Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Nov. 2010 - 1 StR 145/10

bei uns veröffentlicht am17.11.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom
17. November 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Betruges
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. November 2010 beschlossen
:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Mannheim vom 8. Juli 2009 werden als unbegründet verworfen
, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen
keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts
, die durch das weitere Revisionsvorbringen nicht entkräftet werden, bemerkt
der Senat:
1. Entgegen dem Revisionsvorbringen des Angeklagten W. ist die
Ablehnung von dessen Beweisantrag Nr. 18, mit dem die zeugenschaftliche
Einvernahme des Mitangeklagten G. beantragt wurde, rechtsfehlerfrei. Die
Strafkammer hat den Antrag zu Recht gemäß § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO als
unzulässig abgelehnt. Ein Mitangeklagter kann nicht Zeuge sein, insoweit besteht
ein Beweiserhebungsverbot (Fischer in KK-StPO, 6. Aufl. § 244 Rn. 109;
Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl. § 244 Rn. 49). Zwar waren zum Zeitpunkt der
Antragstellung die gemeinsam begonnenen Verfahren abgetrennt gewesen,
nicht indes (anders als in dem der Entscheidung BGH, Urteil vom 29. März
1984 - 4 StR 781/83, NStZ 1984, 464, zugrunde liegenden Fall) zum insoweit
einzig maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über diesen Antrag, zu dem
die Verfahren wieder verbunden waren und damit (erneut) eine prozessuale
Gemeinsamkeit bestand.
Die Strafkammer war auch nicht gehalten, unverzüglich nach Antragstellung
eine Entscheidung zu treffen, sondern konnte diese - im Rahmen der dem
Vorsitzenden gemäß § 238 StPO obliegenden Verfahrensleitung - längstens bis
zu dem in § 258 Abs. 1 StPO bezeichneten Schluss der Beweisaufnahme zurückstellen
(vgl. Becker in LR-StPO, 26. Aufl. § 244 Rn. 133; Meyer-Goßner,
aaO, § 244 Rn. 44 jew. mwN; vgl. auch Hamm/Hassemer/Pauly, Beweisantragsrecht
, 2. Aufl. Rn. 198 ff.). Angeklagter und Verteidigung haben keinen Anspruch
auf sofortige oder alsbaldige Entscheidung. Es entspricht vielmehr dem
Grundsatz der Prozessökonomie, über einen Beweisantrag erst dann zu entscheiden
, wenn hierzu eine aus Sicht des Gerichts hinreichend zuverlässige
Entscheidungsgrundlage besteht, die durch einen möglichen oder gar nahe liegenden
weiteren Verfahrensverlauf nicht alsbald wieder in Frage gestellt werden
würde. Umstände, die ausnahmsweise - etwa unter dem Gesichtspunkt der
Verfahrensfairness - eine zeitnahe Verbescheidung des Beweisantrags hätten
erfordern können (vgl. Dahs StraFo 1998, 254; Hanack JZ 1970, 561), sind weder
vorgetragen noch ersichtlich.
2. Ohne Beschwer für den Angeklagten G. hat die Strafkammer aufgrund
einer von ihr festgestellten Verfahrensverzögerung ausgesprochen, dass
von der (revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden) Gesamtfreiheitsstrafe von
sechs Jahren ein Jahr als vollstreckt gelte. Soweit der Angeklagte G. insoweit
rügt, das Landgericht habe die Verzögerung nicht ausreichend berücksichtigt
, da es eine solche von zwei Jahren und vier Monaten bis zur Anklageerhe-
bung und weiteren sechs Monaten bis zu deren Eröffnung hätte feststellen
müssen, bleibt dies ohne Erfolg.
Unbeschadet der Frage, ob der Senat dies hier auf die insoweit einzig
erhobene Sachrüge hin prüfen kann (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 17. Dezember
2003 - 1 StR 445/03; Beschluss vom 11. November 2004
- 5 StR 376/03), erweist sich die Rüge jedenfalls als unbegründet. Wollte man
- entgegen den Darlegungen zum Verfahrensgang in der staatsanwaltschaftlichen
Gegenerklärung - die von der Revision behauptete Verfahrensverzögerung
unterstellen, wäre diese hier durch die vom Landgericht vorgenommene
Kompensation immer noch hinlänglich ausgeglichen, zumal deutlich gravierendere
individuelle Belastungen des Angeklagten infolge der behaupteten weiteren
Verfahrensverzögerung weder von der Revision aufgezeigt werden noch
ersichtlich sind. Bei der Bemessung der Höhe einer Kompensation ist auch in
den Blick zu nehmen, dass eine überzogene strafmildernde Berücksichtigung
des Zeitfaktors als Folge justizieller Mängel generell den Zielen effektiver Verteidigung
der Rechtsordnung zuwiderliefe; dies gilt namentlich im Bereich - hier
gegebener - schwerer Wirtschaftskriminalität (vgl. BGH, Urteil vom 8. August
2006 - 5 StR 189/06, wistra 2006, 428).
3. Die Rüge des Angeklagten G. , die Strafkammer hätte wegen einer
aufgrund langer Verfahrensdauer nicht mehr einbeziehungsfähigen, weil zwischenzeitlich
erlassenen Verurteilung einen Härteausgleich vornehmen müssen
, ist verfehlt. Dadurch, dass die frühere Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit
erlassen wurde und keine nachträgliche Gesamtstrafe mit einer zu
vollstreckenden Freiheitsstrafe mehr gebildet werden konnte, ist dem Angeklagten
ein Vorteil, kein Nachteil entstanden (BGH, Beschluss vom 10. Oktober
2006 - 1 StR 377/06; BGH, Urteil vom 18. August 2004 - 2 StR 249/04,
NStZ-RR 2004, 330 mwN).
Wahl Rothfuß Hebenstreit
Elf Graf

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Nov. 2010 - 1 StR 145/10

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Nov. 2010 - 1 StR 145/10

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Nov. 2010 - 1 StR 145/10 zitiert 5 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafprozeßordnung - StPO | § 238 Verhandlungsleitung


(1) Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und die Aufnahme des Beweises erfolgt durch den Vorsitzenden. (2) Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person

Strafprozeßordnung - StPO | § 258 Schlussvorträge; Recht des letzten Wortes


(1) Nach dem Schluß der Beweisaufnahme erhalten der Staatsanwalt und sodann der Angeklagte zu ihren Ausführungen und Anträgen das Wort. (2) Dem Staatsanwalt steht das Recht der Erwiderung zu; dem Angeklagten gebührt das letzte Wort. (3) Der A

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Nov. 2010 - 1 StR 145/10 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Nov. 2010 - 1 StR 145/10 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Dez. 2003 - 1 StR 445/03

bei uns veröffentlicht am 17.12.2003

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 445/03 vom 17. Dezember 2003 in der Strafsache gegen wegen Betrugs u. a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Dezember 2003 beschlossen : Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgeric

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2011 - 1 StR 145/10

bei uns veröffentlicht am 11.01.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 145/10 vom 11. Januar 2011 in der Strafsache gegen wegen Betruges hier: Anhörungsrüge Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Januar 2011 beschlossen : Die Anhörungsrüge des Verurteilten vom 10. Dez

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Nov. 2004 - 5 StR 376/03

bei uns veröffentlicht am 11.11.2004

Nachschlagewerk: BGHSt : ja Veröffentlichung: ja MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 StPO § 267 Abs. 3, § 344 Abs. 2 Ein Revisionsführer, der das Vorliegen einer Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK verletzenden Verfahrensverzögerung geltend machen will, muß grundsätzlich

Bundesgerichtshof Urteil, 08. Aug. 2006 - 5 StR 189/06

bei uns veröffentlicht am 08.08.2006

5 StR 189/06 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 8. August 2006 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Steuerhinterziehung u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. August 2006, an der teilgenommen haben

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Okt. 2006 - 1 StR 377/06

bei uns veröffentlicht am 10.10.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 377/06 vom 10. Oktober 2006 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Oktober 2006 beschlossen
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Nov. 2010 - 1 StR 145/10.

