Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Aug. 2018 - 5 StR 183/18

bei uns veröffentlicht am30.08.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 183/18
vom
30. August 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
ECLI:DE:BGH:2018:300818B5STR183.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 30. August 2018 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 7. November 2017 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: 1. Zur Revisionsbegründung von Rechtsanwalt R.
Soweit geltend gemacht wird, die „Handzeichen“ unter der Urteilsurkunde erfüllten die Anforderungen von Unterschriften nicht, sondern seien als Paraphen zu qualifizieren (Verstoß gegen § 275 Abs. 2 Satz 1 StPO), ist die Rüge unbegründet. Es handelt sich um die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnende Schriftzüge mit individuellen, charakteristischen Merkmalen, die die Nachahmung erschweren, sich als Wiedergabe eines Namens darstellen und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2010 – VIII ZB 67/09). Leserlich müssen sie nicht sein.
Soweit als Verstoß gegen § 338 Nr. 6 StPO die unzulässige Erweiterung der Öffentlichkeit geltend gemacht wird, handelt es sich um eine Rüge nach § 337 StPO, und nicht nach § 338 Nr. 6 StPO; der Senat schließt aus, dass das Urteil auf einer etwaigen Rechtsverletzung beruht.
2. Zur Revisionsbegründung von Rechtsanwalt Ru.
Die Rüge eines Verstoßes gegen § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO durch Ablehnung der Einholung eines Sachverständigengutachtens gemäß (erneutem) Beweisantrag vom 3. November 2017 ist jedenfalls unbegründet.
Soweit die Beschwerdeführerin moniert, die Ablehnung ihres Antrages vom 21. August/12. September 2017 sei verspätet erfolgt, ist ihre Rüge jedenfalls unbegründet. Die Strafkammer war nicht gehalten, unverzüglich nach Antragstellung eine Entscheidung zu treffen, sondern konnte diese längstens bis zum Schluss der Beweisaufnahme (§ 258 Abs. 1 StPO) zurückstellen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. November 2010 – 1 StR 145/10, NStZ 2011, 168). Soweit sie rügt, der Ablehnungsbeschluss der Strafkammer vom 3. November 2017 beziehe sich unter Verstoß gegen § 261 StPO auf die Einlassung des Nichtrevidenten in der Hauptverhandlung, weil dieser sich nie entsprechend eingelassen habe, ist die Rüge unzulässig. Der Nichtrevident hat sich unter anderem in den Hauptverhandlungen vom 21. und 28. August sowie 20. Oktober 2017 zur Sache eingelassen. Die Feststellung der Inhalte seiner Angaben ist wegen des Rekonstruktionsverbots nicht möglich.
Die Verfahrensrüge nach § 261 StPO (Verstoß gegen das sogenannte Ausschöpfungsgebot ) ist unzulässig. Die Angeklagte macht insoweit geltend, die Urteilsgründe hätten angeben müssen, dass die Einlassung des Nichtrevidenten in der Hauptverhandlung zustandegekommen sei, ohne dass die Verteidiger der Angeklagten Fragen an den Nichtrevidenten habe stellen können, weil er solche nicht zugelassen habe. Dies trifft allerdings nicht zu. Der Nichtrevident hatte vielmehr seine Bereitschaft erklärt, Fragen, die von der Strafkammer für sachdienlich gehalten würden, zu beantworten. Daraufhin hat einer der Verteidiger der Angeklagten durch Schriftsätze vom 8. Juni und 14. August 2017 Fragenlisten übersandt, die durch das Tatgericht den Verteidigern des Nichtrevidenten zugeleitet wurden. Der Nichtrevident hat in den Hauptverhandlungen am 21. Juli und 20. Oktober 2017, also jeweils nach Einreichung der beiden Fragenlisten , zur Sache ausgesagt. Ob und gegebenenfalls inwieweit der Nichtrevident in diesen Einlassungen zu den Fragen Stellung genommen hat oder diese sich angesichts seiner Einlassungen erledigt haben, kann ohne Rekonstruktion der Hauptverhandlung nicht festgestellt werden.
3. Zur Revisionsbegründung von Rechtsanwalt M.
Die Rüge betreffend die fehlende Verwertung der Erkenntnisse aus der Verlesung von WhatsApp-Kommunikation im Urteil (Verstoß gegen § 261 StPO) ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet.
Die Rüge, das Landgericht habe die Einlassung der Angeklagten zur Sache unter Verletzung des § 261 StPO nur teilweise in der Urteilsbegründung gewürdigt , hat ebenfalls keinen Erfolg. Da der Wortlaut der von der Angeklagten vorgelesenen Erklärung nicht Gegenstand der Hauptverhandlung geworden ist, scheitert die „Inbegriffsrüge“ an dem in der Revisionsinstanz geltenden Strukturprinzip des Verbots der inhaltlichen Rekonstruktion der tatrichterlichen Beweiserhebungen. Nur dann, wenn das Gericht ausnahmsweise die förmliche Verlesung einer verschrifteten Einlassung im Wege des Urkundenbeweises anordnet , bewirkt der Vollzug dieser Anordnung, dass der Wortlaut des Schriftstücks in die Hauptverhandlung eingeführt wird und deshalb in der Revisionsinstanz als Maßstab zur Überprüfung der Beweiswürdigung herangezogen werden muss (BGH, Beschluss vom 14. August 2003 – 3 StR 17/03, NStZ 2004, 163, 164; vom 27. Februar 2007 – 3 StR 38/07, NStZ 2007, 349; KK/Schneider, StPO, 7. Aufl., § 243 Rn. 57 mwN).
Die Verfahrensrüge einer Verletzung des Rechts der Angeklagten auf konfrontative Befragung des Nichtrevidenten (Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 3 Buchst. d EMRK) ist unzulässig. Entgegen dem Vortrag der Revision ist es bereits unzutreffend, dass die Fragenliste vom 14. August 2017 vom Tatgericht nicht weitergegeben worden sei (vgl. die mit Erledigungsvermerk versehene Verfügung des Richters am Landgericht B. , Bl. 3531R PB). Im Übrigen wird auf die Ausführungen in der Revisionsbegründung von Rechtsanwalt Ru. sowie die in der Stellungnahme des Generalbundesanwalts unter Gliederungspunkt I.1.b) verwiesen.
Mutzbauer Sander Schneider Mosbacher Köhler

