Bundesfinanzhof Urteil, 25. Okt. 2016 - X R 31/14

ECLI:ECLI:DE:BFH:2016:U.251016.XR31.14.0
bei uns veröffentlicht am25.10.2016

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 2. April 2014  2 K 1972/12 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erhielt im Jahr 2005 Kirchensteuererstattungen, die aus den Veranlagungszeiträumen 2000 bis 2003 resultieren. Mangels ausreichender in diesem Jahr gezahlter Kirchensteuer (vgl. Einkommensteuerbescheid 2005 vom 8. Februar 2007) entstand ein Erstattungsüberhang. Diesen verrechnete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) mit der im Jahr 2004 gezahlten Kirchensteuer und änderte am 14. September 2009 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) den Einkommensteuerbescheid 2004. Den danach noch verbleibenden Erstattungsüberhang verrechnete das FA mit den Kirchensteuerzahlungen des Veranlagungszeitraums 2003.

2

Die Klägerin hatte mit der gegen den Einkommensteuerbescheid 2004 gerichteten Klage Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied am 24. August 2011 in dem Rechtsstreit 2 K 1270/10, Erstattungsüberhänge bei der Kirchensteuer könnten auch aus Vereinfachungsgründen nicht in das jüngste Zahlungsjahr zurückgetragen werden, sondern seien dem jeweiligen Zahlungsjahr zuzuordnen. Damit waren im Veranlagungszeitraum 2004 nur noch Erstattungsüberhänge in Höhe von 11.199,24 € verrechenbar.

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Das FA änderte daraufhin am 13. Dezember 2011 den Einkommensteuerbescheid 2004 den Vorgaben des Urteils entsprechend. Die nunmehr nicht berücksichtigten Erstattungsüberhänge übertrug das FA auf die weiteren Zahlungsjahre und änderte am 5. April 2012 gemäß § 174 Abs. 4 AO die Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2003 zu Ungunsten der Klägerin.

4

Die Klägerin war und ist der Auffassung, beim Erlass des geänderten Einkommensteuerbescheids 2004 am 14. September 2009 sei für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2003 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen. Eine Änderung sei nur bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist für 2004 und damit bis zur Rechtskraft des Urteils im Herbst 2011 zulässig gewesen. Ein Hinausschieben der durch ein rückwirkendes Ereignis geänderten Festsetzungsfrist sei auch nicht durch Bezugnahme auf § 174 Abs. 4 AO möglich, da diese Vorschrift im Streitfall nicht anwendbar sei, weil die fehlerhafte Erfassung des Sachverhalts nicht auf einer irrigen Beurteilung des FA beruht habe. Die Änderungspraxis des FA begegne tiefgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, da die Einkommensteuerbescheide vielfach geändert worden seien, sie, die Klägerin, jedoch einen Anspruch auf Rechtssicherheit habe.

5

Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG urteilte, das FA habe die Einkommensteuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2003 am 5. April 2012 wegen der eingetretenen Festsetzungsverjährung nicht ändern dürfen (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2014, 1159). Der Eintritt der Festsetzungsverjährung zum 31. Dezember 2011 sei nicht durch § 174 Abs. 4 AO gehindert worden, da dessen Voraussetzungen mangels irriger Beurteilung des FA im Streitfall nicht erfüllt gewesen seien. Das FA habe trotz der ihm bekannten Rechtsprechung zur Frage der Berücksichtigung von Kirchensteuererstattungen in den Veranlagungszeiträumen ihrer Zahlung den Erstattungsüberhang des Jahres 2005 mit den Kirchensteuerzahlungen des Veranlagungszeitraumes 2004 verrechnet, obwohl es gewusst habe, dass seine Vorgehensweise nicht diesen Grundsätzen entspreche. Die fehlende Vereinbarkeit mit der geltenden Rechtslage ergebe sich auch aus der Verfügung der Oberfinanzdirektion Koblenz (OFD) vom 11. April 2005 (S 2221 A - St 32 3), die sich in der Rechtsbehelfsakte wegen der Veranlagungszeiträume 2000 bis 2003 befinde. Von der in der Verfügung angeordneten Lösung für den Fall eines Antrags oder Rechtsbehelfs des Steuerpflichtigen habe das FA wissentlich keinen Gebrauch gemacht. Aufgrund des gesamten zeitlichen Ablaufes des Verfahrens sei der Rechtssicherheit für die Klägerin Vorrang vor dem Prinzip einer folgerichtigen Umsetzung des von ihr erstrittenen Urteils einzuräumen.

6

Das FA begründet seine Revision mit der fehlerhaften Auslegung des § 174 Abs. 4 AO durch das FG. Die eine Korrektur nach § 174 Abs. 4 AO ermöglichende Änderung eines (anderen) Bescheids müsse nach dem Gesetzeswortlaut lediglich durch einen Rechtsbehelf oder Antrag des Steuerpflichtigen ausgelöst worden sein (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Mai 2005 IV R 17/02, BFHE 209, 384, BStBl II 2005, 637). Zweck der Vorschrift sei allein, nach antragsgemäßer Änderung des Steuerbescheids ggf. unter Durchbrechung der Bestandskraft die in einem anderen Steuerbescheid gezogenen steuerlichen Folgerungen rückgängig zu machen (BFH-Urteil vom 4. April 2001 XI R 59/00, BFHE 195, 286, BStBl II 2001, 564), die sich als unzutreffend erwiesen hätten (so auch Begründung des Gesetzentwurfs einer Abgabenordnung, BTDrucks VI/1982, S. 153, 154; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 10. November 1997 GrS 1/96, BFHE 184, 1, BStBl II 1998, 83).

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Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

§ 174 Abs. 4 AO sei im Streitfall nicht anwendbar, weil der unrichtigen Veranlagung keine irrige Beurteilung eines Sachverhaltes zugrunde gelegen habe. Das FA habe sich nicht in einem Irrtum befunden, sondern die durch die OFD vorgegebene Lösung wissentlich nicht angewendet.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abzuweisen.

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Das FG hat zu Unrecht entschieden, das FA habe die Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2003 nicht gemäß § 174 Abs. 4 AO ändern dürfen. Die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO waren im Streitfall erfüllt (unter 1.). Der Änderung der Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2003 stand der Grundsatz von Treu und Glauben nicht entgegen (unter 2.).

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1. Nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO können, wenn aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen ist, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird.

13

a) Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass § 174 Abs. 4 AO u.a. die Möglichkeit eröffnet, Folgerungen aus einem bestimmten Sachverhalt, die zunächst nicht im "richtigen" Bescheid, sondern in einem anderen Verfahren gezogen worden sind, durch Erlass eines richtigen Bescheids nachzuholen (Senatsurteil vom 29. Juni 2005 X R 38/04, BFH/NV 2005, 1751, unter 1.). Somit erfasst § 174 AO auch Sachverhalte wie den Streitfall, in denen die Finanzbehörde darüber irrt, in welchem Jahr die steuerrechtlichen Folgerungen aus einem bestimmten Sachverhalt zu ziehen sind (s. Senatsurteil in BFH/NV 2005, 1751, unter 1.), hier die streitgegenständliche Frage, in welche Veranlagungszeiträume der Erstattungsüberhang des Jahres 2005 zurückzutragen war. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten auch Einigkeit.

