Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Sept. 2018 - 1 StR 115/18

bei uns veröffentlicht am13.09.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 115/18
vom
13. September 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Bestechlichkeit u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:130918B1STR115.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 13. September 2018
beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 23. Juni 2017 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat: Soweit die Revision eine Verletzung des § 250 Satz 2 StPO durch Verlesung des schriftlichen Vermerks des Rechtsfachwirts G. über sein Telefonat mit der damaligen Umweltministerin des Landes Sachsen-Anhalt gerügt hat, beruht das Urteil jedenfalls darauf nicht. Denn das Landgericht stellt allein darauf ab, dass sich aus dem Vermerk keine Anhaltspunkte für einen anderen als den festgestellten Verlauf der Gespräche ergeben.
Mit der Angriffsrichtung der Verletzung der Aufklärungspflicht wegen der unterlassenen Vernehmung des Rechtsfachwirts G. über die telefonischen Äußerungen der Ministerin erweist sich die Rüge aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift genannten Gründen als unbegründet.
Die Voraussetzungen eines großen Ausmaßes im Sinne des § 335 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB hat das Landgericht rechtsfehlerfrei bejaht. Sowohl nach dem Maßstab des 5. Strafsenats, der nach abstrakten Kriterien eine Wertgrenze bei 50.000 € angenommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 2015 – 5 StR 352/15, NStZ 2016, 349 Rn. 22), als auch demjenigen des 1. Strafsenats (vgl. BGH, Beschluss vom 29. April 2015 – 1 StR 235/14, NStZ-RR 2015, 278 Rn. 65 f.), nach dem die einzelfallbezogenen Umstände maßgeblich sind, sodass auch schon bei niedrigeren Beträgen die Annahme eines großen Ausmaßes in Betracht kommt, lag hier ein großes Ausmaß vor. Nach dem vom Landgericht erhobenen Finanzstatus dienten dem Angeklagten die empfangenen Zuwendungen zum Ausgleich seiner Kontensalden und überstiegen in der Summe die Wertgrenze von 50.000 €.
Jäger Bellay Cirener Fischer Pernice

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 250 Grundsatz der persönlichen Vernehmung


Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Die Vernehmung darf nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer Erklärung ersetzt wer

Strafgesetzbuch - StGB | § 335 Besonders schwere Fälle der Bestechlichkeit und Bestechung


(1) In besonders schweren Fällen wird 1. eine Tat nach a) § 332 Abs. 1 Satz 1, auch in Verbindung mit Abs. 3, undb) § 334 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, jeweils auch in Verbindung mit Abs. 3, mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren und2. ein

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Die Vernehmung darf nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer Erklärung ersetzt werden.

(1) In besonders schweren Fällen wird

1.
eine Tat nach
a)
§ 332 Abs. 1 Satz 1, auch in Verbindung mit Abs. 3, und
b)
§ 334 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, jeweils auch in Verbindung mit Abs. 3,
mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren und
2.
eine Tat nach § 332 Abs. 2, auch in Verbindung mit Abs. 3, mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren
bestraft.

(2) Ein besonders schwerer Fall im Sinne des Absatzes 1 liegt in der Regel vor, wenn

1.
die Tat sich auf einen Vorteil großen Ausmaßes bezieht,
2.
der Täter fortgesetzt Vorteile annimmt, die er als Gegenleistung dafür gefordert hat, daß er eine Diensthandlung künftig vornehme, oder
3.
der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

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Der Senat hält es für sachgerecht, diese Rechtsprechung auf die Bemessung des Vorteils großen Ausmaßes nach § 335 Abs. 2 Nr. 1 StGB (und nach § 300 Satz 2 Nr. 1 StGB) zu übertragen. Er verkennt dabei weder die im Vergleich zu § 263 StGB und teilweise zu § 370 AO unterschiedliche Ausgangslage auch hinsichtlich des Zeitpunkts der Vollendung (vgl. LK-StGB/Sowada, aaO, § 335 Rn. 4) noch den Umstand, dass sich der durch die Höhe des Vorteils mitbestimmte Unrechts- und Schuldgehalt der Tat danach unterscheiden kann, ob der Vorteilsgeber (§ 334 StGB) oder der Vorteilsnehmer (§ 332 StGB) betroffen ist. Entsprechendes gilt für den Bezug der Höhe der Zuwendung zu den konkreten Vermögensverhältnissen des Vorteilsnehmers. Jedoch wären nach diesen und etwaigen weiteren Einzelkriterien bemessene Differenzierungen geeignet, zu einer unübersehbaren Vielfalt von Wertgrenzen zu führen und damit die Gesetzesbestimmtheit (Art. 103 Abs. 2 GG) der Vorschrift durchgreifend zu beeinträchtigen (abweichend wohl BT-Drucks. 13/5584, S. 15, 17). Auch erschiene es als Verstoß gegen den Grundsatz der Strafgerechtigkeit, wenn etwa – wie hier – bei einem von Sozialleistungen lebenden Vorteilsnehmer der Strafschärfungsgrund grundsätzlich früher eingreifen würde als bei einem Berufsrichter, einem Chefarzt oder bei dem Geschäftsführer einer privatwirtschaftlich organisierten Gesellschaft der öffentlichen Hand.
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Angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts hat sich die Bestimmung nur auf die Höhe des Vorteils und nicht auf den Umfang der Bevorzugung zu beziehen (Krick in MK, StGB, 2. Aufl., § 300 Rn. 2; Sinner in Matt/Renzikowski, StGB, § 300 Rn. 2; Tiedemann in LK, StGB, 12. Aufl., § 330 Rn. 3; jeweils mwN; kritisch zur Gesetzesfassung Fischer, StGB, 62. Aufl., § 300 Rn. 3; Heine/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 300 Rn. 3). Schutzzweckspezifisch ist danach ein großes Ausmaß erreicht, wenn der Vorteil besonders geeignet ist, den Vorteilnehmer zu korrumpieren (Dannecker in NK, StGB, 4. Aufl., § 300 Rn. 5; Rogall in SK, StGB, 8. Aufl., § 300 Rn. 4; Tiedemann, aaO Rn. 4; vgl. auch Rosenau in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 2. Aufl., § 300 Rn. 2). Dies erfordert eine Berücksichtigung einzelfallbezogener Umstände (vgl. Dannecker, aaO Rn. 5; Fischer, aaO Rn. 4; Sinner, aaO Rn. 3; Tiedemann, aaO Rn. 4; kritisch zum hierdurch eröffneten weiten Beurteilungsspielraum Rosenau, aaO Rn. 2, der die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Vorteilsnehmers aber ebenfalls für berücksichtigenswert erachtet; a.A. Krick aaO). Denn anders als die nach objektiven Maßstäben zu bestimmenden Merkmale des großen Ausmaßes in § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 2003 – 1 StR 274/03, BGHSt 48, 360, 364) und § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 – 1 StR 416/08; BGHSt 53, 71, 83) ist der Anreiz für Korrumpierbarkeit abhän- gig von den jeweiligen Verhältnissen des Vorteilnehmers, mithin von individuellen Kriterien.