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafprozeßordnung - StPO | § 338 Absolute Revisionsgründe


Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, 1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswid

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Strafprozeßordnung - StPO | § 275 Absetzungsfrist und Form des Urteils


(1) Ist das Urteil mit den Gründen nicht bereits vollständig in das Protokoll aufgenommen worden, so ist es unverzüglich zu den Akten zu bringen. Dies muß spätestens fünf Wochen nach der Verkündung geschehen; diese Frist verlängert sich, wenn die Hau

Strafprozeßordnung - StPO | § 258 Schlussvorträge; Recht des letzten Wortes


(1) Nach dem Schluß der Beweisaufnahme erhalten der Staatsanwalt und sodann der Angeklagte zu ihren Ausführungen und Anträgen das Wort. (2) Dem Staatsanwalt steht das Recht der Erwiderung zu; dem Angeklagten gebührt das letzte Wort. (3) Der A

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Ist das Urteil mit den Gründen nicht bereits vollständig in das Protokoll aufgenommen worden, so ist es unverzüglich zu den Akten zu bringen. Dies muß spätestens fünf Wochen nach der Verkündung geschehen; diese Frist verlängert sich, wenn die Hauptverhandlung länger als drei Tage gedauert hat, um zwei Wochen, und wenn die Hauptverhandlung länger als zehn Tage gedauert hat, für jeden begonnenen Abschnitt von zehn Hauptverhandlungstagen um weitere zwei Wochen. Nach Ablauf der Frist dürfen die Urteilsgründe nicht mehr geändert werden. Die Frist darf nur überschritten werden, wenn und solange das Gericht durch einen im Einzelfall nicht voraussehbaren unabwendbaren Umstand an ihrer Einhaltung gehindert worden ist. Der Zeitpunkt, zu dem das Urteil zu den Akten gebracht ist, und der Zeitpunkt einer Änderung der Gründe müssen aktenkundig sein.