14

b) Nicht nur zwischen den Beteiligten, sondern auch in der Rechtsprechung und im Schrifttum ist indes umstritten, wie das Tatbestandsmerkmal "irrige Beurteilung" auszulegen ist.

15

aa) Zweifelsfrei ist die Beurteilung eines Sachverhalts irrig, wenn sie sich nachträglich als unrichtig erweist (vgl. BFH-Entscheidungen vom 16. Februar 1996 I R 150/94, BFHE 180, 8, BStBl II 1996, 417; vom 18. Februar 1997 VIII R 54/95, BFHE 183, 6, BStBl II 1997, 647). Dabei ist unerheblich, ob der für die rechtsirrige Beurteilung ursächliche Fehler im Tatsächlichen oder im Rechtlichen liegt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 2. Mai 2001 VIII R 44/00, BFHE 195, 14, BStBl II 2001, 562; vom 21. August 2007 I R 74/06, BFHE 218, 487, BStBl II 2008, 277; vom 10. Mai 2012 IV R 34/09, BFHE 239, 485, BStBl II 2013, 471; vom 24. April 2013 II R 53/10, BFHE 241, 63, BStBl II 2013, 755, Rz 20; vom 19. August 2015 X R 50/13, BFHE 251, 389, Rz 34; vom 4. Februar 2016 III R 12/14, BFHE 253, 290, BStBl II 2016, 818, Rz 12, jeweils m.w.N.).

16

bb) Fraglich und umstritten ist jedoch, ob eine irrige Beurteilung i.S. des § 174 Abs. 4 AO auch dann angenommen werden kann, wenn dem FA bei Erlass des Bescheids bereits dessen Fehlerhaftigkeit bekannt, d.h. es zu diesem Zeitpunkt subjektiv nicht der Auffassung war, eine richtige Beurteilung vorzunehmen.

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(1) Ein Teil des Fachschrifttums und der Finanzgerichtsbarkeit geht davon aus --worauf die Klägerin und das FG hinweisen--, dass es an einer irrtümlichen Beurteilung i.S. des § 174 Abs. 4 AO fehle, wenn das FA den Fehler vor Erlass des Steuerbescheids erkenne, den Steuerbescheid aber gleichwohl unverändert, also bewusst fehlerhaft erlasse (so z.B. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Oktober 2014  5 K 4719/10, juris, Revision X R 4/15; Frotscher in Schwarz, AO, § 174 Rz 171; Koenig/Koenig, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 174 Rz 60; von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 174 AO Rz 236; nicht eindeutig von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO § 174 Rz 97, und Bartone in: Kühn/von Wedelstädt, 21. Aufl., AO, § 174 Rz 56; nicht streiterhebliche Bedenken äußerte auch der V. Senat in dem Beschluss vom 22. Dezember 1988 V B 148/87, BFH/NV 1990, 341, unter 1.b bb).

18

(2) Demgegenüber haben sowohl der V. Senat in seinem späteren Beschluss vom 21. Mai 2004 V B 30/03 (BFH/NV 2004, 1497, unter II.1.) als auch der IV. Senat im Urteil in BFHE 239, 485, BStBl II 2013, 471, Rz 26 bereits ausdrücklich entschieden, eine Änderung wegen der irrigen Beurteilung des Sachverhalts in einem anderen Bescheid sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil das FA insoweit vorsätzlich fehlerhaft gehandelt habe. Der Wortlaut des § 174 Abs. 4 AO enthalte keine weitere Einschränkung, nach der zwar eine Änderung des angefochtenen Bescheids aufgrund des Rechtsbehelfs zulässig sein solle, die Änderung der irrigen Beurteilung in anderen Bescheiden aber deswegen unterbleiben müsse, weil das FA vorsätzlich fehlerhaft gehandelt habe. Gegen eine solche Auslegung spreche vor allem der Sinn des § 174 Abs. 4 AO. Die Vorschrift biete den Finanzbehörden im Falle der Aufhebung oder Änderung einer unrichtigen Steuerfestsetzung auf Betreiben des Steuerpflichtigen eine Ermächtigungsgrundlage dahingehend, den nunmehr unberücksichtigten Sachverhalt in dem richtigen Bescheid zu erfassen. Der Steuerpflichtige solle im Falle seines Obsiegens mit einem gewissen Rechtsstandpunkt an seiner Auffassung festgehalten werden, soweit derselbe Sachverhalt zu beurteilen sei. Der Steuerpflichtige, der erfolgreich für seine Rechtsansicht gestritten habe, müsse auch die damit verbundenen Nachteile hinnehmen (ebenso Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 174 AO Rz 45; Forchhammer in Leopold/ Madle/Rader AO, § 174, Rz 40).

19

(3) Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die gerade dargestellte Begründung, insbesondere auf den Telos der Vorschrift, den Steuerpflichtigen im Falle seines Obsiegens mit einem gewissen Rechtsstandpunkt an dieser Auffassung festzuhalten.

20

(a) Es handelt sich dabei um eine besondere gesetzliche Ausformung des Grundsatzes von Treu und Glauben (s. Senatsurteil in BFHE 251, 389, Rz 42, m.w.N.). Durch § 174 AO soll die Finanzbehörde die Möglichkeit erhalten, in bestimmten Fällen der materiellen Richtigkeit Vorrang einzuräumen, indem vermieden wird, dass Steuerfestsetzungen bestehen bleiben, die inhaltlich zueinander im Widerspruch stehen (Senatsurteil vom 28. Januar 2009 X R 27/07, BFHE 224, 15, BStBl II 2009, 620, Rz 15). Wie der Große Senat des BFH entschieden hat, regelt die Vorschrift die verfahrensrechtlichen (inhaltlichen) Folgerungen aus einer vorherigen Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids auf Antrag des Steuerpflichtigen zu dessen Gunsten. Diese Aufhebung oder Änderung löst sodann --"nachträglich"-- die Rechtsfolge des § 174 Abs. 4 AO aus, dass ein anderer Bescheid erlassen oder geändert werden kann. Die Vorschrift zieht somit die verfahrensrechtliche Konsequenz daraus, dass der andere Bescheid nunmehr eine "widerstreitende Steuerfestsetzung" enthält, wie sie das Gesetz nach seiner amtlichen Überschrift zu § 174 AO voraussetzt (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 184, 1, BStBl II 1998, 83, unter C.II.1.; Senatsurteil in BFHE 224, 15, BStBl II 2009, 620, Rz 15).

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(b) Zudem ist auf die erheblichen praktischen Schwierigkeiten hinzuweisen, unter denen die Vorschrift des § 174 AO dann nur angewendet werden könnte.

