Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Feb. 2015 - 1 StR 20/15

bei uns veröffentlicht am10.02.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 2 0 / 1 5
vom
10. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Februar 2015 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Augsburg vom 17. Juli 2014 wird als unbegründet verworfen, da
die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Soweit die Revision behauptet, die zur Verweigerung des Zeugnisses
gemäß § 52 Abs. 1 StPO berechtigten Zeugen seien anlässlich ihrer Vernehmung
vor der Strafkammer vom Vorsitzenden nicht hinreichend darüber belehrt
worden, welche Folgen eine Gestattung der Verwertung ihrer polizeilichen Vernehmungen
habe, ist ein Rechtsfehler nicht ersichtlich.
Unabhängig von der Frage, ob diese Rügen im Sinne von § 344 Abs. 2
Satz 2 StPO zulässig ausgeführt sind, sind sie jedenfalls unbegründet, denn die
"qualifizierte" Belehrung des Vorsitzenden entsprach den Anforderungen, die
von der Rechtsprechung hierfür formuliert worden sind. Danach kann ein zur
Zeugnisverweigerung berechtigter Zeuge die Verwertung seiner in einer polizeilichen
Vernehmung getätigten Angaben wirksam gestatten, wenn er zuvor über
die Folgen des Verzichts ausdrücklich belehrt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom
23. September 1999 - 4 StR 189/99, BGHSt 45, 203, 208; BGH, Beschlüsse
vom 26. September 2006 - 4 StR 353/06, NStZ 2007, 352, 353 und vom
13. Juni 2012 - 2 StR 112/12, BGHSt 57, 254, 256).
Anders als die Revision meint, gehört zum Inhalt dieser Belehrung nicht,
dass die Angaben des Zeugen vor dem Ermittlungsrichter auch ohne seine Zustimmung
in der Hauptverhandlung verwertet werden können; eine solche "qualifizierte"
Belehrung soll nach Auffassung des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs
durch den Ermittlungsrichter bei der Vernehmung eines zur Zeugnisverweigerung
berechtigten Zeugen erfolgen, damit diese Angaben trotz späterer
Zeugnisverweigerung in der Hauptverhandlung verwertet werden können
(vgl. BGH, Anfragebeschluss vom 4. Juni 2014 - 2 StR 656/13, NStZ 2014, 596;
abweichend hierzu BGH, Beschlüsse vom 16. Dezember 2014 - 4 ARs 21/14,
NStZ-RR 2015, 48, vom 8. Januar 2015 - 3 ARs 20/14 und vom 14. Januar
2015 - 1 ARs 21/14). In der Hauptverhandlung muss hingegen der dann das
Zeugnis verweigernde Zeuge lediglich ausdrücklich darauf hingewiesen werden
, welche Konsequenzen die Gestattung der Verwertung seiner früheren vor
der Polizei getätigten Angaben hat (vgl. auch BGH, Beschluss vom 4. Juni 2014
- 2 StR 656/13, NStZ 2014, 596, 598). Dies ist vorliegend in vollem Umfang geschehen.
Rothfuß Graf Jäger
Cirener Mosbacher

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 52 Zeugnisverweigerungsrecht der Angehörigen des Beschuldigten


(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt 1. der Verlobte des Beschuldigten;2. der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;2a. der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteh

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 353/06
vom
26. September 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 26. September 2006 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 10. März 2006 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in zwei Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in vier weiteren Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Nötigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision , mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
2
1. Der Beschwerdeführer macht mit Recht das Vorliegen des absoluten Revisionsgrundes des § 338 Nr. 5 StPO geltend.
3
a) Der Rüge liegt folgender, von dem Beschwerdeführer vollständig vorgetragener Verfahrensgang zu Grunde: Am ersten Tag der Hauptverhandlung schloss die Strafkammer den Angeklagten gemäß § 247 Satz 1 StPO und die Öffentlichkeit gemäß § 171 b Abs. 1 GVG "während der Vernehmung der Zeugin Jaqueline B." von der Verhandlung aus. Nach Ausführung des Beschlusses erschien diese Zeugin, die in diesem Verfahren Nebenklägerin ist. Als Stieftochter des Angeklagten u.a. nach § 52 StPO belehrt, erklärte sie, nicht aussagen zu wollen. Weiter ist im Protokoll festgehalten: "Sach- und Rechtslage wurde erörtert. Die Zeugin erklärte: 'Ich bin damit einverstanden, dass alles das verwertet wird, was ich in diesem Verfahren gegenüber der Kriminalpolizei, dem aussagepsychologischen Sachverständigen Dipl.-Psych. D. und der Richterin am AG R. gegenüber gesagt habe'. v.u.g. Die Öffentlichkeit wurde um 12.05 Uhr wieder hergestellt, die Zeugin wurde entlassen und der Angeklagte wieder vorgeführt. Dem Angeklagten wurde der wesentliche Inhalt der Aussage der Zeugin B. bekannt gegeben. Der Angeklagte äußerte sich dazu nicht".
4
b) Bei diesem Verfahrensgang beanstandet die Revision mit Erfolg, dass der Angeklagte bei der Verhandlung über die Entlassung der Zeugin B. nicht anwesend war. Der Ausschluss des Angeklagten von der Verhandlung gemäß § 247 StPO ließ die Entfernung des Angeklagten nur während der Vernehmung der Zeugin zu. Die Verhandlung über die Entlassung gehört aber nicht mehr zur Vernehmung, sondern ist ein selbständiger Verfahrensabschnitt und grundsätzlich auch ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung (st. Rspr.; vgl. MeyerGoßner StPO 49. Aufl. § 247 Rdn. 20 m. Rechtsprechungsnachweisen). Der Angeklagte, dessen Entfernung aus dem Sitzungssaal während der Vernehmung eines Zeugen durch das Gericht angeordnet worden ist, muss daher zur Verhandlung über die Entlassung des Zeugen wieder zugelassen werden. Das ist hier nicht geschehen.
5
c) Ein Ausnahmefall, in dem trotz vorschriftswidriger Abwesenheit des Angeklagten während der Verhandlung über die Entlassung der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO nicht eingreift, liegt nicht vor (vgl. BGH StV 2000, 239 m.w.N.). Insbesondere kann unter den hier gegebenen Umständen auch nicht ausnahmsweise schon denkgesetzlich jegliches Beruhen des Urteils auf der bloßen Abwesenheit des Angeklagten während der Entscheidung über die Entlassung der Zeugin ausgeschlossen werden (vgl. dazu zuletzt Senatsbeschluss vom 11. Mai 2006 - 4 StR 131/06 m.w.N.). Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob ein solcher Ausnahmefall dann anzunehmen wäre, wenn die Zeugin unter Berufung auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht "schlicht" jegliche Angaben, die sich auf die Sache beziehen, unterlassen hätte. So liegt es hier im Hinblick darauf, dass die Zeugin trotz ihrer berechtigten Zeugnisverweigerung entsprechend der Senatsentscheidung BGHSt 45, 203 die Verwertung der bei ihren nicht richterlichen Vernehmungen gemachten Angaben gestattet und damit auf das in § 252 StPO enthaltene Verwertungsverbot verzichtet hat, nicht. Ob es sich anders verhielte, wenn die Zeugin diesen Verzicht von sich aus und ohne weitere Angaben erklärt hätte, kann dahin stehen. Denn die Gründe des angefochtenen Urteils weisen aus, dass die Zeugin - ersichtlich im Rahmen der im Protokoll der Hauptverhandlung vermerkten Erörterung der Sach- und Rechtslage - ihr prozessuales Verhalten näher erläutert und angegeben hat, "sie habe nicht im Hinblick und mit Rücksicht auf die Zwangslage, die Wahrheit zu sagen und dadurch dem Angeklagten zu schaden, von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, sondern um nicht noch einmal eine emotional und für sie schmerzhafte Befragung durchzustehen" (UA 11). Damit hat sie sich inzidenter auch zum Wahrheitsgehalt ihrer früheren Angaben geäußert, die eine wesentliche Grundlage für die Überzeugungsbildung der Strafkammer darstellen.
6
Bei dieser Sachlage musste dem Angeklagten Gelegenheit gegeben werden, die Erläuterung der Zeugin B. in ihrer Anwesenheit, jedenfalls aber vor ihrer Entlassung, zu hinterfragen, um möglicherweise auf eine Änderung ihrer Entscheidung hinzuwirken. Deshalb kann ein denkgesetzlicher Aufschluss des Beruhens auch nicht damit begründet werden, dass der Angeklagte nach Entlassung der Zeugin und seiner Unterrichtung gemäß § 247 Satz 4 StPO sich nicht geäußert hat.
7
2. Für die neuerliche Hauptverhandlung bemerkt der Senat mit Blick auf die weitere im Zusammenhang mit der Vernehmung der Zeugin B. auf die Verletzung des § 252 StPO gestützte Verfahrensrüge, dass ein Zeuge, der - wie die Zeugin B. - trotz Zeugnisverweigerung die Verwertung seiner bei nicht richterlichen Vernehmungen gemachten Angaben gestattet, über die Folgen seines Verzichts auf das sonst bestehende Verwertungsverbot ausdrücklich zu belehren ist (BGHSt 45, 203, 208; Meyer-Goßner aaO § 252 Rdn. 16 a). Diese "qualifizierte" Belehrung ist - nicht anders als die "qualifizierte" Rechtsmittelbelehrung nach einer Urteilsabsprache (BGHSt - GSS - 50, 40) - eine wesentliche Förmlichkeit und deshalb nach den allgemeinen Grundsätzen (vgl. Engelhardt in KK 5. Aufl. § 273 Rdn. 4) zu protokollieren (§ 273 Abs. 1 StPO).
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 6 5 6 / 1 3
vom
4. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Juni 2014 beschlossen:
1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Die Verwertung einer früheren richterlichen Vernehmung eines Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, durch Vernehmung der richterlichen Vernehmungsperson ist nur dann zulässig, wenn dieser Richter den Zeugen nicht nur über sein Zeugnisverweigerungsrecht , sondern auch qualifiziert über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren belehrt hat. 2. Der Senat beabsichtigt, entgegenstehende eigene Rechtsprechung aufzugeben, und fragt bei den übrigen Strafsenaten an, ob diese an entgegenstehender Rechtsprechung festhalten.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Nach den Feststellungen des Landgerichts tötete er seine Ehefrau am 22. September 2012 durch insgesamt 60 Stiche und Schnitte mit einem Messer. Hintergrund der Tat war die Eifersucht des Angeklagten auf einen Nebenbuhler, mit dem seine Ehefrau seit längerer Zeit eine auch intime Beziehung unterhielt, und seine mangelnde Bereitschaft, eine von dem Tatopfer angekündigte Trennung hinzunehmen. Das Schwurgericht hat insoweit angenommen , der Angeklagte habe aus niedrigen Beweggründen gehandelt.

