsgutsverletzung enthält, da sich hierin eine rechtsfeindliche Einstellung offenbaren kann (BGH NStZ-RR 1999, 328; vgl. Tröndle/Fischer aaO § 46 Rdn. 53 m.w.N.). Verteidigt sich ein Angeklagter gegen den Vorwurf der sexuellen Nötigung mit der Einlassung, das Opfer habe in die sexuelle Handlung - unentgeltlich oder gegen Entgelt - eingewilligt, so liegt aber nicht schon hierin eine Überschreitung der Grenze zulässiger Verteidigung. Auch wenn hier die mehrfach erhobene und unter Beweis gestellte Behauptung des Angeklagten, die Geschädigte habe früher mit ihm und anderen gegen Entgelt geschlechtlich verkehrt, diese Grenze überschritt, ist nicht auszuschließen , daß das Landgericht aufgrund der rechtsfehlerhaften Annahme, eine zulässige Verteidigung hätte sich auf ein pauschales Bestreiten oder die Berufung auf das Schweigerecht beschränken müssen, bei der Festsetzung der ungewöhnlich hohen Freiheitsstrafe von einem unzutreffenden Maßstab ausgegangen ist. Bedenklich erscheinen schließlich sowohl die uneingeschränkt strafschärfende Berücksichtigung der - geringfügigen und nicht einschlägigen - Vorstrafen als auch die Erwägung, der Angeklagte habe die Geschädigte "zumindest auch als Instrument benutzt", um sein "Rachebedürfnis" wegen einer zurückliegenden Beleidigung durch einen Dritten zu befriedigen (UA S. 18). Es liegt auf der Hand, daß die Vergewaltigung der Geschädigten, die an jenem Vorfall nicht beteiligt war und in keiner näheren Beziehung zu der Person stand, welche den Angeklagten im Laufe des Tatabends beleidigt hatte, nicht
als "Rache" im engeren Sinn gemeint sein konnte, sondern allenfalls als ein "Abreagieren" des durch die Beleidigung entstandenen Zorns. Daß eine solche Motivation des Täters, wenn sie nicht in einer konkreten, über die Tatbestandserfüllung hinausgehenden Demütigung des Opfers ihren Ausdruck findet, sich in strafschärfender Weise von sonstigen, durchschnittlich vorkommenden Motivationslagen bei Vergewaltigungen unterscheidet, ist jedenfalls zweifelhaft; nähere Feststellungen, die dies rechtfertigen könnten, fehlen im Urteil. Jähnke Otten Rothfuß Fischer Elf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 219/10
vom
6. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 6. Juli
2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 4. März 2010 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben im Ausspruch über
a) die Einzelstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung sowie
b) die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung , Diebstahls in drei Fällen und wegen Hehlerei zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision , mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt.
2
1. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
Zwar hat das Landgericht auch aus dem Umstand, dass er sich in der Hauptverhandlung erst eingelassen und eine Notwehrsituation behauptet hat, nachdem wesentliche Teile der Beweisaufnahme bereits durchgeführt worden waren, rechtsfehlerhaft (vgl. Meyer-Goßner, StPO 53. Aufl. § 261 Rdn. 16) für den Angeklagten nachteilige Schlüsse gezogen (UA S. 24 f.). Der Senat kann jedoch im Hinblick auf die übrigen Teile der ausführlichen Beweiswürdigung ausschließen, dass der Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung auf diesem Rechtsfehler beruht.
4
2. Die für die gefährliche Körperverletzung verhängte Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten kann jedoch nicht bestehen bleiben. Dies führt zur Aufhebung des Urteils auch im Gesamtstrafenausspruch.
5
Das Landgericht hat bei der Ablehnung eines minderschweren Falles und bei der konkreten Strafzumessung strafschärfend gewertet, der Angeklagte habe durch die wahrheitswidrige Behauptung, er sei vom Geschädigten grundlos mit einem Messer angegriffen worden und dessen Verletzungen seien bei seinen Abwehrbemühungen entstanden, diesen in unzulässiger Weise in Misskredit gebracht und damit die Grenzen zulässigen Verteidigungsverhaltens überschritten. Dies ist rechtsfehlerhaft, weil unter den gegebenen Umständen in einem solchen Verteidigungsverhalten weder eine über das Leugnen eigener Schuld hinausgehende Ehrverletzung des Tatopfers noch eine rechtsfeindliche Gesinnung gesehen werden kann (BGH StV 1999, 536 f.).
