Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2016 - 1 StR 120/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:251016B1STR120.15.0
bei uns veröffentlicht am25.10.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 120/15
vom
25. Oktober 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:251016B1STR120.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 25. Oktober 2016 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24. Juli 2014 aufgehoben
a) im Strafausspruch im Fall II. 4 der Urteilsgründe (Anklagevorwurf Ziff. 117) einschließlich der zugehörigen Feststellungen zur Höhe des Untreueschadens und
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe. 2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bestechung in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue sowie wegen Beihilfe zum Betrug und Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und bestimmt, dass hiervon vier Monate als vollstreckt gelten. Der Senat hat die mit Verfahrensbeanstandungen und der Sachrüge gegen dieses Urteil geführte Revision des Angeklagten durch Beschluss vom 25. Juni 2015 nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Auf die Verfassungsbeschwerde des Angeklagten hat das Bundesverfassungsgericht mit Be- schluss vom 21. April 2016 (2 BvR 1422/15) den Beschluss des Senats aufgehoben und die Sache an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen, damit erneut über die Revision des Angeklagten entschieden wird. Die Revision erzielt mit einer Verfahrensrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
2
1. Die Verfahrensrüge einer Verletzung von § 257c StPO greift im genannten Umfang durch.
3
a) Wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 21. April 2016 im Einzelnen ausgeführt hat, ist in dem von der Revision geschilderten Prozessgeschehen (Beschränkung der Höhe des Untreueschadens im Fall II. 4 auf höchstens 800.000 Euro in unzutreffender Anwendung von § 154a Abs. 2 StPO gegen Rücknahme auch darauf abzielender Beweisanträge ) eine Verständigung im Sinne von § 257c StPO zu sehen. Da der Angeklagte weder nach § 257c Abs. 4, 5 StPO belehrt wurde noch dieser Verständigung zugestimmt hat, liegen Rechtsfehler vor.
4
b) Diese Rechtsfehler haben sich – worauf bereits die Revision hinweist (Revisionsbegründungsschrift S. 58) – lediglich auf die Bestimmung der Höhe des Untreueschadens ausgewirkt; nur insoweit beruht das Urteil auf dem Verfahrensverstoß. Eine Überhöhung von Rechnungen zur Finanzierung von Schmiergeldern hat der Angeklagte nach den getroffenen Feststellungen in einem Umfang von 350.000 Euro in der Hauptverhandlung bereits vor dem gerügten Verfahrensgeschehen glaubhaft eingeräumt. Erst nach der Verfahrensbeschränkung gemäß § 154a Abs. 2 StPO aufgrund der fehlerbehafteten Verständigung hat der Angeklagte angegeben, es könne sich auch um einen Be- trag zwischen 350.000 und 800.000 Euro handeln (UA S. 52). Dies hat die Strafkammer bei der Beweiswürdigung, in der sie auf einen Untreueschaden in Höhe von 800.000 Euro schließt, jedenfalls mitberücksichtigt (UA S. 136). Die aufgrund der Verständigung zurückgenommenen Beweisanträge betrafen überwiegend ebenfalls diese Differenz. Da sich das auf den genannten Punkt beschränkte Verständigungsgeschehen nicht in weiterem Umfang ausgewirkt hat, mithin rechtsfehlerfrei festgestellt ein Untreueschaden vorliegt, hat der (tateinheitliche ) Schuldspruch der Beihilfe zur Untreue Bestand.
5
c) Von dem genannten Rechtsfehler sind die Feststellungen zur Höhe des im Fall II. 4 der Urteilsgründe angenommenen Untreueschadens betroffen, die insgesamt aufgehoben werden, um dem neuen Tatrichter auf umfassend neuer Grundlage eine widerspruchsfreie Entscheidung zu ermöglichen (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Die übrigen, von dem Rechtsfehler nicht betroffenen Feststellungen können bestehen bleiben und um solche ergänzt werden, die ihnen nicht widersprechen.
6
d) Dies führt im Fall II. 4 der Urteilsgründe (Anklagevorwurf Ziff. 117) zur Aufhebung der in diesem Fall verhängten Einzelstrafe von drei Jahren und neun Monaten, bei deren Bemessung die Strafkammer ausdrücklich auch auf die Höhe des Untreueschadens abgestellt hat (UA S. 189), sowie zur Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe.
7
2. Ein weitergehender Rechtsfehler liegt nicht vor. Jenseits des geschilderten , in öffentlicher Hauptverhandlung völlig transparent vollzogenen Geschehens gab es – wie die dienstliche Erklärung des Vorsitzenden und der Vortrag der Revision belegen – keine „informellen Absprachen“.
8
3. Die vorgenommene Verfahrensbeschränkung nach § 154a Abs. 2 StPO (Beschränkung der Höhe des Vermögensnachteils auf 800.000 Euro mit der Maßgabe, dass dieser „zumindest zum großen Teil“ auf der Überhöhung von vier Rechnungen beruhe, wobei sämtliche Rechnungen Verfahrensgegenstand bleiben sollten) entsprach – wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung im Einzelnen ausgeführt hat – nicht dem Gesetz. Die Beschränkung ist insgesamt unwirksam, weil die ausgeschiedenen Tatteile nicht hinreichend konkret bezeichnet worden sind (vgl. hierzu näher Senat, Beschluss vom 7. Oktober 2011 – 1 StR 321/11, NStZ-RR 2012, 50). Über die Höhe des Untreueschadens ist demnach in den Grenzen des § 358 StPO umfassend neu zu verhandeln und zu entscheiden. Raum Jäger Cirener Mosbacher Fischer

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Tenor Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 25. Juni 2015 - 1 StR 120/15 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Tenor

Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 25. Juni 2015 - 1 StR 120/15 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Beschwerdeführer die Hälfte seiner notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

I.

1

1. Das Landgericht Frankfurt am Main verurteilte den Beschwerdeführer am 24. Juli 2014 wegen Bestechung in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue sowie wegen Beihilfe zum Betrug und Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten, wovon vier Monate als bereits vollstreckt gelten sollten.

