Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Juni 2018 - 1 StR 233/18

bei uns veröffentlicht am26.06.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 233/18
vom
26. Juni 2018
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge
ECLI:DE:BGH:2018:260618B1STR233.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers am 26. Juni 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 18. Januar 2018 im Schuldspruch aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seinem auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Rechtsmittel, das in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg hat.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Angeklagte betrieb im Februar und März 2016 einen Onlinehandel mit Betäubungsmitteln. Am 19. April 2016 bewahrte er in dem von ihm bewohnten Zimmer 54 LSD-Trips mit einem Wirkstoffgehalt von 2,448 mg und 49,45 g Alpha-Pyrrolidinovalerophenon mit einem Basengehalt von 72 % auf, was einer Menge von 35,6 g Base und 41,3 g Alpha-Pyrrolidinovalerophenon-Hydrochlorid entspricht. Beide Stoffe waren für den Weiterverkauf bestimmt. Auf dem Schreibtisch des Zimmers lag griffbereit ein Dolch mit einer 9,5 cm langen und 2,2 cm breiten feststehenden, beidseitig geschliffenen Klinge und ein Kampfmesser mit einer 16,5 cm langen, einseitig geschliffenen Klinge, das über eine Länge von 9 cm über eine Rückenschneide verfügte. Auf dem Sideboard in unmittelbarer Nähe zur Zimmertür befand sich eine Machete in einer Lederscheide mit einer 36,5 cm langen und 6 cm breiten feststehenden und geschliffenen Klinge. Der Angeklagte wollte sich mit diesen Gegenständen im Falle einer Entdeckung zur Wehr setzen und die im Zimmer befindlichen Betäubungsmittel damit verteidigen.
4
2. Die Strafkammer ist davon ausgegangen, dass es sich bei der Menge des Alpha-Pyrrolidinovalerophenon-Hydrochlorid um eine nicht geringe Menge handelt, da der Grenzwert für diesen Wirkstoff bei sechs Gramm anzusetzen sei. Im Rahmen der Strafzumessung hat es das Überschreiten der Grenze zur nicht geringen Menge um das etwa siebenfache strafschärfend gewertet.

II.


5
1. Zwar sind die Feststellungen rechtsfehlerfrei getroffen und haben deshalb Bestand; dennoch konnte der Schuldspruch der auf die Sachrüge hin gebotenen Überprüfung des Urteils nicht standhalten. Die Bestimmung des Grenzwerts zur nicht geringen Menge ist nicht tragfähig begründet, so dass dem Schuldspruch nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG die Grundlage fehlt. Dies zieht die Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs nach sich.
6
a) Das Landgericht legt der Bestimmung der nicht geringen Menge zugrunde , dass es sich bei Alpha-Pyrrolidinovalerophenon-Hydrochlorid um ein Struktur-Analogon des früheren Arzneimittelwirkstoffes Pyrovaleron handele und den synthetischen Cathinon-Derivaten zuzuordnen sei. Es werde als Hydrochlorid-Salz oral, intranasal, inhalativ, intravenös und rektal appliziert. Es führe zu einer erhöhten Aktivität des Sympathikus, die zu einer Steigerung der Herzfrequenz, der Kontraktionskraft und des Blutdrucks führe. Die stimulierenden Wirkungen führten zu Reizbarkeit, Unwohlsein, Verwirrtheit, Angstzuständen , Depressionen, Nervosität, Unruhe, Schlafstörungen und Schwindelgefühl, in körperlicher Hinsicht seien Zähneknirschen, verkrampfte Kiefermuskulatur, Augenzittern, Gänsehaut, Schüttelfrost, Tachykardie, Herzklopfen, Hypertonie, erektile Dysfunktion, Obstipation, Schwitzen, präkardiale Schmerzen die Folge.
7
Da keine gesicherten Erkenntnisse zu einer äußerst gefährlichen oder gar tödlichen Dosis vorliegen, hat das Landgericht den Grenzwert ausgehend von einer durchschnittlichen Konsumeinheit bestimmt. Diese hat es anhand von Angaben in Internetforen auf 30 mg bestimmt. Die Maßzahl hat es auf 200 festgelegt und so den Grenzwert auf sechs Gramm bestimmt.
8
b) Diese Berechnung des Grenzwerts ist nicht nachvollziehbar begründet.
9
aa) Das Tatgericht hat nach der vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung angewandten Methode (vgl. nur BGH, Urteil vom 14. Januar 2015 – 1 StR 302/13, BGHSt 60, 134 ff. Rn. 35; Beschlüsse vom 13. Oktober 2016 – 1 StR 366/16 Rn. 7, NStZ-RR 2017, 47 und vom 5. November 2015 – 4 StR 124/14, StraFo 2016, 37) den Grenzwert der nicht geringen Menge ei- nes Betäubungsmittels stets in Abhängigkeit von dessen konkreter Wirkungsweise und -intensität festzulegen. Maßgeblich ist zunächst die äußerst gefährliche , gar tödliche Dosis des Wirkstoffs (BGH, Urteile vom 22. Dezember 1987 – 1 StR 612/87, BGHSt 35, 179 und vom 14. Januar 2015 – 1 StR 302/13, BGHSt 60, 134 ff. Rn. 35). Fehlen hierzu gesicherte Erkenntnisse, so errechnet sich der Grenzwert als ein Vielfaches der durchschnittlichen Konsumeinheit eines nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten Konsumenten. Das Vielfache ist nach Maßgabe der Gefährlichkeit des Stoffes, insbesondere seines Abhängigkeiten auslösenden oder sonst die Gesundheit schädigenden Potentials zu bemessen (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2008 – 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89). Lassen sich auch zum Konsumverhalten keine ausreichenden Erkenntnisse gewinnen, so entscheidet ein Vergleich mit verwandten Wirkstoffen (vgl. BGH, Urteile vom 24. April 2007 – 1 StR 52/07, BGHSt 51, 318; vom 17. November 2011 – 3 StR 315/10, BGHSt 57, 60 und vom 14. Januar2015 – 1 StR 302/13, BGHSt 60, 134 ff. Rn. 35).
10
bb) Zwar hat sich das Landgericht an dieser Vorgehensweise orientiert; es hat aber die Bestimmung der durchschnittlichen Konsumeinheit auf keine tragfähige Tatsachengrundlage gestellt und das Vielfache, die sogenannte Maßzahl, ohne weitere auf den Stoff bezogene Begründung festgesetzt.
11
(1) Soweit sich das Landgericht auf die in Internetforen berichteten „sze- netypischen Durchschnittsdosierungen … für die genannten Applikationsformen“ stützt, stellt dies keine geeignete Erkenntnisgrundlage (vgl. Urteil vom 14. Januar 2015 – 1 StR 302/13, BGHSt 60, 134 ff. Rn. 51) zur durchschnittlichen Konsumeinheit eines nicht an den Konsum des Stoffes gewöhnten Konsumenten dar. Dies gilt zum einen, weil es sich bei Einträgen in User-Foren nicht um wissenschaftlich gesicherte Daten handelt (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 4. April 2016 – 2 OLG 8 Ss 173/15 zum Wirkstoff 3,4-Methylendioxypyrovaleron ), diese Angaben häufig auf erfahrene Konsumenten zurückgehen, bei denen bereits mit einer Toleranzentwicklung zu rechnen ist und interindividuelle Unterschiede in der Reaktion auf den Wirkstoff unberücksichtigt bleiben. Wieso sich das Landgericht vor diesem Hintergrund angesichts der Angaben in den Foren zu „szenetypischen Durchschnittsdosierungen“ in der Lage sah, auf eine durchschnittliche Konsumeinheit als wirksame Dosis für einen „Drogenunerfahrenen“ zu schließen, bleibt unerörtert.Zum anderen beziehen sich ausweislich der Urteilsgründe diese Angaben in den Foren auf die „genannten Applikationsformen“ , mithin die orale, intranasale, inhalative, intravenöse und rektale Kon- sumform. Dies lässt sowohl die Gebräuchlichkeit der jeweiligen Konsumform als auch deren jeweiligen Einfluss auf die Wirkungsweise offen. Es ist nicht dargelegt, wieso auf dieser, undifferenziert auf verschiedenste Konsumformen bezogenen Grundlage auf die durchschnittliche Konsumeinheit für die orale und nasale Applikation geschlossen werden kann.
12
(2) Zur Maßzahl hat das Landgericht nur angeführt, dass damit die be- kannten pharmakologischen und forensischen Erkenntnisse zu „ATS“ einge- bunden und auch das Gefährdungspotential gewichtet worden sei. An anderer Stelle ist angeführt, die „zentral stimulierenden Wirkungen beträfen u.a. die bekannten psychischen und körperlichen Störungen, die im Zusammenhang mit ATS (Amphetamine-Type-Stimulants) beobachtet werden“. Dies ist nicht ausreichend , um die für die Maßzahl relevante Gewichtung der Gefährlichkeit des Stoffes, insbesondere das Abhängigkeits- und Gesundheitsschädigungspotenzial (vgl. BGH, Urteile vom 9. Oktober 1996 – 3 StR 220/96, BGHSt 42, 255, 267, dort auch zur Berücksichtigung der die Gefährlichkeit steigernden szenetypischen Begleitumstände des Konsums und vom 17. November 2011 – 3 StR 315/10, BGHSt 57, 60, 64 ff. Rn. 11 ff.) im Vergleich zu anderen Stoffen nachvollziehbar darzulegen.
13
cc) Da der aufgezeigte Fehler die Feststellungen nicht betrifft, konnten diese bestehen bleiben. Das neu zuständige Tatgericht muss den Grenzwert für die nicht geringe Menge Alpha-Pyrrolidinovalerophenon-Hydrochlorid unter Hinzuziehung eines Sachverständigen klären. Dabei wird es in den Blick zu nehmen haben, dass das OLG Nürnberg für den Wirkstoff 3,4-Methylendioxypyrovaleron unter ausführlicher Begründung bereits nach der oben aufgezeigten Methode einen Grenzwert festgesetzt hat (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 4. April 2016 – 2 OLG 8 Ss 173/15 zum Wirkstoff 3,4-Methylendioxypyrovaleron ) und ob zwischen diesem Stoff, der große chemisch strukturelle Ähnlichkeiten zum früher als Arzneimittel verwendeten Pyrovaleron aufweisen soll, und Alpha-Pyrrolidinovalerophenon-Hydrochlorid relevante Unterschiede bestehen oder sich neuere Erkenntnisse insoweit ergeben haben.
14
2. Die allein gegen den Rechtsfolgenausspruch gerichtete Verfahrensrüge erweist sich aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegten Gründen als unzulässig. Das nun zuständige Tatgericht wird Gelegenheit haben, gemäß § 246a StPO unter Hinzuziehung eines Sachverständigen die Voraussetzungen des § 64 StGB zu prüfen.
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf ist in den Ruhestand getreten und daher gehindert zu unterschreiben. Jäger Jäger Cirener Fischer Hohoff

