Bundesfinanzhof Beschluss, 20. Juni 2016 - X B 14/16
Gericht
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 11. Dezember 2015 2 K 291/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erzielte im Streitjahr 1999 u.a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer im EDV-Bereich. Er bewohnte gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin (L) ein Einfamilienhaus. Einen Raum dieses Hauses nutzte er für Zwecke seines Einzelunternehmens, und zwar nach seinem Vorbringen auch für die Montage von Computern und Zubehör. Vier weitere Räume des Einfamilienhauses vermietete er für gewerbliche Zwecke an L bzw. an zwei GmbH, deren Gesellschafter-Geschäftsführer er war. Hieraus erzielte er (negative) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
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Im Klageverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid 1999 begehrte der Kläger u.a., die anteiligen Kosten für den Flur, die Küche, die Garderobe und das Gäste-WC des selbstgenutzten Einfamilienhauses (im Folgenden: Allgemeinräume) sowie die anteilige Absetzung für Abnutzung (AfA) für die Einbauküche zu 20 % als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb und zu 60 % als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzuziehen. Wenn man die Nutzung dieser Räume zu gleichen Teilen auf die fünf Nutzungsbereiche des Gebäudes (gewerbliche Nutzung durch den Kläger, Nutzung durch die Mieterin L, Nutzung durch die GmbH I, Nutzung durch die GmbH II, private Nutzung durch den Kläger und L) verteile, bleibe nur ein Privatnutzungsanteil von 20 %.
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Am 6. April 2011 kam es in einem Parallelverfahren zum Veranlagungszeitraum 1998 zu einer tatsächlichen Verständigung. Danach sollten die Aufwendungen für die Allgemeinräume sowohl für das Jahr 1998 als auch für die Folgejahre zu 25 % den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zugeordnet werden. Der eigengewerblich genutzte Raum sei als "Werkstattraum" anzusehen; die für häusliche Arbeitszimmer vorgesehene Abzugsbegrenzung sei daher nicht anzuwenden. Hinsichtlich der Aufwendungen für den "Werkstattraum" verständigten sich die Beteiligten für das Jahr 1998 auf einen Abzug von 10.000 DM; für die Folgejahre sollten "die von dem Kläger geltend gemachten Kosten des sog. Arbeitszimmers in unbeschränkter Höhe anerkannt" werden.
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Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erließ am 23. Februar 2012 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1999, in dem es die entsprechend der tatsächlichen Verständigung geminderten Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigte.
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Anschließend machte der Kläger im fortgeführten Klageverfahren für das Streitjahr 1999 geltend, bei der tatsächlichen Verständigung sei vergessen worden, auch für das Einzelunternehmen einen Anteil für die Kosten der Allgemeinräume anzusetzen. Insoweit begehrte er weiterhin einen Anteil von 20 %.
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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es könne offen bleiben, ob schon aus der tatsächlichen Verständigung folge, dass über die vom FA zugestandenen 25 % hinaus keine weiteren Aufwendungen für die Allgemeinräume abziehbar seien. Jedenfalls seien diese Aufwendungen materiell-rechtlich nicht als Betriebsausgaben abziehbar, da es sich um gemischte Aufwendungen handele, für die kein objektiver Aufteilungsmaßstab ersichtlich sei. Im Übrigen habe der Kläger weder substantiiert dargelegt noch nachgewiesen, dass diese Räume überhaupt in einem mehr als nur unbedeutenden Umfang auch betrieblich genutzt würden.
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Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen Divergenz und Verfahrensmängeln.
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Das FA hält die Beschwerde für unbegründet.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde ist --bei Zweifeln daran, ob die gesetzlichen Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) überhaupt erfüllt sind-- jedenfalls unbegründet.
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1. Der Kläger rügt als Verfahrensmangel zunächst, das FG habe gegen den klaren Inhalt der Akten --und damit gegen die aus § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO folgende Pflicht zur Berücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens-- verstoßen, indem es übersehen habe, dass nach der tatsächlichen Verständigung sämtliche mit dem "Werkstattraum" zusammenhängenden Kosten abziehbar sein sollten.