(2) Das Urteil ist von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterschreiben. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies unter der Angabe des Verhinderungsgrundes von dem Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung von dem ältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der Schöffen bedarf es nicht.

(3) Die Bezeichnung des Tages der Sitzung sowie die Namen der Richter, der Schöffen, des Beamten der Staatsanwaltschaft, des Verteidigers und des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, die an der Sitzung teilgenommen haben, sind in das Urteil aufzunehmen.

(4) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 67/09
vom
9. Februar 2010
In dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Februar 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, die Richterin Dr. Milger, den Richter Dr. Schneider,
die Richterin Dr. Fetzer sowie den Richter Dr. Bünger

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der Zivilkammer 11 des Landgerichts Hamburg vom 11. August 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: bis 4.500 €

Gründe:

I.

1
Die Klägerin hat die Beklagten auf Räumung einer Wohnung in Anspruch genommen und nach deren Auszug den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Diesem Begehren hat das Amtsgericht mit Urteil vom 10. Februar 2009 entsprochen. Gegen das am 9. März 2009 zugestellte Urteil haben die Beklagten durch ihre Prozessbevollmächtigte mit am 9. April 2009 beim Landgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz Berufung eingelegt und das Rechtsmittel mit Schriftsatz vom 8. Mai 2009 begründet.
2
Mit Verfügung vom 26. Juni 2009 hat das Landgericht beanstandet, die Berufungsschrift genüge nicht dem Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift durch die den Schriftsatz verantwortende Person (§ 130 Nr. 6, § 519 Abs. 4 ZPO). Es sei daher beabsichtigt, die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Zur weiteren Begründung seines Rechtsstandpunkts hat das Landgericht ausgeführt , die Unterzeichnung der Berufungsschrift genüge nicht den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung gestellten Anforderungen. Dem Schriftzug sei allein der Anfangsgroßbuchstabe "R" zu entnehmen. Hieran schließe sich ein dem kleinen "z" ähnelnder Krakel an, der in eine langgezogene, marginal wellige Linie übergehe, die nicht einmal im Ansatz irgendeine Ähnlichkeit mit einem Buchstaben aufweise. Das Erscheinungsbild dieses Gebildes ähnele - wenn überhaupt - dem einer Paraphe/eines Handzeichens, es lasse aber nicht erkennen, dass es den Namen "R. " wiedergeben solle.
3
Die Beklagten haben daraufhin durch ihre Prozessbevollmächtigte vortragen lassen, die handschriftliche Unterschrift sei über den maschinenschriftlichen Namenszusatz und die darunter aufgeführte Berufsbezeichnung gesetzt worden. Zudem entspreche der Schriftzug - wie auch der Akte zu entnehmen sei - den Namenszügen auf den bisher von der Beklagtenvertreterin gefertigten und unterzeichneten Schriftsätzen. Letztlich seien nur die ersten drei Buchstaben ihres Namens ausgeschrieben, während die Bögen bei den restlichen Buchstaben aufgrund der schnellen Schreibweise sehr abgeflacht seien. Die Rechtsgültigkeit dieser von ihr seit Jahren angewandten Art der Unterzeichnung sei bislang von keinem Gericht in Zweifel gezogen worden.
4
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 11. August 2009 die Berufung der Beklagten unter Wiederholung der im Hinweisbeschluss ausgeführten Erwägungen als unzulässig verworfen. Ergänzend hat es angeführt, seine Einschätzung , wonach die Beklagtenvertreterin bislang nur mit einer Paraphe un- terzeichnet habe, werde durch den Umstand verstärkt, dass sie die Stellungnahme zur Hinweisverfügung vom 26. Juni 2009 mit einem Namenszug unterzeichnet habe, der die einzelnen Buchstaben des Namens "R. " erkennen lasse.
5
Gegen diesen Beschluss wenden sich die Beklagten mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