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

35
Hierbei bezieht sich der Senat auf die in ständiger Rechtsprechung vom Bundesgerichtshof angewandte Methode (vgl. nur BGH, Urteile vom 3. Dezember 2008 - 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89 und vom 17. November 2011 - 3 StR 315/10, BGHSt 57, 60). Danach ist der Grenzwert der nicht geringen Menge eines Betäubungsmittels stets in Abhängigkeit von dessen konkreter Wirkungsweise und -intensität festzulegen. Maßgeblich ist zunächst die äußerst gefährliche, gar tödliche Dosis des Wirkstoffs (BGH, Urteil vom 22. Dezember 1987 - 1 StR 612/87, BGHSt 35, 179). Fehlen hierzu gesicherte Erkenntnisse, so errechnet sich der Grenzwert als ein Vielfaches der durchschnittlichen Konsumeinheit eines nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten Konsumenten. Das Vielfache ist nach Maßgabe der Gefährlichkeit des Stoffes, insbesondere seines Abhängigkeiten auslösenden oder sonst die Gesundheit schädigenden Potentials zu bemessen (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2008 - 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89). Lassen sich auch zum Konsumverhalten keine ausreichenden Erkenntnisse gewinnen, so entscheidet ein Vergleich mit verwandten Wirkstoffen (vgl. BGH, Urteile vom 24. April 2007 - 1 StR 52/07, BGHSt 51, 318 und vom 17. November 2011 - 3 StR 315/10, BGHSt 57, 60).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 124/14
vom
5. November 2015
in der Strafsache
gegen
wegen fahrlässigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. November
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof – in der Verhandlung –,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof – bei der Verkündung –
als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung –
als Verteidiger,
Prof. Dr. rer. nat. A. – in der Verhandlung –
als Sachverständiger ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 1. August 2013 aufgehoben
a) im Strafausspruch mit den Feststellungen,
b) soweit gegen den Beschwerdeführer der Verfall von Wertersatz in Höhe von mehr als 616 € angeordnet worden ist; die weiter gehende Verfallsanordnung entfällt.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil dahin geändert, dass 50 Tütchen „Jamaican Gold Extreme“ und zwei Tütchen „VIP“ eingezogen wer- den.
3. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebung zu Ziffer 1. a) wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an das Amtsgericht – Strafrichter – Iserlohn zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 190 Tagessätzen zu je 25 € verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Es hat ferner den Verfall von Wertersatz in Höhe von 1.452 € und die Einzie- hung von zwölf Tütchen „Jamaican Gold Extreme“ und zwei Tütchen „VIP“ an- geordnet. Die gegen dieses Urteil gerichteten Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft sind jeweils auf die Sachrüge gestützt. Während der Angeklagte seinen Freispruch auch in den Verurteilungsfällen anstrebt, begehrt die Staatsanwaltschaft diesbezüglich eine Verurteilung u.a. wegen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Insoweit wird das Rechtsmittel vom Generalbundesanwalt nicht vertreten. Die Revisionen erzielen jeweils den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen sind sie unbegründet.

I.