Becker von Lienen Sost-Scheible Schäfer Mayer

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 66/13
vom
3. Mai 2013
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. Mai 2013 gemäß § 349
Abs. 2, § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 25. Oktober 2012 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Der 76 Jahre alte Angeklagte ist der Stiefgroßvater der jetzt 21 Jahre alten R. P. . Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt zwischen dem 1. März 2000 und dem 1. Juni 2000 vollzog der Angeklagte an der damals etwa neun Jahre alten R. in deren Kinderzimmer im Anwesen der Eltern den vaginalen Geschlechtsverkehr.
2
Das Landgericht hat den Angeklagten deshalb mit Urteil vom 25. Oktober 2012 wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt, wobei das Verfahren wegen weiterer sieben Fälle, jeweils angeklagt als schwerer sexueller Missbrauch desselben Kindes, gemäß § 154 Abs. 1 und 2 StPO eingestellt worden ist.
3
1. Die Revision des Angeklagten hat im Ergebnis keinen Erfolg. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung des Angeklagten hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
4
2. Die Festsetzung der Freiheitsstrafe auf drei Jahre und neun Monate hält im Ergebnis einer rechtlichen Nachprüfung stand.
5
a) Der Beschwerdeführer hat allerdings zu Recht beanstandet, dass das Landgericht zum Nachteil des Angeklagten "- wenn auch nur eingeschränkt - straferschwerend berücksichtigt" hat, "dass der Angeklagte in einem weiteren Fall mit R. P. den vaginalen Geschlechtsverkehr kurz nach ihrem 14. Geburtstag vollzogen hat, auch wenn insoweit zu seinen Gunsten davon ausgegangen wurde, dass er dabei keinen Straftatbestand erfüllt hat." Die Strafkammer hat damit ein etwa fünf Jahre nach der abgeurteilten Tat liegendes Verhalten des Angeklagten strafschärfend herangezogen, obgleich sie dieses Verhalten gleichzeitig als nicht strafbar beurteilt hat. Ein nach der Straftat liegendes Verhalten des Angeklagten darf aber in der Regel nur dann berücksichtigt werden, wenn es Schlüsse auf den Unrechtsgehalt der Tat zulässt oder Einblick in die innere Einstellung des Täters zu seiner Tat gewährt (BGH, Urteil vom 24. Juli 1985 - 3 StR 127/85, NStZ 1985, 545). Solches liegt bei einem Verhalten, welches Jahre nach der abgeurteilten Tat liegt, nicht ohne Weiteres vor und ist vorliegend auch nicht ersichtlich.
6
b) Dieser Rechtsfehler erfordert indes nicht die Aufhebung des Strafausspruchs und die Zurückverweisung der Sache, da die verhängte Freiheitsstrafe in Höhe von drei Jahren und neun Monaten trotz dieses Strafzumessungsfehlers angemessen ist (§ 354 Abs. 1a Satz 1 StPO).
7
aa) Ob eine Rechtsfolge als angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1a StPO angesehen werden kann, hat das Revisionsgericht auf der Grundlage der Feststellungen des angefochtenen Urteils unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte, insbesondere aller nach § 46 StGB für die Strafzumes- sung erheblichen Umstände zu beurteilen (BGH, Beschluss vom 17. März 2005 - 3 StR 39/05, NStZ 2005, 465).
8
bb) Für die Beurteilung der Angemessenheit ist hier vom Strafrahmen des § 176a Abs. 1 Nr. 1 StGB (idF des 6. Strafrechtsreformgesetzes, gültig vom 1. April 1998 bis 31. März 2004) auszugehen, der Freiheitsstrafe von einem bis 15 Jahren vorsieht. Die Annahme eines minder schweren Falles liegt angesichts des außergewöhnlich schweren Tatbildes und unter Berücksichtigung des Alters des Tatopfers fern.