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Aug. 2011 - 1 StR 153/11

bei uns veröffentlicht am 23.08.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 153/11 vom 23. August 2011 BGHSt: ja zu A II. 3. a BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja ___________________________________ MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Art. 34 Nach Übernahme eines Ermittlungsver

Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Aug. 2018 - 5 StR 183/18

bei uns veröffentlicht am 30.08.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 183/18 vom 30. August 2018 in der Strafsache gegen wegen Mordes ECLI:DE:BGH:2018:300818B5STR183.18.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Besch

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 145/10
vom
11. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
hier: Anhörungsrüge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Januar 2011 beschlossen
:
Die Anhörungsrüge des Verurteilten vom 10. Dezember 2010 gegen
den Senatsbeschluss vom 17. November 2010 wird auf seine
Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

1
Der Senat hat durch den beanstandeten Beschluss die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 8. Juli 2009 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
2
Mit Schriftsatz seines Verteidigers, Rechtsanwalt L. , vom 10. Dezember 2010 hat der Verurteilte gegen den Beschluss des Senats vom 17. November 2010, mit dem seine Revision verworfen wurde, die Anhörungsrüge (§ 356a StPO) erhoben. Der zulässige Rechtsbehelf ist unbegründet; es liegt keine Verletzung rechtlichen Gehörs vor. Der Senat hat bei seiner Entscheidung weder Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet, zu denen der Verurteilte nicht gehört worden wäre, noch hat er bei der Entscheidung zu berücksichtigendes Vorbringen des Verurteilten übergangen.
3
Der Senat ist in der Begründung des angefochtenen Beschlusses insoweit ausdrücklich auf die Beanstandungen der Revision eingegangen, als ihm die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 27. April 2010 ergänzungsbedürftig erschienen. Das betraf - auch unter Berücksichtigung der Gegenerklärung der Verteidigung vom 18. Mai 2010 - nicht die Rüge der unzulässigen Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten und seiner Verteidiger (absoluter Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO) am 24. Juni 2009. Sie bedurfte schon wegen der vom Generalbundesanwalt aufgezeigten Unzulässigkeit der Rüge keiner Erörterung. Zu Recht hat er auf den unzureichenden Vortrag in der Revisionsbegründung (§ 344 Abs. 2 Satz 1 StPO) verwiesen. Bereits die Staatsanwaltschaft hatte in ihrer Gegenerklärung aufgezeigt, dass - dies hatte die Revision unterlassen mitzuteilen - mit Verfügung des Strafkammervorsitzenden vom 23. Juni 2009, die den beiden Verteidigerinnen am Vormittag des 23. Juni 2009 zugestellt wurde, der Termin am 24. Juni 2009 für den Angeklagten G. aufgehoben wurde. Dem ist die Revision nicht entgegengetreten. Überdies können die in der Gegenerklärung der Verteidigung vom 18. Mai 2010 vorgetragenen verfahrenstechnischen Vorgänge und Verfügungen auch außerhalb einer Hauptverhandlung getroffen werden. Eine Sachverhandlung i.S.v. § 230 Abs.1 StPO gegen den Angeklagten G. am 24. Juni 2009 vermögen sie nicht zu belegen. Die Beweiskraft des Protokolls wird hierdurch nicht erschüttert, ausweislich dessen - entsprechend der von der Revision nicht mitgeteilten Terminsverfügung - nur gegen die Mitangeklagten S. und W. verhandelt wurde. Die Rüge wäre daher - im Falle ihrer Zulässigkeit - auch unbegründet.
Wahl Rothfuß Hebenstreit Elf Graf

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und die Aufnahme des Beweises erfolgt durch den Vorsitzenden.

(2) Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person als unzulässig beanstandet, so entscheidet das Gericht.

(1) Nach dem Schluß der Beweisaufnahme erhalten der Staatsanwalt und sodann der Angeklagte zu ihren Ausführungen und Anträgen das Wort.

(2) Dem Staatsanwalt steht das Recht der Erwiderung zu; dem Angeklagten gebührt das letzte Wort.

(3) Der Angeklagte ist, auch wenn ein Verteidiger für ihn gesprochen hat, zu befragen, ob er selbst noch etwas zu seiner Verteidigung anzuführen habe.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 445/03
vom
17. Dezember 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Dezember 2003 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München I vom 23. April 2003 wird als unbegründet verworfen, da
die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Die Strafbemessung begegnet auch unter dem Gesichtspunkt der Dauer
des Strafverfahrens keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
1. Das Landgericht hat die lange Zeitspanne zwischen den Taten des
Angeklagten und der nunmehrigen Aburteilung ebenso strafmildernd berücksichtigt
wie den Umstand, daß diese nicht vom Angeklagten zu vertreten ist
(UA S. 44, 45).
2. Soweit die Revision meint, es liege eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung
(gemeint: im Sinne des Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) vor, deren
einzelne Ursachen in den Urteilsgründen näherer Feststellung und Erörterung
bedurft hätten, und dabei die Zeiträume zwischen verschiedenen Verfahrensereignissen
anspricht, gilt folgendes:

a) Die Rüge ist schon nicht in zulässiger Weise erhoben. Will ein Beschwerdeführer
beanstanden, durch das Verfahren sei das Beschleunigungs-
gebot des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK verletzt und die Verfahrensverzögerung sei
im Urteil nicht berücksichtigt worden, so hat er die Tatsachen, die den behaupteten
Verfahrensverstoß belegen, in der Revisionsbegründung darzulegen
, um dem Revisionsgericht eine entsprechende Nachprüfung zu ermöglichen
(§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Entsprechendes gilt, wenn der Beschwerdeführer
wie hier beanstandet, das Urteil sei zwar eher allgemein vom Vorliegen
einer Verfahrensverzögerung ausgegangen, aber Art, Ausmaß und Umstände
dieser Verzögerung seien nicht oder nicht genügend festgestellt (so BGHR
MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 7 m.w.Rspr.Nw.).
Dem wird die Revisionsbegründung nicht gerecht. So heißt es dort etwa,
der Zeitraum von ca. einem Jahr für das Zwischenverfahren und derjenige von
14 Monaten zwischen der ersten Revisionsentscheidung und dem Beginn der
erneuten Hauptverhandlung seien erörterungsbedürftig gewesen. Hier wäre
vorzutragen gewesen, was die Aktenlage insoweit zur Sachbehandlung und
Verfahrensförderung konkret ergibt. Es ist nicht Aufgabe des Senats, von Amts
wegen das - hier mehr als 60 Stehordner umfassende - Aktenwerk auf Verzögerungen
durchzusehen oder auch nur in Teilabschnitten zu sichten, um die
allgemein unter Hinweis auf zeitliche Eckdaten aufgestellte Behauptung einer
Verzögerung zu prüfen. Beispielhaft zeigt sich gerade hinsichtlich des Zeitraums
zwischen der ersten Revisionsentscheidung und der erneuten Hauptverhandlung
, daß insoweit die Hinweise bedeutsam sein können, die in dem in
dieser Sache ergangenen Senatsbeschluß vom 7. Februar 2002 - 1 StR 222/01
- unter IV.3.d) enthalten sind. Diese können naheliegenderweise zunächst, vor
der Neuverhandlung, weitere Ermittlungen veranlaßt haben. Hierzu wäre konkret
vorzutragen gewesen. Wäre dies geschehen, ergäbe sich eine andere Beurteilung
als auf der Grundlage des unvollständigen Revisionsvortrages. Auch
soweit sich die Revision darauf bezieht, daß die Strafkammer im Urteil aus-
führt, nach dem 13. Oktober 1995 sei ein "vorübergehender faktischer Stillstand"
in den polizeilichen Ermittlungen eingetreten, hätte die Revision dazu
Einzelheiten darlegen müssen, insbesondere auch zur Frage der genauen
Dauer dieses Stillstandes.