22

Würde gefordert, dass die Finanzverwaltung auch subjektiv der Auffassung gewesen sein müsse, nicht rechtswidrig zu handeln, müsste die Behörde --da es sich dann um eine Voraussetzung für ihre Änderungsbefugnis handelt-- jeweils darlegen und rechtfertigen, warum sie die sich später als richtig herausstellende Auffassung nicht bereits bei Erlass des fehlerhaften Steuerbescheids vertreten hatte. Es dürfte im Regelfall jedoch erhebliche Schwierigkeiten bereiten, die Erwägungen daraufhin zu überprüfen, ob sie unter keinen Umständen vertretbar gewesen sind, um ein bewusst fehlerhaftes Handeln auszuschließen, wie der Streitfall zeigt.

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(aa) Zunächst kann aus der Tatsache, dass in der Rechtsbehelfsakte der Streitjahre 2000 bis 2003 die OFD-Verfügung vom 11. April 2005 enthalten war, eine bewusst fehlerhafte Steuerfestsetzung durch das FA im Jahr 2009 nicht abgeleitet werden.

24

Zwar wird in dieser Verwaltungsanweisung die Auffassung vertreten, dass im Falle von Erstattungen für mehrere Jahre in einem Veranlagungszeitraum der verbleibende Erstattungsüberhang aus Vereinfachungsgründen zunächst in das jüngste Zahlungsjahr zurückzutragen sei. Erst wenn der Steuerpflichtige im Rahmen eines Einspruchs oder Änderungsantrags eine abweichende, für ihn günstigere Form der Aufteilung beantrage, könne dem Einspruch bzw. dem Änderungsantrag durch die anteilige Aufteilung des Erstattungsüberhangs und Korrektur im jeweiligen Zahlungsjahr gefolgt werden. Die OFD-Verfügung befindet sich jedoch nicht in der insoweit relevanten Rechtsbehelfsakte für den Veranlagungszeitraum 2004, sondern in der Rechtsbehelfsakte für die Streitjahre 2000 bis 2003. Dass sie dem FA bereits in dem zeitlich vorgelagerten Rechtsbehelfsverfahren bezüglich der Veranlagung 2004 bekannt gewesen sein soll, kann --im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin und des FG-- hieraus nicht gefolgert werden.

25

(bb) Aber auch aus anderen Gründen kann nicht von einer bewusst fehlerhaften Steuerfestsetzung 2004 ausgegangen werden.

26

Das FA hatte in dem Steuerbescheid 2004 vom 14. September 2009, in der Einspruchsentscheidung vom 29. Januar 2010 sowie in dem finanzgerichtlichen Verfahren 2 K 1270/10 die Meinung vertreten, aus Vereinfachungsgründen und zur Vermeidung eines Kaskadeneffektes sei der Erstattungsüberhang in das jüngste Zahlungsjahr 2004 zurückzutragen. Dass diese Auffassung in den Jahren 2009 und 2010 unter keinem rechtlichen Aspekt zu vertreten gewesen sein sollte, ist eher zu bezweifeln. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung aus Gründen der Praktikabilität und auch der Rechtskontinuität bei in der Regel jährlich wiederkehrenden Sonderausgaben wie der Kirchensteuer am Grundsatz der Verrechnung im Erstattungsjahr festgehalten hat (s. Senatsurteil vom 26. Juni 1996 X R 73/94, BFHE 181, 144, BStBl II 1996, 646, unter II.2.). Deshalb konnte im Zeitpunkt des Verwaltungshandelns nicht ausgeschlossen werden, dass ggf. die Rechtsprechung aus Vereinfachungsgründen auch eine vorrangige Verrechnung des Erstattungsüberhangs im ersten Zahlungsjahr erlauben würde. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die relevanten Senatsentscheidungen vom 2. September 2008 X R 46/07 (BFHE 222, 215, BStBl II 2009, 229), vom 9. Dezember 2009 X R 4/09 (BFH/NV 2010, 596) und vom 19. Januar 2010 X B 32/09 (BFH/NV 2010, 1250) stammen.

27

c) Die weiteren Voraussetzungen für eine Änderung der streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2003 nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO sind --dies ist wiederum zwischen den Beteiligten unstreitig-- erfüllt.

28

d) Die Änderung der Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2003 war nicht wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung ausgeschlossen.

29

aa) Das FG hat den fehlerhaft geänderten Einkommensteuerbescheid 2004 vom 14. September 2009 mit Urteil vom 24. August 2011 aufgehoben, das Urteil wurde im Oktober 2011 rechtskräftig. Das FA änderte zugunsten der Klägerin den Einkommensteuerbescheid am 13. Dezember 2011 (vgl. § 121 Satz 1 i.V.m. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die angefochtenen Einkommensteuer-Änderungsbescheide 2000 bis 2003 ergingen am 5. April 2012, sie sind demnach binnen der Jahresfrist des § 174 Abs. 4 Satz 3 AO erlassen worden.

30

bb) Dem steht § 174 Abs. 4 Satz 4 AO nicht entgegen.

31

(1) Nach § 174 Abs. 4 Satz 4 AO ist der Fristablauf für den Fall, dass die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen war, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 Satz 1 AO unbeachtlich. Der in Abs. 4 Satz 4 genannte "später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid" ist der auf Rechtsbehelf oder Antrag des Steuerpflichtigen aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid (vgl. BFH-Urteile vom 10. November 1993 I R 20/93, BFHE 173, 184, BStBl II 1994, 327, unter II.B.5.; vom 23. Mai 1996 IV R 49/95, BFH/NV 1997, 89; vom 15. Januar 2009 III R 81/07, BFH/NV 2009, 1073, unter II.b; BFH-Beschluss vom 8. Februar 2007 XI B 70/06, BFH/NV 2007, 1071, unter 2.), hier also der geänderte Einkommensteuerbescheid 2004 vom 14. September 2009.

32

(2) Wie das FA und das FG zu Recht erkannt haben, war für die Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2003 aufgrund des durch den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 8. Februar 2007 ermittelten Überhangs an erstatteter Kirchensteuer am 14. September 2009 noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten.

33

Die Einkommensteuerbescheide hätten zu diesem Zeitpunkt noch gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geändert werden können, da der Erstattungsüberhang als rückwirkendes Ereignis den Sonderausgabenabzug in den Zahlungsjahren 2000 bis 2003 gemindert hätte (s. auch Senatsentscheidungen vom 28. Mai 1998 X R 7/96, BFHE 186, 521, BStBl II 1999, 95, Rz 19 f., und in BFH/NV 2010, 1250, Rz 5). Nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO beginnt in diesem Fall die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das rückwirkende Ereignis eintritt, also im Streitfall mit Ablauf des Jahres 2007. Damit trat unter Berücksichtigung der vierjährigen Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO für die Jahre 2000 bis 2003 die Festsetzungsverjährung erst mit Ablauf des 31. Dezember 2011 ein, so dass der angefochtene Änderungsbescheid für 2004 vom 14. September 2009 in noch nicht festsetzungsverjährter Zeit ergangen ist. Damit kommt es auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 Satz 1 AO im Streitfall nicht an.