2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte betreibt in I. ein Ladengeschäft, in dem er unter anderem Zubehör für den Konsum von Cannabis vertreibt.Spätestens im Jahr 2010 beschloss der Angeklagte, der nicht über eine Erlaubnis zum Umgang mit Betäubungsmitteln verfügt, gewinnbringend Kräutermischungen anzubieten, die synthetische Cannabinoide enthielten. Wegen der cannabisähnlichen Wirkung werden diese Kräutermischungen in Szenekreisen als Rauschmittel konsumiert, hauptsächlich geraucht. Die Kräutermischungen enthalten getrocknetes Pflanzenmaterial , auf das synthetische Cannabinoide wie JWH-018, JWH-019 und JWH-073 aufgesprüht werden. Die Wirkstoffe sind üblicherweise in den Kräutermischungen nicht gleichmäßig verteilt. Der Konsument kann weder erkennen , welches der in der Wirkungsweise unterschiedlich starken synthetischen Cannabinoide aufgesprüht wurde, noch dessen Menge.
4
Dem Angeklagten war bekannt, dass die Kräutermischungen zum Konsum durch Rauchen verwendet wurden und dass diese eine bewusstseinsverändernde Wirkung hatten, sofern sie synthetische Cannabinoide enthielten. Mit den jeweiligen Lieferungen wurden ihm von seinem Lieferanten Analysenbefunde übersandt, die auswiesen, dass weder synthetische noch pflanzliche Cannabinoide in dem untersuchten Probematerial gefunden werden konnten. Die von den Herstellern dem Labor übersandten Proben enthielten nämlich – wasder Angeklagte nicht wusste – im Gegensatz zu den tatsächlich vertriebenen Produkten keine synthetischen Cannabinoide.
5
Am 5. Oktober 2011 erwarb der Angeklagte bei einer belgischen Firma 30 Tütchen der Kräutermischung „VIP“ zu jeweils drei Gramm (Fall 1). Die Tütchen enthielten das zum Tatzeitpunkt noch nicht dem Betäubungsmittelgesetz unterfallende JWH-210 und 10,2 % des dem Betäubungsmittelgesetz unterfallenden JWH-019, mithin bezogen auf die Gesamtmenge 9,18 Gramm JWH-019. Am 17. Oktober 2011 erwarb der Angeklagte bei demselben Lieferanten 50 Tütchen der Kräutermischung „Jamaican Gold Extreme“ zu jeweils drei Gramm (Fall 2). Auch diese Kräutermischung enthielt JWH-210 und JWH-019. Bei einem Wirkstoffgehalt von 9,9 % JWH-019 betrug die reine Wirkstoffmenge der Gesamtlieferung 14,85 Gramm JWH-019. Der Angeklagte hielt es zum Zeitpunkt der Bestellungen für möglich, dass die Kräutermischungen „Jamaican Gold Extreme“ und „VIP“ Stoffe enthielten, die dem Betäubungsmit- telgesetz unterfallen, nahm dies aber nicht billigend in Kauf. Von der Kräuter- mischung „VIP“ verkaufte der Angeklagte mit Gewinn 28 Tütchen für jeweils 22 €, so dass er 616 € einnahm. Zu Verkäufen der Kräutermischung „Jamaican Gold Extreme“ kam es nicht. Bei einer Durchsuchung am 20. Oktober 2011 wurden aus den vorgenannten Lieferungen im Ladengeschäft des Angeklagten zwei Tütchen „VIP“ und zwölf Tütchen „Jamaican Gold Extreme“ sichergestellt. Weitere 38 Tütchen „Jamaican Gold Extreme“ aus dem Geschäft vom 17. Oktober 2011 wurden in der Privatwohnung des Angeklagten gefunden.
6
2. Das Landgericht hat den Sachverhalt wie folgt bewertet:
7
Der Angeklagte habe bewusst fahrlässig gehandelt. Er habe es für möglich gehalten, dass die am 5. und 17. Oktober 2011 erworbenen Kräuter- mischungen „VIP“ und „Jamaican Gold Extreme“ dem Betäubungsmittelgesetz unterfallende Stoffe enthielten und es pflichtwidrig unterlassen, eigene tragfähige Erkundungen über die vorgenannten Produkte einzuholen. Eine am 11. Oktober 2010 wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz erfolgte Durchsuchung des Ladengeschäfts und der Privaträume des Angeklagten, die Kenntnis von der Nutzung der Kräutermischungen als Rauschmittel und der Hinweis in den Analysebefunden, dass diese sich jeweils nur auf die eingesandten Proben bezögen, hätten das Vertrauen in die Redlichkeit der Hersteller erschüttert und ihm Anlass für eigene Nachforschungen gegeben.
8
Das Landgericht hat – sachverständig beraten – den Grenzwert der nicht geringen Menge von JWH-019 mit 2,62 Gramm (350 Konsumeinheiten zu je 7,5 Milligramm) angesetzt. Die Gefährlichkeit von JWH-019 sei höher als die von Cannabis, aber geringer als jene von Amphetamin. Bei der Strafzumessung hat das Landgericht maßgeblich berücksichtigt, dass die nicht geringe Menge in beiden Fällen in erheblicher Weise überschritten sei und hat für das fahrlässige Handeltreiben mit der Kräutermischung „VIP“ eine Einzelgeldstrafe von 90 Ta- gessätzen und für das fahrlässige Handeltreiben mit „Jamaican Gold Extreme“ eine solche von 150 Tagessätzen verhängt. Bei der Anordnung des Wertersatzverfalls ist die Strafkammer ausweislich der Urteilsgründe versehentlich davon ausgegangen, dass der Angeklagte nicht nur 28 Tütchen „VIP“ zu je 22 €, sondern auch 38 Tütchen „Jamaican Gold Extreme“ zum Preis von je 22 € verkauft habe.

II.