b) Die Rüge hat auch deshalb keinen Erfolg, weil das Landgericht von
einer "überlangen Verfahrensdauer" ausgeht und diese bei der Bemessung der
Gesamtstrafe konkret, bei der Zumessung der Einzelstrafen in allgemeiner
Form kompensiert hat.
Der Senat entnimmt dem Zusammenhang der Urteilsgründe, daß die
Strafkammer unter dem Oberbegriff der "überlangen Verfahrensdauer" neben
dem reinen Zeitablauf auch eine "rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung"
feststellen wollte. Dafür spricht die vorgenommene Kompensation bei der Gesamtstrafbildung.
Zudem umfaßt der verwendete Oberbegriff in der älteren
Rechtsprechung (vgl. BGH NStZ 1999, 181) durchaus auch die rechtsstaatswidrigen
Verfahrensverzögerungen, wie sich an der Veröffentlichung von einschlägigen
Entscheidungen und Stellungnahmen im Schrifttum unter entsprechenden
Überschriften und Leitsätzen zeigt (so schon BGHR StGB § 46 Abs. 2
Verfahrensverzögerung 12 m.w.N.).
Das Landgericht hat auf der Grundlage dieser Bewertung das Maß der
Kompensation bei der Straffindung hinreichend bestimmt. Bei der Bildung der
Gesamtstrafe hat es den Strafabschlag von einem Jahr und sechs Monaten
ausdrücklich festgehalten und im Urteil als solchen ausgewiesen. Daß dies bei
den Einzelstrafen - obgleich grundsätzlich erforderlich - nicht konkret in Form
einer Gegenüberstellung verschiedener Strafmaße geschehen ist, vermag den
Bestand des Strafausspruches hier nicht zu gefährden. Die Strafkammer hat
ausdrücklich hervorgehoben, sie hätte höhere Einzelstrafen angesetzt, wenn
nicht eine Kompensation erfolgt wäre (UA S. 48). Deshalb steht nicht zu besorgen
, daß der Angeklagte etwa im Falle der späteren Notwendigkeit einer anderweitigen
nachträglichen Gesamtstrafenbildung beim Wegfall der jetzt in Rede
stehenden Gesamtstrafe benachteiligt werden könnte. Angesichts der eher
milden Einzelstrafen und des straffen Zusammenzuges bei der Gesamtstrafenbildung
vermag der Senat zudem sicher auszuschließen, daß das Verhältnis
zwischen den ermäßigten wie nicht ermäßigten Einzelstrafen und den beiden
gegenübergestellten Gesamtstrafen unstimmig sein könnte (vgl. dazu BGH
NStZ 2002, 589).

c) Der Senat sieht indessen auf der Grundlage der Urteilsausführungen
keinen Grund zur Annahme einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung,
weil das Verfahren von außergewöhnlicher Komplexität und auch sonst schwierig
war. Durch die gegenteilige Wertung des Landgerichts und die darauf gestützte
, genau bemessene Milderung der Gesamtstrafe ist der Angeklagte jedoch
nicht beschwert.
Soweit sich aus dem Urteil des Landgerichts selbst einige zeitliche
Spannen zwischen Verfahrensabschnitten ergeben (UA S. 44 f.), erweisen sich
diese in einer Gesamtschau nicht als von solcher Qualität, daß dies die Annahme
der Rechtsstaatswidrigkeit und der Unangemessenheit (im Sinne von
Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) begründen könnte. In Fällen solcher Art hat der Tatrichter
zu prüfen, ob die Sache insgesamt in angemessener Frist verhandelt
worden ist, wobei eine gewisse Untätigkeit innerhalb einzelner Verfahrensabschnitte
dann nicht zu einer Verletzung von Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 MRK führt,
wenn dadurch die Gesamtdauer des Verfahrens nicht unangemessen lang
wird. Dabei beginnt die "angemessene Frist" im Sinne der Konvention, wenn
der Beschuldigte von den Ermittlungen in Kenntnis gesetzt wird; sie endet mit
dem rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens. Neben der gesamten Dauer
vom Beginn bis zum Ende der Frist kommen für die Frage der Angemessenheit
die Schwere und die Art des Tatvorwurfs, der Umfang und die Schwierigkeit
des Verfahrens, die Art und Weise der Ermittlungen, das Verhalten des Beschuldigten
sowie das Ausmaß der mit dem andauernden Verfahren verbundenen
Belastungen für den Beschuldigten als maßgebende Kriterien in Betracht
(siehe nur BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 9; vgl. zusammenfassend
Franke in MünchKomm. StGB § 46 Rdn. 62 mit weiteren
Rechtsprechungsnachweisen).
Hier handelt es sich um eine umfangreiche, schwierige Wirtschaftsstrafsache
, die zunächst wegen mehrerer Tatkomplexe gegen vier Angeklagte geführt
wurde. Die erste tatrichterliche Hauptverhandlung dauerte vom Oktober
1999 bis zum August des Jahres 2000. Das erste, vom Senat später teilweise
aufgehobene Urteil umfaßte in seiner schriftlichen Begründung 510 Seiten. Das
Gewicht des gegen den Angeklagten jetzt noch bestehenden, abgeurteilten
Tatvorwurfs erweist sich zumal im Blick auf die außergewöhnliche Schadenshöhe
von 128 Mio DM als erheblich. Angesichts der Komplexität der Vorgänge
ist es auch nicht zu beanstanden, daß die Erstellung des polizeilichen Schlußberichts
, die Anklageerhebung und die Entscheidung über die Eröffnung des
Hauptverfahrens sowie die Vorbereitung der beiden Hauptverhandlungen, aber
auch das erste Revisionsverfahren mehrmonatige Zeiträume in Anspruch genommen
haben. Schließlich ist zu bedenken, daß die Ausschöpfung der von
der Dauer der ersten Hauptverhandlung mitbestimmten Frist zur Absetzung der
Urteilsgründe ebensowenig eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung
mitzubegründen vermag wie die auf Revision des Angeklagten hin erfolgte teilweise
Aufhebung des ersten Urteils und die Zurückverweisung der Sache zu
neuer Verhandlung und Entscheidung. Dies ist Ausfluß der Gesetzeslage und
eines rechtsstaatlichen Rechtsmittelsystems (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2
Verfahrensverzögerung 15). Der Angeklagte war zwar ersichtlich über wenigstens
sieben Jahre hin (ausgehend von der im Urteil erwähnten ersten Beschuldigten
-Vernehmung) dem Verfahren ausgesetzt, befand sich aber - im
Jahr 1997 - nur etwa dreieinhalb Monate in Untersuchungshaft.
Soweit der Senat von Amts wegen auf die zulässige Revision hin Verfahrensverzögerungen
nach Erlaß des angefochtenen tatrichterlichen Urteils zu
berücksichtigen hat (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 8), worauf
die Revision zutreffend hinweist, vermag er indes in dem Zeitraum von
etwa drei Monaten zwischen dem Eingang der Revisionsbegründung beim
Landgericht und der Übersendung des gesamten Vorganges an den Generalbundesanwalt
nichts Beanstandungswürdiges zu sehen. Diese Dauer erklärt
sich hier zwanglos aus den zu beachtenden Regularien (vgl. § 347 StPO,
Nr. 163 ff. RiStBV) und dem großen Umfang des Aktenwerks, das auch drei
Andere betraf.
Nack Wahl Schluckebier
Kolz Elf
Nachschlagewerk:
BGHSt : ja
Veröffentlichung: ja
MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1
Ein Revisionsführer, der das Vorliegen einer Art. 6 Abs. 1 Satz 1
MRK verletzenden Verfahrensverzögerung geltend machen will,
muß grundsätzlich eine Verfahrensrüge erheben. Ergeben sich indes
bereits aus den Urteilsgründen die Voraussetzungen einer solchen
Verzögerung, hat das Revisionsgericht auf Sachrüge einzugreifen.
Das gilt auch, wenn sich bei der auf Sachrüge veranlaßten Prüfung,
namentlich anhand der Urteilsgründe, ausreichende Anhaltspunkte
ergeben, die das Tatgericht zur Prüfung einer solchen Verfahrensverzögerung
drängen mußten, so daß ein sachlichrechtlich zu beanstandender
Erörterungsmangel vorliegt.
BGH, Beschluß vom 11. November 2004 - 5 StR 376/03
LG Frankfurt (Oder) -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 11. November 2004
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. November 2004