I.

2
Die Revision des Angeklagten erhebt die allgemeine Sachrüge und macht mit der Verfahrensrüge eine Verletzung der §§ 252, 52 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 StPO geltend. Das Landgericht habe seine Überzeugung vom Tathergang maßgeblich auch auf Angaben der Tochter des Angeklagten gestützt, die diese im Ermittlungsverfahren gegenüber einem nunmehr in der Hauptverhandlung vernommenen Richter gemacht hatte, ohne dass sie zuvor darüber belehrt worden sei, dass bei späterer Zeugnisverweigerung in der Hauptverhandlung ihre zuvor beim Richter gemachten Angaben verwertet werden könnten. Dies müsse zu einem Verwertungsverbot führen, nachdem sie in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO Gebrauch gemacht habe und sich mit einer Verwertung ihrer Angaben im Ermittlungsverfahren nicht einverstanden erklärt habe. Die bisher in der Rechtsprechung anerkannte Ausnahme einer Vernehmung der richterlichen Verhörsperson stehe mit dem Schutzzweck des § 252 StPO nicht in Einklang, jedenfalls sei es notwendig, den Zeugen vor einer ermittlungsrichterlichen Befragung qualifiziert auf die spätere Verwertbarkeit der Angaben hinzuweisen.
3
Der Senat hält die Verfahrensrüge für erfolgversprechend (unten II.), hat aber auch Bedenken hinsichtlich der Annahme des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe (unten III.).

II.

