Bundesfinanzhof Beschluss, 27. Jan. 2010 - VIII B 221/09
Gericht
Gründe
- 1
-
Die Beschwerde ist begründet.
- 2
-
Das angefochtene Urteil beruht auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger); die Sache wird deshalb unter Aufhebung des Urteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht (FG) zurückverwiesen (§ 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
- 3
-
1. Die Entscheidung des FG ohne die von den Klägern beantragte Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung verletzt deren Anspruch auf rechtliches Gehör.
- 4
-
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ein Gericht verpflichtet, anberaumte Verhandlungstermine zu verlegen, wenn hierfür erhebliche Gründe i.S. des § 227 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 155 FGO vorliegen (BFH-Beschlüsse vom 23. November 2001 V B 224/00, BFH/NV 2002, 520; vom 1. Februar 2002 II B 38/01, BFH/NV 2002, 938; vom 18. März 2003 I B 122/02, BFH/NV 2003, 1584). Zu den erheblichen Gründen gehören schon vor der Terminbekanntgabe geplante Urlaubsreisen (BFH-Beschluss vom 24. September 2008 VIII B 190/07, juris), anderweitig wahrzunehmende Gerichtstermine (BFH-Beschluss vom 12. Januar 2004 VII B 122/03, BFH/NV 2004, 654, m.w.N.) oder Erkrankungen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 3. August 2005 II B 47/04, BFH/NV 2005, 2041, und vom 10. Juni 2008 I B 211/07, BFH/NV 2008, 1697), wenn eine Vertretung nicht in Betracht kommt oder als nicht zumutbar erscheint (vgl. BFH-Beschluss vom 24. September 2008 VIII B 190/07, juris; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 91 Rz 4, m.w.N.).
- 5
-
b) Ob im Einzelfall solche Gründe für eine Terminsverlegung gegeben sind, muss das FG anhand der ihm bekannten Umstände beurteilen. Die Voraussetzungen durch Vortrag entsprechender Tatsachen zu schaffen, ist Aufgabe desjenigen, der die Verlegung beantragt (BFH-Beschluss vom 28. August 2002 V B 71/01, BFH/NV 2003, 178, m.w.N.). Das gilt insbesondere dann, wenn der Antrag --wie hier-- erst kurz vor der mündlichen Verhandlung gestellt wird (BFH-Beschluss vom 24. September 2008 VIII B 190/07, juris).
- 6
-
c) Hält das FG die Begründung für die Terminsverlegung nicht für ausreichend, muss es den Beteiligten aber regelmäßig zur Ergänzung seines Vortrags auffordern. Auch kann es verlangen, dass der Vortrag glaubhaft gemacht wird (§ 227 Abs. 2 ZPO; vgl. auch BFH-Beschlüsse vom 29. Juni 1992 V B 9/91, BFH/NV 1993, 180, und vom 16. November 2006 IX B 83/06, BFH/NV 2007, 476).
- 7
-
aa) Dies gilt nicht nur, wenn der Antrag auf Terminsänderung mehrere Tage vor dem anberaumten Termin beim FG gestellt wird, sondern auch --wenngleich mit Einschränkungen-- für Anträge "in letzter Minute" vor dem Termin, wie hier am Tag vor der anberaumten Verhandlung (BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 1697). In diesen Fällen ist ein --mit eingetretener Erkrankung begründeter-- Verlegungsantrag nach der ständigen BFH-Rechtsprechung nur beachtlich, wenn der Beteiligte die Gründe für die Verhinderung so darlegt und untermauert, dass das Gericht die Frage, ob die betreffende Person verhandlungs- und reiseunfähig ist oder nicht, selbst ohne Rückfrage beurteilen kann (BFH-Beschluss vom 1. April 2009 X B 78/08, Zeitschrift für Steuern und Recht --ZSteu-- 2009, R 674, m.w.N.).
- 8
-
Ist indessen der vorgetragene Verhinderungsgrund --wie im Streitfall eine bereits terminierte Fortbildungsveranstaltung-- seiner Art nach den Gründen i.S. des § 227 ZPO zuzurechnen, muss das FG Zweifel, ob der angegebene Grund tatsächlich gegeben ist, durch die in Abs. 2 der Vorschrift vorgesehene Aufforderung ausräumen, den Vortrag glaubhaft zu machen, soweit dies zeitlich möglich und zumutbar ist.
- 9
-
bb) Diese zeitliche Zumutbarkeit ist unabhängig von der Tatsache, dass ein Beteiligter vor Bekanntgabe einer positiven Bescheidung seines Verlegungsantrags grundsätzlich von einer Durchführung des anberaumten Termins auszugehen hat (vgl. BFH- Beschlüsse vom 12. November 1998 V B 30/98, V B 41/98, V B 99/98, BFH/NV 1999, 647; in ZSteu 2009, R 674), allein danach zu beurteilen, ob das Gericht in der Zeit zwischen Eingang des Antrags und Eröffnung der mündlichen Verhandlung die tatsächliche Möglichkeit einer solchen Aufforderung zur Glaubhaftmachung hat.