2

Nach den Feststellungen war der Beschwerdeführer Mehrheitsgesellschafter und maßgebliche Führungsfigur einer nach ihm benannten Unternehmensgruppe, die sich schwerpunktmäßig mit Sicherheitsdienstleistungen für Bahnbauprojekte beschäftigte. Im Zentrum der Verurteilung stand die Tat Fall 117 des Anklagevorwurfs: Der Beschwerdeführer bestach in Zusammenhang mit zwei Serienbaustellen der D... AG ("M..." und "M...") den Projektleiter der zuständigen Tochterunternehmen DB... GmbH/DB... GmbH. Den auf diese Weise erhaltenen Auftrag für das Projekt "M..." nutzte der Beschwerdeführer, um mittels gefälschter Leistungsbelege im Zeitraum vom 31. Mai 2001 bis 30. Juni 2002 fünfzehn um insgesamt mindestens 800.000 Euro überhöhte Rechnungen zu erstellen.

3

Das Landgericht wertete dieses Verhalten als Bestechung in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue. Es entnahm die Strafe dem Strafrahmen des § 335 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b StGB und verhängte eine Einzelstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Die Höhe des durch die überhöhten Abrechnungen verursachten Vermögensnachteils wurde strafschärfend berücksichtigt.

4

Der Verurteilung gingen Gespräche über die Möglichkeit einer Verständigung voraus, die vor allem die Höhe des Vermögensnachteils zum Gegenstand hatten. Das Verfahrensgeschehen stellt sich, soweit hier von Belang, wie folgt dar:

5

Bereits in einem vor Beginn der Hauptverhandlung geführten Gespräch hatte der Vorsitzende der Strafkammer den Verteidigern des Beschwerdeführers und den Sitzungsvertreten der Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass er sich unter Umständen eine "höhenmäßige" Beschränkung des von der Staatsanwaltschaft ursprünglich auf 3,7 Millionen Euro bezifferten Vermögensnachteils gemäß § 154a Abs. 2 StPO vorstellen könne. In der Folge kam es zu weiteren Gesprächen. In diesen regte die Verteidigung eine Beschränkung des Untreueschadens auf rund eine Million Euro an. Die Staatsanwaltschaft sah dagegen eine teilgeständige Einlassung des Beschwerdeführers in Höhe von 1,4 Millionen Euro und eine nennenswerte Schadenswiedergutmachung als Voraussetzung für eine "einvernehmliche Erledigung" an. Die Verteidigung teilte darauf mit, dass sich der Beschwerdeführer außerstande sehe, ein Geständnis in dieser Höhe abzugeben, und regte an, eine Verständigung auf Basis eines Geständnisses zwischen 800.000 Euro und einer Million Euro in Betracht zu ziehen. Dem widersprach die Staatsanwaltschaft. Der Vorsitzende stellte daraufhin in der Sitzung vom 8. Mai 2014 fest, dass eine Verständigung auf dieser Basis nicht zu erwarten sei.

6

In der Sitzung vom 10. Juli 2014 beantragte der Pflichtverteidiger des Beschwerdeführers, das Gutachten eines Schriftsachverständigen einzuholen. Im Hauptverhandlungstermin vom 14. Juli 2014 stellte er vier weitere Beweisanträge, die die Vernehmung von Zeugen und die Verlesung eines zivilprozessualen Schriftsatzes zum Gegenstand hatten. Die Beweisanträge sollten zum Teil die Richtigkeit der den Rechnungen zu Grunde liegenden Leistungsnachweise belegen und zum Teil den Nachweis erbringen, dass bestimmte Leistungsnachweise nicht vom Beschwerdeführer selbst gefertigt worden waren. Den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens lehnte die Strafkammer am 14. Juli 2014 ab. Der Vorsitzende lud jedoch einen der beantragten Zeugen und bat die Staatsanwaltschaft erneut um Prüfung, ob das Verfahren gemäß § 154a StPO "der Höhe nach" beschränkt werden könne.

7

In einer E-Mail an den Vorsitzenden vom 16. Juli 2014 - von der der Pflichtverteidiger des Beschwerdeführers eine Kopie erhielt - kündigte der zuständige Abteilungsleiter der Staatsanwaltschaft an, einer Beschränkung des Verfahrens auf einen Schaden in Höhe von circa 800.000 Euro, entstanden durch In-Rechnung-Stellen tatsächlich nicht erbrachter Leistungen "unter anderem" in den Abschlagsrechnungen vom 30. November 2001, 14. Dezember 2001, 31. Mai 2002 und 30. Juni 2002 zuzustimmen, wenn das Verfahren ohne die Erledigung weiterer Beweisanträge und damit ohne weitere Verzögerung der Hauptverhandlung abgeschlossen werden könne. Allein maßgeblicher Gesichtspunkt für die Zustimmung sei die Vermeidung einer ansonsten möglicherweise noch monatelang andauernden Hauptverhandlung. Sollte die Beschränkung nicht zu der erhofften Abkürzung der Hauptverhandlung und einem Urteil noch vor dem 24. Juli 2014 führen - ab diesem Zeitpunkt war eine längere Unterbrechung der Hauptverhandlung vorgesehen -, werde die Staatsanwaltschaft unverzüglich die Wiedereinbeziehung der ausgeschiedenen Verfahrensteile beantragen und weiter prüfen, ob noch weitere, bereits ausgeschiedene Verfahrensteile wiedereinzubeziehen seien.