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten M wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt/Oder vom 2. April 2003 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im gesamten Strafausspruch aufgehoben, soweit es ihn betrifft.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten M wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei in sieben Fällen und wegen Beihilfe zum versuchten Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Sein Rechtsmittel führt zur Aufhebung des landgerichtlichen Urteils im gesamten Strafausspruch gegen den Revisionsführer; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


Nach den Feststellungen des Landgerichts gehörte der Angeklagte zu einer in wechselnder Zusammensetzung arbeitsteilig und international
organisiert handelnden Bande, die durch Straftaten erlangte hochwertige Autos von Stettin aus nach Osteuropa verschob. Der Angeklagte wirkte dabei zwischen 1994 und Sommer 1998 in insgesamt sieben Fällen als Kurierfahrer an dem Transport der Fahrzeuge nach Osteuropa mit. In einem Fall beteiligte er sich an der Täuschung einer Kfz-Versicherung, als er mit anderen einen wahrheitswidrig als gestohlen gemeldeten Pkw nach Minsk verbrachte und dort veräußerte. Den letztgenannten Fall hat das Landgericht als Beihilfe zum versuchten Betrug gewertet, die übrigen Taten als jeweils selbständige Handlungen der gewerbsmäßigen Hehlerei gemäß § 260a StGB.
Das Landgericht hat weiter festgestellt, daß der Haupttäter nichtrevidierende Mitangeklagte T kurz nach seiner Inhaftierung im Juni 1998 ein umfassendes Geständnis abgelegt und dabei auch die Mittäter benannt hat. Der Angeklagte war in dieser Sache vom 28. Oktober 1998 bis 20. Januar 1999 in Untersuchungshaft.

II.


Die Revision ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit sich der Angeklagte gegen den Schuldspruch wendet. Auf die Sachrüge hebt der Senat jedoch den gesamten Strafausspruch auf, weil das Landgericht sich in den Urteilsgründen nicht damit auseinandergesetzt hat, ob im vorliegenden Fall eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung gegeben war.
1. Für die Entscheidung des Senats über die Revision des Angeklagten im vorliegenden Verfahren ist die Frage erheblich, ob und inwieweit die revisionsgerichtliche Prüfung einer Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK verletzenden Verfahrensverzögerung auf Sachrüge zu erfolgen hat oder die Erhebung einer entsprechenden Verfahrensrüge voraussetzt. Diese Frage war in der Rechtsprechung der Senate des Bundesgerichtshofs bislang streitig. Der Senat hat die Frage mit Beschluß vom 13. November 2003 (wistra 2004,
181) zum Gegenstand eines Anfrageverfahrens nach § 132 Abs. 3 GVG gemacht. Die Antwortbeschlüsse der anderen Strafsenate haben zwar kein ganz einheitliches Bild ergeben. Indes gibt es deutliche Anzeichen für eine Annäherung der gegensätzlichen Standpunkte, die eine – im übrigen wegen der damit verbundenen weiteren Verfahrensverzögerung kontraindizierte – Befassung des Großen Senats für Strafsachen nach § 132 Abs. 2 oder Abs. 4 GVG entbehrlich macht.

a) Der Senat erkennt an, daß es jenseits eines sich schon aus der Urteilsurkunde ergebenden Erörterungsbedarfs einer Verfahrensrüge dann bedarf , wenn der Beschwerdeführer das Vorliegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung dartun will. Deshalb ist der Senat bereit, unter Aufgabe seines weitergehenden Standpunktes im Anfragebeschluß die Rechtsposition des 3. Strafsenats (Antwortbeschluß vom 12. August 2004 – 3 ARs 5/04) prinzipiell zu übernehmen, dem auch die Auffassung des 4. Strafsenats tendenziell nahekommt (Antwortbeschluß vom 25. März 2004 – 4 ARs 6/04). Danach ist für die revisionsgerichtliche Prüfung, ob im Einzelfall eine Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK verletzende Verfahrensverzögerung vorliegt , grundsätzlich eine Verfahrensrüge erforderlich. Ergeben sich indes bereits aus den Urteilsgründen die Voraussetzungen einer solchen Verzögerung , hat das Revisionsgericht auf Sachrüge einzugreifen. Das gleiche gilt aber auch, wenn sich bei der auf Sachrüge veranlaßten Prüfung, namentlich anhand der Urteilsgründe, ausreichende Anhaltspunkte ergeben, die das Tatgericht zur Prüfung einer solchen Verfahrensverzögerung drängen mußten , so daß ein sachlichrechtlich zu beanstandender Erörterungsmangel vorliegt.
Die Voraussetzungen eines solchen Erörterungsmangels werden nach den individuellen Gegebenheiten eines jeden Einzelfalls zu beurteilen sein. So wird eine überdurchschnittlich lange Verfahrensdauer wegen der vielen denkbaren Ursachen nicht ohne weiteres einen sachlichrechtlichen Erörterungsbedarf in diesem Sinne auslösen, wie in den genannten Antwort-
beschlüssen im einzelnen näher erläutert ist. Den – im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK freilich dokumentationspflichtigen – Tatrichtern wird in diesem Bereich kein unangemessener übergroßer Begründungsbedarf abverlangt; selbstverständlich wird eine schlüssige schlagwortartige Erklärung für eine auffällige Verfahrensverzögerung ausreichen. Es wird auch nicht ernsthaft die Gefahr bestehen, daß es zu Urteilsaufhebungen allein wegen Begründungsdefiziten in einer erheblichen Zahl von Fällen kommen wird, in denen tatsächlich gar keine Verfahrensverzögerung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK vorlag.