4
1. § 252 StPO schließt es aus, die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen zu verlesen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht Gebrauch macht, das Zeugnis zu verweigern. Über den Wortlaut hinaus enthält die Vorschrift nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht nur ein Verlesungs-, sondern auch ein Verwertungsverbot. Die- ses schließt auch jede andere Verwertung der bei einer früheren Vernehmung gemachten Aussage aus, wenn ein Zeuge in der Hauptverhandlung nach § 52 StPO berechtigt das Zeugnis verweigert und nicht ausdrücklich die Verwertung seiner früheren Bekundungen gestattet. Auch die Vernehmung einer Vernehmungsperson über den Inhalt der früheren Vernehmung ist unzulässig. Von diesem Verbot sind nur solche Bekundungen ausgenommen, die der Zeuge - nach Belehrung über sein Zeugnisverweigerungsrecht - vor einem Richter gemacht hat. Sie dürfen durch Vernehmung des Richters in die Hauptverhandlung eingeführt und bei der Urteilsfindung verwertet werden (st. Rspr.; vgl. zuletzt etwa BGHSt 45, 342, 345; 46, 189, 195; 49, 68, 76 f.; 57, 254, 256, jew. mwN).
5
a) Diese differenzierende Behandlung im Umgang mit dem Verwertungsverbot des § 252 StGB begründet der Bundesgerichtshof mit dem Unterschied zwischen richterlichen und nichtrichterlichen Vernehmungen. In älteren Entscheidungen hat er sich in erster Linie darauf berufen, dass der Richter - anders als der vernehmende Polizeibeamte oder der Staatsanwalt - verpflichtet sei, Zeugen auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht hinzuweisen (BGHSt 2, 99, 106). Seit Inkrafttreten des § 163a Abs. 5 StPO, der auch für Vernehmungen durch die Polizei und die Staatsanwaltschaft eine Belehrung der Zeugen über ihr Zeugnisverweigerungsrecht vorschreibt, sieht die Rechtsprechung das tragende Argument für die unterschiedliche Behandlung richterlicher und nichtrichterlicher Vernehmungen darin, dass das Gesetz - wie aus § 251 Abs. 1 und Abs. 2 StPO zu entnehmen sei - richterlichen Vernehmungen ganz allgemein höheres Vertrauen entgegenbringe (BGHSt 21, 218, 219; 36, 385, 386). Zusätzlich wird die Zulässigkeit der Vernehmung der richterlichen Verhörsperson mit der für den Zeugen erkennbaren und regelmäßig von ihm empfundenen erhöhten Bedeutung der richterlichen Vernehmung für das Strafverfahren gerechtfertigt. Diesem stehe nach der Belehrung durch den Richter deutlicher als bei einer polizeilichen Vernehmung vor Augen, dass er sich zwar aus dem ihn treffenden Interessenwiderstreit durch Gebrauchmachen von dem Zeugnisverweigerungsrecht befreien, aber im Falle der Aussage seine Angaben nicht ohne Weiteres wieder beseitigen könne (BGHSt 49, 72, 77). Schließlich soll die Ungleichbehandlung von Aussagen vor einem Ermittlungsrichter und vor nichtrichterlichen Ermittlungspersonen einen sachlichen Grund darin finden, dass der Ermittlungsrichter in besonderer Weise geeignet - und in vielfältiger Weise vom Gesetzgeber dafür vorgesehen - sei, präventiven Rechtsschutz zu gewährleisten (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2491/07, juris Rn.4).
6
b) Ihre materielle Rechtfertigung findet die Ausnahme vom Verwertungsverbot des § 252 StPO nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in einer Güterabwägung. Angesichts eines nach Belehrung bewusst erklärten Verzichts auf die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts in der verfahrensrechtlich hervorgehobenen Situation einer richterlichen Vernehmung ist das öffentliche Interesse an einer effektiven Strafrechtspflege von höherem Gewicht als das Interesse des Zeugen, sich die Entscheidungsfreiheit über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts bis zur späteren Hauptverhandlung erhalten zu können (vgl. BGHSt 45, 342, 346; 46, 189, 195; BGH, Urteil vom 25. März 1998 - 3 StR 686/97, BGHR StPO § 252 Verwertungsverbot 14). Durch diese Ausnahme vom Verwertungsverbot ist den Ermittlungsbehörden im Regelfall durch Herbeiführung einer richterlichen Vernehmung der Weg eröffnet , eine verwertbar bleibende Aussage zu erhalten.
7
2. Voraussetzung für eine Ausnahme vom grundsätzlichen Verwertungsverbot des § 252 StPO ist eine ordnungsgemäße richterliche Belehrung über das Bestehen eines Zeugnisverweigerungsrechts und die sich daraus ergebende Möglichkeit für den Zeugen, aus diesem Grund keine Angaben zur Sache zu machen. Nicht erforderlich ist es hingegen nach der bisherigen, vom 2. Strafsenat begründeten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, den aussageverweigerungsberechtigten Zeugen über die Folgen eines Verzichts auf das Auskunftsverweigerungsrecht, insbesondere über die weitere Verwertbarkeit auch im Falle einer späteren Zeugnisverweigerung in der Hauptverhandlung , "qualifiziert" zu belehren (BGHSt 32, 25, 31 f.; BGH, Beschluss vom 12. April 1984 - 4 StR 229/84, StV 1984, 326; Urteil vom 30. August 1984 - 4 StR 475/84, NStZ 1985, 36). Begründet wurde dies mit der Erwägung, dass ein Zeuge nicht einmal auf die Möglichkeit des Widerrufs eines erklärten Verzichts auf sein Zeugnisverweigerungsrecht noch während der laufenden Vernehmung hingewiesen werden müsse; umso weniger sei es deshalb geboten, ihn schon vorsorglich für den Fall, dass er in der Hauptverhandlung das Zeugnis verweigern sollte, über die Auswirkungen auf die Verwertbarkeit seiner Aussage hinzuweisen (BGHSt 32, 25, 32). Ergänzend wurde angeführt, für die Annahme einer solchen Belehrungs- oder Hinweispflicht fehle es an einer gesetzlichen Grundlage (BGH, NStZ 1985, aaO). Diese Begründung erscheint dem Senat nicht mehr tragfähig.
8
3. a) Aufgabe des Strafprozesses ist es, den Strafanspruch des Staates um des Schutzes der Rechtsgüter Einzelner und der Allgemeinheit willen in einem justizförmigen Verfahren durchzusetzen und dem mit Strafe Bedrohten eine wirksame Sicherung seiner Grundrechte zu gewährleisten. Der Strafprozess hat das aus der Würde des Menschen als eigenverantwortlich handelnder Person abgeleitete Prinzip, dass keine Strafe ohne Schuld verhängt werden darf (vgl. BVerfGE 80, 244, 255; 95, 96, 140), zu sichern und entsprechende verfahrensrechtliche Vorkehrungen bereitzustellen. Zentrales Anliegen des Strafprozesses ist die Ermittlung des wahren Sachverhalts, ohne den sich das materielle Schuldprinzip nicht verwirklichen lässt (vgl. BVerfGE 122, 248, 270 mwN).
9
Die Wahrheitserforschung im Strafprozess hat jedoch Grenzen, zur Wahrung des Schutzes eines Beschuldigten oder auch anderer Verfahrensbeteiligter , die nicht zum Objekt des Verfahrens gemacht werden dürfen und in der Strafprozessordnung wie auch in der Verfassung deshalb mit eigenen prozessualen Rechten ausgestattet sind, die der Wahrheitserforschung im Wege stehen können. Das Recht eines als Zeugen vernommenen Angehörigen des Beschuldigten im Sinne von § 52 Abs. 1 StPO, das Zeugnis - ohne Angabe von Gründen - zu verweigern, ist ein solches Recht (vgl. BVerfG, NStZ-RR 2004, 18, 19). Es gründet sich auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des verwandten Zeugen aus Art. 2 Abs. 1 GG, das die Aufgabe hat, die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen zu gewährleisten, die sich durch die traditionellen konkreten Freiheitsgarantien nicht abschließend erfassen lassen (BVerfGE 54, 148, 153; 72, 155, 170). Es umfasst sowohl die in § 52 StPO geregelte Freiheit, ein Zeugnis betreffend eines nahen Angehörigen verweigern zu können, wie auch die Option, früher getätigte Aussagen der Verwertung im Strafverfahren wieder zu entziehen.
10
§ 52 StPO trägt der besonderen Lage eines Zeugen Rechnung, der als Angehöriger des Beschuldigten der Zwangslage ausgesetzt sein kann, seinen Angehörigen zu belasten oder die Unwahrheit sagen zu müssen. Niemand soll gezwungen sein, aktiv zur Überführung eines Angehörigen beizutragen, weil der Zwang zur Belastung von Angehörigen mit dem Persönlichkeitsrecht des Zeugen unvereinbar wäre wie ein gegen den Zeugen geübter Zwang zur Selbstbelastung (BVerfG, NStZ-RR 2004, 18, 19). Die Regelung lässt das öffentliche Interesse an möglichst unbehinderter Strafverfolgung hinter das persönliche Interesse des Zeugen zurücktreten, nicht gegen einen Angehörigen aussagen zu müssen (BGHSt 12, 235, 239).
11
Die Konfliktsituation zwischen Wahrheitspflicht und Näheverhältnis wirkt zeitlich regelmäßig über die erste Zeugenaussage vor der Polizei hinaus fort. Aus diesem Grund erweitert § 252 StPO den Schutz des Zeugen, der eine einmal gemachte Aussage bis zur Hauptverhandlung für ihn folgenlos wieder rückgängig machen kann, ohne sie durch eine neue Aussage ersetzen zu müssen, bei deren Abgabe er wiederum dem beschriebenen Spannungsverhältnis ausgesetzt wäre. Allein die Geltendmachung des Zeugnisverweigerungsrechts in der Hauptverhandlung nach § 52 StPO würde die Zwangslage nicht beseitigen, wenn bereits eine zuvor getätigte Aussage vorliegt, die über die Verlesung dieser Aussage oder auch über die Vernehmung der Verhörsperson in die Hauptverhandlung eingeführt werden könnte. § 252 StPO löst damit - auch im Verständnis des Bundesgerichtshofs, der, wie dargelegt, § 252 StPO nicht nur als Verlesungs-, sondern als Verwertungsverbot versteht - grundsätzlich den Konflikt zwischen Aufklärungsinteresse und Zeugenschutz.
12
b) Die in der Rechtsprechung seit jeher anerkannte Ausnahme von der vorstehenden Regel durch Vernehmung einer früheren richterlicher Vernehmungsperson - unter der Voraussetzung damaliger Belehrung des Zeugen über sein Zeugnisverweigerungsrecht - führt zu einer Austarierung von öffentlichem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung und den die Regelung der §§ 52, 252 StPO tragenden Schutzzwecküberlegungen, die auch heute noch - trotz der hiergegen in der Literatur seit jeher (vgl. aus älterer Zeit etwa: Eb. Schmidt, JR 1959, 369, 373; Grünwald, JZ 1966, 489, 497 f.; Peters, JR 1967, 467 f.; Eisenberg, NStZ 1988, 488, 489; Fezer, JZ 1990, 875, 876; Geerds, JuS 1991, 199, 200) erhobenen Einwendungen (Sander/Cirener, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 252, Rn. 10: kriminalpolitische Zweckmäßigkeitsentscheidung , die weder im Wortlaut noch im Regelungszweck des § 252 StPO eine Stütze finde; so auch: Pauly, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 252, Rn. 25; s. ferner : Velten, in: SK-StPO, 4. Aufl., § 252, Rn. 4; Kudlich/Schuhr, in: SSW-StPO, § 252, Rn. 20; Güntge, in: Alsberg, Der Beweisantrag im Strafprozess, 6. Aufl., Rn. 881) - gerechtfertigt erscheint (vgl. aber auch BGHSt 49, 72, 78 f., wo der BGH auf den Wertungswiderspruch hinweist, dass auf eine Bild-TonAufzeichnung einer früheren richterlichen Vernehmung nach § 255a Abs. 1 StPO nicht, hingegen auf die Vernehmung des Richters als weniger zuverlässigem Beweismittel zurückgegriffen werden kann, ohne die althergebrachte Rechtsprechung in Frage zu stellen) und auch nicht zu einer bedenklichen Einschränkung von Zeugenrechten führt.
13
Schon in seiner Grundsatzentscheidung im Jahre 1952 hat der Bundesgerichtshof diese Rechtsprechung nicht allein auf die formale Überlegung gestützt , dass der Richter - im Gegensatz zu Polizei und Staatsanwaltschaft - zur Belehrung über ein Auskunftsverweigerungsrecht verpflichtet sei. Er hat zudem auf die für den Zeugen erkennbare und regelmäßig von ihm empfundene (sich auch aus § 251 StPO ergebende) erhöhte Bedeutung der richterlichen Vernehmung (dazu auch: Pauly, aaO, § 252, Rn. 25) und dessen nach ordnungsgemäßer Belehrung und in Kenntnis der Tragweite seines Verhaltens getroffene Entschließung abgestellt, an welcher er im Interesse der Wahrheitsfindung festgehalten werden könne. Dieses Argument trägt auch heute noch grundsätzlich - ohne dass es auf die von der Revision angezweifelte besondere "Qualität" oder "Dignität" einer richterlichen Vernehmung ankäme (vgl. insoweit auch Eisenberg , NStZ 1988, 488; Geerds, JuS 1991, 199, 200) - die Differenzierung zwischen polizeilich getätigten Aussagen und solchen, die in einer richterlichen Vernehmung gemacht werden (zustimmend: Diemer, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl., § 252, Rn. 22, 26; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl. § 252, Rn. 14). Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass damit spätere unlautere Beeinflussungsversuche auf einen Zeugen, durch welche die Wahrheitsermittlung im Strafverfahren Not leiden würde, genauso verhindert werden können (vgl. BGHSt 2, 99, 109; 27, 139, 143; 45, 342, 347) wie wirksam der Gefahr begegnet werden kann, dass sich ein Zeuge zum Herrn des Verfahrens macht und dadurch die Wahrheitsermittlung vereitelt (vgl. schon BGHSt 2, 199, 107 f.; s. auch BGHSt 45, 342, 347 f.).
14
Ob an diesen Grundsätzen für richterliche Vernehmungen außerhalb eines Ermittlungsverfahrens festzuhalten ist, etwa für Angaben in einem familiengerichtlichen Verfahren, in dem ein Interesse daran bestehen kann, in diesem Verfahren Angaben zu machen, ohne dass eine Strafverfolgung gewünscht oder beabsichtigt ist, bedarf hier keiner Entscheidung (gegen die Möglichkeit der Verwertung insoweit mit beachtlichen Argumenten Sander/Cirener, aaO, § 252, Rn. 30; vgl. auch BGHSt 36, 384 ff. m. Anm. Hassemer JuS 1990, 1023, 1024; dazu auch Julius, in: Heidelberger Kommentar zur StPO, 5. Aufl., § 252, Rn. 10; Fezer, JZ 1990, 875, 876; Geerds, JuS 1991, 199, 201).
15
c) Abweichend von der bisherigen Rechtsprechung sieht der Senat diese Ausgangs-Überlegung aber nur dann als gerechtfertigt an, wenn der Zeuge in der im Ermittlungsverfahren durchgeführten richterlichen Vernehmung ausdrücklich auch darüber belehrt worden ist, dass eine jetzt gemachte Aussage auch dann verwertbar bleibt, wenn er in einer späteren Hauptverhandlung vom Recht der Aussageverweigerung Gebrauch macht (so auch Julius, aaO, § 252, Rn. 2; a. A. ohne nähere Begründung etwa Diemer, aaO, § 252, Rn. 28; weitere abweichende Meinungen zitieren gleichfalls nur die genannte Rechtsprechung). Erforderlich ist daher eine "qualifizierte" Belehrung, welche den Zeugen umfassend in die Lage versetzt, über seine Aussagebereitschaft und deren mögliche Folgen für das spätere Verfahren zu entscheiden, und zugleich die Ausnahme von einem umfassenden Verwertungsverbot bei einer richterlichen Vernehmung legitimiert.
16
aa) Zu Recht hat der BGH vielfach auf die besondere Bedeutung der Belehrung des Zeugen für dessen Entscheidung hingewiesen, Angaben zu machen (BGHSt 2, 99, 106; zur Bedeutung der Belehrung s. auch BGHSt 9, 195, 197; 32, 25, 30 f.; so auch Diemer, aaO, § 252, Rn. 28). Zu der hierfür erforderlichen umfassenden Information gehört aber nicht allein die Kenntnis eines zum Zeitpunkt der Vernehmung bestehenden Zeugnisverweigerungsrechts, sondern auch die Kenntnis über die möglichen verfahrensrechtlichen Konsequenzen der Aussagebereitschaft. Denn für die in den meisten Fällen nicht rechtskundigen Zeugen liegt es in der Regel fern, sich zum Zeitpunkt einer (richterlichen) Vernehmung im Ermittlungsverfahren von sich aus Gedanken darüber zu machen, ob auch bei späterer Aussageverweigerung - für welche es eine Vielzahl nicht zu überprüfender Gründe geben kann - ihre Aussage verwertbar bleibt. Die von §§ 52, 252 StPO geschützten Interessen gebieten es vor diesem Hintergrund, den Zeugen auch darüber zu belehren, dass er an zu diesem Zeitpunkt endgültig und unwiderruflich über die Wahrnehmung des ihm zustehenden Zeugnisverweigerungsrechts zu entscheiden hat. Geschieht dies - wie bisher - nicht, leidet der Entschluss des Zeugen an einem durchgreifenden Mangel, weil er sich dieser Konsequenz seines Handelns nicht bewusst ist (vgl. zur notwendigen Belehrung eines Zeugen, der Angaben in der Hauptverhandlung verweigern , aber der Verwertung zuvor gemachter polizeilicher Angaben zulassen möchte, BGH, Beschluss vom 18. Juli 2007 - 1 StR 296/07, NStZ 2007, 712, 713).
17
Eine in diesem Sinn qualifizierte Belehrung bietet hingegen eine sichere Grundlage für die Entscheidung des Zeugen. Sie kann zudem seinen Blick auf die bei ihm bestehende Konfliktsituation schärfen, die ansonsten für den Angehörigen oft erst unmittelbar vor und während der Hauptverhandlung erkenn- und spürbar wird (vgl. Eisenberg, NStZ 1988, 488, 489; so auch Sander/Cirener, aaO, § 252, Rn. 10).
18
Sofern man anders als der Senat davon ausginge, der Zeuge sei angesichts des Verfahrensgangs ohnehin meist der Ansicht, dass mit der richterlichen Vernehmung seine Angaben für eine spätere Hauptverhandlung gesichert werden sollen, würde dies keinen genügenden Grund darstellen, von einer entsprechenden Belehrungspflicht abzusehen. Diese würde insoweit jedenfalls die "Ausnahmefälle" erfassen, in denen es an der entsprechenden Kenntnis fehlt; für die Praxis der Strafverfolgung hätte sie überdies keine besondere Relevanz, weil die maßgeblichen Entscheidungen der Zeugen schon jetzt in umfassender Kenntnis der damit verbundenen Auswirkungen getroffen würden.
19
bb) Der Annahme einer Belehrungspflicht stehen die bisher in der Rechtsprechung des BGH hiergegen vorgebrachten Erwägungen nicht entgegen. Dass es an einer gesetzlichen Grundlage hierfür fehle (so BGH, Urteil vom 30. August 1984 - 4 StR 475/84, NStZ 1985, 36), ist zwar zutreffend, schließt aber die vom Senat befürwortete Anerkennung einer entsprechenden Belehrung gerade nicht aus. Denn es handelt sich um Erwägungen und Anforderungen im Bereich der richterrechtlich begründeten Ausnahme von dem Beweisverwertungsverbot des § 252 StPO. Es wäre widersprüchlich, ungeschriebene Ausnahmen von einem Verwertungsverbot zuzulassen, für deren rechtsstaatliche Begrenzung aber eine gesetzliche Grundlage zu verlangen. Im Übrigen ist zu bedenken, dass die Rechtsprechung auch in anderen Bereichen gesetzlich nicht vorgesehene Belehrungspflichten entwickelt hat, etwa im Zusammenhang mit § 136a StPO.
20
Soweit der Senat in einer Entscheidung aus dem Jahre 1983 (BGHSt 32, 25, 31 f.) die Ansicht vertreten hat, die Annahme einer Belehrungspflicht bei einer ermittlungsrichterlichen Vernehmung sei nicht geboten, weil auch bei einer Vernehmung in der Hauptverhandlung kein Hinweis vonnöten sei, dass der in der Aussage liegende Verzicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht jeder- zeit, auch noch während laufender Vernehmung, widerrufen werden könne, hält er daran nicht fest. Die Situation eines Zeugen, der sich in der Hauptverhandlung dazu entschlossen hat, trotz Bestehen eines Auskunftsverweigerungsrechts Angaben zu machen, ist nicht mit der Lage zu vergleichen, in der sich der Zeuge bei einer ermittlungsrichterlichen Vernehmung befindet. Entscheidet sich die ordnungsgemäß belehrte Aussageperson in der Hauptverhandlung zu einer Aussage, liegt dem regelmäßig eine in Kenntnis der Folgen für den verwandten Angeklagten getroffene bewusste Entscheidung zugrunde, die keinen Anhalt für einen bestehenden Willensmangel oder eine kurzfristig (während der Vernehmung) zu erwartende Willensänderung bietet. Bei einer Vernehmung durch einen Richter im Ermittlungsverfahren ist hingegen - wie oben dargelegt - nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass der Zeuge sich der Endgültigkeit seiner Entscheidung, die schon mit Blick auf den zu erwartenden Zeitablauf zwischen dieser Vernehmung und einer späteren Hauptverhandlung und die sich in dieser Zeitspanne möglicherweise ergebenden Entwicklungen im Verhältnis zwischen dem Angeklagten und dem verwandten Zeugen vom Schutzzweck getragene Änderungen unterliegen kann, bewusst ist. Ihn darauf hinzuweisen , ist - anders als in der Hauptverhandlung - ein Gebot, das es ihm erst ermöglicht, verantwortungsvoll über die Wahrnehmung seiner Rechte in der vom Gesetz grundsätzlich als schützenswert angesehenen Situation zu entscheiden.
21
cc) Die vom Senat für notwendig erachtete Belehrungspflicht würde die Effektivität der Strafverfolgung nicht in nennenswertem Umfang in Frage stellen. Es ist nicht zu befürchten, dass die Entscheidungen der großen Mehrzahl der Zeugen nach einer solchen Belehrung anders ausfallen könnte als bisher, selbst wenn es einzelne Zeugen geben mag, für die eine solche Belehrung Anlass sein könnte, von einer Zeugenbekundung Abstand zu nehmen oder auf sie jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt zu verzichten. Dies wäre hinzunehmen, denn es entspricht der gesetzgeberischen Wertung, dem Persönlichkeitsrecht des Zeugen insoweit durch Einschränkung der Wahrheitsermittlung und damit letztlich auch der Strafverfolgung Rechnung zu tragen, und räumt dem Zeugen damit noch keine Befugnisse ein, die ihn - fernab des Konflikts, in dem er sich befindet und den er berechtigt für sich auch durch den Verzicht auf eine Aussage lösen kann - zum "Herren über das Verfahren" machen würde. Eine Effektivität der Strafrechtspflege, welche ihre Kraft wesentlich darauf stützte, dass Personen , deren Rechte dem Schutz des Gesetzes und der Strafverfolgungsorgane anvertraut sind, bewusst unzureichend über ihre Rechtsstellung aufgeklärt werden , wäre eines Rechtsstaats nicht würdig.