8

Am folgenden Hauptverhandlungstermin, dem 17. Juli 2014, erörterte der Vorsitzende mit den Verfahrensbeteiligten erneut die Frage einer Verfahrensbeschränkung gemäß § 154a Abs. 2 StPO und sprach die Möglichkeit an, ob eine Rücknahme der am letzten Hauptverhandlungstag gestellten Beweisanträge in Betracht komme. Er wies darauf hin, dass "diesbezüglich keine (ausdrückliche oder gar konkludente) Absprache in Betracht komme". Die Staatsanwaltschaft habe aber seines Erachtens die Möglichkeit, eine erteilte Zustimmung zu einer Verfahrensbeschränkung zurückzunehmen, wenn es nicht zu der erhofften Beschleunigung komme. Die Verteidigung habe dagegen die Möglichkeit, einen etwa zurückgenommenen Beweisantrag erneut zu stellen, wenn es nicht zu der erhofften Verfahrensbeschränkung komme. Der Vorsitzende regte sodann an, das Verfahren auf eine Schadenshöhe von insgesamt 800.000 Euro mit der Maßgabe zu beschränken, dass dieser Schaden "zumindest zum großen Teil" auf der Überhöhung der Rechnungen vom 30. November 2001, 14. Dezember 2001, 31. Mai 2002 und 30. Juni 2002 beruhe, wobei sämtliche Rechnungen in Zusammenhang mit der M... Gegenstand des Verfahrens bleiben sollten. Die Staatsanwaltschaft stimmte dem zu, woraufhin der Pflichtverteidiger die gestellten Beweisanträge bis auf den Verlesungsantrag zurücknahm. Nach erneuter Unterbrechung der Hauptverhandlung erließ das Gericht einen Beschränkungsbeschluss gemäß § 154a Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2, § 154 Abs. 1 Nr. 2 StPO, der inhaltlich dem Wortlaut der Anregung des Vorsitzenden entsprach. Im Anschluss wurde die von der Verteidigung beantragte Urkundenverlesung durchgeführt. Den weiteren Beweisanträgen wurde nicht mehr nachgegangen.

9

Am folgenden Sitzungstag ließ sich der Beschwerdeführer zur Sache ein. Er räumte ein, Leistungsbelege neu geschrieben und dadurch um jedenfalls 350.000 Euro überhöhte Rechnungen gestellt zu haben; er könne aber nicht ausschließen, um 800.000 Euro überhöht abgerechnet zu haben. Nach der Verlesung weiterer Urkunden teilte der Vorsitzende mit, dass es keine Verständigung gemäß § 257c StPO gegeben habe. Anschließend schloss er die Beweisaufnahme.

10

2. Mit seiner Revision gegen dieses Urteil machte der Beschwerdeführer unter anderem eine Verletzung von § 257c Abs. 3 Satz 3 und 4 StPO geltend. Sowohl die Rücknahme von Beweisanträgen als auch die Beschränkung der Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 2 StPO seien zulässiger Gegenstand einer Verständigung. Die vorgenommene Verknüpfung im Sinne von Leistung und Gegenleistung charakterisiere das Geschehen als Verständigung im Sinne von § 257c StPO. Gleichwohl habe es das Landgericht rechtsfehlerhaft unterlassen, den Beschwerdeführer zu dem "Anregung" genannten Verständigungsvorschlag anzuhören und seine Zustimmung dazu einzuholen. Es sei nicht nur der Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör verletzt worden, sondern die gesetzlichen Vorgaben für eine Verständigung insgesamt. Der Sache nach handle es sich um eine informelle Absprache, die nach Maßgabe von BVerfGE 133, 168 (212 Rn. 75) das Urteil insgesamt kontaminiere.

11

3. Der Generalbundesanwalt beantragte, die Revision des Beschwerdeführers als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen. Die Rügen einer Verletzung des § 257c StPO sowie des Rechts auf rechtliches Gehör seien unbegründet. Der Anwendungsbereich des Verständigungsgesetzes sei nicht eröffnet. Eine Verständigung liege nur dann vor, wenn die Verfahrensbeteiligten eine rechtsverbindliche Verpflichtung zu einer später zu erbringenden Leistung eingingen. An einem solchen Rechtsbindungswillen der Beteiligten fehle es hier. Dies werde an der Äußerung des Vorsitzenden, dass keine Absprache in Betracht komme, und an seinem Hinweis auf die Möglichkeit der Wiedereinbeziehung eingestellter Taten und der erneuten Stellung von Beweisanträgen deutlich. Selbst wenn man von einer Verständigung ausgehe, liege kein revisionsrechtlich beachtlicher Fehler vor. Dass eine informelle, gegen §§ 243, 257c, 273 StPO verstoßende Absprache beabsichtigt oder gar durchgeführt worden sei, sei weder gerügt noch aus dem Verfahrensablauf ersichtlich. Die Rücknahme der Beweisanträge und die Verfahrensbeschränkung seien prozessordnungsgemäß zustande gekommen. Durch die fehlende Aufklärung des Vermögensnachteils, soweit er 800.000 Euro überschreite, sei der Beschwerdeführer nicht beschwert.

12

4. Der Bundesgerichtshof verwarf die Revision des Beschwerdeführers mit Beschluss gemäß § 349 Abs. 2 StPO vom 25. Juni 2015 als unbegründet.

II.

13

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Rechts auf ein faires und rechtsstaatliches Verfahren durch eine Umgehung des § 257c StPO verbunden mit einer ineffektiven revisionsgerichtlichen Kontrolle. Der Anwendungsbereich des Verständigungsgesetzes sei eröffnet gewesen. In der synallagmatischen Verknüpfung der Rücknahme der Beweisanträge mit der Beschränkung der Strafverfolgung trete das Kernelement einer Verständigung zum Vorschein. Auf das Vorliegen eines Rechtsbindungswillens komme es dabei nach dem Gesetz nicht an, so dass der Generalbundesanwalt von einem falschen Maßstab ausgehe. Dieser habe zudem verkannt, dass der Hinweis des Vorsitzenden, keine ausdrückliche oder konkludente Verständigung zu wollen, eine "Verständigungspantomime" kennzeichnen könne. Ein Beruhen des Urteils auf der Vereinbarung könne schon deswegen nicht ausgeschlossen werden, weil die durch die Verständigung festgestellte Schadenshöhe ausdrücklich strafschärfend berücksichtigt worden sei.

III.

14

Zu der Verfassungsbeschwerde hat der Generalbundesanwalt Stellung genommen. Der Beschwerdeführer hat auf die Stellungnahme erwidert. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben der Kammer vorgelegen.