b) Die Antwortbeschlüsse des 1. und des 2. Strafsenats stehen dem gefundenen Ergebnis nicht entgegen.
aa) Im Antwortbeschluß des 2. Strafsenats vom 26. Mai 2004 – 2 ARs 33/04 – (vgl. StraFo 2004, 356) wird ebenfalls Raum für eine revisionsgerichtliche Prüfung zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK auf Sachrüge gesehen. Zwar werden die Voraussetzungen hierfür enger gefaßt, doch ist der genannten Auffassung widerstreitende Rechtsprechung dieses Senats nicht ersichtlich.
bb) Wie sich aus dem Antwortbeschluß des 1. Strafsenats vom 23. Juni 2004 – 1 ARs 5/04 – ergibt, hält dieser Senat eine Verfahrensrüge in Fällen der vorliegenden Art in sehr viel weitergehendem Umfang für unerläßlich. Indes steht auch der Beschluß dieses Senats vom 3. August 2000 – 1 StR 293/00 –, der nach dem Antwortbeschluß einem Eingreifen auf Sachrüge tragend entgegenstehen soll, der Annahme eines Erörterungsmangels in Fällen signifikanter Anhaltspunkte für eine gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK verstoßende Verfahrensverzögerung nicht zwingend entgegen. Dies hat der 1. Strafsenat auf informelle Nachfrage bestätigt. Danach hält zudem auch dieser Senat im Blick auf das Gesamtbild der Ergebnisse des Anfrageverfahrens eine im Einzelfall praktikabel zu handhabende Vereinheitlichung der Rechtsprechung der Senate ohne ein Vorlageverfahren an den Großen Se-
nat für Strafsachen für vertretbar und auch sachgerecht. Der 1. Strafsenat tendiert nunmehr zu der Auffassung, daß ein Revisionsführer, der das Vorliegen einer Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK verletzenden Verfahrensverzögerung geltend machen will, grundsätzlich eine Verfahrensrüge erheben müsse; nur in besonderen Ausnahmefällen könne insoweit ein auf die Sachrüge zu prüfender Erörterungsmangel vorliegen; dafür sei maßgeblich, daß in den Urteilsgründen Umstände festgestellt sein müßten, die für das Vorliegen einer solchen Verfahrensverzögerung so signifikant seien, daß sie den Tatrichter zur Prüfung des darin liegenden Verstoßes drängen.

c) Damit bestehen zwischen den Senaten im Ergebnis zwar im einzelnen noch unterschiedliche Auffassungen zur sachlichrechtlichen Erörterungspflicht bei Anzeichen für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung. Da aber keine tragende Divergenz in der Frage besteht, daß für den Tatrichter in diesem Bereich überhaupt eine Erörterungspflicht entstehen kann, ist auch die Notwendigkeit einer Anrufung des Großen Senats nach § 132 Abs. 2 GVG entfallen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der 5. Strafsenat nunmehr zubilligt, daß im Revisionsverfahren der Einwand einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung grundsätzlich in der Form einer Verfahrensrüge (vgl. BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 19) zu erheben ist, wobei allerdings die Anforderungen an den Revisionsvortrag (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) nicht übersteigert werden dürfen (so auch die Antwortbeschlüsse des 1. und des 2. Strafsenats). Eine möglicherweise verbleibende Divergenz bezieht sich letztlich nur noch auf den konkreten Subsumtionsvorgang und die Reichweite der sachlichrechtlichen Prüfungspflicht in zukünftigen Einzelfällen. Zwischen den Senaten steht mithin allenfalls eine unterschiedliche Bewertung zu beurteilender Sachverhalte, jedoch keine – vom Großen Senat für Strafsachen abstrakt zu beantwortende – Rechtsfrage mehr im Streit.
2. Nach den vorgenannten Grundsätzen hätte es im vorliegenden Fall einer Erörterung bedurft, ob eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzöge-
rung eingetreten war. Mit dem sehr umfänglichen Geständnis des Haupttäters im Juni 1998, das bereits zu Beginn der Ermittlungen erfolgte und nach den Urteilsgründen die Tatabläufe und die Tatbeteiligungen anderer umfassend aufdeckte, waren die Taten weitgehend geklärt, zumal auch der (nichtrevidierende ) Mitangeklagte P ebenfalls schon im Ermittlungsverfahren geständig war. Der Angeklagte war – jedenfalls spätestens mit seiner Inhaftierung im Oktober 1998 – als Tatbeteiligter bekannt. Die Anklageschrift, die der Senat als Verfahrensvoraussetzung von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmen hatte, datierte gleichwohl erst vom Dezember 2001. Auf welche Umstände es zurückzuführen war, daß es erst nach über drei Jahren zur Anklageerhebung kam, hätte deshalb im Hinblick auf den durch die weitgehenden Geständnisse bestimmten Ermittlungsstand unter dem Gesichtspunkt einer den Strafverfolgungsbehörden zuzurechnenden beträchtlichen Verfahrensverzögerung der Darlegung bedurft.
Bei der Feststellung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung muß allerdings immer auch die Gesamtverfahrensdauer in Rechnung gestellt werden, zumal durch eine besondere Beschleunigung in späteren Verfahrensabschnitten Verfahrensverzögerungen in anderen Verfahrensabschnitten kompensiert werden können (BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Verfahrensverzögerung 9; StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 17; vgl. auch EGMR wistra 2004, 177). Der Zeitraum zwischen Anklageerhebung und Urteilsspruch , der wiederum fast ein Jahr und fünf Monate in Anspruch genommen hat, ist hingegen seinerseits so lang, daß auch insoweit eine Darlegung der Ursachen geboten gewesen wäre. In der Zusammenschau beider Verfahrensabschnitte gilt dies in besonderem Maße. Es war hier eine – aus der Mitteilung der relevanten Verfahrenstatsachen und möglicherweise einer daran anknüpfenden Würdigung bestehende – Erläuterung dahingehend unerläßlich , warum trotz der frühzeitigen umfassenden Geständnisse das Verfahren insgesamt fast fünf Jahre bis zum erstinstanzlichen Urteil gedauert hat. Dabei mag die Komplexität des Verfahrens und der Auslandsbezug nach Osteuropa eine Rolle spielen. Andererseits erschließt sich im vorliegenden
Fall nicht ohne weiteres, wie sich dieser Umstand auf den dann auch in der Hauptverhandlung geständigen Angeklagten ausgewirkt haben könnte, der ersichtlich bereits frühzeitig von Mitangeklagten belastet worden war.
Diese Prüfung wird der neue Tatrichter nachzuholen haben. Einer Aufhebung der Feststellungen bedarf es hierfür aber nicht, weil der neue Tatrichter zusätzliche Feststellungen zur Verfahrensverzögerung wird treffen können, ohne sich zu den bisherigen in Widerspruch zu setzen. Er wird zudem die im Revisionsrechtszug infolge des durchgeführten Zwischenverfahrens nach § 132 Abs. 3 GVG notwendig gewordene weitere Verfahrensdauer in Bedacht zu nehmen haben – dies freilich nur unter den allgemeinen Gesichtspunkten des erheblichen zeitlichen Abstandes zwischen Tat und Aburteilung sowie etwaiger Belastungen durch die lange Verfahrensdauer (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 13).

III.


Eine Erstreckung der Aufhebung gemäß § 357 StPO auf die nichtrevidierenden Mitangeklagten kommt nicht in Betracht. Ein Erörterungsmangel
liegt bei diesen schon deshalb nicht vor, weil die insoweit maßgeblichen Darstellungspflichten hinsichtlich der nichtrevidierenden Mitangeklagten in einem nach § 267 Abs. 4 StPO abgekürzten Urteil nicht bestehen.
Harms RiBGH Häger ist wegen Raum Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert Harms Brause Schaal
5 StR 189/06