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Damit rügt der Kläger indes keinen Verfahrensmangel. Das FG hat die tatsächliche Verständigung nicht etwa übersehen, sondern versucht, sie nach allen Seiten (positive Bindungswirkung, negative Bindungswirkung, "Vergessen" der Einkünfte aus Gewerbebetrieb) zu würdigen. Eine positive Bindungswirkung --in dem Sinne, dass eine Einigung auf einen bestimmten Nutzungsanteil der Allgemeinräume bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb erzielt worden sei-- hat es ausgeschlossen. Ob eine negative Bindungswirkung --i.S. eines Ausschlusses einer steuerlichen Berücksichtigung über die vom FA bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zugestandenen 25 % hinaus-- bestehe, hat das FG offen gelassen.
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Letztlich rügt der Kläger lediglich, das FG habe die tatsächliche Verständigung fehlerhaft gewürdigt. Damit wird aber kein Verfahrensmangel, sondern ein --vermeintlicher-- materiell-rechtlicher Fehler geltend gemacht. Derartige Fehler führen grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision (Senatsbeschluss vom 19. Januar 2011 X B 127/10, BFH/NV 2011, 632, unter 3.).
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2. Soweit der Kläger als weiteren Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten rügt, das FG habe die AfA auf das "Mobiliar" --womit vermutlich die Einbauküche gemeint ist-- nicht berücksichtigt, ist darauf hinzuweisen, dass das FG schon aus materiell-rechtlichen Gründen keinen Betriebsausgabenabzug für die Kosten der Allgemeinräume hat gewähren wollen. Dies schließt die AfA auf die Einbauküche mit ein.
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3. Weiter rügt der Kläger als Verfahrensmangel, das FG-Urteil sei insoweit nicht mit Gründen versehen (§ 119 Nr. 6 FGO), als das FG nicht begründet habe, weshalb die Aufteilung der Kosten der Allgemeinräume nach Nutzern keinen geeigneten Maßstab darstellt.
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Indes hat das FG im Gliederungspunkt II.2.f seines Urteils (Bl. 16, 17 des Urteilsabdrucks) die mangelnde Eignung dieses Aufteilungsmaßstabs in hinreichender und nachvollziehbarer Weise begründet. Einer weiteren Begründung bedurfte es angesichts der offenkundig fehlenden Eignung und Substantiierung des vom Kläger vertretenen Aufteilungsmaßstabs nicht.
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4. Im Ergebnis ebenfalls nicht durchdringen kann der Kläger mit seiner Rüge, das FG habe die Sachaufklärungspflicht verletzt, indem es einerseits ausgeführt habe, allein eine Aufteilung nach Nutzungszeiten stelle einen geeigneten Maßstab dar, andererseits aber den Kläger nicht zur Angabe der Nutzungszeiten aufgefordert habe.
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Dem Kläger ist zwar zuzugestehen, dass ein FG, das auf der Grundlage eines im bisherigen Verfahren nicht erörterten Aufteilungsmaßstabs entscheiden will, den Steuerpflichtigen, in dessen Sphäre sich die maßgebenden Tatsachen ereignet haben, zunächst von Amts wegen auffordern muss, substantiierte Angaben in das Verfahren einzuführen (vgl. Senatsbeschluss vom 28. September 2011 X B 35/11, BFH/NV 2012, 177, Rz 12). Dies hat das FG unterlassen.
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Eine formgerechte Verfahrensrüge muss allerdings auch Ausführungen dazu enthalten, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei der unterbliebenen Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten (Senatsbeschlüsse vom 18. Mai 2011 X B 124/10, BFH/NV 2011, 1838, unter II.2.d, und vom 22. August 2012 X B 155/11, BFH/NV 2012, 2015, unter II.1.a). Dazu hätte vorliegend die Angabe der jeweiligen Nutzungszeiten in der Beschwerdebegründung gehört. Daran fehlt es.