6
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
7
1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gefordert ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die angefochtene Entscheidung verletzt das Verfahrensgrundrecht der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Dieses verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (Senatsbeschluss vom 27. September 2005 - VIII ZB 105/04, NJW 2005, 3775, unter II 1; BGH, Beschluss vom 14. Februar 2006 - VI ZB 44/05, NJW 2006, 1521, unter II 2 a; jeweils m.w.N.). Das Berufungsgericht hat bei seinen Anforderungen an die nach § 519 Abs. 4, § 130 Nr. 6 ZPO erforderliche Unterschrift eines Rechtsanwalts eine mit den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen nicht mehr vereinbare Strenge an den Tag gelegt und dadurch den Beklagten den Zugang zur Rechtsmittelinstanz unzulässig verwehrt.
8
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
9
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei bestimmenden Schriftsätzen die eigenhändige Unterschrift des Ausstellers erforderlich , um diesen unzweifelhaft identifizieren zu können (BGH, Urteil vom 10. Juli 1997 - IX ZR 24/97, NJW 1997, 3380, unter II 1; Beschluss vom 21. Februar 2008 - V ZB 96/07, GE 2008, 539, Tz. 8; jeweils m.w.N.). Was unter einer Unterschrift zu verstehen ist, ergibt sich aus dem Sprachgebrauch und dem Zweck der Formvorschrift (§ 130 Nr. 6, § 519 Abs. 4 ZPO).
10
Erforderlich, aber auch genügend ist danach das Vorliegen eines die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnenden Schriftzugs, der individuelle und entsprechend charakteristische Merkmale aufweist, die die Nachahmung erschweren, sich als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt, selbst wenn er nur flüchtig niedergelegt und von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichnet ist (Senatsbeschluss vom 27. September 2005, aaO, unter II 2 a; BGH, Beschluss vom 26. Februar 1997 - XII ZB 17/97, FamRZ 1997, 737; vgl. auch BGH, Urteil vom 22. Oktober 1993 - V ZR 112/92, NJW 1994, 55 m.w.N.). Unter diesen Voraussetzungen kann selbst ein vereinfachter und nicht lesbarer Namenszug als Unterschrift anzuerkennen sein, wobei insbesondere von Bedeutung ist, ob der Unterzeichner auch sonst in gleicher oder ähnlicher Weise unterschreibt (Senatsbeschluss vom 27. September 2005, aaO; BGH, Beschluss vom 26. Februar 1997, aaO). Ein Schriftzug, der nach seinem äußeren Erscheinungsbild eine bewusste und gewollte Namensabkürzung (Handzeichen , Paraphe) darstellt, genügt dagegen den an eine eigenhändige Unterschrift zu stellenden Anforderungen nicht (BGH, Urteil vom 22. Oktober 1993, aaO, m.w.N.; BGH, Urteil vom 10. Juli 1997, aaO; BGH, Beschluss vom 28. September 1998 - II ZB 19/98, NJW 1999, 60, unter II 1; BGH, Beschluss vom 21. Februar 2008, aaO).
11
b) Der Senat kann die Prüfung der für das Vorliegen einer ausreichenden Unterschrift erforderlichen Merkmale selbständig und ohne Bindung an die Ausführungen des Berufungsgerichts vornehmen (vgl. Senatsbeschluss vom 27. September 2005, aaO, unter II 2 b m.w.N.). Gemessen an den vorstehend aufgezeigten Maßstäben handelt es sich bei dem von der Beklagtenvertreterin bei Unterzeichung der Berufungsschrift verwendeten Schriftzug nicht um ein Handzeichen oder ein sonstiges Namenskürzel, sondern um eine formgültige, wenn auch einem starken