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 8. August 2006
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. August
2006, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Staatsanwältin
alsVertreterinderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt R.
alsVerteidigerfürdenA ngeklagten C. ,
Rechtsanwalt S.
alsVerteidigerfürdenAngek lagten G. ,
Justizhauptsekretärin
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten C. gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 15. November 2005 wird auf seine Kosten verworfen.
2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das genannte Urteil, soweit es die Angeklagten C. und G. betrifft, jeweils im gesamten Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen der Staatsanwaltschaft, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat – neben zwei geringer verurteilten Mitangeklagten , die am Revisionsverfahren nicht beteiligt sind – den Angeklagten C. wegen Steuerhinterziehung in 72 Fällen, wegen Anstiftung zur Steuerhinterziehung in 12 Fällen und wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, den nicht revidierenden Angeklagten G. wegen Steuerhinterziehung in 71 Fällen und wegen Anstiftung zur Steuerhinterziehung in 12 Fällen ebenfalls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren. Die Vollstreckung beider Freiheitsstrafen hat das Landgericht zur Bewährung ausgesetzt.
2
Während die allgemein auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte umfassende Revision des Angeklagten C. erfolglos bleibt, erweisen sich die auf die Strafaussprüche gegen die genannten Angeklagten beschränkten, ebenfalls auf die Sachrüge gestützten, von der Bundesanwaltschaft vertretenen Revisionen der Staatsanwaltschaft als begründet.
3
1. Die Schuldsprüche betreffen im Wesentlichen Aktivitäten der Angeklagten ab 1996 in von ihnen organisierten Scheinfirmen, welche sie als sogenannte „Serviceunternehmen“ verschiedenen Kolonnenschiebern zur Verschleierung des Einsatzes von Schwarzarbeitern bereitstellten und für die sie nach Ausstellung von Scheinrechnungen pflichtwidrig für 1996 bis 2000 keine Umsatzsteuerjahreserklärungen sowie von Januar bis November 2001 keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgaben. Insgesamt verursachten die Angeklagten einen Umsatzsteuerschaden von über 18 Mio. DM.
4
In neun Einzelfällen betrug der durch die Nichtanmeldungen verursachte Steuerschaden über 500.000 DM. In diesen Fällen hat das Landgericht unter Anwendung des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO – für beide Angeklagte gleichlautend – (fiktive) Einzelfreiheitsstrafen zwischen neun Monaten und einem Jahr sechs Monaten für angemessen erachtet. Als besonders strafmildernd hat es dabei die bereits in einem frühen Stadium des Ermittlungsverfahrens abgegebenen umfassenden, die verzweigten Täterstrukturen und das für die Schadensberechnung maßgebliche Zahlenmaterial aufzeigenden Geständnisse der Angeklagten und das lange Zurückliegen der Taten gewertet. Um eine um zwei Jahre verzögerte überlange Verfahrensdauer kompensatorisch zu berücksichtigen, hat das Landgericht die Strafen reduziert und Einzelfreiheitsstrafen zwischen sechs Monaten und einem Jahr verhängt.
5
In den übrigen Fällen hat das Landgericht aus dem Strafrahmen des Grundtatbestandes des § 370 Abs. 1 AO kurze Freiheitsstrafen von zwei Monaten bis zu sechs Monaten unter Berufung auf die Vorschrift des § 47 Abs. 1 StGB für angemessen erachtet. Unter dem Gesichtspunkt der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung hat das Landgericht auch in diesen Fällen das Strafmaß reduziert und Einzelfreiheitsstrafen zwischen einem Monat und vier Monaten verhängt. Ohne Verfahrensverzögerung hätte das Landgericht aus den unverminderten Einzelstrafen Gesamtfreiheitsstrafen von jeweils drei Jahren sechs Monaten verhängt.
6
Die Strafaussetzungen hat das Landgericht vor allem damit begründet, dass die Angeklagten seit der drei Jahre zuvor erfolgten Entlassung aus der Untersuchungshaft keine Straftaten mehr begangen, sich somit von der Haft und dem Strafverfahren beeindruckt gezeigt und wieder Arbeit gefunden haben. Die besonderen Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB hat das Landgericht im Wesentlichen in den Geständnissen, den Bemühungen um Schadenswiedergutmachung und dem Zurückliegen der Taten gesehen.
7
2. Die Revision des Angeklagten C. deckt keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil auf. Hingegen haben die Revisionen der Staatsanwaltschaft umfassend Erfolg.
8
a) Jedenfalls das Ausmaß der den Angeklagten wegen überlanger Verfahrensdauer zugebilligten Strafabschläge ist nicht nachvollziehbar. Das Landgericht hat ihnen – für sich nicht beanstandenswert – eine Verfahrensverzögerung von zwei Jahren zugrunde gelegt. Neben der überlangen Konfrontation mit der Unsicherheit des schwebenden Strafverfahrens hat das Landgericht als zusätzliche, durch den Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 MRK verursachte Belastungen erhebliche Schwierigkeiten der zum Zeitpunkt der Verfahrensverzögerung bereits nicht mehr in Untersuchungshaft inhaftierten Angeklagten bei ihrer Integration auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigt. Die Dauer der Verfahrensverzögerung und die festgestellten hierdurch verursachten Belastungen lassen indes auch bei uneingeschränkter Achtung des tatgerichtlichen Beurteilungsspielraums einen derart gewichtigen Strafabschlag wie den vom Landgericht für angemessen erachteten nicht zu. Eine Reduzierung der Einzelstrafen um jeweils mindestens ein Drittel bis zur Hälfte verglichen mit der bei verzögerungsloser Aburteilung für angemessen erachteten Höhe, insbesondere aber das Resultat der Gesamtstrafreduzierung (vgl. zu deren sachgerechter Vornahme: BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 16) von einer gravierenden zu vollstreckenden Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren sechs Monaten auf eine zur Bewährung ausgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren würde, namentlich gemessen an der Schwere der abgeurteilten Taten und auch unter Berücksichtigung des mehrjährigen Gesamttatgeschehens, ein erheblich gewichtigeres Ausmaß der gegen Art. 6 Abs. 1 MRK verstoßenden Verfahrensverzögerung erfordern oder aber deutlich gravierendere individuelle Belastungen der Angeklagten infolge der Verfahrensverzögerung als die hier festgestellten.
9
Ohnehin widerstreitet eine erhebliche strafmildernde Wirkung des Zeitfaktors als Folge justizieller Mängel generell den Zielen effektiver Verteidigung der Rechtsordnung; dies gilt namentlich im Bereich schwerer, zudem sozialschädlicher Wirtschaftskriminalität (vgl. BGHSt 50, 299, 308 f.). Besonders misslich ist es, wenn das zu einer Strafmilderung verpflichtete Tatgericht gar durch eigenes unsachgemäßes Verhalten maßgebliche Ursachen für die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung gesetzt hat. Gerade vor diesem Hintergrund darf das Revisionsgericht einen überzogenen Strafabschlag , wie er hier zu konstatieren ist, nicht hinnehmen.
10
b) Danach bedarf es hier keiner abschließenden Entscheidung , ob die Strafaussprüche gegen die Angeklagten, namentlich den einschlägig vorbestraften Angeklagten C. , insgesamt oder jedenfalls in den nach § 370 Abs. 3 AO beurteilten Einzelfällen und in den Gesamtstrafen bereits allein im Blick auf die niedrige Bemessung als nicht mehr schuldangemessene Bestrafung zu beanstanden wären. Dies liegt nicht fern angesichts der massiven sozialschädlichen Auswirkungen der abgeurteilten Taten vor dem Hintergrund ihrer Begehung in aggressiv gewerbsmäßiger Form und in organisierten kriminellen Strukturen (vgl. BGH wistra 2005, 30, 31 f.).
11
Dass das Ergebnis etwa auf eine Förderung der Erledigung durch eine vom Landgericht ohne Einbeziehung der Staatsanwaltschaft herbeigeführte Verständigung zurückginge (vgl. zur „Zusage“ einer Strafobergrenze ohne staatsanwaltliche Zustimmung: BGH, Urteil vom 13. Juli 2006 – 4 StR 87/06), hat die Staatsanwaltschaft nicht geltend gemacht. Hiergegen hätte sie sich gegebenenfalls mit den gebotenen prozessualen Mitteln zur Wehr setzen müssen (vgl. BGHR StPO vor § 1/faires Verfahren – Vereinbarung 15 m.w.N.).
12
c) Der Aufhebung von Urteilsfeststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) bedarf es bei dem erkannten Wertungsfehler nicht. Das neue Tatgericht wird auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen fiktive und wegen eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 MRK kompensierte Einzelund Gesamtstrafen (vgl. BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 16) neu festzusetzen haben. Darüber hinaus darf es seiner neuen Bewertung etwa zu treffende weitere, hierzu nicht in Widerspruch stehende Feststellungen zugrunde legen.
Basdorf Häger Gerhardt Brause Jäger

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 377/06
vom
10. Oktober 2006
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Oktober 2006 beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Augsburg vom 9. Februar 2006 aufgehoben

a) im Fall II 2 g der Urteilsgründe; insoweit wird der Angeklagte
freigesprochen;

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe, dass
eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe
gemäß §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Angeklagte ist damit schuldig des unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, des unerlaubten
Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
in 14 Fällen und des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln.
4. Soweit der Angeklagte freigesprochen wurde, hat die Staatskasse
die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen
des Angeklagten zu tragen. Über die verbleibenden Kosten
des Rechtsmittels ist zugleich mit der Entscheidung über die
Gesamtstrafe zu befinden.