9
Das Rechtsmittel des Angeklagten erzielt den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet.
10
1. Der Schuldspruch weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Der Wirkstoff JWH-019 wurde durch die 24. BtMÄndV vom 18. Dezember 2009 (BGBl. I 2009, 3944) mit Wirkung vom 22. Januar 2010 in die Liste der Anlage II des Betäubungsmittelgesetzes aufgenommen und war deshalb zum jeweiligen Tatzeitpunkt Betäubungsmittel.
11
Das Landgericht hat zu Recht einen Sorgfaltspflichtverstoß des Angeklagten angenommen. Derjenige, der am Handel teilnimmt, muss sich darum kümmern, ob seine Stoffe Betäubungsmittel sind (Weber, BtMG, 4. Aufl., § 29 Rn. 2043). Die dem Angeklagten vom Lieferanten überlassenen Laborbefunde bezogen sich ausweislich der Urteilsgründe für den Angeklagten erkennbar jeweils nur auf die vom Lieferanten eingereichte und untersuchte Einzelprobe. Dass die zum Verkauf angebotenen Kräutermischungen „weder synthetische noch pflanzliche Cannabinoide“ (UA 7) enthielten, war angesichts ihrer dem Angeklagten bekannten und bezweckten Verwendung in der Konsumentenszene als Cannabis ersetzendes Rauschmittel fernliegend. Besondere Umstände , warum der Angeklagte auf ein redliches Verhalten seines Lieferanten bei der Einsendung der Proben an das Labor vertrauen konnte, hat das Landgericht nicht festgestellt, insbesondere hat er in keinem Fall eine eigene Kontrolluntersuchung der erworbenen Stoffe veranlasst.
12
2. Hingegen hält der Strafausspruch der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
13
a) Das Landgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass in den abgeurteilten Fällen der in den Kräutermischungen „VIP“ und „Jamaican Gold Extreme“ enthaltene Wirkstoff JWH-019 jeweils die Grenze der nicht geringen Menge i.S.v. § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG erreicht hat. Der Senat setzt jedoch – insoweit abweichend vom Landgericht – den Grenzwert der nicht geringen Menge für JWH-019 auf eine Wirkstoffmenge von 6 Gramm fest.
14
Hierbei bezieht sich der Senat auf die in ständiger Rechtsprechung vom Bundesgerichtshof angewandte Methode (vgl. nur BGH, Urteile vom 3. Dezember 2008 – 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89, und vom 17. November 2011 – 3 StR 315/10, BGHSt 57, 60). Danach ist der Grenzwert der nicht geringen Menge eines Betäubungsmittels stets in Abhängigkeit von dessen konkreter Wirkungsweise und -intensität festzulegen. Maßgeblich ist zunächst die äußerst gefährliche , gar tödliche Dosis des Wirkstoffs (BGH, Urteil vom 22. Dezember 1987 – 1 StR 612/87, BGHSt 35, 179). Fehlen hierzu gesicherte Erkenntnisse, so errechnet sich der Grenzwert als ein Vielfaches der durchschnittlichen Konsumeinheit eines nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten Konsumenten. Das Vielfache ist nach Maßgabe der Gefährlichkeit des Stoffes, insbesondere sei- nes Abhängigkeiten auslösenden oder sonst die Gesundheit schädigenden Potentials zu bemessen (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2008 – 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89). Lassen sich auch zum Konsumverhalten keine ausreichenden Erkenntnisse gewinnen, so entscheidet ein Vergleich mit verwandten Wirkstoffen (vgl. BGH, Urteile vom 24. April 2007 – 1 StR 52/07, BGHSt 51, 318, 322, und vom 17. November 2011 – 3 StR 315/10, BGHSt 57, 60, 64).
15
aa) Zur Wirkung und zur Gefährlichkeit von JWH-019 hat der Senat ein Gutachten des Prof. Dr. rer. nat. A. eingeholt. Danach ergibt sich Folgendes:
16
(1) Die Wirkstoffe JWH-018 und CP 47,497-C8 waren als Hauptwirkstoffe in den sog. „Spice“-Produkten der ersten Generation enthalten. Nach deren Aufnahme in Anlage II zum Betäubungsmittelgesetz wurden sie in den Nachfolgeprodukten sehr schnell durch JWH-073 ersetzt. Im weiteren Verlauf wurde eine Vielzahl teils geringfügig, teils stärker modifizierter Substanzen in entsprechenden Produkten gefunden. JWH-019 [chemische Bezeichnung: (Naphthalin1 -yl)(1-hexyl-1H-indol-3-yl)methanon] wurde erstmals im Oktober 2010 in einer Kräutermischung nachgewiesen. Es handelt sich wie bei JWH-018 um ein nach dem amerikanischen Chemiker H. benanntes vollsynthetisches Aminoalkylindol, das bisher nicht in klinischen Studien am Menschen getestet wurde. Die Erkenntnismöglichkeiten zur pharmakologischen Wirkung der synthetischen Cannabinoide beschränken sich auf einzelne wissenschaftliche Selbstversuche und Fallberichte, in denen neben einer ausführlichen klinischen Beschreibung auch eine umfassende toxikologische Analytik durchgeführt wurde , die einen kausalen Zusammenhang zwischen Wirkstoffaufnahme und Symptomatik belegen. Zudem stehen Daten aus Rezeptorbindungsstudien sowie Ergebnissen aus in vivo-Studien (vor allem am Mausmodell) zur Verfügung, wobei eine Übertragung der daraus gezogenen Schlüsse auf den Menschen nur eingeschränkt möglich ist.
17
(2) Nach derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen wird die Wirkung der synthetischen Cannabinoide wie bei dem Wirkstoff der Cannabispflanze über das Endocannabinoidsystem vermittelt. Diese vergleichbare Wirkungsweise hat trotz unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung zur Sammel- bezeichnung als synthetische „Cannabinoide“ geführt. Das Endocannabinoid- system ist nicht nur beim Menschen, sondern auch bei Wirbeltieren und Fischen vorhanden und an verschiedensten, teilweise sehr komplexen Prozessen beteiligt. Der Wirkstoff bindet an die Cannabinoid-Rezeptoren CB1, der in hoher Dichte im zentralen Nervensystem vorhanden ist, und CB2, der sich vorwiegend in Zellen des Immunsystems findet. Aufgrund der lipophilen Eigenschaften der Substanzen können sie die Blut-Hirn-Schranke ungehindert passieren. Durch die Bindung an den Rezeptor wird die Signalübermittlung in der zugehörigen Zelle aktiviert. Anhand des Ausmaßes der Aktivierung („intrinsische Aktivität“) kann zwischen einem vollen Agonisten und einem nur partiellen Agonisten unterschieden werden.
18
Anders als der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol, der am CB1-Rezeptor nur als partieller Agonist bindet, wirkt JWH-018 dort als voller Agonist. Dies führt dazu, dass dieser Wirkstoff wesentlich stärkere Effekte, auch solche lebensbedrohlicher Art, erzeugen kann. Es tritt – anders als bei Tetrahydrocannabinol – keine Sättigung ein, vielmehr werden die Wirkungen, also auch die unerwünschten Nebenwirkungen durch eine höhere Dosierung verstärkt. JWH-073 hat nicht so starke Wirkungen und ist deshalb ein Teilagonist. Für JWH-019 liegen keine gesicherten Daten vor, der Wirkstoff scheint sich tendenziell ähnlich wie JWH-073 zu verhalten.
19
(3) Ein weiterer Unterschied zwischen synthetischen Cannabinoiden einerseits und Tetrahydrocannabinol andererseits liegt in der Potenz, d.h. im Maß der für die zum Erzielen einer Wirkung erforderlichen Dosis. JWH-018 weist gegenüber Tetrahydrocannabinol eine deutlich – etwa drei- bis vierfach – höhere Potenz auf, d.h., dass das Maß der Wirkstärke etwa drei- bis viermal so hoch anzusiedeln ist. Demgegenüber weist der Wirkstoff JWH-073, der sich von JWH-018 chemisch-strukturell nur geringfügig unterscheidet, nach bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen, insbesondere aufgrund einer Studie an Rhesusaffen , eine eher dem Tetrahydrocannabinol vergleichbare Potenz auf. Mit Blick auf die identische Rezeptoraffinität sowie angesichts des strukturell vergleichbaren Molekülaufbaus von JWH-073 und JWH-019 und des Umstands, dass beide Teilagonisten sind, dürfte JWH-019 eine ähnliche oder gleiche Potenz wie JWH-073 haben.
20
bb) Der 1. Strafsenat hat in seinem Urteil vom 14. Januar 2015 – 1 StR 302/13, zur Veröffentlichung in BGHSt 60, 134 vorgesehen – die nicht geringe Menge für das synthetische Cannabinoid JWH-073 auf eine Wirkstoffmenge von sechs Gramm festgesetzt. Dabei hat der 1. Strafsenat die Festsetzung des Grenzwerts der nicht geringen Menge weder an einer äußerst gefährlichen Dosis noch an einer durchschnittlichen Konsumeinheit ausgerichtet, weil zu beiden Mengeneinheiten derzeit keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen. Er hat die nicht geringe Menge vielmehr aus den in jenem Urteil näher dargelegten Gründen durch den Vergleich mit Tetrahydrocannabinol bestimmt (Urteil vom 14. Januar 2015 aaO Rn. 47 ff.).
21
Maßgeblich waren hierfür im Vergleich zu Tetrahydrocannabinol, für das der Grenzwert der nicht geringen Menge bei 7,5 Gramm Tetrahydrocannabinol – entsprechend 500 Konsumeinheiten à 15 Milligramm – angenommen wird (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 – 3 StR 183/84, BGHSt 33, 8), die höhere bzw. vergleichbare Potenz des jeweiligen Wirkstoffs, die gesteigerte Gefährlichkeit aufgrund weiter gehender unerwünschter Nebenwirkungen und deren wesentlich höhere Auftretenswahrscheinlichkeit (Urteil vom 14. Januar 2015 aaO Rn. 56 ff., 92 ff.).
22
cc) Der Senat hat sich bei der Bestimmung der nicht geringen Menge des Wirkstoffs JWH-019 der Vorgehensweise des 1. Strafsenats angeschlossen und den Grenzwert der nicht geringen Menge durch einen Vergleich mit JWH-073 auf dieselbe Menge wie bei dieser Substanz festgelegt.
23
b) Der Strafausspruch unterliegt danach der Aufhebung. Das Landgericht hat ausdrücklich strafschärfend gewertet, dass im Fall der Kräutermischung „VIP“ die nicht geringe Menge um das 3,5-fache und im Fall der Kräutermischung „Jamaican Gold Extreme“ um das 5,5-fache überschritten ist. Dies trifft bei einem Grenzwert von 6 Gramm nicht zu.
24
3. Auch die über den Betrag von 616 € hinausgehende Anordnung von Wertersatzverfall hat keinen Bestand.
25
Die Höhe des nach § 73a Satz 1 StGB für verfallen zu erklärenden Geldbetrages bestimmt sich nach dem Wert des nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aus der Tat Erlangten, dessen Verfall aus den in § 73a Satz 1 StGB genannten Gründen nicht mehr angeordnet werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 10. September 2002 – 1 StR 281/02, NStZ 2003, 198, 199; MüKo-StGB/Joecks, 2. Aufl., § 73a Rn. 14 mwN). Die Wertbestimmung erfolgt nach dem Bruttoprinzip , sodass bei Rauschgiftgeschäften, wie sie hier in Rede stehen, der tatsächlich erzielte Verkaufserlös – ohne Abzug von Einkaufspreis, Transportkos- ten etc. – anzusetzen ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 1999 – 4 StR 135/99, NStZ-RR 2000, 57, 58 mwN).
26
Nach den Feststellungen hat der Angeklagte von der von ihm zu Han- delszwecken angekauften Kräutermischung „VIP“ lediglich 28 Tütchen zu je 22 € veräußert, so dass ihm 616 € zugeflossen sind. Der vom Landgericht angeordnete Wertersatzverfall von 1.452 € beruhte, wie die Strafkammer in den Urteilsgründen ausgeführt hat, auf der irrigen Annahme, der Angeklagte habe auch 38 Tütchen der Kräutermischung „Jamaican Gold Extreme“ zu je 22 € verkauft. Der Senat ändert den Rechtsfolgenausspruch entsprechend ab.