Abschleifungsprozess unterliegende, einfach strukturierte , gleichwohl aber vollständige Namensunterschrift. Das Berufungsgericht hat bei seiner abweichenden Beurteilung nicht hinreichend beachtet, dass für die Frage, ob eine formgültige Unterschrift oder lediglich ein bloßes Handzeichen vorliegt, nicht die Lesbarkeit oder die Ähnlichkeit des handschriftlichen Gebildes mit den Namensbuchstaben entscheidend ist, sondern es darauf ankommt , ob der Name vollständig, wenn auch nicht unbedingt lesbar, wiedergegeben wird (vgl. hierzu auch BGH, Beschlüsse vom 21. Februar 2008, aaO, Tz. 10, und vom 28. September 1998, aaO).
12
Es hat rechtsfehlerhaft aus dem Umstand, dass der lesbare Großbuchstabe "R" in einen dem kleinen "z" ähnelnden Krakel und dann in eine langgezogene , marginal wellige Linie übergeht, den Schluss gezogen, bei dem Namenszug handele es sich um eine bloße Paraphe oder um ein Handzeichen. Hierbei hat es außer Acht gelassen, dass sich die Beklagtenvertreterin gerade nicht mit der Niederschrift der Anfangsbuchstaben ihres Nachnamens begnügt hat, sondern sich an den Großbuchstaben "R" und an das einem kleinen "z" oder einem kleinen, nicht vollständig geschlossenen "a" ähnelnde Schriftzeichen eine immerhin vier Zentimeter lange, geschwungene Linie anschließt. Bei einem solchen Schriftzug kann nicht davon ausgegangen werden, dass lediglich mit einer Namensabkürzung unterzeichnet werden und keine vollständige Unterschrift geleistet werden sollte (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 10. Juli 1997, aaO, unter II 2 a). Die von der Beklagtenvertreterin verwendete Unterschrift ist auch trotz ihrer einfachen Struktur so ausgeführt, dass sie sich als individuell ausgestaltete Wiedergabe des Namens "R. " darstellt (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 26. Februar 1997, aaO). Der Anfangsbuchstabe des Namens ist vollständig ausgeschrieben, auch der anschließende Buchstabe "a" ist noch ansatzweise lesbar. Der Rest des Namens "R. " ist zwar nicht in Form von identifizierbaren Buchstaben wiedergegeben. Zu beachten ist aber, dass die Buchstaben "s", "m", "u", "e" und "n" auf der gleichen Schreibebene liegen und keine Ausschläge nach oben oder unten erfordern, so dass sie bei flüchtiger Schreibweise durchaus zu einer längeren, wellenförmigen Linie verkümmern können.
13
c) Vorliegend kommt hinzu, dass auch vom Berufungsgericht an der Autorenschaft der Beklagtenvertreterin keine Zweifel angemeldet worden sind, so dass ohnehin eine großzügige Betrachtungsweise geboten ist (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 27. September 2005, aaO; BGH, Beschluss vom 26. Februar 1997, aaO). Die Urheberschaft der Beklagtenvertreterin wird bestätigt durch die maschinenschriftliche Namenswiedergabe nebst Berufsbezeichnung und durch den Umstand, dass im vorliegenden Verfahren sämtliche von der Beklagtenvertreterin bis zur erstmaligen Beanstandung durch das Berufungsgericht geleisteten Unterschriften dem Namenszug auf der Berufungsschrift ähneln (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 1997, aaO; vom 27. September 2005, aaO, und vom 26. Februar 1997, aaO). Ball Dr. Milger Dr. Schneider Dr. Fetzer Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG Hamburg-St. Georg, Entscheidung vom 10.02.2009 - 920 C 281/07 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 11.08.2009 - 311 S 49/09 -