34

2. Die Änderung der Steuerfestsetzungen 2000 bis 2003 verstößt nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.

35

a) Da bereits die Änderungsmöglichkeit des § 174 Abs. 4 AO ihre Grundlage in dem Grundsatz von Treu und Glauben hat, darf sich das FA als derjenige, der daraus Vorteile zieht, nicht selbst treuwidrig verhalten.

36

Die Anwendung des § 174 Abs. 4 AO kann damit beispielsweise ausgeschlossen sein, wenn die Möglichkeit bestünde, dass die Finanzbehörde ihr Änderungsrecht auf Grund eines entsprechenden vertrauensbegründenden Vorverhaltens verwirkt hat (noch offengelassen im BFH-Beschluss vom 10. Juli 2003 I B 150/02, BFH/NV 2003, 1535, unter II.1.). Eine weitere Konstellation für eine treuwidrige Änderung gemäß § 174 Abs. 4 AO kann darin zu sehen sein, dass sich die Finanzverwaltung absichtlich eine ansonsten nicht gegebene Voraussetzung einer Änderungsmöglichkeit gemäß § 174 Abs. 4 AO verschafft (so auch die Beispiele bei Frotscher in Schwarz, AO, § 174 Rz 171, und von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO § 174 Rz 97). Allein die abstrakte Besorgnis, die Zulässigkeit der Änderung gemäß § 174 Abs. 4 AO könne die Finanzverwaltung zum Missbrauch einladen, reicht indes nicht aus, um die Änderungsmöglichkeit allgemein einzuschränken, da dies den Kern des § 174 Abs. 4 AO berührte (ebenso zur im Grundsatz vergleichbaren Zulässigkeit der Fehlersaldierung gemäß § 177 AO, Senatsurteil vom 22. April 2015 X R 24/13, BFH/NV 2015, 1334, Rz 33). Es bedarf vielmehr konkreter Indizien, die auf ein treuwidriges Verhalten hindeuten.

37

b) Diese sind im Streitfall nicht zu erkennen.

38

Das FA hätte am 8. Februar 2007, d.h. zu dem Zeitpunkt, in dem feststand, dass die im Jahr 2005 erstattete Kirchensteuer die in diesem Jahr gezahlte Kirchensteuer überstieg, die Steuerfestsetzungen der Jahre 2000 bis 2003 bereits ändern können und müssen (s. dazu auch oben unter II.1.d bb). Es hat durch das von ihm gewählte Verfahren keine ihm ansonsten nicht oder nicht mehr zustehende Änderungsmöglichkeit erhalten. Das FA hat vielmehr die ihm aufgrund des erfolgreichen Rechtsstreits der Klägerin eingeräumte Änderungsmöglichkeit des § 174 Abs. 4 AO genutzt, um die materiell rechtmäßige Rechtslage herzustellen.

39

c) Ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben ist --im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin und des FG-- auch nicht dem konkreten Verfahrensablauf zu entnehmen.

40

aa) Das FA wusste zwar seit der Einkommensteuerveranlagung 2005 vom 8. Februar 2007, dass ein Kirchensteuererstattungsüberhang gegeben war und somit die Einkommensteuerfestsetzungen früherer Veranlagungszeiträume zu ändern waren. Die gesetzliche Festsetzungsverjährung für die davon betroffenen Veranlagungen trat aber erst zum 31. Dezember 2011 ein.

41

Dass das FA erst zwei Jahre nach Kenntnis, aber immer noch innerhalb der Festsetzungsfrist, die ersten --wenn auch nur teilweise richtigen-- Schlussfolgerungen aus dem Erstattungsüberhang gezogen und die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2004 und 2003 geändert hat, führt noch zu keinem Verstoß gegen Treu und Glauben. Dasselbe gilt für die Änderung der Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2003 am 5. April 2012: Auch hier wurde das FA fristgerecht noch innerhalb der Einjahresfrist des § 174 Abs. 4 Satz 3 AO tätig, da das finanzgerichtliche Urteil, das den Einkommensteuerbescheid 2004 änderte, im Oktober 2011 rechtskräftig wurde.

42

In einer solchen Konstellation, in der --soweit erkennbar-- keine Anhaltspunkte für einen besonderen Vertrauenstatbestand dergestalt gegeben sind, dass das FA nicht tätig werden würde, ist es nicht möglich, die gesetzlichen Verjährungsregelungen außer Acht zu lassen, um der Rechtssicherheit zugunsten des Steuerpflichtigen Vorrang einzuräumen.

43

bb) Dieser Vorrang kann sich auch nicht in den Fällen ergeben, in denen ein Einkommensteuerbescheid mehrfach geändert werden muss, um die materiell richtige Besteuerung zu gewährleisten. Daher kann dem Vorbringen der Klägerin auch darin nicht gefolgt werden, dass zumindest der Einkommensteuerbescheid 2003 nicht mehr zu ändern sei, weil dieser wegen des Kirchensteuerüberhangs 2005 bereits einmal geändert worden sei. Die in § 174 Abs. 4 AO getroffene Regelung beinhaltet eine eigenständige Änderungsmöglichkeit für den Fall, dass der Steuerpflichtige erfolgreich gegen einen anderen Bescheid vorgegangen ist.

44

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuhe

Abgabenordnung - AO 1977 | § 177 Berichtigung von materiellen Fehlern


(1) Liegen die Voraussetzungen für die Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids zuungunsten des Steuerpflichtigen vor, so sind, soweit die Änderung reicht, zugunsten und zuungunsten des Steuerpflichtigen solche materiellen Fehler zu berichtigen,

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Bundesfinanzhof Urteil, 25. Okt. 2016 - X R 31/14 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

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Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 02. Apr. 2014 - 2 K 1972/12

bei uns veröffentlicht am 02.04.2014

Diese Entscheidung zitiert Tenor I. Die geänderten Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2003 vom 5. April 2012 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2012 werden aufgehoben. II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesfinanzhof Urteil, 25. Okt. 2016 - X R 31/14.

Finanzgericht München Urteil, 05. Feb. 2015 - 12 K 560/15

bei uns veröffentlicht am 05.02.2015

Tenor 1. Unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2005 vom 19. Juli 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Februar 2015 wird die Einkommensteuer auf 1.935,00 € festgesetzt. 2. Der Beklagte trägt die Koste

Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 21. Okt. 2014 - 5 K 4719/10

bei uns veröffentlicht am 21.10.2014

Tenor 1. Der Bescheid des Beklagten zum 31.12.2006 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer vom 25. August 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. November 2010 wird aufgehoben.2. Der Beklagte

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Tenor

I. Die geänderten Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2003 vom 5. April 2012 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2012 werden aufgehoben.

II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

III. Das Urteil ist wegen der von dem Beklagten zu tragenden Kosten zu Gunsten der Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Einkommensteuerbescheide 2000-2003 noch nach § 174 Abs. 4 AO zu Ungunsten der Klägerin geändert werden konnten.