9
cc) Die Tatschuld wird durch die bereits vom Landgericht zutreffend festgestellten Umstände wie das Alter des Kindes, die erheblichen psychischen Folgen für das Tatopfer, welche erheblich über das durchschnittliche Erscheinungsbild eines schweren sexuellen Missbrauchs hinausreichen und u.a. Anlass für einen Selbstmordversuch des Opfers waren, die Ausnutzung des besonderen Näheverhältnisses sowie den Umstand, dass der Angeklagte auch in weiteren sieben Fällen, welche nach § 154 StPO eingestellt wurden, bei denen dasselbe Kind zum Opfer eines sexuellen Missbrauchs gemacht wurde, maßgeblich geprägt.
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Auch unter Berücksichtigung der von der Strafkammer strafmildernd angestellten Erwägungen, wie das fortgeschrittene Alter des Angeklagten und der damit verbundenen erhöhten Haftempfindlichkeit ist wegen der genannten tatprägenden Umstände die vom Landgericht ausgesprochene Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten i.S.v. § 354 Abs. 1a StPO angemessen. Wahl Rothfuß Graf Radtke Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR23/14
vom
29. April 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 29. April 2014 gemäß § 154a
Abs. 2, § 349 Abs. 2, § 354 Abs. 1 und Abs. 1a StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten P. gegen das Urteil des Landgerichts Verden vom 4. Juli 2013 wird die Strafverfolgung hinsichtlich dieses Angeklagten im Fall B.II.19 der Urteilsgründe (7. Tatkomplex) auf den Vorwurf des vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, mit gefährlicher Körperverletzung und mit Sachbeschädigung beschränkt. 2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten P. wegen schweren Bandendiebstahls in acht Fällen, versuchten schweren Bandendiebstahls in zwei Fällen und wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, mit gefährlicher Körperverletzung , mit Sachbeschädigung und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision. Diese führt zu einer Verfahrensbeschränkung gemäß § 154a Abs. 2 StPO; im Übrigen hat sie keinen Erfolg.
2
1. Der Senat beschränkt im Fall B.II.19 der Urteilsgründe (7. Tatkomplex) die Verfolgung gemäß § 154a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf des vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, mit gefährlicher Körperverletzung und mit Sachbeschädigung.
3
Zwar hat die Strafkammer zur Tat B.II.18 der Urteilsgründe ausdrücklich festgestellt, dass der Angeklagte P. mit dem entwendeten Pkw weggefahren ist, "ohne die erforderliche Fahrerlaubnis zu besitzen" (UA S. 23), auch hat der Angeklagte diese Tat gestanden (UA S. 30). Der Senat folgt aber gleichwohl dem Antrag des Generalbundesanwalts, von der Verfolgung des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis im sich an die Tat B.II.18 unmittelbar anschließenden Fall 19 abzusehen, da diese Gesetzesverletzung bei der Zumessung der Strafe für die in diesem Fall weiter verwirklichten Straftatbestände nicht beträchtlich ins Gewicht fällt (§ 154a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO).
4
2. Jedenfalls im verbleibenden Umfang hat das Rechtsmittel des Angeklagten keinen Erfolg, soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet (§ 349 Abs. 2 StPO). Insofern bemerkt der Senat ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 27. Januar 2014 lediglich, dass auch die Annahme von Tatmehrheit zwischen den bei den Taten B.II.18 und 19 verwirklichten Straftatbeständen keinen rechtlichen Bedenken begegnet. Denn der Angeklagte bemerkte nach dem Diebstahl des Pkws um 0.05 Uhr (UA S. 23) erst gegen 1.00 Uhr die Verfolgung durch die Polizeibeamten (UA S. 24), hielt den von ihm gesteuerten Pkw schließlich an und rammte anschließend - "um sich einen Fluchtweg zu bahnen" (UA S. 37) und damit aufgrund eines neuen Tatentschlusses - das Polizeifahrzeug (UA S. 26).