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Nach dem Schluß der Beweisaufnahme erhalten der Staatsanwalt und sodann der Angeklagte zu ihren Ausführungen und Anträgen das Wort.

(2) Dem Staatsanwalt steht das Recht der Erwiderung zu; dem Angeklagten gebührt das letzte Wort.

(3) Der Angeklagte ist, auch wenn ein Verteidiger für ihn gesprochen hat, zu befragen, ob er selbst noch etwas zu seiner Verteidigung anzuführen habe.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom
17. November 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Betruges
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. November 2010 beschlossen
:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Mannheim vom 8. Juli 2009 werden als unbegründet verworfen
, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen
keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts
, die durch das weitere Revisionsvorbringen nicht entkräftet werden, bemerkt
der Senat:
1. Entgegen dem Revisionsvorbringen des Angeklagten W. ist die
Ablehnung von dessen Beweisantrag Nr. 18, mit dem die zeugenschaftliche
Einvernahme des Mitangeklagten G. beantragt wurde, rechtsfehlerfrei. Die
Strafkammer hat den Antrag zu Recht gemäß § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO als
unzulässig abgelehnt. Ein Mitangeklagter kann nicht Zeuge sein, insoweit besteht
ein Beweiserhebungsverbot (Fischer in KK-StPO, 6. Aufl. § 244 Rn. 109;
Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl. § 244 Rn. 49). Zwar waren zum Zeitpunkt der
Antragstellung die gemeinsam begonnenen Verfahren abgetrennt gewesen,
nicht indes (anders als in dem der Entscheidung BGH, Urteil vom 29. März
1984 - 4 StR 781/83, NStZ 1984, 464, zugrunde liegenden Fall) zum insoweit
einzig maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über diesen Antrag, zu dem
die Verfahren wieder verbunden waren und damit (erneut) eine prozessuale
Gemeinsamkeit bestand.
Die Strafkammer war auch nicht gehalten, unverzüglich nach Antragstellung
eine Entscheidung zu treffen, sondern konnte diese - im Rahmen der dem
Vorsitzenden gemäß § 238 StPO obliegenden Verfahrensleitung - längstens bis
zu dem in § 258 Abs. 1 StPO bezeichneten Schluss der Beweisaufnahme zurückstellen
(vgl. Becker in LR-StPO, 26. Aufl. § 244 Rn. 133; Meyer-Goßner,
aaO, § 244 Rn. 44 jew. mwN; vgl. auch Hamm/Hassemer/Pauly, Beweisantragsrecht
, 2. Aufl. Rn. 198 ff.). Angeklagter und Verteidigung haben keinen Anspruch
auf sofortige oder alsbaldige Entscheidung. Es entspricht vielmehr dem
Grundsatz der Prozessökonomie, über einen Beweisantrag erst dann zu entscheiden
, wenn hierzu eine aus Sicht des Gerichts hinreichend zuverlässige
Entscheidungsgrundlage besteht, die durch einen möglichen oder gar nahe liegenden
weiteren Verfahrensverlauf nicht alsbald wieder in Frage gestellt werden
würde. Umstände, die ausnahmsweise - etwa unter dem Gesichtspunkt der
Verfahrensfairness - eine zeitnahe Verbescheidung des Beweisantrags hätten
erfordern können (vgl. Dahs StraFo 1998, 254; Hanack JZ 1970, 561), sind weder
vorgetragen noch ersichtlich.
2. Ohne Beschwer für den Angeklagten G. hat die Strafkammer aufgrund
einer von ihr festgestellten Verfahrensverzögerung ausgesprochen, dass
von der (revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden) Gesamtfreiheitsstrafe von
sechs Jahren ein Jahr als vollstreckt gelte. Soweit der Angeklagte G. insoweit
rügt, das Landgericht habe die Verzögerung nicht ausreichend berücksichtigt
, da es eine solche von zwei Jahren und vier Monaten bis zur Anklageerhe-
bung und weiteren sechs Monaten bis zu deren Eröffnung hätte feststellen
müssen, bleibt dies ohne Erfolg.
Unbeschadet der Frage, ob der Senat dies hier auf die insoweit einzig
erhobene Sachrüge hin prüfen kann (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 17. Dezember
2003 - 1 StR 445/03; Beschluss vom 11. November 2004
- 5 StR 376/03), erweist sich die Rüge jedenfalls als unbegründet. Wollte man
- entgegen den Darlegungen zum Verfahrensgang in der staatsanwaltschaftlichen
Gegenerklärung - die von der Revision behauptete Verfahrensverzögerung
unterstellen, wäre diese hier durch die vom Landgericht vorgenommene
Kompensation immer noch hinlänglich ausgeglichen, zumal deutlich gravierendere
individuelle Belastungen des Angeklagten infolge der behaupteten weiteren
Verfahrensverzögerung weder von der Revision aufgezeigt werden noch
ersichtlich sind. Bei der Bemessung der Höhe einer Kompensation ist auch in
den Blick zu nehmen, dass eine überzogene strafmildernde Berücksichtigung
des Zeitfaktors als Folge justizieller Mängel generell den Zielen effektiver Verteidigung
der Rechtsordnung zuwiderliefe; dies gilt namentlich im Bereich - hier
gegebener - schwerer Wirtschaftskriminalität (vgl. BGH, Urteil vom 8. August
2006 - 5 StR 189/06, wistra 2006, 428).
3. Die Rüge des Angeklagten G. , die Strafkammer hätte wegen einer
aufgrund langer Verfahrensdauer nicht mehr einbeziehungsfähigen, weil zwischenzeitlich
erlassenen Verurteilung einen Härteausgleich vornehmen müssen
, ist verfehlt. Dadurch, dass die frühere Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit
erlassen wurde und keine nachträgliche Gesamtstrafe mit einer zu
vollstreckenden Freiheitsstrafe mehr gebildet werden konnte, ist dem Angeklagten
ein Vorteil, kein Nachteil entstanden (BGH, Beschluss vom 10. Oktober
2006 - 1 StR 377/06; BGH, Urteil vom 18. August 2004 - 2 StR 249/04,
NStZ-RR 2004, 330 mwN).
Wahl Rothfuß Hebenstreit
Elf Graf