2

Auslöser des vorliegenden Rechtsstreites ist eine Entscheidung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. August 2011 (2 K 1270/10). Ausgangspunkt dieses Rechtsstreits war ein am 14. September 2009 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nummer 2 AO geänderter Einkommensteuerbescheid 2004. Damit hat der Beklagte im Jahre 2005 der Klägerin zugeflossene Kirchensteuerübererstattungen, welche aus Kirchensteuerzahlungen für die  Veranlagungszeiträume 2000-2003 resultierten, in den Veranlagungszeitraum 2004 zurück übertragen. Im genannten gerichtlichen Verfahren befand das Gericht, dass Kirchensteuernübererstattungen nicht aus Vereinfachungsgründen in das jüngste Zahlungsjahr zurückgetragen werden könnten, sondern dem jeweiligen Zahlungsjahr zuzuordnen seien. Danach durften in 2004 nur noch Übererstattungen von 11.199,24 € als die Sonderausgaben mindernd zurückgetragen werden. Dies führte dazu, dass die Übererstattungen für 2000 bis 2003 bei der Berechnung der Sonderausgaben unberücksichtigt blieben. Der Einkommensteuerbescheid 2004 wurde nach den Vorgaben des Urteils am 13. Dezember 2011 geändert. Alle dadurch nicht berücksichtigten Übererstattungen übertrug der Beklagte nunmehr auf die entsprechenden Zahlungsjahre 2000 bis 2003 und änderte die entsprechenden Einkommensteuerbescheide am 5. April 2012 nach § 174 Abs. 4 AO zu Ungunsten der Klägerin.

3

Mit ihrem Einspruch hiergegen trug die Klägerin vor, beim Erlass des geänderten Einkommensteuerbescheides 2004 am 14. September 2009 sei für 2000 bis 2003 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen. Die Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2003 könnten deshalb nur dann nach § 174 Abs. 4 AO geändert werden, wenn die Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 Satz 1 AO vorlägen. Dazu müsse ein bestimmter Sachverhalt in den Einkommensteuerbescheiden 2000 bis 2003 erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden sein, weil er in dem Bescheid für 2004 zu berücksichtigen sei. Stelle sich die Annahme als unrichtig heraus, könne die Festsetzung, bei der die Berücksichtigung unterblieben sei, hier in 2000 bis 2003 geändert werden. Diese Voraussetzungen dürften nicht vorliegen. Überdies sei § 174 Abs. 3 Satz 2 AO zu beachten, wonach die Änderung für 2000 bis 2003 nur bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist 2004 zulässig sei. Diese sei jedoch mit der Rechtskraft des Urteils für 2004 abgelaufen. § 174 Abs. 4 AO sei nur anwendbar, wenn aus dem Sachverhalt, der der irrigen Beurteilung des Finanzamts zu Grunde gelegen habe, andere steuerliche Folgen gezogen werden müssten. Der Beklagte trage die Beweislast dafür, dass die fehlerhafte Erfassung des Sachverhaltes auf einer irrigen Beurteilung beruhe. Er müsse beweisen, aufgrund welcher noch nachvollziehbaren Erwägungen er den Sachverhalt im falschen Bescheid erfasst habe. Das Gericht habe eindeutig darauf hingewiesen, dass die Handhabe des Beklagten der Rechtsprechung und Verwaltungsmeinung widerspreche. Ein Hinausschieben der durch das rückwirkende Ereignis geänderten Festsetzungsfrist durch Bezug auf § 174 AO sei damit nicht möglich. Der Einkommensteuerbescheid 2003 vom 14. September 2009 sei zudem bereits nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nummer 2 AO geändert und wegen § 173 Abs. 2 AO nicht mehr änderbar.

4

Mit Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2012 wurden die Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2003 als unbegründet zurückgewiesen. Hierzu trug der Beklagte vor, § 174 Abs. 4 AO wirke erstrittenen Vorteilen des Steuerpflichtigen durch folgerichtige Korrektur an anderer Stelle entgegen. Würden fehlerhafte Steuerfestsetzungen aufgrund irriger Beurteilung auf Initiative des Steuerpflichtigen geändert, könne der Beklagte Fehler bezüglich desselben Sachverhaltes in anderen Festsetzungen zu Ungunsten des Steuerpflichtigen korrigieren. Eine fehlerhafte Beurteilung des Sachverhaltes im Tatsächlichen oder Rechtlichen oder das Übersehen einer möglichen Rechtsfolge oder eine falsche rechtliche Beurteilung könnten geändert werden. Die Gründe für die irrige Beurteilung seien unmaßgeblich.

5

Der Änderung stehe die Festsetzungsverjährung nicht entgegen. Das Urteil vom 24. August 2011 sei am 21. September 2011 zugestellt und am 21. Oktober 2011 rechtskräftig geworden. Die geänderten Bescheide 2000 bis 2003 seien binnen Jahresfrist am 5. April 2012 ergangen. Da für diese Folgebescheide bei Erlass des Ausgangsbescheides keine Festsetzungsverjährung bestanden habe, komme § 174 Abs. 4 Satz 4 AO und somit § 174 Abs. 3 Satz 1 AO nicht zur Anwendung. Der Ausgangsbescheid 2004 vom 14. September 2009 sei unstreitig innerhalb der regulären Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 AO ergangen. Die Festsetzungsfrist für die Folgebescheide sei bei Erlass des Ausgangsbescheides noch nicht abgelaufen gewesen, da sie nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO zu ändern gewesen seien. Dies habe der Beklagte aus Vereinfachungsgründen jedoch nicht getan. Das rückwirkende Ereignis Kirchensteuerüberhang sei mit der Konkretisierung der Nichtverrechenbarkeit der Erstattungen 2000 bis 2003 durch den Einkommensteuerbescheid 2005 am 8. Februar 2007 eingetreten. Nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO beginne die Festsetzungsfrist für aufgrund rückwirkender Ereignisse zu ändernde Steuerbescheide mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem das Ereignis eintrete. Die Festsetzungsfrist für die Änderung der Jahre 2000 bis 2003 habe daher mit Ablauf des Jahres 2007 begonnen und sei bis zum 31. Dezember 2011 gelaufen (§ 169 Abs. 2 AO). Das bedeute, für die Folgebescheide 2000 bis 2003 sei bei Erlass des Ausgangsbescheides 2004 am 14. September 2009 noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten. Die von der Klägerin geteilte Meinung (Tipke-Kruse Rz. 46 zu § 174), der Beklagte treffe für seine Fehler im Rahmen des § 174 Abs. 4 AO eine Beweislast, werde nicht geteilt. Auf die Umstände, weshalb es zu der irrigen Beurteilung komme, komme es nicht an. Es reiche, wenn das Finanzamt einen Sachverhalt falsch beurteile. Der Einwand, der Einkommensteuerbescheid 2003 vom 14. September 2009 sei bereits nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nummer 2 AO geändert und nicht mehr nach § 173 Abs. 2 AO änderbar, sei unzutreffend. § 174 Abs. 4 AO stelle eine Spezialvorschrift zum Vorteilsausgleich da und könne stets ohne Rücksicht auf den Grund von Voränderungen angewandt werden. Die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO greife nicht, da die Änderungen nicht auf neuen Tatsachen, sondern auf dem Ausgang des Gerichtsverfahrens beruhten.