III.


27
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft führt lediglich zur Abänderung der Einziehungsentscheidung. Darauf, dass Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft auch zu Gunsten der Angeklagten wirken (§ 301 StPO), kommt es nach dem Erfolg der Revision des Angeklagten nicht mehr an (BGH, Urteil vom 14. August 2014 – 4 StR 163/14, NJW 2014, 3382, 3384 mwN). Im Übrigen ist das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft unbegründet.
28
1. Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils wegen fahrlässigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
29
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Abgrenzung von bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit handelt der Täter vorsätzlich, wenn er den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und damit in der Weise einverstanden ist, dass er die Tatbestandsverwirklichung billigend in Kauf nimmt oder sich um des erstrebten Zieles willen wenigstens mit ihr abfindet, mag ihm auch der Erfolgseintritt an sich unerwünscht sein. Bewusste Fahrlässigkeit liegt hingegen dann vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft – nicht nur vage – darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten (u.a. BGH, Urteile vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, und vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 9 f.). Vertraut der Täter darauf, die für möglich gehaltene Folge werde nicht eintreten, so kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an, ob er das ernsthaft konnte. Da beide Schuldformen im Grenzbereich eng beieinander liegen, ist bei der Prüfung, ob der Täter vorsätzlich gehandelt hat, eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände geboten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699 mwN); sowohl das Wissens- als auch das Willenselement muss grundsätzlich in jedem Einzelfall geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden.
30
b) Den sich hieraus ergebenden Anforderungen wird das landgerichtliche Urteil gerecht. Die Strafkammer hat die rechtlichen Grundlagen für die Abgrenzung des bedingten Vorsatzes von bewusster Fahrlässigkeit zutreffend gesehen und beachtet und eine entsprechende Gesamtwürdigung vorgenommen. Ihre Bewertung, bedingter Vorsatz sei insbesondere aufgrund der offenen Vertriebsstruktur nicht erwiesen, weist keinen Rechtsfehler auf. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin erschöpft sich demgegenüber in einer eigenen Bewertung der festgestellten Tatsachen.
31
2. Die Anordnung der Einziehung hält revisionsgerichtlicher Prüfung nicht stand. Das Landgericht hat bei der Anordnung der Einziehung ersichtlich – wie bei der Anordnung des Wertersatzverfalls – übersehen, dass der Angeklagte 38 Tütchen „Jamaican Gold Extreme“ nicht verkauft, sondern in seiner Privatwohnung aufbewahrt hat. Der Senat schließt aus, dass die Strafkammer, wenn sie sich dieses Umstandes bewusst gewesen wäre, nach ihrem Ermessen von der Einziehung abgesehen hätte, denn eine Freigabe der Betäubungsmittel wäre rechtsfehlerhaft gewesen. Er hat deshalb die Einziehungsanordnung entsprechend geändert.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Quentin
35
Hierbei bezieht sich der Senat auf die in ständiger Rechtsprechung vom Bundesgerichtshof angewandte Methode (vgl. nur BGH, Urteile vom 3. Dezember 2008 - 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89 und vom 17. November 2011 - 3 StR 315/10, BGHSt 57, 60). Danach ist der Grenzwert der nicht geringen Menge eines Betäubungsmittels stets in Abhängigkeit von dessen konkreter Wirkungsweise und -intensität festzulegen. Maßgeblich ist zunächst die äußerst gefährliche, gar tödliche Dosis des Wirkstoffs (BGH, Urteil vom 22. Dezember 1987 - 1 StR 612/87, BGHSt 35, 179). Fehlen hierzu gesicherte Erkenntnisse, so errechnet sich der Grenzwert als ein Vielfaches der durchschnittlichen Konsumeinheit eines nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten Konsumenten. Das Vielfache ist nach Maßgabe der Gefährlichkeit des Stoffes, insbesondere seines Abhängigkeiten auslösenden oder sonst die Gesundheit schädigenden Potentials zu bemessen (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2008 - 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89). Lassen sich auch zum Konsumverhalten keine ausreichenden Erkenntnisse gewinnen, so entscheidet ein Vergleich mit verwandten Wirkstoffen (vgl. BGH, Urteile vom 24. April 2007 - 1 StR 52/07, BGHSt 51, 318 und vom 17. November 2011 - 3 StR 315/10, BGHSt 57, 60).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 52/07
vom
24. April 2007
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
____________________
Für Buprenorphin beginnt die "nicht geringe Menge" im Sinne von § 29a Abs. 1
Nr. 2 sowie § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG bei 450 mg Buprenorphin-Hydrochlorid.
BGH, Urteil vom 24. April 2007 - 1 StR 52/07 - Landgericht München I
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. April
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 29. August 2006 wird verworfen. 2. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, jeweils in nicht geringer Menge, zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und seinen Pkw eingezogen. Die Staatsanwaltschaft greift das Urteil mit der zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten und auf die Sachrüge gestützten Revision an. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

2
Festgestellt ist, dass der Angeklagte als Rauschgiftkurier in Paris 3801 Subutex-8 mg-Tabletten mit einem Wirkstoffgehalt von 32,8 g BuprenorphinHydrochlorid bzw. 30,4 g Buprenorphin übernahm, um sie auftragsgemäß nach Georgien zu verbringen. In München wurde er am 21. Oktober 2005 einer poli- zeilichen Kontrolle unterzogen, anlässlich der das Rauschgift in seinem Pkw sichergestellt wurde.
3
Der rechtlichen Würdigung und der Strafzumessung hat das Landgericht die Annahme zugrunde gelegt, die nicht geringe Menge an Betäubungsmitteln im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG beginne für Buprenorphin und Buprenorphin-Hydrochlorid jeweils bei 450 mg (0,45 g).