III.

22
Auch die Sachrüge erscheint dem Senat erfolgversprechend.
23
Der Senat hat Bedenken hinsichtlich der Annahme des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe. Das Landgericht ist davon ausgegangen, das der Tat ihr Gepräge gebende Hauptmotiv sei die Eifersucht des Angeklagten und seine Weigerung, die Trennung von seiner Ehefrau zu akzeptieren; dies stehe sittlich auf niedrigster Stufe. Dabei hat es zwar das ambivalente Verhalten des Tatopfers in den Blick genommen; die Begründung, mit der die Strafkammer dieses Verhalten als unbeachtlich angesehen hat, erscheint aber bedenklich. Dass der Angeklagte "Handlungsalternativen" gehabt hat und die Situation anders als durch Tötung seiner Ehefrau hätte lösen können, ist in diesem Zusammenhang unerheblich und vermag nicht, dem Opferverhalten, das im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung zu berücksichtigen ist, seine Bedeutung zu nehmen.

IV.

24
Dass der Senat insoweit die landgerichtliche Entscheidung aufheben könnte, ohne dass eine Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage notwendig wäre , ändert aus seiner Sicht allerdings nichts an der Entscheidungserheblichkeit dieser Rechtsfrage (als Voraussetzung einer möglichen Divergenzvorlage). Eine allein auf die Sachrüge gestützte Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung würde unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung ohne Weiteres dazu führen, dass die Schwurgerichtskammer ihrer Entscheidung erneut die über die Vernehmung des Ermittlungsrichters in die Hauptverhandlung eingeführten Angaben der Tochter des Angeklagten zugrunde legen und sich damit aus der Sicht des Senats erneut rechtsfehlerhaft über die geschützten Interessen der Zeugin hinwegsetzen müsste. Fischer Schmitt Krehl Eschelbach Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4ARs 21/14
vom
16. Dezember 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
hier: Anfragebeschluss des 2. Strafsenats vom 4. Juni 2014 – 2 StR 656/13
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Dezember 2014 gemäß
§ 132 Abs. 3 Satz 1 GVG beschlossen:
Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, wonach die Einführung und Verwertung von Angaben eines früher richterlich vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 StPO Gebrauch gemacht hat, durch Vernehmung der richterlichen Vernehmungsperson auch ohne vorherige Belehrung des Zeugen über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage zulässig ist.

Gründe:


I.


1
Der 2. Strafsenat beabsichtigt zu entscheiden: „Die Verwertung einer früheren richterlichen Vernehmung eines Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, durch Vernehmung der richterlichen Vernehmungsperson ist nur dann zulässig, wenn dieser Richter den Zeugen nicht nur über sein Zeugnisverweigerungsrecht , sondern auch qualifiziert über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren belehrt hat."
2
Er hat gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG bei den übrigen Strafsenaten angefragt, ob sie an entgegenstehender Rechtsprechung festhalten.

II.