5
3. Auch die Strafaussprüche haben Bestand.
6
a) Zwar ist dem Senat die vom Generalbundesanwalt angeregte Vorgehensweise gemäß § 354 Abs. 1a StPO nach der Verfolgungsbeschränkung gemäß § 154a Abs. 2 StPO hinsichtlich der im Fall B.II.19 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe verwehrt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2007 - 2 BvR 1447/07, Rn. 118 ff.). Diese wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und anderen Straftatbeständen verhängte Einzelstrafe wird jedoch von dem vom Generalbundesanwalt beanstandeten Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB, der allein die Strafaussprüche wegen (versuchten) schweren Bandendiebstahls betrifft (siehe nachfolgend b), nicht berührt. Der Senat schließt daher aus, dass diese Einzelstrafe von dem vom Generalbundesanwalt beanstandeten Rechtsfehler oder auch der Verfolgungsbeschränkung gemäß § 154a StPO beeinflusst ist (entsprechend § 354 Abs. 1 StPO).
7
b) Ungeachtet der Frage, ob der von der Strafkammer bei der Zumessung der Einzelstrafen wegen (versuchten) schweren Bandendiebstahls mehrfach angesprochene Umstand, dass die Taten "organisiert" waren und "sich der Angeklagte in die Organisation der Täter mit dem vorbereiteten Quartier in E. , dem Pilotfahrzeug und den Fahrten zur Auskundschaftung möglicher Tatobjekte einbinden [ließ]" (UA S. 43), gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstößt oder ob damit lediglich - was zulässig wäre - das besonders ausgeklügelte System der Tatvorbereitung und Tatbegehung zum Ausdruck gebracht werden sollte, sind die vom Landgericht insofern verhängten Einzelstrafen jedenfalls angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1a StPO.
8
Ob eine Rechtsfolge als angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1a StPO angesehen werden kann, hat das Revisionsgericht auf der Grundlage der Feststellungen des angefochtenen Urteils unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte, insbesondere aller nach § 46 StGB für die Strafzumessung erheblichen Umstände zu beurteilen. Dies ist vorliegend auch möglich, weil alle für eine Strafzumessung erforderlichen Feststellungen vom Landgericht getroffen worden sind und es daher keiner weiteren Feststellungen mehr bedarf. Eines Hinweises auf die Vorgehensweise gemäß § 354 Abs. 1a StPO bedurfte es nicht, da wegen des mit Gründen versehenen Antrags des Generalbundesanwalts vom 27. März 2014, auf den der Senat seine Entscheidung insofern stützt, angenommen werden kann, dass der Angeklagte Kenntnis von einer im Raum stehenden Strafzumessungsentscheidung des Revisionsgerichts erlangt hat (vgl. BVerfG aaO Rn. 96). Da der Angeklagte sich auf diesen, seinen Verteidigern zugestellten Antrag des Generalbundesanwalts nicht geäußert hat und neue strafzumessungsrelevante Umstände auch auf anderem Weg nicht bekannt geworden sind, kann der Senat auf der Grundlage des zutreffend ermittelten, vollständigen und aktuellen Strafzumessungssachverhalts und der Stellungnahme des Generalbundesanwalts die für die Strafzumessung relevanten Umstände und deren konkretes Gewicht selbst abwägen und entscheiden, dass die vom Landgericht wegen (versuchten) schweren Bandendiebstahls verhängten Einzelstrafen angemessen sind (vgl. BVerfG aaO Rn. 102).
9
c) Auch die von der Strafkammer verhängte Gesamtstrafe hat Bestand. Zwar enthält deren Zumessung den ergänzenden Hinweis auf "alle für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände" (UA S. 45). Insbesondere im Hinblick auf die neben der Einsatzstrafe von zwei Jahren verhängten zehn weiteren Einzelstrafen zwischen einem Jahr und einem Jahr und neun Monaten, die Unterschiedlichkeit der durch die Straftaten des Angeklagten betroffenen Rechtsgüter und die Höhe des Gesamtschadens schließt der Senat aus, dass die Gesamtstrafe auf dem vom Generalbundesanwalt beanstandeten Rechtsfehler oder der Verfahrensbeschränkung gemäß § 154a Abs. 2 StPO beruht (entsprechend § 354 Abs. 1 StPO).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.