II.

4
1. Die Beschwerdeführerin beanstandet, dass das Landgericht von einem zu hohen Grenzwert für die nicht geringe Menge ausgegangen sei; denn diese sei bereits bei 50 mg Buprenorphin (250 Konsumeinheiten zu 0,2 mg) erreicht.
5
Bei der Strafzumessung habe das Landgericht zwar zu Lasten des Angeklagten die vielfache Überschreitung des Grenzwerts für die nicht geringe Menge gewertet. Der Grenzwert sei allerdings nicht nur, wie das Landgericht angenommen habe, um das 67,55-fache (bezogen auf Buprenorphin) bzw. 72,88-fache (bezogen auf Buprenorphin-Hydrochlorid), sondern um das 608fache überschritten.
6
2. Die sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung ergibt keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu Gunsten - oder, was der Senat gemäß § 301 StPO zu beachten hat, zu Ungunsten - des Angeklagten. Das Landgericht hat den Grenzwert für die nicht geringe Menge zutreffend mittels eines Vergleichs zwischen Buprenorphin und Morphin ermittelt. Die Annahme, die nicht geringe Menge beginne für Buprenorphin und Buprenorphin-Hydrochlorid gleichermaßen bei jeweils 450 mg, trifft allerdings nicht zu. Der Grenzwert ist vielmehr bei 450 mg Buprenorphin-Hydrochlorid anzusetzen.
7
a) Buprenorphin - chemische Bezeichnung: (5R,6R,7R,14S)-17-Cyclopropylmethyl -4,5-epoxy-7-[(S)-2-hydroxy-3,3-dimethylbutan-2-yl]-6-methoxy6 ,14-ethanomorphinan-3-ol - wurde durch die 1. BtMÄndV vom 6. August 1984 (BGBl I 1081) als verkehrs- und verschreibungsfähiges Betäubungsmittel der Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG unterstellt. § 2 Abs. 1 Nr. 2 BtMVV legt nach der letzten Änderung durch die 19. BtMÄndV vom 10. März 2005 (BGBl I 757) die Höchstmenge für Buprenorphin, die ein Arzt für seinen Praxisbedarf pro Patient innerhalb von 30 Tagen verschreiben darf, auf 800 mg fest. Hinsichtlich Beschaffenheit , Wirkung und Gefährlichkeit von Buprenorphin kann der Senat auf die vom Landgericht eingeholten schriftlichen Gutachten der Sachverständigen Dr. S. , öffentlich bestellter und beeidigter Sachverständiger für Forensische Toxikologie, Dr. U. , stellvertretender Sachgebietsleiter Chemie am Bayerischen Landeskriminalamt, sowie Dr. G. , Chemieoberrat am Bayerischen Landeskriminalamt, zurückgreifen. Unter Berücksichtigung weiterer Literatur (Benos Der Nervenarzt 1983, 259 ff.; Geschwinde, Rauschdrogen 6. Aufl. Rdn. 2922 ff.; Groß/Soyka Suchtmed 1999, 5 ff.; Körner, BtMG 5. Aufl. Teil C 1 Rdn. 126 f.; Pallenbach DAZ 2000, 4838 ff.) ergibt sich folgendes:
8
Buprenorphin ist ein halbsynthetisches Opioid, das aus dem Opiumalkaloid Thebain gewonnen werden kann. Es ist anders als etwa Morphin, Heroin und Methadon kein voller, sondern nur ein partieller Opioid-Agonist. Buprenorphin wurde zunächst als Analgetikum entwickelt; seine Zulassung in Deutschland erfolgte erstmals im Jahr 1980. Im Jahr 2000 wurde es auch zur Substitutionstherapie bei Opiatabhängigkeit zugelassen. Der Wirkstoff ist unter den Handelsnamen Subutex, Temgesic und Transtec erhältlich. Temgesic und Transtec werden in der Schmerztherapie bei akuten und chronischen Schmer- zen (bei postoperativen Schmerzen, zur Krebsbehandlung) verabreicht. Subutex wird hingegen in der Substitutionstherapie verwendet. Seine Einnahme erfolgt sublingual; das heißt, eine Tablette wird unter der Zunge belassen, bis sie sich allmählich auflöst.
9
Obwohl bei der Einnahme von Buprenorphin der für volle Opioid-Agonisten typische Rauschzustand ("Kick") ausbleibt, hat es gewisse von Süchtigen gewünschte euphorisierende Effekte. Es unterdrückt zudem das Opioid-Entzugssyndrom. Die häufige Einnahme von Buprenorphin führt jedoch auch zur Toleranzentwicklung und seinerseits zur Suchtentwicklung. Als Nebenwirkungen werden unter anderem Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen , Tränen- und Nasenfluss, Benommenheit, Frösteln, körperliche Schwäche sowie Atemdepression beschrieben.
10
Das therapeutische Spektrum von Buprenorphin ist breit. In der Schmerztherapie werden gewöhnlich Einzeldosen zwischen 0,2 und 0,4 mg verabreicht; die Einzeldosen in der Substitutionstherapie reichen von 0,8 mg als Einstiegsdosis bei leichter Opiatabhängigkeit bis hin zu 8 mg. 8 mg Buprenorphin stellen dementsprechend den höchsten in einer Tablette derzeit auf dem Arzneimarkt erhältlichen Wirkstoffgehalt dar; hierbei handelt es sich um - auch in diesem Verfahren sichergestellte - Subutex-8 mg-Tabletten. Erhebliche Überdosierungen werden regelmäßig ohne wesentliche Nebenwirkungen vertragen. Akzidentielle Überdosierungen durch Verschlucken sind unwahrscheinlich , da die orale - anstelle der sublingualen - Einnahme weitgehend wirkungslos ist.
11
Die Angaben zum Verhältnis der analgetischen Wirkungsstärke von Morphin zu Buprenorphin reichen von 1:10 bis zu 1:40 (nach Geschwinde aaO Rdn. 2924 und Körner aaO Rdn. 126 sogar bis maximal 1:50). In den Richtli- nien zur Substitutionstherapie wird angenommen, dass Buprenorphin gegenüber Methadon eine etwa zehnmal stärkere Wirkung hat; 8 mg Buprenorphin entsprechen damit einer Dosis von etwa 80 mg Methadon (nach Pallenbach aaO 4846 von "ungefähr" 45 mg; nach Groß/Soyka aaO 8 von 40 bis 60 mg). Im Vergleich zu Methadon weist Buprenorphin ein geringeres Risiko von Nebenwirkungen und auch ein kleineres Missbrauchs- und Abhängigkeitspotential auf.
12
b) Aufgrund der Eigenheiten des Betäubungsmittels Buprenorphin scheidet die nach ständiger Rechtsprechung vorrangig anzuwendende Methode zur Festlegung des Grenzwerts der nicht geringen Menge, nämlich diesen mittels einer äußerst gefährlichen Dosis oder durchschnittlichen Konsumeinheit und einer an der Gefährlichkeit orientierten Maßzahl zu bestimmen (vgl. BGHSt 32, 162, 164; 33, 8, 14; 35, 43, 49; 42, 1, 3 ff.; 42, 255, 265; 49, 306, 312), hier aus.
13