Gründe:


1
Der Angeklagte wurde wegen zwei Fällen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, 14 Fällen des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und einem Fall des Erwerbs von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Seine auf die näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision hat hinsichtlich einer Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II 2 g der Urteilsgründe = Fall 6 der Anklage) Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Insoweit hat der Senat, wie auch von der Generalbundesanwältin beantragt, den Angeklagten freigesprochen (§ 354 Abs. 1 StPO). Mit dem Wegfall der hierfür ausgeworfenen Einzelstrafe entfällt zugleich die Gesamtstrafe (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen bleibt die Revision erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

2
1. Der Angeklagte konsumierte jedenfalls ab 1997/98 bis 2003 und wieder ab 2004 regelmäßig Kokain, „1 bis maximal 2mal wöchentlich in sich steigernder Dosierung, ab 2001/2002 2-3 g, gelegentlich auch 5 g“.
3
Die Strafkammer hat festgestellt, dass er zwischen 1998 und 2004 regelmäßig jedenfalls in 15 Fällen Kokain erworben hat, einmal 3 g, sonst zwischen 10 g und 100 g, oft 50 g, so allein im Frühjahr 2001 innerhalb von maximal vier Wochen vier Mal. In diesen Fällen konnte die Strafkammer Zweifel daran, dass dieses Kokain auch zum Weiterverkauf bestimmt war, nicht überwinden , selbst nicht insoweit, als der Angeklagte innerhalb von höchstens vier Wochen bei einem maximalen wöchentlichen Eigenverbrauch von 10 g insge- samt 200 g kaufte. Sie verkennt zwar nicht, dass die Umstände des Falles auf die Absicht gewinnbringender Weiterveräußerung hindeuten. Konkrete Umstände , die gegen diese Annahme sprechen könnten, führt sie nicht an. Sie hält jedoch die getroffenen Feststellungen für nicht tragfähig genug, um auf die genannte Absicht schließen zu können.
4
2. Der Senat braucht der Frage, ob die genannten Erwägungen der Strafkammer die Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung überspannt haben könnten (vgl. Körner BtMG 5. Aufl. § 29 Rdn. 282, 284 m. w. N.), nicht näher nachzugehen, weil der Angeklagte hierdurch nicht beschwert sein kann.
5
Den Angeklagten beschwerende Rechtsfehler sind hinsichtlich des Schuldspruchs in allen diesen Fällen nicht zu erkennen, wie dies auch die Generalbundesanwältin zutreffend ausgeführt hat.

II.


6
Ebenso hält der Schuldspruch rechtlicher Überprüfung stand, soweit der Angeklagte im Fall II 2 e der Urteilsgründe wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt wurde.
7
1. Hier war der Angeklagte mit weiteren Tatbeteiligten, darunter C. C. , der in großem Umfang mit Rauschgift handelte, 2001 nach Hamburg gefahren und war nach einem gemeinsamen Probekauf über Kokain im Wert von insgesamt fast 1.000.- DM mit einem Rauschgifthändler über den Erwerb von 500 g Kokain für 40.000.- DM „handelseinig“ geworden. Aus nicht näher mitgeteilten Gründen sagte der Angeklagte dieses Geschäft allerdings später wieder ab.
8
2. Unter Berufung auf die Beweiswürdigung der Strafkammer in den geschilderten Fällen, in denen der Angeklagte nicht wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt wurde, hält die Revision die Urteilsgründe im Fall II 2 e für lückenhaft. Sie vermisst die Erörterung der Möglichkeit, dass es dem Angeklagten auch in diesem Fall nicht um Weiterverkauf ging. Darüber hinaus habe die Strafkammer nicht einmal ausdrücklich festgestellt, dass es dem Angeklagten überhaupt darum ging, diese 500 g (gewinnbringend) umzusetzen, obwohl sie diese Annahme ihrem Schuldspruch wegen Handeltreibens offenbar zu Grunde gelegt habe.
9
3. Der Senat sieht keinen Rechtsfehler. Der Angeklagte hatte 1996 die eidesstattliche Versicherung abgegeben. 2003 wurde hinsichtlich der von ihm beantragten Restschuldbefreiung das Insolvenzverfahren eröffnet. Seine Schulden beliefen sich auf mindestens 80.000.- Euro. Unter Berücksichtigung dieser und aller sonstiger Umstände des Falles erscheint es auch unter Beachtung der Zweifel der Strafkammer in den anderen Fällen nicht als nahe liegende und deshalb erörterungsbedürftige Möglichkeit, dass der Angeklagte 2001 für 40.000.- DM Kokain kaufen wollte, um seinen Eigenbedarf für mindestens jedenfalls rund ein Jahr im Voraus zu decken, oder dass es ihm aus - wie auch immer beschaffenen - sonstigen Gründen nicht um gewinnbringenden Weiterverkauf ging (vgl. auch BGH StraFo 2004, 180 m. w. N.).

III.