3
Der beabsichtigten Entscheidung des 2. Strafsenats steht Rechtsprechung des 4. Strafsenats entgegen (Urteile vom 27. April 1978 – 4 StR 180/78, und vom 30. August 1984 – 4 StR 475/84, NStZ 1985, 36, sowie – hinsichtlich der Vorlagefrage nicht tragend – Urteile vom 10. Februar 2000 – 4 StR 616/99, BGHSt 46, 1, 3; vom 20. Februar 1997 – 4 StR 598/96, BGHSt 42, 391, 397; vom 8. März 1979 – 4 StR 634/78, NJW 1979, 1722; Beschlüsse vom 12. April 1984 – 4 StR 229/84, StV 1984, 326; vom 9. Februar 2010 – 4 StR 660/09, NStZ 2010, 406).
4
Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest.
5
1. Die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannte Ausnahme von dem aus § 252 StPO hergeleiteten Verwertungsverbot für den Fall der Vernehmung einer richterlichen Verhörperson über Angaben eines in der Hauptverhandlung unter Berufung auf § 52 StPO schweigenden Zeugen (BGH, Urteil vom 15. Januar 1952 – 1 StR 341/51, BGHSt 2, 99; seither st. Rspr.) wird vom vorlegenden Strafsenat nicht grundsätzlich in Frage gestellt (Anfragebeschluss S. 9 f.) und ist als solche nicht Gegenstand des Anfrageverfahrens.
6
2. Der Senat teilt nicht die Ansicht, dass die Verwertung einer früheren richterlichen Vernehmung eines Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, durch Vernehmung der richterlichen Vernehmungsperson nur dann zulässig ist, wenn dieser Richter den Zeugen nicht nur über sein Zeugnisverweigerungsrecht, sondern auch qualifiziert über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren belehrt hat (vgl. dazu auch den "Alternativ-Entwurf Beweisaufnahme" , GA 2014, 1, 26).
7
a) Eine solche qualifizierte Belehrung ist in den Vorschriften über die Vernehmung des Zeugen nicht vorgesehen. Für eine entsprechende Belehrungspflicht fehlt es mithin an einer gesetzlichen Grundlage (BGH, Urteil vom 30. August 1984 – 4 StR 475/84, NStZ 1985, 36).
8
Auch eine planwidrige Regelungslücke des Gesetzes liegt insofern nicht vor. Der Gesetzgeber hat vielmehr Inhalt und Umfang der erforderlichen Belehrungen von Zeugen im Rahmen ihrer Vernehmung ausdrücklich geregelt (vgl. § 52 Abs. 3 Satz 1, § 55 Abs. 2, § 163 Abs. 3 Satz 1 StPO). Eine Belehrung über die Verwertbarkeit der Aussage für den Fall, dass der Zeuge in der Hauptverhandlung von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch macht, hat er indes nicht vorgesehen. Da der Gesetzgeber aber schon im Jahr 1964 die Belehrungspflichten von Polizeibeamten gegenüber Zeugen im Ermittlungsverfahren in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Verwertung von früheren Aussagen durch Vernehmung richterlicher Vernehmungspersonen neu geregelt hat, kann vor dem Hintergrund, dass in diesem Zusammenhang eine weiter gehende Belehrungspflicht durch den Richter nicht in das Gesetz aufgenommen wurde, von einer planwidrigen Regelungslücke nicht ausgegangen werden (vgl. BT-Drucks. IV/178, S. 18, 33; BT-Drucks. 16/12098, S. 26). Dies belegen auch die Neuregelungen in § 255a StPO (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2004 – 3 StR 185/03, BGHSt 49, 72, 78, 82 ff.; dazu auch ElGhazi /Merold, StV 2012, 250, 253 f. mwN).
9
b) Es ist auch nicht geboten, die Einführung oder die Verwertbarkeit der Aussage einer richterlichen Verhörperson über frühere Angaben eines Zeugen, der sich in der Hauptverhandlung berechtigt auf sein gemäß § 52 StPO bestehendes Aussageverweigerungsrecht beruft, von einer schon damals erteilten qualifizierten Belehrung abhängig zu machen.
10
Zentrales Anliegen des Strafprozesses ist – worauf auch der anfragende Senat verweist (Anfragebeschluss S. 6) – die Ermittlung des wahren Sachverhalts , ohne den das materielle Schuldprinzip nicht verwirklicht werden kann. Als eine der Wahrheitsfindung entgegenstehende Gestaltung kommt § 252 StPO in Betracht (vgl. BVerfG, NStZ-RR 2004, 18). Eine Ausweitung des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift oder eine auf sie gestützte weitere Einschränkung der Möglichkeit zur Ermittlung des wahren Sachverhalts bedarf daher einer hinreichenden Rechtfertigung. An dieser fehlt es jedoch bezüglich des vom anfragenden Senat befürworteten Verwertungsverbots in Fällen fehlender qualifizierter Belehrung.
11
aa) § 252 StPO und das weiter gehend aus ihm hergeleitete Verwertungsverbot bezwecken nicht den Schutz des Angeklagten. Vielmehr schützen §§ 52, 252 StPO lediglich Zeugen vor der Verpflichtung, als Angehörige den Beschuldigten bzw. Angeklagten wahrheitsgemäß zu belasten, und sichern zu- dem, dass der Zeuge seine einmal gemachte Aussage – ob wahrheitsgemäß oder wahrheitswidrig, ob belastend oder entlastend – auch noch in der Hauptverhandlung für ihn folgenlos wieder rückgängig machen kann, ohne sie durch eine neue Aussage ersetzen zu müssen, bei deren Abgabe er wiederum dem Spannungsfeld zwischen Wahrheitspflicht und Näheverhältnis ausgesetzt wäre (vgl. BVerfG aaO; ferner El-Ghazi/Merold aaO, S. 251 mwN).
12
bb) Schon dies legt nahe, dass es auch der Grundsatz des fairen Verfahrens nicht gebietet, zur Wahrung berechtigter Interessen des Angeklagten die Verwertbarkeit einer früheren – nach ordnungsgemäßer Belehrung über das Aussageverweigerungsrecht erfolgten – richterlichen Vernehmung des Zeugen von dessen qualifizierten Belehrung über die weitere Verwertbarkeit seiner Aussage abhängig zu machen. Vielmehr hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte betont, dass die Verwertung von im Ermittlungsstadium erlangten Aussagen auch in einem Fall, in dem ermittlungsrichterliche Angaben von in der Hauptverhandlung berechtigt schweigenden Angehörigen verwertet wurden, nicht in Widerspruch zu Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 Buchst. d EMRK steht, sofern der Angeklagte ausreichend Gelegenheit hatte, die Aussage in dem Zeitpunkt, in dem sie gemacht wurde, oder später in Zweifel zu ziehen (Urteil vom 19. Juli 2012 – 26171/07, NJW 2013, 3225 Ziffer 42). Die vom anfragenden Senat als notwendig erachtete Belehrung hat er dagegen ersichtlich nicht als für ein faires Verfahren geboten erachtet (aaO Ziffern 39, 41, 45).
13
cc) Der Senat sieht es aber auch bei Einbeziehung der vom anfragenden Senat zum "Schutz eines … Verfahrensbeteiligten", der "nicht zum Objekt des Verfahrens gemacht werden" darf (Anfragebeschluss S. 7), angeführten, allein auf den Zeugen bezogenen Umstände in die bei der Prüfung eines Verwertungsverbots erforderliche Gesamtwürdigung nicht als geboten an, ohne des- sen qualifizierte Belehrung über die weitere Verwertbarkeit seiner Aussage ein Verwertungsverbot anzunehmen.
14
Vielmehr ist der Senat mit der bisherigen Rechtsprechung (vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. Februar 2004 – 3 StR 185/03, BGHSt 49, 72, 77) der Ansicht , dass – jedenfalls bei einer Vernehmung in dem Ermittlungs- oder Strafverfahren gegen den Angehörigen – einem Zeugen bei seiner richterlichen Vernehmung (hinreichend) bewusst ist, dass eine – nach Belehrung gemäß § 52 Abs. 3 StPO und freier Entscheidung des Zeugen – getätigte Aussage für das weitere Verfahren und die Frage, ob der Angeklagte auch aufgrund dieser Aussage verurteilt werden kann, Bedeutung haben kann (vgl. auch El-Ghazi/ Merold, aaO S. 252; dort auch zu der nur für richterliche Vernehmungen geltenden Regelung des § 168c StPO).
15
c) Soweit der Bundesgerichtshof anerkannt hat, dass Belehrungspflichten auch ohne ausdrückliches gesetzliches Gebot bestehen können, betrifft dies besondere, mit der vorliegenden Fallgestaltung nicht vergleichbare Konstellationen , insbesondere Fälle gesetzlich nicht (näher) geregelter Befragungen etwa vor der Exploration einer Aussageperson durch einen Sachverständigen (BGH, Urteile vom 29. Juni 1989 – 4 StR 201/89, BGHSt 36, 217, 220; vom 23. September 1999 – 4 StR 189/99, BGHSt 45, 203, 208 f.), nicht aber – wie in dem der Anfrage zugrunde liegenden Fall – eine Erweiterung der Belehrungspflicht im Zusammenhang mit gesetzlich – auch hinsichtlich der notwendigen Belehrungen – ausdrücklich normierten Maßnahmen.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3AR s 2 0 / 1 4
vom
8. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
hier: Anfragebeschluss des 2. Strafsenats vom 4. Juni 2014 (2 StR 656/13)
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Januar 2015 gemäß § 132
Abs. 3 Satz 1 GVG beschlossen:
Der beabsichtigten Entscheidung des 2. Strafsenats steht Rechtsprechung des 3. Strafsenats nicht entgegen.