IV.

15

Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Revisionsentscheidung richtet, wird sie zur Entscheidung angenommen, da dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt erscheint (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine der Verfassungsbeschwerde stattgebende Entscheidung der Kammer sind insoweit gegeben. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits geklärt. Danach ist die zulässige Verfassungsbeschwerde in einem die Entscheidungskompetenz der Kammer eröffnenden Sinn offensichtlich begründet. Die dem Beschluss des Bundesgerichtshofs zugrunde liegende Auslegung und Anwendung des § 257c Abs. 1 Satz 1 StPO verletzt das Grundrecht des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG).

16

1. Das Recht auf ein faires Verfahren hat seine Wurzeln im Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit den Freiheitsrechten und Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 57, 250 <274 f.>; 86, 288 <317>; 118, 212 <231>; 122, 248 <271>) und gehört zu den wesentlichen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens (vgl. BVerfGE 38, 105 <111>; 46, 202 <210>). Es enthält keine in allen Einzelheiten bestimmten Ge- oder Verbote; vielmehr bedarf es der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten (vgl. BVerfGE 57, 250 <275 f.>; 70, 297 <308>; 130, 1 <25>). Diese Konkretisierung ist zunächst Aufgabe des Gesetzgebers und sodann, in den vom Gesetz gezogenen Grenzen, Pflicht der zuständigen Gerichte bei der ihnen obliegenden Rechtsauslegung und -anwendung (vgl. BVerfGE 63, 45 <61>; 64, 135 <145>; 122, 248 <272>; 133, 168 <200 Rn. 59>). Die Gerichte haben den Schutzgehalt der in Frage stehenden Verfahrensnormen und anschließend die Rechtsfolgen ihrer Verletzung zu bestimmen. Dabei sind Bedeutung und Tragweite des Rechts auf ein faires Verfahren angemessen zu berücksichtigen, damit dessen wertsetzende Bedeutung auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt (vgl. zur Bedeutung der Grundrechte als objektive Wertordnung BVerfGE 7, 198 <205 ff.>; stRspr). Die Verkennung des Schutzgehalts einer verletzten Verfahrensnorm kann somit in das Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren eingreifen (vgl. BVerfGK 9, 174 <188 f.>; 17, 319 <328>; BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Januar 2015 - 2 BvR 2055/14 -, juris, Rn. 14 und vom 9. Dezember 2015 - 2 BvR 1043/15 -, juris, Rn. 6).

17

2. Gemessen daran liegt dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 25. Juni 2015 eine Auslegung und Anwendung des § 257c Abs. 1 Satz 1 StPO zugrunde, die den verfassungsrechtlichen Schutzgehalt der Vorschrift grundlegend verkennt und auch bei einer Gesamtschau (vgl. BVerfGE 133, 168 <200 Rn. 59>) als nicht mehr hinnehmbar erscheint. Der verfassungsrechtlichen Prüfung sind insoweit die Ausführungen des Generalbundesanwalts zugrunde zu legen, da der Bundesgerichtshof die Revision des Beschwerdeführers ohne nähere Begründung verworfen hat und daher davon auszugehen ist, dass er sich dessen Ausführungen zu Eigen gemacht hat (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Juni 2014 - 2 BvR 792/11 -, NJW 2014, S. 2563 <2564> m.w.N.).

18

a) Bereits aus dem Wortlaut von § 257c Abs. 1 Satz 1 StPO, der Verständigungen nur "nach Maßgabe der folgenden Absätze" zulässt, folgt, dass jegliche sonstigen "informellen" Absprachen, Vereinbarungen und "Gentlemen's Agreements" untersagt sind (vgl. BVerfGE 133, 168 <212 Rn. 76>). Dem Gesetzgeber des Verständigungsgesetzes war insoweit bewusst, dass sich Verständigungen nicht ohne Weiteres mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben für das Strafverfahren, insbesondere hinsichtlich der Erforschung der materiellen Wahrheit, der Schuldangemessenheit der Strafe und der Verfahrensfairness, in Einklang bringen lassen (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 1). Dementsprechend war es sein zentrales Ziel, die Verständigung in einer den verfassungsrechtlichen Vorgaben gerecht werdenden Weise in das geltende Strafverfahrensrecht zu integrieren, ohne die den Strafprozess dominierenden Grundsätze der richterlichen Sachverhaltsaufklärung und Überzeugungsbildung anzutasten (vgl. BVerfGE 133, 168 <206 Rn. 67>). Vor diesem Hintergrund wollte der Gesetzgeber den zulässigen Inhalt von Verständigungen und das Verständigungsverfahren umfassend und abschließend normieren (vgl. BVerfGE 133, 168 <212 Rn. 75 f.>). Die Auslegung und Anwendung des Verständigungsgesetzes hat sich zuvörderst an diesem gesetzgeberischen Konzept zu orientieren (vgl. BVerfGE 133, 168 <206 Rn. 67>). Außerhalb des gesetzlichen Regelungskonzepts erfolgende "informelle" Absprachen oder "Deals" sind wegen der mit ihnen verbundenen Gefährdung des Schuldprinzips, der darin verankerten Wahrheitserforschungspflicht und des dem Rechtsstaatsprinzip innewohnenden Prinzips des fairen Verfahrens bereits von Verfassungs wegen untersagt (vgl. BVerfGE 133, 168 <233 Rn. 115>).

19

b) Die dem angegriffenen Beschluss zugrunde liegende Argumentation ist danach weder mit dem gesetzlichen Regelungskonzept noch mit den dahinter stehenden verfassungsrechtlichen Wertungen vereinbar. Sowohl eine Rücknahme von gestellten Beweisanträgen als auch eine Verfolgungsbeschränkung gemäß § 154a Abs. 2 StPO können zulässiger Gegenstand einer Verständigung sein (aa). Sie wurden in einer für eine Verständigung typischen Weise miteinander verknüpft (bb). Soweit der Bundesgerichtshof gleichwohl eine verbotene "informelle" Absprache unter Berufung auf einen fehlenden Rechtsbindungswillen verneint, verkennt er den anzulegenden Prüfungsmaßstab und damit den Schutzgehalt des § 257c Abs. 1 Satz 1 StPO (cc). Dies wiegt umso schwerer, als das Vorgehen des Landgerichts eine Absprache über den Schuldspruch besorgen lässt (dd).