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Im Übrigen hatte der Kläger vor dem FG selbst angegeben, er habe als Aufteilungsmaßstab "die Anzahl der Nutzer verwendet, weil ein anderer Aufteilungsschlüssel nicht sinnvoll erschien und realistisch möglich war" (Bl. 10 oben seines Schreibens vom 3. November 2004). Vor dem Hintergrund dieser eigenen Einschätzung des Klägers war es jedenfalls vertretbar, dass das FG ihn nicht zu Angaben über die Nutzungszeiten aufforderte.
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5. Auch in Bezug auf die Rüge, das FG hätte aufklären müssen, auf welcher objektiven Grundlage der 25 %-Nutzungsanteil bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ermittelt worden sei, fehlt es an den erforderlichen Darlegungen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich im Falle der Durchführung der begehrten Sachaufklärung ergeben hätten.
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6. Ferner begehrt der Kläger die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO). Er rügt insoweit eine Divergenz des angefochtenen Urteils zum Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. Juli 2015 GrS 1/14 (BFHE 251, 408, BStBl II 2016, 265, Rz 71). Dort sei eine Aufteilung nach Nutzungszeiten nicht als geeignet angesehen worden. Demgegenüber habe das FG diese Eignung bejaht.
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Die vom Kläger dargelegte Divergenz in den Rechtssätzen liegt zwar vor. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Entscheidung des Großen Senats erst nach Ergehen des angefochtenen Urteils veröffentlicht worden ist.
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Eine Revisionszulassung erfordert darüber hinaus aber, dass die herangezogenen Rechtssätze sowohl im angefochtenen Urteil als auch in der vermeintlichen Divergenzentscheidung tragend waren (Senatsbeschluss vom 28. Januar 2015 X B 103/14, BFH/NV 2015, 702, Rz 16, m.w.N.). Daran fehlt es in Bezug auf das FG-Urteil, weil darin der Betriebsausgabenabzug --trotz der angenommenen Eignung einer Aufteilung nach Nutzungszeiten-- im Ergebnis versagt worden ist. Dasselbe Ergebnis würde auch aus der Anwendung des vom Kläger angeführten Rechtssatzes aus der Entscheidung des Großen Senats folgen.
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7. Schließlich rügt der Kläger noch eine Divergenz zum Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 GrS 1/06 (BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672). Er entnimmt dieser Entscheidung den Rechtssatz, ein beruflich veranlasster Nutzungsanteil sei zu schätzen, wenn keine Zweifel daran bestünden, dass ein abgrenzbarer Teil der Aufwendungen beruflich veranlasst sei, aber deren Quantifizierung Schwierigkeiten bereite.
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Eine ordnungsgemäße Divergenzrüge hätte jedoch vorausgesetzt, dass der Kläger auch aus der angefochtenen vorinstanzlichen Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz herausarbeitet (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Januar 2011 X B 34/10, BFH/NV 2011, 813, unter 1.c, m.w.N.). Dies ist in der Beschwerdebegründung unterblieben.
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8. Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass nach seinem --erst während des Beschwerdeverfahrens ergangenen-- Urteil vom 17. Februar 2016 X R 26/13 (BFH/NV 2016, 1206) die Aufwendungen für privat mitgenutzte Allgemeinräume nicht anteilig den Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer zuzurechnen sind. Nichts anderes gilt, wenn der betrieblich genutzte Raum im ansonsten selbstgenutzten Haus nicht als häusliches Arbeitszimmer, sondern als "Werkstattraum" (Betriebsstätte) zu würdigen ist.
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9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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Annotations
(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.
(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.
(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.
(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn
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das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, - 2.
bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, - 3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, - 4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, - 5.
das Urteil auf eine mündliche Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder - 6.
die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.
(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.