Gründe:

1
1. Der 2. Strafsenat hat über die Revision eines Angeklagten zu entscheiden , der wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision u.a., das Landgericht habe seine Überzeugung vom Tathergang maßgeblich auch auf Angaben der Tochter des Angeklagten gestützt, die diese bei einer richterlichen Vernehmung im Ermittlungsverfahren gemacht hatte, ohne zuvor darüber belehrt worden zu sein, dass bei späterer Zeugnisverweigerung ihre zuvor beim Ermittlungsrichter gemachten Angaben verwertet werden können. Dies müsse zu einem Verwertungsverbot führen, nachdem die Zeugin in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht habe und mit der Verwertung der früheren Aussage nicht einverstanden gewesen sei.
2
Der 2. Strafsenat hält die Rüge für erfolgversprechend und beabsichtigt unter Aufgabe eigener, entgegenstehender Rechtsprechung zu entscheiden:
3
"Die Verwertung einer früheren richterlichen Vernehmung eines Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, durch Vernehmung der richterlichen Vernehmungsperson ist nur dann zulässig, wenn dieser Richter den Zeugen nicht nur über sein Zeugnisverweigerungsrecht , sondern auch qualifiziert über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren belehrt hat."
4
Er fragt bei den übrigen Strafsenaten an, ob diese an entgegenstehender Rechtsprechung festhalten.
5
2. Der beabsichtigten Entscheidung des 2. Strafsenats steht Rechtsprechung des 3. Strafsenats nicht entgegen; denn der 3. Strafsenat ist bisher nicht mit einer Rüge befasst gewesen, mit der ein Verstoß gegen § 252 StPO geltend gemacht und dabei beanstandet worden ist, die Vernehmung der richterlichen Verhörsperson und die Verwertung ihrer Aussage seien unzulässig gewesen , weil es an einer "qualifizierten" Belehrung mit dem vom 2. Strafsenat nunmehr für notwendig erachteten Inhalt gefehlt habe.
6
Der Senat neigt allerdings in der Sache dazu, an der bisherigen Rechtsprechung , wie sie mittlerweile seit mehreren Jahrzehnten praktiziert wird, festzuhalten , wonach es - soweit hier von Bedeutung - genügt, wenn die richterliche Verhörsperson den Zeugen über dessen Zeugnisverweigerungsrecht ordnungsgemäß belehrt hat. Eine darüber hinausgehende Belehrung, wie sie vom 2. Strafsenat jetzt für geboten gehalten wird, ist weder mit Blick auf den Inhalt der Strafprozessordnung noch vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund der Thematik erforderlich. Insbesondere wird die vom 2. Strafsenat betonte besondere Konfliktsituation des zeugnisverweigerungsberechtigten Zeugen durch die bisherige Rechtspraxis ausdrücklich berücksichtigt; ihr wird durch das Erfordernis der gesetzlich vorgesehenen Belehrung nach § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO aus- reichend Rechnung getragen. Einer weitergehenden, über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehenden Belehrung bedarf es deshalb nicht.
Becker Hubert Schäfer
Mayer Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 6 5 6 / 1 3
vom
4. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Juni 2014 beschlossen:
1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Die Verwertung einer früheren richterlichen Vernehmung eines Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, durch Vernehmung der richterlichen Vernehmungsperson ist nur dann zulässig, wenn dieser Richter den Zeugen nicht nur über sein Zeugnisverweigerungsrecht , sondern auch qualifiziert über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren belehrt hat. 2. Der Senat beabsichtigt, entgegenstehende eigene Rechtsprechung aufzugeben, und fragt bei den übrigen Strafsenaten an, ob diese an entgegenstehender Rechtsprechung festhalten.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Nach den Feststellungen des Landgerichts tötete er seine Ehefrau am 22. September 2012 durch insgesamt 60 Stiche und Schnitte mit einem Messer. Hintergrund der Tat war die Eifersucht des Angeklagten auf einen Nebenbuhler, mit dem seine Ehefrau seit längerer Zeit eine auch intime Beziehung unterhielt, und seine mangelnde Bereitschaft, eine von dem Tatopfer angekündigte Trennung hinzunehmen. Das Schwurgericht hat insoweit angenommen , der Angeklagte habe aus niedrigen Beweggründen gehandelt.

I.

2
Die Revision des Angeklagten erhebt die allgemeine Sachrüge und macht mit der Verfahrensrüge eine Verletzung der §§ 252, 52 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 StPO geltend. Das Landgericht habe seine Überzeugung vom Tathergang maßgeblich auch auf Angaben der Tochter des Angeklagten gestützt, die diese im Ermittlungsverfahren gegenüber einem nunmehr in der Hauptverhandlung vernommenen Richter gemacht hatte, ohne dass sie zuvor darüber belehrt worden sei, dass bei späterer Zeugnisverweigerung in der Hauptverhandlung ihre zuvor beim Richter gemachten Angaben verwertet werden könnten. Dies müsse zu einem Verwertungsverbot führen, nachdem sie in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO Gebrauch gemacht habe und sich mit einer Verwertung ihrer Angaben im Ermittlungsverfahren nicht einverstanden erklärt habe. Die bisher in der Rechtsprechung anerkannte Ausnahme einer Vernehmung der richterlichen Verhörsperson stehe mit dem Schutzzweck des § 252 StPO nicht in Einklang, jedenfalls sei es notwendig, den Zeugen vor einer ermittlungsrichterlichen Befragung qualifiziert auf die spätere Verwertbarkeit der Angaben hinzuweisen.
3
Der Senat hält die Verfahrensrüge für erfolgversprechend (unten II.), hat aber auch Bedenken hinsichtlich der Annahme des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe (unten III.).

II.