20

aa) Nach § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO kann sich das Gericht mit den Verfahrensbeteiligten nicht nur über Rechtsfolgen, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sondern auch über sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren und das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten verständigen. Unter die Kategorie der sonstigen verfahrensbezogenen Maßnahmen fallen - ohne dass es insoweit einer abschließenden Bestimmung bedürfte - insbesondere Einstellungsentscheidungen (vgl. BTDrucks 16/12310, S. 13). Hierbei kommen namentlich Verfahrenseinstellungen nach Vorschriften in Betracht, denen das Opportunitätsprinzip zu Grunde liegt, wie dies vor allem bei § 153 Abs. 2 StPO, § 153a Abs. 2 StPO und § 154 Abs. 2 StPO der Fall ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2015 - 2 StR 139/14 -, NStZ 2016, S. 171 <173>; Urteil vom 23. Juli 2015 - 3 StR 470/14 -, NJW 2016, S. 513 <517>; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 26. Oktober 2010 - 3 Ws 538/10 -, NStZ-RR 2011, S. 49 <50>, jeweils m.w.N.). Dabei spielt es keine Rolle, ob das Verfahren ganz oder nur zum Teil eingestellt wird (a. A. aber KG, Beschluss vom 10. Januar 2014 - (2) 161 Ss 132/13 (47/13) -, NStZ 2014, S. 293). Auch die hier vorgenommene Verfahrensbeschränkung nach § 154a Abs. 2 StPO fällt unter diese Kategorie (vgl. Moldenhauer/Wenske, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 257c Rn. 15; Ignor, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO, 2. Aufl. 2016, § 257c Rn. 58; Niemöller, in: Niemöller/Schlothauer/Weider, Gesetz zur Verständigung im Strafverfahren, 2010, § 257c Rn. 35). Der Verzicht auf und die Rücknahme bereits gestellter Beweisanträge können als Prozesshandlungen eines Verfahrensbeteiligten gleichfalls tauglicher Gegenstand einer Verständigung sein (vgl. BTDrucks 16/12310, S. 13; Niemöller, a.a.O., Rn. 37).

21

bb) Die Rücknahme der gestellten Beweisanträge und die beabsichtigte Verfahrensbeschränkung nach § 154a Abs. 2 StPO standen im Sinne von Leistung und Gegenleistung zueinander. Eine solche synallagmatische Verknüpfung der jeweiligen Handlungsbeiträge kennzeichnet ein Verständigungsgeschehen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2015 - 5 StR 9/15 -, NStZ 2015, S. 535 <537>; Stuckenberg, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2013, § 257c Rn. 43; Niemöller, in: Niemöller/Schlothauer/Weider, Gesetz zur Verständigung im Strafverfahren, 2010, § 257c Rn. 7 f., 85 ff.; Schneider, NStZ 2015, S. 53 <54>).

22

Die wechselseitige Verknüpfung ergibt sich hier insbesondere aus dem Hinweis des Vorsitzenden auf die - seines Erachtens bestehende - Möglichkeit der Staatsanwaltschaft, ihre Zustimmung zu einer Verfahrensbeschränkung zurückzunehmen, wenn es nicht zu der erhofften Beschleunigung komme, und auf die Möglichkeit der Verteidigung, zurückgenommene Beweisanträge erneut zu stellen, wenn es umgekehrt nicht zu der erhofften Verfahrensbeschränkung komme. Ein derartiger Hinweis auf die möglichen Folgen einer enttäuschten Erwartung über das Prozessverhalten der jeweils anderen Seite setzt gerade voraus, dass die Zusage einer Rücknahme der Beweisanträge um der erhofften Zustimmung zu der angeregten Verfahrensbeschränkung willen erfolgen sollte und umgekehrt. Er stellt daher den Bestand einer Abrede nicht in Frage, sondern belegt ihn. Die beabsichtigte gegenseitige Zweckbindung wird zudem aus der Ankündigung der Staatsanwaltschaft in der E-Mail vom 16. Juli 2014 deutlich, wonach sie einer Verfahrensbeschränkung nur dann zustimmen werde, wenn das Verfahren ohne die Erledigung weiterer Beweisanträge und ohne weitere Verzögerung der Hauptverhandlung abgeschlossen werden könne. Dass dabei Endziel der Beteiligten nicht bloß die Zustimmung der Staatsanwaltschaft, sondern die Verfahrensbeschränkung selbst war, liegt auf der Hand.

23

Das Verfahrensgeschehen weist insoweit typische Merkmale einer Verständigung über Fortgang und Ergebnis des Verfahrens im Sinne des § 257c Abs. 1 Satz 1 StPO auf. Die Bemerkung des Vorsitzenden, eine ausdrückliche oder gar konkludente Absprache komme nicht Betracht, führt zu keiner anderen Bewertung. Es kommt insoweit nicht auf verbale Distanzierungen, sondern darauf an, was mit den Äußerungen und Verfahrenshandlungen unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs und des Empfängerhorizonts den Umständen nach wirklich gemeint war (vgl. BGHSt 59, 21 <25 f.>). Danach bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass die Rücknahme der gestellten Beweisanträge und die beabsichtigte Verfolgungsbeschränkung im Verhältnis eines "do ut des" zueinander standen. Da sich das Gericht und die Verfahrensbeteiligten ausdrücklich außerhalb des gesetzlich geregelten Verfahrens verständigen wollten und verständigten, steht eine - entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts auch ausdrücklich in der Revision gerügte - gesetzeswidrige informelle Absprache im Raum.