6

Mit ihrer Klage hiergegen trägt die Klägerin vor, mit der Rückübertragung von Kirchensteuererstattungen in die Jahre 2003 und 2004 am 14. September 2009 habe der Beklagte entgegen der gefestigten Rechtsprechung gehandelt, wonach Erstattungen auf das Zahlungsjahr zurückzuführen seien. Der nochmaligen Änderung der Bescheide 2000 bis 2003 stehe die Festsetzungsverjährung entgegen, da die Bescheide, aufgrund derer sich die Notwendigkeit der Rückrechnung ergeben habe, im Jahr 2007 ergangen seien. Damit sei die Festsetzungsfrist bis zum 31. Dezember 2011 gelaufen. Die später erlassenen Änderungsbescheide seien erst im April 2012 ergangen. § 174 Abs. 4 AO sei nicht anwendbar, da das Finanzamt aus "Vereinfachungsgründen" und nicht wegen irriger Beurteilung eines Sachverhaltes zunächst die Übererstattungen falsch zurückgetragen habe.  Unklar sei daher, wie er sich über den klaren Sachverhalt und die Rechtslage habe irren können. Der Beklagte hätte der Auffassung sein müssen, richtig zu handeln. Ursache der angefochtenen Änderung sei nicht die klägerische Rechtsverfolgung, sondern die Bescheidänderung aus Vereinfachungsgründen.

7

Im Streitfall bestünden tiefgreifende verfassungsrechtliche Bedenken. Allein der Bescheid für 2003 sei insgesamt sechsmal erlassen worden, die Bescheide für 2000, 2001, 2003 seien im Jahr 2005 und dann im Jahr 2012 geändert worden. Auch der Bescheid 2004 liege in einer Vielzahl von Fassungen vor. Die Klägerin habe aber einen Anspruch auf Rechtssicherheit. Es könne nicht sein, dass aus "Vereinfachungsgründen" ein rechtswidriger Weg gewählt werde und alleine der Steuerpflichtige das Risiko trage, wenn diese "vereinfachte" Steuerfestsetzung gerichtlich beanstandet werde.

8

Die Klägerin beantragt,
die geänderten Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2003 vom 5. April 2012 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2012 aufzuheben.

9

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

10

Ergänzend zu seiner Einspruchsentscheidung trägt er hierzu vor, unmaßgeblich sei, ob der Sachverhalt 2004 "aus Vereinfachungsgründen" falsch beurteilt worden sei. Auf die Umstände für die falsche Beurteilung komme es nicht an (so BFH mit Urteil vom 2. Mai 2001 VII R 44/00).

11

Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden nicht, da alle Änderungen auf den Vorschriften der AO beruhten. Die meisten Änderungen seien durch geänderte Beteiligungseinkünfte der Klägerin veranlasst gewesen. Die nun streitgegenständlichen Änderungen beruhten ausschließlich auf der klägerischen Rechtsverfolgung. § 174 AO eröffne die Möglichkeiten, Vor- und Nachteile auszugleichen, die sich durch Steuerfestsetzungen ergeben hätten, die inhaltlich einander widersprächen. Der Widerspruch zwischen einem aus der Bestandskraft folgenden Vertrauensschutz sowie der Rechtssicherheit und der materiellen Richtigkeit werde zu Gunsten der letzteren entschieden.

Entscheidungsgründe

12

Die Klage ist begründet.

13

Dem Erlass von geänderten Einkommensteuerbescheiden für die Veranlagungszeiträume 2000-2003 am 5. April 2012 stand die Festsetzungsverjährung entgegen. Entgegen der Auffassung des Beklagten war der entsprechende Ablauf der Verjährung zum 31. Dezember 2011 nicht durch die Anwendung des § 174 Abs. 4 AO und hier insbesondere § 174 Abs. 4 Satz 3 AO zu verschieben.

14

Nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO können aus einem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheides die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden, wenn aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen ist, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird (§ 174 Abs. 4 Satz 2 AO). Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden (§ 174 Abs. 4 Satz 3 AO).

15

Die irrige Beurteilung eines Sachverhaltes bedeutet, dass sich die Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts nachträglich als unrichtig erweist. Sachverhalt im Sinne des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO ist der einzelne Vorgang, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft. Der Begriff des bestimmten Sachverhalts ist dabei nicht auf eine einzelne steuererhebliche Tatsache oder ein einzelnes Merkmal beschränkt, sondern umfasst den einheitlichen, für diese Besteuerung maßgeblichen Sachverhaltskomplex. Unerheblich ist, ob der für die rechtsirrige Beurteilung ursächliche Fehler im Tatsächlichen oder im Rechtlichen gelegen hat (BFH Entscheidungen vom 22. Dezember 1988 V B 148/87, BFH/NV 1990, 341, vom 18. Februar 1997 VIII R 54/95, Bundessteuerblatt II 1997, 647, vom 2. Mai 2001 VIII R 44/00, Bundessteuerblatt II 2001, 562, vom 29. Juni 2005 X R 38/04, BFH/NV 2005, 1751).

16

Eine irrige Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts liegt vor, wenn die Finanzbehörde, in der Annahme richtig zu handeln, aus dem Sachverhalt objektiv unzutreffende steuerrechtliche Folgerungen zieht und diese fehlerhafte Beurteilung sich in einem Steuerbescheid auswirkt (BFH Urteil vom 28. Juni 1990, V R 93/85, BFH/NV 1991, 210).

17

Die objektive Unrichtigkeit muss irrtümlich, also durch die subjektiv unzutreffende Annahme richtig zu handeln, ausgelöst sein (Koenig in Pahlke/Koenig, Kommentar zur Abgabenordnung, beck-online, § 174 Rz. 60). § 174 Abs. 4 AO ist nicht anwendbar, wenn der unrichtigen Veranlagung keine irrige Beurteilung eines Sachverhalts zu Grunde lag, sondern trotz richtiger Beurteilung absichtlich ein unrichtiger Steuerbescheid erlassen wurde. Ein solches Verhalten, durch das sich die Verwaltung die Änderungsmöglichkeit des § 174 Abs. 4 AO durch bewusstes Erlassen eines unrichtigen Steuerbescheids verschaffen würde, verstößt gegen Treu und Glauben (Frotscher in Schwarz, Kommentar zur Abgabenordnung, § 174 Rz. 171).

18

In die gleiche Richtung tendiert die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 22. Dezember 1988 (V B 148/87, BFH/NV 1990, 341). Soweit der BFH unter Würdigung des Sachverhaltes in der Entscheidung davon ausging, dass die für die Anwendung des § 174 Abs. 4 AO maßgebliche irrige Beurteilung eines Sachverhaltes nicht in für ihn offensichtlich bewusst rechtsfehlerhaft erlassenen Steuerbescheiden ihren Niederschlag gefunden hatte, sondern in nachfolgend nicht nachgewiesenermaßen vorsätzlich falschen Bescheiden, hielt er die im Streitfall vorliegende Problematik für seinen Rechtsstreit aber für nicht entscheidungserheblich.