4
1. § 252 StPO schließt es aus, die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen zu verlesen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht Gebrauch macht, das Zeugnis zu verweigern. Über den Wortlaut hinaus enthält die Vorschrift nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht nur ein Verlesungs-, sondern auch ein Verwertungsverbot. Die- ses schließt auch jede andere Verwertung der bei einer früheren Vernehmung gemachten Aussage aus, wenn ein Zeuge in der Hauptverhandlung nach § 52 StPO berechtigt das Zeugnis verweigert und nicht ausdrücklich die Verwertung seiner früheren Bekundungen gestattet. Auch die Vernehmung einer Vernehmungsperson über den Inhalt der früheren Vernehmung ist unzulässig. Von diesem Verbot sind nur solche Bekundungen ausgenommen, die der Zeuge - nach Belehrung über sein Zeugnisverweigerungsrecht - vor einem Richter gemacht hat. Sie dürfen durch Vernehmung des Richters in die Hauptverhandlung eingeführt und bei der Urteilsfindung verwertet werden (st. Rspr.; vgl. zuletzt etwa BGHSt 45, 342, 345; 46, 189, 195; 49, 68, 76 f.; 57, 254, 256, jew. mwN).
5
a) Diese differenzierende Behandlung im Umgang mit dem Verwertungsverbot des § 252 StGB begründet der Bundesgerichtshof mit dem Unterschied zwischen richterlichen und nichtrichterlichen Vernehmungen. In älteren Entscheidungen hat er sich in erster Linie darauf berufen, dass der Richter - anders als der vernehmende Polizeibeamte oder der Staatsanwalt - verpflichtet sei, Zeugen auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht hinzuweisen (BGHSt 2, 99, 106). Seit Inkrafttreten des § 163a Abs. 5 StPO, der auch für Vernehmungen durch die Polizei und die Staatsanwaltschaft eine Belehrung der Zeugen über ihr Zeugnisverweigerungsrecht vorschreibt, sieht die Rechtsprechung das tragende Argument für die unterschiedliche Behandlung richterlicher und nichtrichterlicher Vernehmungen darin, dass das Gesetz - wie aus § 251 Abs. 1 und Abs. 2 StPO zu entnehmen sei - richterlichen Vernehmungen ganz allgemein höheres Vertrauen entgegenbringe (BGHSt 21, 218, 219; 36, 385, 386). Zusätzlich wird die Zulässigkeit der Vernehmung der richterlichen Verhörsperson mit der für den Zeugen erkennbaren und regelmäßig von ihm empfundenen erhöhten Bedeutung der richterlichen Vernehmung für das Strafverfahren gerechtfertigt. Diesem stehe nach der Belehrung durch den Richter deutlicher als bei einer polizeilichen Vernehmung vor Augen, dass er sich zwar aus dem ihn treffenden Interessenwiderstreit durch Gebrauchmachen von dem Zeugnisverweigerungsrecht befreien, aber im Falle der Aussage seine Angaben nicht ohne Weiteres wieder beseitigen könne (BGHSt 49, 72, 77). Schließlich soll die Ungleichbehandlung von Aussagen vor einem Ermittlungsrichter und vor nichtrichterlichen Ermittlungspersonen einen sachlichen Grund darin finden, dass der Ermittlungsrichter in besonderer Weise geeignet - und in vielfältiger Weise vom Gesetzgeber dafür vorgesehen - sei, präventiven Rechtsschutz zu gewährleisten (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2491/07, juris Rn.4).
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b) Ihre materielle Rechtfertigung findet die Ausnahme vom Verwertungsverbot des § 252 StPO nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in einer Güterabwägung. Angesichts eines nach Belehrung bewusst erklärten Verzichts auf die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts in der verfahrensrechtlich hervorgehobenen Situation einer richterlichen Vernehmung ist das öffentliche Interesse an einer effektiven Strafrechtspflege von höherem Gewicht als das Interesse des Zeugen, sich die Entscheidungsfreiheit über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts bis zur späteren Hauptverhandlung erhalten zu können (vgl. BGHSt 45, 342, 346; 46, 189, 195; BGH, Urteil vom 25. März 1998 - 3 StR 686/97, BGHR StPO § 252 Verwertungsverbot 14). Durch diese Ausnahme vom Verwertungsverbot ist den Ermittlungsbehörden im Regelfall durch Herbeiführung einer richterlichen Vernehmung der Weg eröffnet , eine verwertbar bleibende Aussage zu erhalten.
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2. Voraussetzung für eine Ausnahme vom grundsätzlichen Verwertungsverbot des § 252 StPO ist eine ordnungsgemäße richterliche Belehrung über das Bestehen eines Zeugnisverweigerungsrechts und die sich daraus ergebende Möglichkeit für den Zeugen, aus diesem Grund keine Angaben zur Sache zu machen. Nicht erforderlich ist es hingegen nach der bisherigen, vom 2. Strafsenat begründeten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, den aussageverweigerungsberechtigten Zeugen über die Folgen eines Verzichts auf das Auskunftsverweigerungsrecht, insbesondere über die weitere Verwertbarkeit auch im Falle einer späteren Zeugnisverweigerung in der Hauptverhandlung , "qualifiziert" zu belehren (BGHSt 32, 25, 31 f.; BGH, Beschluss vom 12. April 1984 - 4 StR 229/84, StV 1984, 326; Urteil vom 30. August 1984 - 4 StR 475/84, NStZ 1985, 36). Begründet wurde dies mit der Erwägung, dass ein Zeuge nicht einmal auf die Möglichkeit des Widerrufs eines erklärten Verzichts auf sein Zeugnisverweigerungsrecht noch während der laufenden Vernehmung hingewiesen werden müsse; umso weniger sei es deshalb geboten, ihn schon vorsorglich für den Fall, dass er in der Hauptverhandlung das Zeugnis verweigern sollte, über die Auswirkungen auf die Verwertbarkeit seiner Aussage hinzuweisen (BGHSt 32, 25, 32). Ergänzend wurde angeführt, für die Annahme einer solchen Belehrungs- oder Hinweispflicht fehle es an einer gesetzlichen Grundlage (BGH, NStZ 1985, aaO). Diese Begründung erscheint dem Senat nicht mehr tragfähig.
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3. a) Aufgabe des Strafprozesses ist es, den Strafanspruch des Staates um des Schutzes der Rechtsgüter Einzelner und der Allgemeinheit willen in einem justizförmigen Verfahren durchzusetzen und dem mit Strafe Bedrohten eine wirksame Sicherung seiner Grundrechte zu gewährleisten. Der Strafprozess hat das aus der Würde des Menschen als eigenverantwortlich handelnder Person abgeleitete Prinzip, dass keine Strafe ohne Schuld verhängt werden darf (vgl. BVerfGE 80, 244, 255; 95, 96, 140), zu sichern und entsprechende verfahrensrechtliche Vorkehrungen bereitzustellen. Zentrales Anliegen des Strafprozesses ist die Ermittlung des wahren Sachverhalts, ohne den sich das materielle Schuldprinzip nicht verwirklichen lässt (vgl. BVerfGE 122, 248, 270 mwN).
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Die Wahrheitserforschung im Strafprozess hat jedoch Grenzen, zur Wahrung des Schutzes eines Beschuldigten oder auch anderer Verfahrensbeteiligter , die nicht zum Objekt des Verfahrens gemacht werden dürfen und in der Strafprozessordnung wie auch in der Verfassung deshalb mit eigenen prozessualen Rechten ausgestattet sind, die der Wahrheitserforschung im Wege stehen können. Das Recht eines als Zeugen vernommenen Angehörigen des Beschuldigten im Sinne von § 52 Abs. 1 StPO, das Zeugnis - ohne Angabe von Gründen - zu verweigern, ist ein solches Recht (vgl. BVerfG, NStZ-RR 2004, 18, 19). Es gründet sich auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des verwandten Zeugen aus Art. 2 Abs. 1 GG, das die Aufgabe hat, die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen zu gewährleisten, die sich durch die traditionellen konkreten Freiheitsgarantien nicht abschließend erfassen lassen (BVerfGE 54, 148, 153; 72, 155, 170). Es umfasst sowohl die in § 52 StPO geregelte Freiheit, ein Zeugnis betreffend eines nahen Angehörigen verweigern zu können, wie auch die Option, früher getätigte Aussagen der Verwertung im Strafverfahren wieder zu entziehen.
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§ 52 StPO trägt der besonderen Lage eines Zeugen Rechnung, der als Angehöriger des Beschuldigten der Zwangslage ausgesetzt sein kann, seinen Angehörigen zu belasten oder die Unwahrheit sagen zu müssen. Niemand soll gezwungen sein, aktiv zur Überführung eines Angehörigen beizutragen, weil der Zwang zur Belastung von Angehörigen mit dem Persönlichkeitsrecht des Zeugen unvereinbar wäre wie ein gegen den Zeugen geübter Zwang zur Selbstbelastung (BVerfG, NStZ-RR 2004, 18, 19). Die Regelung lässt das öffentliche Interesse an möglichst unbehinderter Strafverfolgung hinter das persönliche Interesse des Zeugen zurücktreten, nicht gegen einen Angehörigen aussagen zu müssen (BGHSt 12, 235, 239).
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Die Konfliktsituation zwischen Wahrheitspflicht und Näheverhältnis wirkt zeitlich regelmäßig über die erste Zeugenaussage vor der Polizei hinaus fort. Aus diesem Grund erweitert § 252 StPO den Schutz des Zeugen, der eine einmal gemachte Aussage bis zur Hauptverhandlung für ihn folgenlos wieder rückgängig machen kann, ohne sie durch eine neue Aussage ersetzen zu müssen, bei deren Abgabe er wiederum dem beschriebenen Spannungsverhältnis ausgesetzt wäre. Allein die Geltendmachung des Zeugnisverweigerungsrechts in der Hauptverhandlung nach § 52 StPO würde die Zwangslage nicht beseitigen, wenn bereits eine zuvor getätigte Aussage vorliegt, die über die Verlesung dieser Aussage oder auch über die Vernehmung der Verhörsperson in die Hauptverhandlung eingeführt werden könnte. § 252 StPO löst damit - auch im Verständnis des Bundesgerichtshofs, der, wie dargelegt, § 252 StPO nicht nur als Verlesungs-, sondern als Verwertungsverbot versteht - grundsätzlich den Konflikt zwischen Aufklärungsinteresse und Zeugenschutz.
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b) Die in der Rechtsprechung seit jeher anerkannte Ausnahme von der vorstehenden Regel durch Vernehmung einer früheren richterlicher Vernehmungsperson - unter der Voraussetzung damaliger Belehrung des Zeugen über sein Zeugnisverweigerungsrecht - führt zu einer Austarierung von öffentlichem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung und den die Regelung der §§ 52, 252 StPO tragenden Schutzzwecküberlegungen, die auch heute noch - trotz der hiergegen in der Literatur seit jeher (vgl. aus älterer Zeit etwa: Eb. Schmidt, JR 1959, 369, 373; Grünwald, JZ 1966, 489, 497 f.; Peters, JR 1967, 467 f.; Eisenberg, NStZ 1988, 488, 489; Fezer, JZ 1990, 875, 876; Geerds, JuS 1991, 199, 200) erhobenen Einwendungen (Sander/Cirener, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 252, Rn. 10: kriminalpolitische Zweckmäßigkeitsentscheidung , die weder im Wortlaut noch im Regelungszweck des § 252 StPO eine Stütze finde; so auch: Pauly, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 252, Rn. 25; s. ferner : Velten, in: SK-StPO, 4. Aufl., § 252, Rn. 4; Kudlich/Schuhr, in: SSW-StPO, § 252, Rn. 20; Güntge, in: Alsberg, Der Beweisantrag im Strafprozess, 6. Aufl., Rn. 881) - gerechtfertigt erscheint (vgl. aber auch BGHSt 49, 72, 78 f., wo der BGH auf den Wertungswiderspruch hinweist, dass auf eine Bild-TonAufzeichnung einer früheren richterlichen Vernehmung nach § 255a Abs. 1 StPO nicht, hingegen auf die Vernehmung des Richters als weniger zuverlässigem Beweismittel zurückgegriffen werden kann, ohne die althergebrachte Rechtsprechung in Frage zu stellen) und auch nicht zu einer bedenklichen Einschränkung von Zeugenrechten führt.
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Schon in seiner Grundsatzentscheidung im Jahre 1952 hat der Bundesgerichtshof diese Rechtsprechung nicht allein auf die formale Überlegung gestützt , dass der Richter - im Gegensatz zu Polizei und Staatsanwaltschaft - zur Belehrung über ein Auskunftsverweigerungsrecht verpflichtet sei. Er hat zudem auf die für den Zeugen erkennbare und regelmäßig von ihm empfundene (sich auch aus § 251 StPO ergebende) erhöhte Bedeutung der richterlichen Vernehmung (dazu auch: Pauly, aaO, § 252, Rn. 25) und dessen nach ordnungsgemäßer Belehrung und in Kenntnis der Tragweite seines Verhaltens getroffene Entschließung abgestellt, an welcher er im Interesse der Wahrheitsfindung festgehalten werden könne. Dieses Argument trägt auch heute noch grundsätzlich - ohne dass es auf die von der Revision angezweifelte besondere "Qualität" oder "Dignität" einer richterlichen Vernehmung ankäme (vgl. insoweit auch Eisenberg , NStZ 1988, 488; Geerds, JuS 1991, 199, 200) - die Differenzierung zwischen polizeilich getätigten Aussagen und solchen, die in einer richterlichen Vernehmung gemacht werden (zustimmend: Diemer, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl., § 252, Rn. 22, 26; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl. § 252, Rn. 14). Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass damit spätere unlautere Beeinflussungsversuche auf einen Zeugen, durch welche die Wahrheitsermittlung im Strafverfahren Not leiden würde, genauso verhindert werden können (vgl. BGHSt 2, 99, 109; 27, 139, 143; 45, 342, 347) wie wirksam der Gefahr begegnet werden kann, dass sich ein Zeuge zum Herrn des Verfahrens macht und dadurch die Wahrheitsermittlung vereitelt (vgl. schon BGHSt 2, 199, 107 f.; s. auch BGHSt 45, 342, 347 f.).
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Ob an diesen Grundsätzen für richterliche Vernehmungen außerhalb eines Ermittlungsverfahrens festzuhalten ist, etwa für Angaben in einem familiengerichtlichen Verfahren, in dem ein Interesse daran bestehen kann, in diesem Verfahren Angaben zu machen, ohne dass eine Strafverfolgung gewünscht oder beabsichtigt ist, bedarf hier keiner Entscheidung (gegen die Möglichkeit der Verwertung insoweit mit beachtlichen Argumenten Sander/Cirener, aaO, § 252, Rn. 30; vgl. auch BGHSt 36, 384 ff. m. Anm. Hassemer JuS 1990, 1023, 1024; dazu auch Julius, in: Heidelberger Kommentar zur StPO, 5. Aufl., § 252, Rn. 10; Fezer, JZ 1990, 875, 876; Geerds, JuS 1991, 199, 201).
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c) Abweichend von der bisherigen Rechtsprechung sieht der Senat diese Ausgangs-Überlegung aber nur dann als gerechtfertigt an, wenn der Zeuge in der im Ermittlungsverfahren durchgeführten richterlichen Vernehmung ausdrücklich auch darüber belehrt worden ist, dass eine jetzt gemachte Aussage auch dann verwertbar bleibt, wenn er in einer späteren Hauptverhandlung vom Recht der Aussageverweigerung Gebrauch macht (so auch Julius, aaO, § 252, Rn. 2; a. A. ohne nähere Begründung etwa Diemer, aaO, § 252, Rn. 28; weitere abweichende Meinungen zitieren gleichfalls nur die genannte Rechtsprechung). Erforderlich ist daher eine "qualifizierte" Belehrung, welche den Zeugen umfassend in die Lage versetzt, über seine Aussagebereitschaft und deren mögliche Folgen für das spätere Verfahren zu entscheiden, und zugleich die Ausnahme von einem umfassenden Verwertungsverbot bei einer richterlichen Vernehmung legitimiert.
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aa) Zu Recht hat der BGH vielfach auf die besondere Bedeutung der Belehrung des Zeugen für dessen Entscheidung hingewiesen, Angaben zu machen (BGHSt 2, 99, 106; zur Bedeutung der Belehrung s. auch BGHSt 9, 195, 197; 32, 25, 30 f.; so auch Diemer, aaO, § 252, Rn. 28). Zu der hierfür erforderlichen umfassenden Information gehört aber nicht allein die Kenntnis eines zum Zeitpunkt der Vernehmung bestehenden Zeugnisverweigerungsrechts, sondern auch die Kenntnis über die möglichen verfahrensrechtlichen Konsequenzen der Aussagebereitschaft. Denn für die in den meisten Fällen nicht rechtskundigen Zeugen liegt es in der Regel fern, sich zum Zeitpunkt einer (richterlichen) Vernehmung im Ermittlungsverfahren von sich aus Gedanken darüber zu machen, ob auch bei späterer Aussageverweigerung - für welche es eine Vielzahl nicht zu überprüfender Gründe geben kann - ihre Aussage verwertbar bleibt. Die von §§ 52, 252 StPO geschützten Interessen gebieten es vor diesem Hintergrund, den Zeugen auch darüber zu belehren, dass er an zu diesem Zeitpunkt endgültig und unwiderruflich über die Wahrnehmung des ihm zustehenden Zeugnisverweigerungsrechts zu entscheiden hat. Geschieht dies - wie bisher - nicht, leidet der Entschluss des Zeugen an einem durchgreifenden Mangel, weil er sich dieser Konsequenz seines Handelns nicht bewusst ist (vgl. zur notwendigen Belehrung eines Zeugen, der Angaben in der Hauptverhandlung verweigern , aber der Verwertung zuvor gemachter polizeilicher Angaben zulassen möchte, BGH, Beschluss vom 18. Juli 2007 - 1 StR 296/07, NStZ 2007, 712, 713).
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Eine in diesem Sinn qualifizierte Belehrung bietet hingegen eine sichere Grundlage für die Entscheidung des Zeugen. Sie kann zudem seinen Blick auf die bei ihm bestehende Konfliktsituation schärfen, die ansonsten für den Angehörigen oft erst unmittelbar vor und während der Hauptverhandlung erkenn- und spürbar wird (vgl. Eisenberg, NStZ 1988, 488, 489; so auch Sander/Cirener, aaO, § 252, Rn. 10).
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Sofern man anders als der Senat davon ausginge, der Zeuge sei angesichts des Verfahrensgangs ohnehin meist der Ansicht, dass mit der richterlichen Vernehmung seine Angaben für eine spätere Hauptverhandlung gesichert werden sollen, würde dies keinen genügenden Grund darstellen, von einer entsprechenden Belehrungspflicht abzusehen. Diese würde insoweit jedenfalls die "Ausnahmefälle" erfassen, in denen es an der entsprechenden Kenntnis fehlt; für die Praxis der Strafverfolgung hätte sie überdies keine besondere Relevanz, weil die maßgeblichen Entscheidungen der Zeugen schon jetzt in umfassender Kenntnis der damit verbundenen Auswirkungen getroffen würden.
19
bb) Der Annahme einer Belehrungspflicht stehen die bisher in der Rechtsprechung des BGH hiergegen vorgebrachten Erwägungen nicht entgegen. Dass es an einer gesetzlichen Grundlage hierfür fehle (so BGH, Urteil vom 30. August 1984 - 4 StR 475/84, NStZ 1985, 36), ist zwar zutreffend, schließt aber die vom Senat befürwortete Anerkennung einer entsprechenden Belehrung gerade nicht aus. Denn es handelt sich um Erwägungen und Anforderungen im Bereich der richterrechtlich begründeten Ausnahme von dem Beweisverwertungsverbot des § 252 StPO. Es wäre widersprüchlich, ungeschriebene Ausnahmen von einem Verwertungsverbot zuzulassen, für deren rechtsstaatliche Begrenzung aber eine gesetzliche Grundlage zu verlangen. Im Übrigen ist zu bedenken, dass die Rechtsprechung auch in anderen Bereichen gesetzlich nicht vorgesehene Belehrungspflichten entwickelt hat, etwa im Zusammenhang mit § 136a StPO.
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Soweit der Senat in einer Entscheidung aus dem Jahre 1983 (BGHSt 32, 25, 31 f.) die Ansicht vertreten hat, die Annahme einer Belehrungspflicht bei einer ermittlungsrichterlichen Vernehmung sei nicht geboten, weil auch bei einer Vernehmung in der Hauptverhandlung kein Hinweis vonnöten sei, dass der in der Aussage liegende Verzicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht jeder- zeit, auch noch während laufender Vernehmung, widerrufen werden könne, hält er daran nicht fest. Die Situation eines Zeugen, der sich in der Hauptverhandlung dazu entschlossen hat, trotz Bestehen eines Auskunftsverweigerungsrechts Angaben zu machen, ist nicht mit der Lage zu vergleichen, in der sich der Zeuge bei einer ermittlungsrichterlichen Vernehmung befindet. Entscheidet sich die ordnungsgemäß belehrte Aussageperson in der Hauptverhandlung zu einer Aussage, liegt dem regelmäßig eine in Kenntnis der Folgen für den verwandten Angeklagten getroffene bewusste Entscheidung zugrunde, die keinen Anhalt für einen bestehenden Willensmangel oder eine kurzfristig (während der Vernehmung) zu erwartende Willensänderung bietet. Bei einer Vernehmung durch einen Richter im Ermittlungsverfahren ist hingegen - wie oben dargelegt - nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass der Zeuge sich der Endgültigkeit seiner Entscheidung, die schon mit Blick auf den zu erwartenden Zeitablauf zwischen dieser Vernehmung und einer späteren Hauptverhandlung und die sich in dieser Zeitspanne möglicherweise ergebenden Entwicklungen im Verhältnis zwischen dem Angeklagten und dem verwandten Zeugen vom Schutzzweck getragene Änderungen unterliegen kann, bewusst ist. Ihn darauf hinzuweisen , ist - anders als in der Hauptverhandlung - ein Gebot, das es ihm erst ermöglicht, verantwortungsvoll über die Wahrnehmung seiner Rechte in der vom Gesetz grundsätzlich als schützenswert angesehenen Situation zu entscheiden.
21
cc) Die vom Senat für notwendig erachtete Belehrungspflicht würde die Effektivität der Strafverfolgung nicht in nennenswertem Umfang in Frage stellen. Es ist nicht zu befürchten, dass die Entscheidungen der großen Mehrzahl der Zeugen nach einer solchen Belehrung anders ausfallen könnte als bisher, selbst wenn es einzelne Zeugen geben mag, für die eine solche Belehrung Anlass sein könnte, von einer Zeugenbekundung Abstand zu nehmen oder auf sie jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt zu verzichten. Dies wäre hinzunehmen, denn es entspricht der gesetzgeberischen Wertung, dem Persönlichkeitsrecht des Zeugen insoweit durch Einschränkung der Wahrheitsermittlung und damit letztlich auch der Strafverfolgung Rechnung zu tragen, und räumt dem Zeugen damit noch keine Befugnisse ein, die ihn - fernab des Konflikts, in dem er sich befindet und den er berechtigt für sich auch durch den Verzicht auf eine Aussage lösen kann - zum "Herren über das Verfahren" machen würde. Eine Effektivität der Strafrechtspflege, welche ihre Kraft wesentlich darauf stützte, dass Personen , deren Rechte dem Schutz des Gesetzes und der Strafverfolgungsorgane anvertraut sind, bewusst unzureichend über ihre Rechtsstellung aufgeklärt werden , wäre eines Rechtsstaats nicht würdig.