- 10
-
2. Nach diesen Grundsätzen kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben.
- 11
-
a) Mit dem am Vortag der mündlichen Verhandlung um 15:16 Uhr eingegangenen Fax haben die Prozessbevollmächtigten der Kläger Terminverlegung unter Hinweis auf eine zuvor "übersehene" Überschneidung "mit einer nicht verschiebbaren Fortbildungsveranstaltung" begründet. Auf dieser Grundlage musste aus der Sicht des FG von einer bereits vorher terminierten Fortbildungsveranstaltung ausgegangen werden, die ihrer Art nach umso mehr als erheblicher Grund i.S. des § 227 Abs. 1 ZPO anzusehen ist, als bereits terminierte Urlaubsreisen zu diesen Gründen gezählt werden.
- 12
-
b) Denkbare Zweifel daran, ob diese Veranstaltung tatsächlich für den gesamten Verhandlungstag ein zeitliches Hindernis darstellte, ggf. aufgrund kurzfristiger Planung unbeachtlich gewesen sein könnte (BFH-Beschluss vom 27. September 1988 VII B 95/88, BFH/NV 1989, 379) oder der Verhandlungstermin auch durch ein anderes Mitglied der prozessvertretenden Sozietät hätte wahrgenommen werden können (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Dezember 1997 X B 23/96, BFH/NV 1998, 726), betreffen nicht die von den Beteiligten unmittelbar und ohne Aufforderung zu leistende substantiierte Darlegung eines Vertagungsgrundes, sondern dessen Glaubhaftmachung.
- 13
-
Das Fehlen dieser Glaubhaftmachung kann nach der Regelung in § 227 Abs. 2 FGO den Beteiligten regelmäßig nur nach entsprechender erfolgloser Aufforderung durch das Gericht bzw. dessen Vorsitzenden entgegengehalten werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 23. August 2006 V B 171/04, juris; vom 5. März 2008 I B 109, 111-113/07, juris). Der Ausnahmefall, dass dies wegen der Kurzfristigkeit des Verlegungsantrags zeitlich nicht möglich ist, liegt im Streitfall ersichtlich nicht vor, weil der Antrag bereits am frühen Nachmittag des Vortages zur mündlichen Verhandlung einging und weder zu diesem Zeitpunkt noch vor dem Beginn der mündlichen Verhandlung ein erkennbares Hindernis für eine Aufforderung per Fax (über die gerichtsbekannte Fax-Nummer der Bevollmächtigten) oder Telefon bestanden hätte.
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.
(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.
(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.
(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.
(1) Aus erheblichen Gründen kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht
- 1.
das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür hält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist; - 2.
die mangelnde Vorbereitung einer Partei, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigt; - 3.
das Einvernehmen der Parteien allein.
(2) Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden, für eine Vertagung auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.
(3) Ein für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August bestimmter Termin, mit Ausnahme eines Termins zur Verkündung einer Entscheidung, ist auf Antrag innerhalb einer Woche nach Zugang der Ladung oder Terminsbestimmung zu verlegen. Dies gilt nicht für
- 1.
Arrestsachen oder die eine einstweilige Verfügung oder einstweilige Anordnung betreffenden Sachen, - 2.
Streitigkeiten wegen Überlassung, Benutzung, Räumung oder Herausgabe von Räumen oder wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs, - 3.
(weggefallen) - 4.
Wechsel- oder Scheckprozesse, - 5.
Bausachen, wenn über die Fortsetzung eines angefangenen Baues gestritten wird, - 6.
Streitigkeiten wegen Überlassung oder Herausgabe einer Sache an eine Person, bei der die Sache nicht der Pfändung unterworfen ist, - 7.
Zwangsvollstreckungsverfahren oder - 8.
Verfahren der Vollstreckbarerklärung oder zur Vornahme richterlicher Handlungen im Schiedsverfahren;
(4) Über die Aufhebung sowie Verlegung eines Termins entscheidet der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung; über die Vertagung einer Verhandlung entscheidet das Gericht. Die Entscheidung ist kurz zu begründen. Sie ist unanfechtbar.
Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.
(1) Aus erheblichen Gründen kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht
- 1.
das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür hält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist; - 2.
die mangelnde Vorbereitung einer Partei, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigt; - 3.
das Einvernehmen der Parteien allein.
(2) Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden, für eine Vertagung auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.
(3) Ein für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August bestimmter Termin, mit Ausnahme eines Termins zur Verkündung einer Entscheidung, ist auf Antrag innerhalb einer Woche nach Zugang der Ladung oder Terminsbestimmung zu verlegen. Dies gilt nicht für
- 1.
Arrestsachen oder die eine einstweilige Verfügung oder einstweilige Anordnung betreffenden Sachen, - 2.
Streitigkeiten wegen Überlassung, Benutzung, Räumung oder Herausgabe von Räumen oder wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs, - 3.
(weggefallen) - 4.
Wechsel- oder Scheckprozesse, - 5.
Bausachen, wenn über die Fortsetzung eines angefangenen Baues gestritten wird, - 6.
Streitigkeiten wegen Überlassung oder Herausgabe einer Sache an eine Person, bei der die Sache nicht der Pfändung unterworfen ist, - 7.
Zwangsvollstreckungsverfahren oder - 8.
Verfahren der Vollstreckbarerklärung oder zur Vornahme richterlicher Handlungen im Schiedsverfahren;
(4) Über die Aufhebung sowie Verlegung eines Termins entscheidet der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung; über die Vertagung einer Verhandlung entscheidet das Gericht. Die Entscheidung ist kurz zu begründen. Sie ist unanfechtbar.