24

cc) Indem der Bundesgerichtshof das Vorliegen einer Verständigung dagegen unter dem Gesichtspunkt eines Rechtsbindungswillens der Beteiligten prüft, geht er von einem mit dem gesetzlichen Regelungskonzept nicht zu vereinbarenden Maßstab aus und überspannt die Anforderungen, die an das Vorliegen einer Verständigung im Sinne des § 257c Abs. 1 Satz 1 StPO zu stellen sind. Darin liegt eine Verkennung der Bedeutung, die dem in dieser Vorschrift zum Ausdruck kommenden Verbot informeller Absprachen für das gesetzliche Schutzkonzept und die dahinter stehenden verfassungsrechtlichen Wertungen zukommt (vgl. BVerfGE 133, 168 <232 f. Rn. 115>).

25

Das Gesetz hat zwar den Begriff der Verständigung nicht näher definiert. Die Gesetzesbegründung (vgl. BTDrucks 16/12310, S. 13) verweist insoweit auf den allgemeinen Sprachgebrauch, wonach wesentliches Merkmal der Begriff des Einvernehmens sei. Dies bedarf hier indes keiner vertieften Erörterung. Denn das Erfordernis eines Rechtsbindungswillens in dem Sinne, dass sich die Beteiligten unwiderruflich und endgültig zu der fraglichen Handlung oder Entscheidung verpflichten müssten, ist dem gesetzgeberischen Regelungskonzept, wonach eine Verständigung gerade keine vertraglich bindende Vereinbarung darstellen soll (vgl. BTDrucks 16/12310, S. 8), jedenfalls fremd. Das Gesetz sieht in § 257c Abs. 4 StPO eine ausdrückliche Bindungswirkung nur für das Gericht, und dies auch nur in eingeschränktem Umfang vor (vgl. Niemöller, in: Niemöller/Schlothauer/Weider, Gesetz zur Verständigung im Strafverfahren, 2010, § 257c Rn. 108 ff.). Ein Rechtsbindungswille kann aber nicht weitergehen, als das Recht eine Bindung vorsieht. Soweit sich der Generalbundesanwalt insoweit auf Ausführungen im strafrechtlichen Schrifttum beruft (vgl. Velten, in: Systematischer Kommentar zur StPO, 4. Aufl. 2012, § 257c Rn. 10), ist zu bemerken, dass diese die in der Entscheidung BVerfGE 133, 168 vorgenommene präzisierende Auslegung des Verständigungsgesetzes noch nicht berücksichtigen konnten und im Übrigen nicht zwingend im dargestellten Sinne zu verstehen sind.

26

Eine derartige Auslegung des § 257c Abs. 1 Satz 1 StPO ist auch nicht durch sonstige Sachgründe gerechtfertigt. Sie ist vielmehr geeignet, in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise informelles Verständigungsgeschehen den Schutz- und Transparenzvorschriften des Gesetzes und der gebotenen effektiven revisionsrechtlichen Kontrolle (vgl. BVerfGE 133, 168 <221 Rn. 94>) zu entziehen.

27

dd) Diese Verkennung des Schutzgehalts des § 257c Abs. 1 Satz 1 StPO wiegt umso schwerer, als das Vorgehen des Landgerichts zudem eine unzulässige Absprache über den Schuldspruch besorgen lässt.

28

(1) Nach § 257c Abs. 2 Satz 3 StPO darf der Schuldspruch nicht Gegenstand einer Verständigung sein. Nach dem Regelungsziel des Gesetzgebers, weiterhin ein der Wahrheitserforschung und der Findung einer gerechten, schuldangemessenen Strafe verpflichtetes Strafverfahren sicherzustellen, sollen die tatsächlichen Feststellungen und deren rechtliche Würdigung der Disposition der Beteiligten entzogen bleiben (vgl. BVerfGE 133, 168 <210 Rn. 73>). Eine solche gesetzeswidrige Disposition über den Schuldspruch und die tatsächlichen Feststellungen ergibt sich zwar nicht schon aus der Anwendung der in § 154a Abs. 2 StPO eingeräumten gesetzlichen Möglichkeit einer Verfahrensbeschränkung, die kraft ihrer Natur Einfluss auf den Schuldspruch hat. Etwas anderes muss aber dann gelten, wenn zusätzliche Umstände darauf hindeuten, dass die Verfahrensbeschränkung einer Umgehung des in § 257c Abs. 2 Satz 3 StPO normierten Verbots dienen soll; dies kann etwa dann der Fall sein, wenn das Gericht den ihm insoweit eingeräumten Beurteilungsspielraum überschreitet oder das Vorgehen sonst nicht vom Gesetz gedeckt war (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juli 2015 - 3 StR 470/14 -, NJW 2016, S. 513 <517>; Ignor, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO, 2. Aufl. 2016, § 257c Rn. 58).

29

(2) So liegt es hier. Gemäß § 154a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 StPO können mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft einzelne abtrennbare Teile der Tat (Alt. 1) oder einzelne Gesetzesverletzungen (Alt. 2) aus der Strafverfolgung ausgeschieden werden. Von der ersten Alternative werden einzelne Elemente innerhalb einer Tat im prozessualen Sinne erfasst, die in tatsächlicher Hinsicht in gewissem Umfang in sich abgeschlossen sind (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, § 154a Rn. 5 m.w.N.). Nach der zweiten Alternative können einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind und tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, von der Strafverfolgung ausgenommen werden (vgl. Diemer, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 154a Rn. 4).