19

Ausgehend von diesen Grundsätzen war die Anwendung des § 174 Abs. 4 Satz 1, 3 AO im Streitfall nicht eröffnet. Trotz der für den Beklagten ersichtlichen Rechtsprechung zur Frage der Berücksichtigung von Kirchensteuererstattungen in den Veranlagungszeiträumen ihrer Zahlung hat er im Wissen einer dieser Rechtsprechung nicht entsprechenden Vorgehensweise die im Veranlagungszeitraum 2005 nicht mit den für diesen Zeitraum gezahlten Kirchensteuern verrechenbaren Erstattungen auf die Kirchensteuerzahlungen im Veranlagungszeitraum 2004 angerechnet. Soweit dies nicht zutreffend gewesen ist, wird auf die Ausführungen des Urteils vom 24. August 2011 (2 K 1270/10) und die darin genannte Rechtsprechung verwiesen.

20

Dass dies mit der geltenden Rechtslage sowie der auch von der Verwaltung selbst vertretenen Auffassung nicht zu vereinbaren gewesen ist, ergibt sich aus der OFD-Verfügung vom 11. April 2005 (S 2221 A - St 32 3; Blatt 4 bis 7 der Rechtsbehelfsakten 2000 bis 2003). Hierin wird angeführt, dass entgegen der auch mit der oben genannten Entscheidung korrigierten Handhabe zu verfahren sei, wenn der Steuerpflichtige im Rahmen eines Einspruches oder eines Änderungsantrags bei Erstattungsüberhängen, die sich aus mehreren Jahren zusammensetzten, eine abweichende, für ihn günstigere Form des Rücktrags durch die anteilige Aufteilung des Erstattungsüberhanges und Korrektur im jeweiligen Zahlungsjahr der Kirchensteuer verlange. Die Verwaltung führt hierzu aus, dass in diesen Fällen auf die aus Vereinfachungsgründen gewählte Übertragung auf das jeweils jüngste Zahlungsjahr zu verzichten sei. Von dieser in der Verfügung angeordneten Lösung im Falle eines Antrags oder Rechtsbehelfs des Steuerpflichtigen hat der Beklagte wissentlich keinen Gebrauch gemacht.

21

Im Streitfall hat sich der Beklagte somit seine Probleme, ohne die Möglichkeit zur Anwendung des § 174 Abs. 4 Satz 3 AO eine Korrektur durch Rückübertragung auf die jeweiligen Zahlungsjahre wegen des Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht mehr vornehmen zu können, selbst geschaffen.

22

Aus diesem Grunde folgt der Senat nicht der Auffassung der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 21. Mai 2004 (V B 30/03, BFH/NV 2004, 1497), in der angeführt wird, dass der Wortlaut der Vorschrift keine Einschränkung beinhalte, nach der zwar eine Änderung des angefochtenen Bescheides aufgrund des Rechtsbehelfs zulässig sein solle, die Änderung der irrigen Beurteilung in anderen Bescheiden aber deswegen unterbleiben müsse, weil das Finanzamt vorsätzlich fehlerhaft gehandelt habe. Die Vorschrift biete den Finanzbehörden im Falle der Aufhebung oder Änderung einer unrichtigen Steuerfestsetzung auf Betreiben des Steuerpflichtigen eine Ermächtigungsgrundlage dahingehend, den nunmehr unberücksichtigten Sachverhalt in dem richtigen Bescheid zu erfassen. Der Steuerpflichtige solle folglich im Falle seines Obsiegens mit einem gewissen Rechtsstandpunkt an seiner Auffassung festgehalten werden, soweit derselbe Sachverhalt zu beurteilen sei. Der Steuerpflichtige, der erfolgreich für seine Rechtsansicht gestritten habe, müsse auch die damit verbundenen Nachteile hinnehmen.

23

Diese Rechtsansicht des BFH in der genannten Entscheidung ist mit dem eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung nicht zu vereinbaren. So beinhaltet das Tatbestandsmerkmal "irrige Beurteilung" sowohl die objektive Seite, wonach eine materiell falsche Rechtsanwendung das Ergebnis der Beurteilung sein muss, wie auch eine subjektive Seite, wonach eine irrige Beurteilung auf einem Irrtum beruht. Dabei ist Irrtum eine falsche Annahme oder Meinung, wobei die diese Annahme oder Meinung vertretende Person von deren Wahrheit oder, übertragen auf die Vorschrift des § 174 AO, der zutreffenden rechtlichen Beurteilung eines Sachverhaltes ausgeht.

24

Irrig ist eine Beurteilung aber nur, wenn sich die objektiv unzutreffende rechtliche Würdigung in subjektiver Hinsicht allenfalls auf (grobe) Fahrlässigkeit beschränkt (von Groll in Hübschman/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 174, Rz. 236).

25

Überdies kommt der seitens des BFH zu § 174 Abs. 4 AO angestellten Erwägung, dass ein Steuerpflichtiger konsequenterweise seine erfolgreich vertretene Rechtsauffassung auch zu seinem Nachteil gelten lassen muss, im Streitfall keine entscheidende Bedeutung zu.

26

So hätte die Klägerin die Nachteile des für sie erfolgreichen Klageverfahrens 2 K 2720/10 für den Fall tragen müssen, dass der Beklagte vor Ablauf der Festsetzungsverjährung zum 31. Dezember 2011 die entsprechenden Schlussfolgerungen für die Übertragung der Kirchensteuererstattungen in die Streitjahre gezogen hätte. Hierzu hatte er ausreichend Gelegenheit, auch noch nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils vom 24. August 2011 (2 K 1270/10) am 21. Oktober 2011.

27

Im Ergebnis erkennt der Senat aufgrund des gesamten zeitlichen Ablaufes einen Vorrang der Rechtssicherheit für die Klägerin gegenüber dem Prinzip einer folgerichtigen Umsetzung des von ihr erstrittenen Urteils. So war der Sachverhalt für eine Entscheidung über alle streitgegenständlichen Probleme des Verfahrens 2 K 1270/10 mit Erlass des Einkommensteuerbescheides 2005 bereits am 8. Februar 2007 geklärt. Der in diesem Verfahren angefochtene Einkommensteuerbescheid 2004 erging aber erst am 14. September 2009, also über 2 Jahre nach Erlass des Einkommensteuerbescheides 2005. Trotz des hiergegen eingelegten Einspruches und im Widerspruch zur zitierten OFD-Verfügung vertrat der Beklagte noch im Klageverfahren seine Auffassung zur Problematik, bis hin zur Zustellung und Rechtskraft des Urteils vom 24. August 2011.

28

Im Vordergrund stand bei der Entscheidung daher, dass mit Ablauf der Festsetzungsverjährung nach Eintritt des rückwirkenden Ereignisses, dem Erlass des Einkommensteuerbescheides 2005 am 8. April 2007, gemäß § 175 Abs. 1 Satz 2 AO zum 31. Dezember 2011 dem Gedanken der Rechtssicherheit der Vorrang einzuräumen gewesen ist.