10
Keinen Bestand haben kann dagegen der Schuldspruch wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall II 2 g der Urteilsgründe.
11
1. Gegenstand der Verurteilung sind Verhandlungen, die der Angeklagte insbesondere mit H. C. über den Erwerb großer Mengen von Kokain in Kolumbien geführt hatte. C. sollte als Finanzier die Kaufgelder bereitstellen , der Angeklagte zusammen mit einem Kurier das Rauschgift in Kolumbien beschaffen. Der Angeklagte und C. hatten Ende 2004 vereinbart, dass sie gemeinsam im Januar 2005 nach Kolumbien fliegen wollten, „um sich die Sache anzusehen, insbesondere die Lieferanten kennen zu lernen“. Hierzu kam es nicht, nachdem sich der Angeklagte, so die Feststellung der Strafkammer, nach einem Gespräch mit seiner Schwester anders besonnen und dies C. mitgeteilt hatte. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte zuvor in Verfolgung des geschilderten Tatplans mit der Verkäuferseite in Kolumbien Kontakt aufgenommen hätte oder gar mit ihr in ernsthafte Verhandlungen eingetreten sei, sind nicht ersichtlich.
12
2. Revision und Generalbundesanwältin legen im Wesentlichen übereinstimmend zutreffend dar, dass diese Feststellungen eine Verurteilung wegen (vollendeten oder auch nur versuchten) Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nicht tragen. Zwar ist der Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln schon dann erfüllt, wenn der Täter bei einem beabsichtigten Ankauf von zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmitteln in ernsthafte Verhandlungen mit dem potentiellen Verkäufer eintritt (BGHSt 50, 252 - Großer Senat -). Hier waren die Verhandlungen aber nur innerhalb der (potentiellen) Käuferseite geführt, es ging darum, wie mit einem künftigen Verkäufer in Kon- takt zu treten sei, welche Mengen gekauft werden sollten, wie der Kauf zu finanzieren sei, und von wem das Rauschgift im Falle des Kaufes zu transportieren sei. Einen Kontakt mit einem (potentiellen) Verkäufer gab es dagegen noch nicht. In einem solchen Fall liegt auch dann noch kein Handeltreiben vor, wenn die Beteiligten auf der (potentiellen) Käuferseite ihr Verhalten für den Fall der Aufnahme und des Erfolges der geplanten Verhandlungen mit einem (potentiellen ) Verkäufer schon abgestimmt haben. Es fehlt in einem solchen Fall zwar nicht an jeder Konkretisierung der beabsichtigten Tat (vgl. hierzu BGH aaO 265 f. m. w. N.), wohl aber an der Konkretisierung hinsichtlich der Aufnahme von Verhandlungen zwischen (potentieller) Verkäufer- und (potentieller) Käuferseite, die für den Tatbestand des Handeltreibens kennzeichnend sind.
13
3. Freilich haben der Angeklagte und C. , durch ihren gemeinsamen Plan, große Mengen Rauschgift einzukaufen, die Begehung eines Verbrechens verabredet (§ 30 Abs. 2 StGB). Wie die Revision und die Generalbundesanwältin übereinstimmend darlegen, ist der Angeklagte hiervon jedoch zurückgetreten.
14
Die Generalbundesanwältin hat hierzu im Einzelnen ausgeführt: „ … der Angeklagte (hat) die Tat jedoch verhindert, indem er C. erklärte , von dem geplanten Geschäft Abstand zu nehmen. Aus den … Feststellungen ergibt sich …, dass der vom Angeklagten nunmehr verweigerte Tatbeitrag (Schaffen der Kontakte nach Kolumbien) unerlässliche Voraussetzung für die Durchführung der Tat gewesen wäre. Anhaltspunkte dafür, dass … C. auf Grund ihm vom Angeklagten bereits erteilter Detailinformationen in der Lage gewesen wäre, die Rauschgiftgeschäfte in eigener Regie durchzuführen, enthält das Urteil nicht.
Weiß der Zurücktretende, dass die Tat ohne ihn gar nicht begangen werden kann, genügt für einen Rücktritt nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 StGB bloßes Untätigbleiben (vgl. Joecks in MünchKomm StGB § 31 Rdn. 21; Roxin in LK StGB 11. Aufl. § 31 Rdn. 20; Lackner/Kühl StGB 25. Aufl. § 31 Rdn. 5 jew. m. RsprNachw).“
15
Dem stimmt der Senat zu (vgl. auch BGHSt 32,133; BGH NStZ 1999, 395, 396).
16
4. Der Senat kann keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass ein neuer Tatrichter zu diesem Komplex noch Feststellungen treffen könnte, die eine Verurteilung des Angeklagten tragen könnten. Entsprechend auch dem Antrag der Generalbundesanwältin spricht der Senat daher den Angeklagten im Punkt II 2 g der Urteilsgründe (= Fall 6 der Anklage) frei (§ 354 Abs. 1 StPO).

IV.

17
Zu den Strafaussprüchen:
18
1. Der Freispruch im Fall II 2 g der Urteilsgründe führt zum Wegfall der hierfür verhängten Einzelstrafe von vier Jahren, der Einsatzstrafe, und damit zugleich zum Wegfall der Gesamtstrafe.
19
2. Die übrigen Einzelstrafen können bestehen bleiben.
20
a) Für sich genommen enthalten sie keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Auch insoweit teilt der Senat die auch durch die Erwiderung der Revision (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) nicht entkräftete Auffassung der Generalbundesanwältin.
21
b) Der Senat hat erwogen, ob der Wegfall der Strafe im Fall II 2 g der Urteilsgründe gleichwohl zur Aufhebung der übrigen Einzelstrafen führen kann.
22
Dies kann insbesondere in Betracht kommen, wenn die höchste Einzelstrafe (Einsatzstrafe) keinen Bestand haben kann oder wenn sämtliche abgeurteilte Taten in einem engen inneren Zusammenhang stehen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 1995 - 1 StR 117/95). Beides ist hier der Fall. Andererseits ist bei der Bemessung der in Rede stehenden Einzelstrafen in keiner Weise auf die unter II 2 g der Urteilsgründe abgeurteilte Tat oder die deshalb verhängte Strafe Bezug genommen.
23
Letztlich braucht der Senat der Frage eines möglichen Zusammenhangs zwischen der Strafe im Fall II 2 g der Urteilsgründe und den übrigen Strafen aber nicht zu entscheiden, weil er die übrigen Einzelstrafen jedenfalls für angemessen i. S. d. § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO hält (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 - 1 StR 407/05; vgl. auch Senge in FS für Hans Dahs 2005, 475, 486 m. w. N.).
24
c) Besonderheiten des Einzelfalls, die einer Entscheidung gemäß § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO hier entgegenstehen könnten (vgl. hierzu zusammenfassend BGH, Beschluss vom 22. August 2006 - 1 StR 293/06 m. w. N., zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) sind nicht ersichtlich.
25
d) Bei seiner Entscheidung konnte der Senat auch Folgendes nicht außer Acht lassen: Der Angeklagte war innerhalb des Zeitraums, in dem er die hier abgeurteilten Taten begangen hat, auch sonst wiederholt straffällig geworden. 2001 wurde er wegen Betrügereien zu elf Monaten Freiheitsstrafe verurteilt , 2002 wegen Verkehrsunfallflucht zu drei Monaten Freiheitsstrafe. Beide Strafen wurden zur Bewährung ausgesetzt und später erlassen. Die Strafkammer sieht in diesem Verfahrensgang eine besondere Härte für den Angeklag- ten, und hat ihm deshalb - ersichtlich schon bei der Bemessung der Einzelstrafen - einen sog. Härteausgleich zugebilligt.
26
Der Angeklagte stellt sich mit dem Erlass der früheren Strafe(n) jedoch besser, als wenn deren Einbeziehung in eine erst noch zu vollstreckende nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe diese nahe liegend erhöht hätte. Eine wie auch immer beschaffene Härte liegt jedenfalls nicht vor, dementsprechend ist ein Härteausgleich nicht veranlasst (BGH NStZ-RR 2004, 330 m. w. N.).
27
e) Unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts, aller für die Strafzumessung bedeutsamer Urteilsfeststellungen und des gesamten auf die Strafzumessung bezogenen Vorbringens der Verfahrensbeteiligten hält der Senat die von der Strafkammer ausgeworfenen Einzelstrafen für angemessen.
28
3. Die nach alledem hinsichtlich des Strafausspruchs allein gebotene Aufhebung der Gesamtstrafe erfolgt mit der Maßgabe, dass die nunmehr nur noch gebotene Entscheidung über die Gesamtstrafe durch Beschluss gemäß §§ 460, 462 StPO zu erfolgen hat, § 354 Abs. 1b Sätze 1 und 2 StPO. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Gesetzesverletzung bei der Bildung einer Gesamtstrafe i. S. d. § 354 Abs. 1b StPO auch dann gegeben, und dementsprechend eine Verweisung auf das Beschlussverfahren auch dann möglich, wenn im Revisionsverfahren eine Einzelstrafe durch Verfahrenseinstellung wegfällt (vgl. BGH NStZ 2005, 223; BGH, Beschluss vom 9. August 2006 - 1 StR 252/06). Fällt, wie hier, eine Einzelstrafe infolge Freispruchs weg, kann nichts anderes gelten.
29
Die Entscheidung über die Gesamtstrafe aus den nunmehr rechtskräftigen Einzelstrafen obliegt dem gemäß § 462a Abs. 3 StPO zuständigen Gericht (BGH aaO; Senge aaO 493). Herr RiBGH Dr. Kolz befindet sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift verhindert. Nack Wahl Nack Hebenstreit Graf