30

Das Vorgehen des Landgerichts war von keiner der beiden Alternativen gedeckt. Die Strafkammer ging insoweit von einer Beihilfehandlung des Beschwerdeführers im Rechtssinne aus. Es hat sodann die Höhe des Vermögensnachteils auf 800.000 Euro mit der Maßgabe beschränkt, dass dieser Schaden "zumindest zum großen Teil" auf der Überhöhung der Rechnungen vom 30. November 2001, 14. Dezember 2001, 31. Mai 2002 und 30. Juni 2002 beruht, wobei ausdrücklich sämtliche Rechnungen Gegenstand des Verfahrens bleiben sollten. Damit hat es aber weder einzelne Abrechnungen als gegebenenfalls abtrennbare Bestandteile einer prozessualen Tat noch bestimmte Gesetzesverletzungen ausgeschieden (zur Notwendigkeit, den ausgeschiedenen Verfahrensstoff genau zu bezeichnen, siehe BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2013 - 4 StR 461/13 -, juris, Rn. 6 m.w.N.). Überdies ist zu berücksichtigen, dass der Verfahrensbeschränkung umfassende Verhandlungen über die "zu gestehende" Höhe des Vermögensnachteils vorausgingen und sie dem Betrag nach dem letzten Verständigungsvorschlag der Verteidigung entsprach. Ihr folgte eine Einlassung des Beschwerdeführers, die die vereinbarte Höhe ersichtlich abdecken sollte. Dies alles lässt besorgen, dass die Höhe des Vermögensnachteils unter Missachtung der Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung (§ 244 Abs. 2 StPO) im Wege des Konsenses festgelegt wurde.

31

3. Auf dem Verstoß gegen das Grundrecht auf ein faires Verfahren beruht die angegriffene Revisionsentscheidung. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Bundesgerichtshof bei hinreichender Berücksichtigung des verletzten Grundrechts zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis gekommen wäre. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass der Beschwerdeführer durch die Verfahrensbeschränkung - ungeachtet ihrer Fehlerhaftigkeit - nicht beschwert sei. Denn dies wäre nur dann der Fall, wenn sich sicher ausschließen ließe, dass das Landgericht bei Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben nicht einen geringeren Vermögensnachteil festgestellt hätte. Dies anhand der umfangreichen Beweiswürdigung des Landgerichts zu prüfen, ist indes Aufgabe des Revisionsgerichts. Ihm obliegt es, am Maßstab des einfachen Rechts (vgl. § 337 Abs. 1 StPO) zu beurteilen, ob insoweit ein Beruhen des landgerichtlichen Urteils auf einer informellen Absprache ausgeschlossen werden kann oder ob dieses etwa mit Blick auf das - hinsichtlich einer 350.000 Euro übersteigenden Schadenshöhe inhaltsleere - Geständnis des Beschwerdeführers jedenfalls hinsichtlich des Strafausspruchs aufzuheben wäre.

V.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen wird, wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG von einer Begründung abgesehen.

VI.

33

Die Anordnung der Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.

34

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 321/11
vom
7. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Verstoß gegen das AufenthG u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Oktober 2011 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 30. September 2010, soweit es ihn betrifft, aufgehoben

a) soweit er wegen Urkundenfälschung verurteilt wurde (Fall 38
der Urteilsgründe),