29

Im Streitfall handelt es sich, was sich insbesondere aufgrund des Inhalts der OFD-Verfügung ergibt, auch nicht um einen Einzelfall, in dem eine Steuerpflichtige ohne entsprechende Änderungen zu ihren Lasten in anderen Veranlagungszeiträumen eine Begünstigung durch Anfechtung eines rechtswidrigen Steuerbescheides anstrebt. Vielmehr soll die Klägerin, wie sie zutreffend ausführt, aus grundsätzlichen "Vereinfachungsgründen" eine ihrer Ansicht nach nachteilige Berücksichtigung der Erstattungen akzeptieren. Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, dass dem Beklagten bei einem von ihm wohl regelmäßig angewandten Vorgehen gemäß der OFD-Verfügung über die übliche Festsetzungsverjährung hinaus die Möglichkeit zur Änderung von Steuerbescheiden eröffnet werden sollte.

30

Der Senat folgt auch nicht der Auffassung des Beklagten gemäß dem von ihm zitierten Urteil des Bundesfinanzhofs vom 2. Mai 2001 (VIII R 44/00, Bundessteuerblatt II 2001, 562) wonach eine irrige Beurteilung eines Sachverhaltes im Sinne des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO bedeute, dass sich die Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts nachträglich als unrichtig erweise.

31

Im Streitfall hat sich die Beurteilung des Sachverhalts nicht erst nachträglich als unrichtig erwiesen, der Beklagte wusste zum Zeitpunkt des Erlasses des Einkommensteuerbescheides 2004 am 14. September 2009, dass dieser unrichtig ist.

32

Auch die weiteren Ausführungen des Urteils tragen die Auffassung des Beklagten nicht. So wird ausgeführt, dass Sachverhalt im Sinne des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO der einzelne Vorgang sei, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpfe. Unerheblich sei, ob der für die rechtsirrige Beurteilung des Sachverhaltes ursächliche Fehler im Tatsächlichen oder Rechtlichen gelegen habe.

33

Der Senat erkennt nicht, inwieweit der streitige Sachverhalt unter diese Ausführungen zu subsumieren ist. Insbesondere ein Fehler im Tatsächlichen bedeutet nicht, dass eine von der korrekten Rechtslage bewusst abweichende Beurteilung zulässig sein soll. Vielmehr ergibt sich aus dem Grundtenor der Rechtsprechung, dass es hinsichtlich des Irrtums unmaßgeblich ist, auf welchen Umständen dieser beruht, nämlich einer falschen tatsächlichen oder rechtlichen Bewertung des Sachverhaltes.

34

Wegen der im Streitfall nicht gegebenen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO ist auch § 174 Abs. 4 Satz 3 AO nicht anwendbar.

35

Nur durch die unzutreffende Anwendung dieser Vorschrift war dem Beklagten der Weg eröffnet, trotz Ablauf der Festsetzungsverjährung nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO zum 31. Dezember 2011 für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2003 noch am 5. April 2012 Änderungsbescheide für diese Jahre zu erlassen. So bestimmt die Vorschrift des § 174 Abs. 4 Satz 3 AO, dass der Ablauf der Festsetzungsfrist unbeachtlich ist, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheides gezogen werden. Die Änderung des insoweit maßgeblichen fehlerhaften Steuerbescheides 2004 erfolgte durch das Urteil vom 24. August 2011 bzw. dem Eintritt seiner Rechtskraft am 21. Oktober 2011. Demzufolge wären nach Auffassung des Beklagten innerhalb eines Jahres die notwendigen Folgerungen aus seiner Änderung gezogen worden.

36

Zutreffend war die Auffassung des Beklagten, dass die Vorschriften des § 174 Abs. 4 Satz 4 AO in Verbindung mit § 174 Abs. 3 Satz 1 AO im Streitfall nicht anzuwenden waren, weil aufgrund des rückwirkenden Ereignisses der Feststellung von Erstattungsansprüchen mit Einkommensteuerbescheid 2005 vom 8. Februar 2007 über § 175 Abs. 1 Satz 2 AO noch im Jahre 2009 die Möglichkeit zur Änderung der Bescheide 2000-2003 bestand. So begann die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Jahres 2007 bis zum Ende des Jahres 2011 zu laufen (§ 175 Abs. 1 Satz 2 AO in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Nummer 2 AO).

37

Aus dem Vorgenannten ergibt sich aber, das nach dem 31. Dezember 2011 eine Änderung der Bescheide für 2000 bis 2003 gemäß § 174 Abs. 4 Satz 1, 3 AO nicht mehr möglich war.

38

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

39

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr.10, 709, 711 ZPO.

40

Die Entscheidung über die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 FGO. Die vorliegende Entscheidung weicht von der Rechtsprechung des BFH zu den Voraussetzungen einer Änderung von Steuerbescheiden nach § 174 Abs. 4 AO ab.

(1) Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird,
2.
soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Ereignis eintritt.

(2) Als rückwirkendes Ereignis gilt auch der Wegfall einer Voraussetzung für eine Steuervergünstigung, wenn gesetzlich bestimmt ist, dass diese Voraussetzung für eine bestimmte Zeit gegeben sein muss, oder wenn durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist, dass sie die Grundlage für die Gewährung der Steuervergünstigung bildet. Die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung gilt nicht als rückwirkendes Ereignis.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss.

(2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück.

(3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof

1.
in der Sache selbst entscheiden oder
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Der Bundesfinanzhof verweist den Rechtsstreit zurück, wenn der in dem Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen.

(6) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit der Bundesfinanzhof Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Das gilt nicht für Rügen nach § 119 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

(1) Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird,
2.
soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Ereignis eintritt.

(2) Als rückwirkendes Ereignis gilt auch der Wegfall einer Voraussetzung für eine Steuervergünstigung, wenn gesetzlich bestimmt ist, dass diese Voraussetzung für eine bestimmte Zeit gegeben sein muss, oder wenn durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist, dass sie die Grundlage für die Gewährung der Steuervergünstigung bildet. Die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung gilt nicht als rückwirkendes Ereignis.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

(1) Liegen die Voraussetzungen für die Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids zuungunsten des Steuerpflichtigen vor, so sind, soweit die Änderung reicht, zugunsten und zuungunsten des Steuerpflichtigen solche materiellen Fehler zu berichtigen, die nicht Anlass der Aufhebung oder Änderung sind.

(2) Liegen die Voraussetzungen für die Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids zugunsten des Steuerpflichtigen vor, so sind, soweit die Änderung reicht, zuungunsten und zugunsten des Steuerpflichtigen solche materiellen Fehler zu berichtigen, die nicht Anlass der Aufhebung oder Änderung sind.

(3) Materielle Fehler im Sinne der Absätze 1 und 2 sind alle Fehler einschließlich offenbarer Unrichtigkeiten im Sinne des § 129, die zur Festsetzung einer Steuer führen, die von der Kraft Gesetzes entstandenen Steuer abweicht.

(4) § 164 Abs. 2, § 165 Abs. 2 und § 176 bleiben unberührt.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.