III.

22
Auch die Sachrüge erscheint dem Senat erfolgversprechend.
23
Der Senat hat Bedenken hinsichtlich der Annahme des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe. Das Landgericht ist davon ausgegangen, das der Tat ihr Gepräge gebende Hauptmotiv sei die Eifersucht des Angeklagten und seine Weigerung, die Trennung von seiner Ehefrau zu akzeptieren; dies stehe sittlich auf niedrigster Stufe. Dabei hat es zwar das ambivalente Verhalten des Tatopfers in den Blick genommen; die Begründung, mit der die Strafkammer dieses Verhalten als unbeachtlich angesehen hat, erscheint aber bedenklich. Dass der Angeklagte "Handlungsalternativen" gehabt hat und die Situation anders als durch Tötung seiner Ehefrau hätte lösen können, ist in diesem Zusammenhang unerheblich und vermag nicht, dem Opferverhalten, das im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung zu berücksichtigen ist, seine Bedeutung zu nehmen.

IV.

24
Dass der Senat insoweit die landgerichtliche Entscheidung aufheben könnte, ohne dass eine Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage notwendig wäre , ändert aus seiner Sicht allerdings nichts an der Entscheidungserheblichkeit dieser Rechtsfrage (als Voraussetzung einer möglichen Divergenzvorlage). Eine allein auf die Sachrüge gestützte Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung würde unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung ohne Weiteres dazu führen, dass die Schwurgerichtskammer ihrer Entscheidung erneut die über die Vernehmung des Ermittlungsrichters in die Hauptverhandlung eingeführten Angaben der Tochter des Angeklagten zugrunde legen und sich damit aus der Sicht des Senats erneut rechtsfehlerhaft über die geschützten Interessen der Zeugin hinwegsetzen müsste. Fischer Schmitt Krehl Eschelbach Zeng