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Die weitergehende Revision wird verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
1. Die Strafkammer hat festgestellt:
2
a) Der Angeklagte hat einmal gleichzeitig sieben und einmal einem illegal eingereisten Vietnamesen ein Unterkommen geboten.
3
b) Der Angeklagte hatte die Beschaffung eines gefälschten niederländischen Reisepasses und eines gefälschten niederländischen Führerscheins mit zwei (unter anderem) wegen banden- und gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern verurteilten, hier als „Kontaktpersonen und Zwischenverkäufer“ be- zeichneten Mitangeklagten (in nicht näher gekennzeichneter Weise) „organi- siert“; die Falsifikate waren für N. bestimmt. Der Angeklagte sollte die Mitangeklagten bezahlen (ob dies geschah, bleibt offen). Nachdem er die Falsifikate „von der Aufenthaltsanschrift“ dieser Mitangeklagten abgeholt hatte, wurden sie bei einer Kontrolle seines Fahrzeugs sichergestellt. Konkret ist nicht festgestellt, was das Ziel des Transports war.
4
2. Deshalb wurde der Angeklagte wegen zwei Fällen der Beihilfe zum Verstoß gegen § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (Einzelstrafe je vier Monate) und wegen Urkundenfälschung (Einzelstrafe sechs Monate) zu zehn Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt, die wegen mehrerer Vorstrafen und Bewährungsbruchs nicht zur Bewährung ausgesetzt wurden.
5
3. Seine auf die unausgeführte Sachrüge gestützte Revision hat zum Teil Erfolg.
6
a) Schuldsprüche wegen Beihilfe zum Verstoß gegen das AufenthG
7
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten sind nicht ersichtlich. Es beschwert ihn nicht, dass er wegen des gleichzeitig sieben illegal eingereisten Vietnamesen gewährten Unterkommens nicht wegen Beihilfe in sieben tateinheitlichen Fällen verurteilt wurde. Die Annahme der Strafkammer, dass (außer einem anderen Mitangeklagten) “alle Angeklagten bezüglich der Schleusungstaten Bandenmitglieder waren“, widersprichtnicht der Feststellung, der Ange- klagte habe „nicht zur Schleuserbande“ gehört, da er nicht wegen Einschleu- sens von Ausländern (§ 96 AufenthG) verurteilt wurde.
8
b) Schuldspruch wegen Urkundenfälschung
9
Es ist nicht ersichtlich, dass der Angeklagte unechte Urkunden hergestellt , echte Urkunden verfälscht hätte oder hieran beteiligt gewesen wäre. Auch hat er die Falsifikate nicht gebraucht, sondern er wollte dies dem N. ermöglichen. Da dieser sie aber auch noch nicht gebraucht hat, sie noch nicht einmal im Besitz hatte, liegt auch keine strafbare Beihilfe zum Gebrauch vor („Akzessorietät der Teilnahme“,vgl. zusammenfassend Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 27 Rn. 8, 9 mwN).
10
4. Der Generalbundesanwalt hat im Hinblick auf eine Verfahrensbeschränkung durch die Staatsanwaltschaft beantragt, hinsichtlich der als Urkundenfälschung abgeurteilten Tat gemäß § 154a Abs. 3 StPO den Vorwurf der Verschaffung falscher amtlicher Ausweise (§ 276 Abs. 1 Nr. 2 StGB) wieder einzubeziehen und den Schuldspruch demgemäß (entsprechend § 354 Abs. 1 StPO) abzuändern. Der Senat kann dem nicht folgen.
11
a) Die Verfahrensbeschränkung durch die Staatsanwaltschaft geht da- hin, dass hinsichtlich der Tatvorwürfe, „die nicht Gegenstand der Anklage sind, … das Verfahren gemäß §§ 154, 154a StPO … eingestellt“ wird. Zusätzliches ist auch nicht in der Anklage ausgeführt (vgl. demgegenüber Nr. 101a Abs. 3 RiStBV), die zwölf Angeschuldigten bei wechselnder Beteiligung 44 Taten (Fälle ) zur Last legt. Regelmäßig sind aber ausgeschiedene Tatteile oder Strafbestimmungen konkret („positiv“) zu bezeichnen, die Feststellung, das Verfahren werde gemäß § 154 StPO und/oder § 154a StPO im Sinne der Anklage beschränkt , entspricht als zu ungenau nicht dem Gesetz (fehlende Rechtssicherheit ) und ist daher unwirksam (BGH, Beschluss vom 16. Juli 1980 - 3 StR 232/80, NStZ 1981, 23; tendenziell ebenso BGH, Urteil vom 4. April 2002 - 3 StR 405/01, NStZ 2002, 489; Beulke in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 154a Rn. 8, 20; Beukelmann in Graf, StPO, § 154a Rn. 7; Plöd in KMR, StPO, § 154a Rn. 13; Schoreit in KK, StPO, 6. Aufl., § 154a Rn. 12; Weßlau in SK-StPO, § 154a Rn. 21). Ein Fall, in dem wegen Eindeutigkeit des ausgeschiedenen Verfahrensstoffes der Hinweis auf die Anklage doch ausreichte (vgl. Beulke, aaO, Rn. 8; Weßlau, aaO), liegt schon wegen der zahlreichen im Einzelnen vielfach unterschiedlichen Taten und der hieran unterschiedlich beteiligten Angeklagten nicht vor. Daher ist auch § 154a Abs. 3 StPO hier nicht anwendbar.
12
b) „Sich oder einem anderen verschaffen“ i.S.d. § 276 StGB bedeutet, dass der Täter das Tatobjekt in seinen Gewahrsam bringt, Zugriff hierauf hat und darüber nach Belieben verfügen kann, oder es in den Gewahrsam eines anderen bringt und ihm dadurch diese Möglichkeiten vermittelt (vgl. Zieschang in LK-StGB, 12. Aufl., § 276 Rn. 11; Puppe in NK-StGB, 3. Aufl., § 276 Rn. 3, § 149 Rn. 11). Dass dies hier (schon) vorgelegen hätte, ergeben die Feststellungen (vgl. oben 1.) nicht eindeutig. Wäre der Angeklagte ein „Verteilungsge- hilfe“, hätte er, sofern „verschaffen“ nicht vorläge, wie jeder unmittelbare Besitzer die Alternative „verwahren“ erfüllt (Puppe, aaO, § 149 Rn. 11). Im Ergebnis sprechen also die Feststellungen dafür, dass § 276 StGB vorliegt, die Alternative ist aber ohne dem Tatrichter vorbehaltene zusätzliche Feststellungen und/ oder Würdigungen unklar. Daher sieht der Senat von einer Schuldspruchänderung ab (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Mai 2010 - 1 StR 59/10, StV 2010, 685 mwN).
13
5. Die Verurteilung wegen Urkundenfälschung war daher aufzuheben, zugleich entfällt die Gesamtstrafe. Sämtliche Feststellungen bleiben jedoch bestehen , da sie rechtsfehlerfrei getroffen und von dem aufgezeigten Mangel nicht berührt sind. Ergänzende Feststellungen, die zu den bisherigen Feststel- lungen nicht in Widerspruch stehen, sind jedoch möglich. Auch die (trotz unterschiedlichen Schuldumfangs undifferenzierten) sehr maßvollen übrigen Einzelstrafen sind rechtsfehlerfrei und können bestehen bleiben.
14
6. Der Generalbundesanwalt hat zutreffend ausgeführt, dass noch eine mögliche nachträgliche Gesamtstrafenbildung (§ 55 StGB) mit den Strafen aus dem Urteil des Landgerichts Leipzig vom 12. Mai 2010 zu prüfen sein wird.
15
7. Dem Antrag, die Sache gemäß § 354 Abs. 3 StPO an das Amtsgericht (Strafrichter) zurückzuverweisen, folgt der Senat nicht. Außer im (seltenen) Fall einer Urteilsaufhebung wegen willkürlicher Anklage zum Landgericht (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 1997 - 1 StR 701/96, BGHSt 43, 53, 55 f. mwN), ist auch unter den Voraussetzungen des § 354 Abs. 3 StPO eine Zurückverweisung an ein Gericht niedererer Ordnung nicht zwingend, sondern steht im pflichtgemäßen Ermessen des Revisionsgerichts (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 1980 - 3 StR 32/80, BGHSt 29, 341, 350; BGH, Beschluss vom 25. November 1986 - 1 StR 613/86, BGH NJW 1987, 1092 f.; BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2008 - 1 StR 359/08, BGH StraFo 2009, 33 f.; Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 354 Rn. 64; Kuckein in KK StPO, 6. Aufl., § 354 Rn. 39; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 354 Rn. 42 jew. mwN; a.A. Dehne-Niemann, StraFo 2009, 34 ff. § 354 abs. 3 stpo kann verfassungsgebot sein>). In diesem Zusammenhang maßgebend können etwa Gesichtspunkte der Verfahrensökonomie und/oder -beschleunigung sein (Momsen in KMR, § 354 Rn. 48; dort auch weitere mögliche Ermessenskriterien ). Gründe des Einzelfalls, wonach ein neuer Instanzenzug mit einer Berufungsinstanz und dem Oberlandesgericht (Kammergericht) als Revisionsinstanz hier sachgerecht erschiene, sind nicht erkennbar.
Nack Wahl Graf Jäger Sander

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.