aa) Zur äußerst gefährlichen Dosis liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor. Zwar scheinen schwere Intoxikationen selbst mit tödlichem Ausgang möglich (Geschwinde, Rauschdrogen 6. Aufl. Rdn. 2932). Nach den dem Senat vorliegenden Sachverständigengutachten ist die Gefahr von Überdosierungen jedoch gering. Auch hat sich in Frankreich, wo bei der Behandlung Opiatabhängiger mit Buprenorphin langjährige Erfahrungen bestehen, gezeigt, dass bei der Obduktion sämtlicher Drogentoter, deren Tod in Zusammenhang mit der Einnahme von Buprenorphin stand, ein Beikonsum von illegal erworbenen Betäubungsmitteln und/oder stark wirksamen Psychopharmaka festgestellt wurde (vgl. auch Pallenbach DAZ 2000, 4838, 4844).
14
bb) Eine Festlegung des Grenzwerts auf der Grundlage einer durchschnittlichen Konsumeinheit für einen Drogenunerfahrenen, welche die Beschwerdeführerin mit der in der Schmerztherapie üblichen Mindestdosis von 0,2 mg gleichsetzt, kommt ebenfalls nicht in Betracht. Unter der durchschnittlichen Konsumeinheit versteht die Rechtsprechung grundsätzlich die adäquate Dosis zur Erzielung einer stofftypischen Rauschwirkung (BGHSt 33, 169, 170; 35, 43, 49; 49, 306, 312), wobei prinzipiell, um nicht die mit dem regelmäßigen Konsum vieler Betäubungsmittel einhergehende Toleranzentwicklung zu prämieren , auf den Konsumanfänger abzustellen ist (Cassardt NStZ 1995, 257, 261; Hügel/Junge/Lander/Winkler, Deutsches Betäubungsmittelrecht 8. Aufl. 4. Lfg. § 29a BtMG Rdn. 4.3.5). Eine derartige Bestimmung der Konsumeinheit kommt hier aus mehreren Gründen nicht in Betracht:
15
Zum einen bleibt bei der Einnahme von Buprenorphin, obwohl es gewisse euphorisierende Effekte hat, der etwa für Heroin, Morphin und Methadon typische Rauschzustand ("Kick") aus. Zum anderen fehlen praktische Erkenntnisse über den illegalen Markt; es liegt nicht nahe, dass Buprenorphin überhaupt von einer nennenswerten Anzahl Drogenunerfahrener konsumiert wird. Im Hinblick darauf, dass die Rauschwirkung eher gering ist, jedoch das Opioid-Entzugssyndrom unterdrückt wird, kommt vielmehr der illegale Erwerb insbesondere durch Opiatabhängige in Betracht. Schließlich ist es verfehlt, die Konsumeinheit bei verkehrs- und verschreibungsfähigen Betäubungsmitteln allein an einer möglichen legalen Anwendung auszurichten (Hügel/Junge/Lander/Winkler aaO Rdn. 4.3.4, 4.3.6 a.E.).
16
cc) Die Konsumeinheit kann auch nicht dadurch hinreichend sicher bestimmt werden, dass - unter Zugrundelegung der in der Substitutionstherapie verabreichten Einzeldosen - auf durchschnittliche Konsumgewohnheiten abgestellt wird (vgl. BGHSt 49, 306, 313). Jedenfalls die große Bandbreite medizinisch indizierter Einzeldosen ermöglicht ein derartiges Vorgehen nicht (ähnlich für Kokain BGHSt 33, 133, 136 ff.; hierzu Cassardt NStZ 1995, 257, 258); denn die Höhe dieser Dosen schwankt je nach Einzelfall - insbesondere dem Grad der Abhängigkeit - stark, wie oben ausgeführt zwischen 0,8 und 8 mg. Nach Geschwinde (Rauschdrogen 6. Aufl. Rdn. 2932) stellt die Verabreichung von 2 mg-Einheiten bei der Suchtbehandlung eine niedrige Dosierung dar. Das breite Spektrum wird zudem daraus ersichtlich, dass die in der Substitutionstherapie verwendeten Subutex-Tabletten derzeit mit einem sehr unterschiedlichen Wirkstoffgehalt von 0,4 mg bis hin zu 8 mg Buprenorphin auf dem Arzneimarkt angeboten werden.
17
c) Der Grenzwert für die nicht geringe Menge an Buprenorphin ist daher - wovon auch das Landgericht zutreffend ausgegangen ist - mittels eines Vergleichs mit verwandten Wirkstoffen festzulegen. Der Bundesgerichtshof hat bereits in der Vergangenheit bei der Grenzwertbestimmung einen solchen Wirkstoffvergleich herangezogen (vgl. BGHSt 35, 179, 182; 49, 306, 312 ff.; BGH NJW 2001, 3641, 3642). Neben Methadon, für das - soweit ersichtlich - eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur nicht geringen Menge noch aussteht, kommt hier insbesondere Morphin in Betracht. Für Zubereitungen von Morphin hat der Senat entschieden, dass die nicht geringe Menge bei 4,5 g MorphinHydrochlorid beginnt (BGHSt 35, 179).
18
Da die Wirkung von Buprenorphin mindestens zehnmal so stark ist wie von Morphin, ist der Grenzwert der nicht geringen Menge zugunsten des Angeklagten (vgl. BGHSt 33, 8, 14; 49, 306, 313; Cassardt NStZ 1995, 257, 259) auf den zehnten Teil der nicht geringen Menge für Morphin, die bei 4,5 g MorphinHydrochlorid beginnt, anzusetzen; er ist damit auf 450 mg BuprenorphinHydrochlorid festzulegen. Auch wenn es im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung sein mag, kommt für Buprenorphin und Buprenorphin-Hydrochlorid entgegen der Ansicht des Landgerichts kein einheitlicher Grenzwert in Betracht. Nach den vorliegenden Gutachten übersteigt nämlich das Gewicht von BuprenorphinHydrochlorid (Salz) dasjenige der Grundform Buprenorphin (Base) um acht Prozentpunkte. Dieser - wenngleich nur - "äußerst geringe Unterschied" hinsichtlich Wirkung und Gefährlichkeit (UA S. 15) kann nicht vernachlässigt werden. Denn der - der Rechtsprechung obliegenden - zahlenmäßigen Festlegung des Grenzwerts für die nicht geringe Menge im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG ist immanent, dass auch marginale pharmakologische und toxikologische Unterschiede in Grenzfällen die Strafrahmenwahl bestimmen und damit das Strafmaß beeinflussen können (vgl. BGHSt 42, 1, 11).
19
Als Vergleichsmaßstab dient hier der Wirkstoff Morphin, bei dem sich der Grenzwert an einer bestimmten Menge des Salzes Morphin-Hydrochlorid - und nicht der Base - bemisst. Daher ist bei der Umrechnung ebenfalls das Salz Buprenorphin-Hydrochlorid zugrunde zu legen. 450 mg Buprenorphin-Hydrochlorid entsprechen dabei 416,67 mg Buprenorphin.
20
d) Da für die Kammer "die genannten geringen Unterschiede auch für das Strafmaß ohne Bedeutung" (UA S. 16) waren, kann der Senat ausschließen , dass sie eine höhere Freiheitsstrafe verhängt hätte. Nack Wahl Kolz Elf Graf
11