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 38/07
vom
27. Februar 2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 27. Februar 2007 einstimmig

beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Aurich vom 8. November 2006 werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zu der Begründung der Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Die Revision des Angeklagten U. rügt als eine Verletzung von § 261 StPO, das Landgericht habe seiner Beweiswürdigung eine Einlassung des Angeklagten zugrunde gelegt, die dieser nicht abgegeben habe. Die Beanstandung bleibt ohne Erfolg, da der Verfahrensverstoß nicht bewiesen ist.
Nach dem durch die Sitzungsniederschrift bestätigten Vortrag der Revision hat sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung in der Form geäußert, dass sein Verteidiger für ihn eine Erklärung abgegeben und er sodann erklärt hat, dies sei richtig so. Später hat der Verteidiger "die Erklärung des Angeklagten U. zur Sache" überreicht, die als Anlage zum Protokoll genommen wurde. Dadurch ist über den Wortlaut der Erklärung kein Beweis erhoben und dieser damit nicht zum Inbegriff der Hauptverhandlung geworden. Vielmehr wurde Gegenstand der Hauptverhandlung lediglich der mündliche Vortrag durch den Verteidiger und die zustimmende Erklärung des Angeklagten. Eine Überprüfung , ob die zusammenfassende Darstellung dieser Einlassung in den Urteilsgründen zutreffend und vollständig ist, ist dem Senat ohne Rekonstruktion der Hauptverhandlung nicht möglich (BGH NStZ 2004, 163; 2004, 392; ebenso Park StV 2001, 589, 592).
Nur wenn das Gericht die Verlesung dieses Schriftstücks angeordnet und durchgeführt hätte, wäre die Urkunde in ihrem Wortlaut in die Hauptverhandlung eingeführt worden und hätte von der Revision als Maßstab zur Überprüfung der Beweiswürdigung herangezogen werden können (vgl. BGHSt 38, 14, 16 f.). Der Senat weist erneut darauf hin, dass ein Gericht grundsätzlich nicht verpflichtet ist, die schriftliche Einlassung eines Angeklagten als Urkunde zu verlesen, da seine mündliche Vernehmung nicht durch die gerichtliche Verlesung einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden kann (BGH NStZ 2000, 439). Denn nach § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO erfolgt die Vernehmung eines Angeklagten zur Sache nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 StPO, also grundsätzlich durch mündliche Befragung und mündliche Antworten (BGH NStZ 2004, 392 m. w. N.).
Winkler Miebach Pfister Becker Hubert