b) Nach diesen Maßstäben hat der Bundesgerichtshof den Grenzwert der nicht geringen Menge für Amphetamin mit 10 g Amphetamin-Base bestimmt (Urteil vom 11. April 1985 - 1 StR 507/84, BGHSt 33, 169; vgl. auch Urteil vom 1. September 1987 - 1 StR 191/87, BGHSt 35, 43, 48). Amphetamin ist nach Anl. III zu § 1 Abs. 1 BtMG das Racemat (RS)-1-phenylpropan-2-ylazan, bestehend aus dem "rechtsdrehenden" Dexamphetamin [(S)-1-phenylpropan-2ylazan; Anl. III zu § 1 Abs. 1 BtMG] und dem "linksdrehenden" Levamphetamin [(R)-1-phenylpropan-2-ylazan; Anl. II zu § 1 Abs. 1 BtMG]. Im Einzelnen hat sich der Bundesgerichtshof davon leiten lassen, dass die hohe Dosis für den nicht Amphetamingewohnten bei 50 mg anzunehmen sei, indes Toleranzent- wicklung und der Wunsch, stärkere Effekte zu erleben, zu immer stärkeren Dosen führten. Bei intravenöser Verabreichung könnten so Einzeldosen von 160 mg bis zu zehnmal täglich oder von 1.000 mg in Abständen von wenigen Stunden erreicht werden. Bei oraler Einnahme könne es zu Einzeldosen von 200 mg Amphetamin und mehr kommen. Der Missbrauch führe zu psychischer, wenn auch nicht zu körperlicher Abhängigkeit. Er könne indes nicht nur psychische , sondern auch schwerwiegende physische Folgeschäden nach sich ziehen. Zu beobachten seien überwache Zustände, ängstliche Getriebenheit, Aggressivität , Depressionen, illusionäre Verkennungen, Störungen des Urteilsvermögens , Depersonalisationserscheinungen, Hyperthermie, Kreislaufkollaps oder Herzversagen sowie Gehirnschädigungen. Persönlichkeitsveränderungen gingen mit beruflichem und sozialem Abstieg einher. "Amphetamin-Psychosen" träten nicht nur als Folge eines chronischen Missbrauchs, sondern auch als akutes Vergiftungssymptom auf. Als psychisches Stimulans erweise sich Amphetamin häufig als Schrittmacher für eine Polytoxikomanie. Die Gefahr einer Wiederaufnahme der Missbrauchsgewohnheiten nach einer Entzugsperiode sei hoch. Todesfälle seien andererseits eher selten. In Abwägung dieser Umstände hat der Bundesgerichtshof die nicht geringe Menge schließlich beim 200-fachen der Einzeldosis von 50 mg als erreicht angesehen (vgl. Urteil vom 1. September 1987 - 1 StR 191/87, BGHSt 35, 43, 48).
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Hierbei bezieht sich der Senat auf die in ständiger Rechtsprechung vom Bundesgerichtshof angewandte Methode (vgl. nur BGH, Urteile vom 3. Dezember 2008 - 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89 und vom 17. November 2011 - 3 StR 315/10, BGHSt 57, 60). Danach ist der Grenzwert der nicht geringen Menge eines Betäubungsmittels stets in Abhängigkeit von dessen konkreter Wirkungsweise und -intensität festzulegen. Maßgeblich ist zunächst die äußerst gefährliche, gar tödliche Dosis des Wirkstoffs (BGH, Urteil vom 22. Dezember 1987 - 1 StR 612/87, BGHSt 35, 179). Fehlen hierzu gesicherte Erkenntnisse, so errechnet sich der Grenzwert als ein Vielfaches der durchschnittlichen Konsumeinheit eines nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten Konsumenten. Das Vielfache ist nach Maßgabe der Gefährlichkeit des Stoffes, insbesondere seines Abhängigkeiten auslösenden oder sonst die Gesundheit schädigenden Potentials zu bemessen (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2008 - 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89). Lassen sich auch zum Konsumverhalten keine ausreichenden Erkenntnisse gewinnen, so entscheidet ein Vergleich mit verwandten Wirkstoffen (vgl. BGH, Urteile vom 24. April 2007 - 1 StR 52/07, BGHSt 51, 318 und vom 17. November 2011 - 3 StR 315/10, BGHSt 57, 60).
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b) Nach diesen Maßstäben hat der Bundesgerichtshof den Grenzwert der nicht geringen Menge für Amphetamin mit 10 g Amphetamin-Base bestimmt (Urteil vom 11. April 1985 - 1 StR 507/84, BGHSt 33, 169; vgl. auch Urteil vom 1. September 1987 - 1 StR 191/87, BGHSt 35, 43, 48). Amphetamin ist nach Anl. III zu § 1 Abs. 1 BtMG das Racemat (RS)-1-phenylpropan-2-ylazan, bestehend aus dem "rechtsdrehenden" Dexamphetamin [(S)-1-phenylpropan-2ylazan; Anl. III zu § 1 Abs. 1 BtMG] und dem "linksdrehenden" Levamphetamin [(R)-1-phenylpropan-2-ylazan; Anl. II zu § 1 Abs. 1 BtMG]. Im Einzelnen hat sich der Bundesgerichtshof davon leiten lassen, dass die hohe Dosis für den nicht Amphetamingewohnten bei 50 mg anzunehmen sei, indes Toleranzent- wicklung und der Wunsch, stärkere Effekte zu erleben, zu immer stärkeren Dosen führten. Bei intravenöser Verabreichung könnten so Einzeldosen von 160 mg bis zu zehnmal täglich oder von 1.000 mg in Abständen von wenigen Stunden erreicht werden. Bei oraler Einnahme könne es zu Einzeldosen von 200 mg Amphetamin und mehr kommen. Der Missbrauch führe zu psychischer, wenn auch nicht zu körperlicher Abhängigkeit. Er könne indes nicht nur psychische , sondern auch schwerwiegende physische Folgeschäden nach sich ziehen. Zu beobachten seien überwache Zustände, ängstliche Getriebenheit, Aggressivität , Depressionen, illusionäre Verkennungen, Störungen des Urteilsvermögens , Depersonalisationserscheinungen, Hyperthermie, Kreislaufkollaps oder Herzversagen sowie Gehirnschädigungen. Persönlichkeitsveränderungen gingen mit beruflichem und sozialem Abstieg einher. "Amphetamin-Psychosen" träten nicht nur als Folge eines chronischen Missbrauchs, sondern auch als akutes Vergiftungssymptom auf. Als psychisches Stimulans erweise sich Amphetamin häufig als Schrittmacher für eine Polytoxikomanie. Die Gefahr einer Wiederaufnahme der Missbrauchsgewohnheiten nach einer Entzugsperiode sei hoch. Todesfälle seien andererseits eher selten. In Abwägung dieser Umstände hat der Bundesgerichtshof die nicht geringe Menge schließlich beim 200-fachen der Einzeldosis von 50 mg als erreicht angesehen (vgl. Urteil vom 1. September 1987 - 1 StR 191/87, BGHSt 35, 43, 48).

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.